LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2011 - 6 Sa 120/10
Fundstelle
openJur 2012, 64434
  • Rkr:

Versorgungsordnungen mit gespaltener Rentenformel sind durch die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahre 2003 nicht per se lückenhaft geworden und im Wege ergänzender Vertragsauslegung anzupassen.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23.09.2010 - Aktenzeichen 4 Ca 11369/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger für die Zeit von 01.01.2006 bis 30.11.2009 zustehenden Betriebsrente infolge der außerplanmäßigen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Rentenversicherung um 500,00 EUR monatlich zum 1. Januar 2003.

Der am 00.00.000 geborene Kläger war vom 01.02.1990 bis zum 31.12.2005 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als Projektmanager II gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt 7.600,00 EUR beschäftigt. Seit dem 01.01.2006 erhält der Kläger von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente in Höhe von zuletzt 1.034,47 EUR brutto.

Der Betriebsrentenanspruch des Klägers beruht auf der Versorgungsordnung 1995 der D. E. GmbH in der Fassung vom 01.07.1995 (im Folgenden: VO 1995, Anl. K 1 Bl. 10 ff. der erstinstanzlichen Akte). Die VO 1995 lautet auszugsweise wie folgt:

§ 5Ruhegeldfähiges Einkommen (1) . . . (2) Die Ermittlung des ruhegeldfähigen Einkommens erfolgt aus dem 13fachen des am Berechnungsstichtag geltenden vertraglich vereinbarten monatlichen Grundgehaltes bei Gehaltsempfängern bzw. bei Lohnempfängern des Monatslohns (= Jahresgehalt im Sinne der Leistungsrichtlinien). Dieses Jahresgehalt wird aufgeteilt in den Betrag bis zum 12fachen der jeweils am Berechnungsstichtag geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (Teil A), und ggf. in den Teil, der das 12fache dieser Beitragsbemessungsgrenze (Teil B) übersteigt. § 6Altersrente (1) . . . (2) Die jährliche Altersrente beträgt 0,4 % des ruhegeldfähigen Einkommens (Teil A) gem. § 5 bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung (nachfolgend kurz Beitragsbemessungsgrenze genannt) und 1,67 % des ruhegeldfähigen Einkommens (Teil B) gem. § 5 oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen, beides multipliziert mit der anrechnungsfähigen Dienstzeit gem. § 4. § 7Vorgezogene Altersrente (1) . . . (2) Unabhängig von den Voraussetzungen des Abs. (1) können Versorgungsberechtigte eine vorgezogene Altersrente beantragen, wenn sie nach mindestens 10 Jahren anrechnungsfähiger Dienstzeit und Vollendung des 55. Lebensjahres aus den Diensten von D. ausscheiden. § 15Rückdeckungsversicherung (1) D. ist berechtigt, zur Rückdeckung (Sicherstellung) ihrer Verpflichtungen aus dieser Versorgungsordnung einen entsprechenden Vertrag mit einem Versicherungsunternehmen abzuschließen. Sämtliche Rechte aus diesem Vertrag stehen ausschließlich D. zu. (2) . . . § 18Vorbehalte (1) D. behält sich vor, die Versorgungsleistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Inkrafttreten der Versorgungsordnung maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass D. die Aufrechterhaltung der zugesagten Versorgungsleistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Versorgungsberechtigten nicht mehr zugemutet werden können. (2) . . .

§ 3 Abs. 1 Ziff. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (Sozialversicherungs-Rechengrößen-verordnung 2003) vom 17. Dezember 2002 hatte die BBG in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 zunächst auf 55.200,00 EUR jährlich festgesetzt. Durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Dezember 2002 fügte der Gesetzgeber § 275c in das SGB VI ein. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die BBG in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 61.200,00 EUR jährlich fest. Die Erhöhung der BBG beträgt mithin jährlich 6.000,00 EUR oder monatlich 500,00 EUR. Mit diesem Sprung sollte der angespannten finanziellen Lage der Sozialversicherungssysteme Rechnung getragen werden. Zudem wurden durch § 275c Abs. 3 SGB VI die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der BBG des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte und hat zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der BBG des Jahres 2003 im Ergebnis auch für die folgenden Jahre erhöhend bei der Fortschreibung der BBG durch Verordnungen gemäß § 160 SGB VI auswirkte und auswirkt. So beträgt die BBG in der allgemeinen Rentenversicherung für das Jahr 2004 61.800,00 EUR und für das Jahr 2005 auf 62.400,00 EUR jährlich.

Infolge der außerplanmäßigen Erhöhung der BBG für das Jahr 2003 und der daraus resultierenden erhöhten Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung hat sich die Betriebsrente des Klägers in der Zeit von 01.01.2006 bis 30.06.2008 um monatlich 84,90 EUR und in der Zeit von 01.07.2008 bis 30.11.2009 um monatlich 90,41 EUR verringert. Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog der Kläger im vorliegenden Zeitraum noch nicht.

Der Kläger vertritt die Auffassung,

die Beklagte müsse ihm eine Betriebsrente in der Höhe zahlen, wie sie sich ohne die außerordentliche Anhebung der BBG im Jahr 2003 errechne. Dabei stützt sich der Kläger im Wesentlichen auf die beiden Entscheidungen des BAG vom 21.04.2009 (3 AZR 695/08 und 3 AZR 471/07). Er argumentiert, durch die außerplanmäßige Erhöhung der BBG im Jahr 2003 seien Versorgungsordnungen - wie die vorliegende - mit gespaltener Rentenformel zulasten der Betriebsrentner lückenhaft geworden und verfehlten das Versorgungsziel. Der 3. Senat des BAG habe in den Entscheidungen vom 21.04.2009 grundsätzliche Aussagen zur Proble-matik der außerordentlichen Erhöhung der BBG in Versorgungsordnungen mit gespaltener Rentenformel getroffen. Es sei davon auszugehen, dass alle Versorgungsordnungen mit einer gespaltenen Rentenformel durch die außerplanmäßige Anhebung der BBG im Jahre 2003 lückenhaft geworden seien. Ein Hinweis in der Versorgungsordnung auf die Bestimmung des § 159 SGB VI sei nicht erforderlich. Die Beitragsbemessungsgrenze sei seit 1924 immer nur im Verhältnis der durchschnittlichen Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter in Vergleichszeiträumen festgesetzt worden. Deshalb sei der Begriff der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung, wie er auch in der Versorgungsordnung der Beklagten verwendet werde, mit der Norm des § 159 SGB VI derartig verknüpft, dass diese Vorschrift nicht explizit in der Versorgungsordnung Erwähnung finden müsse. Der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke in der Versorgungsordnung sei es auch fremd, darauf abzustellen, in welcher Höhe beim jeweiligen Betriebsrentner Einbußen entstehen. Wenn man beim Feststellen einer planwidrigen Lücke auf die Höhe der Verringerung der Betriebsrente abstelle, würde dies zu einer großen Rechtsunsicherheit der Betriebsrentner der jeweiligen Versorgungsordnung führen. Die durch die außerplanmäßige Erhöhung der BBG im Jahre 2003 entstandene Regelungslücke sei dahin zu ergänzen, dass sich die Betriebsrente ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Anhebung der BBG errechne und von dieser Betriebsrente sodann der Betrag in Abzug zu bringen sei, um den sich die gesetzliche Rente infolge höherer Beitragszahlungen erhöht habe.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.083,97 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils

84,90 EUR seit 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2006, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2007, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07.,

90,41 EUR seit 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2008, 01.01.2009., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht,

weder eine ergänzende Vertragsauslegung noch ein möglicher Wegfall der Geschäftsgrundlage könnten einen Anspruch des Klägers auf erhöhte Betriebsrente begründen. Die streitgegenständliche Versorgungsordnung sei mit den Versorgungsordnungen, die den beiden Entscheidungen des BAG aus dem Jahre 2009 zugrunde lagen, nicht vergleichbar und weise durch die Erhöhung der BBG keine Lücke auf, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden könnte und müsste. Das BAG habe in seinen Entscheidungen vom 21.04.2009 keinesfalls generelle Aussagen über sämtliche Versorgungsordnungen mit gespaltener Rentenformel treffen wollen. Vielmehr bezögen sich die Ausführungen des BAG allein auf die in diesen Rechtsstreiten zugrunde liegenden Versorgungsordnungen. Im Gegensatz zu diesen beiden Versorgungsordnungen seien bei der vorliegend zu untersuchenden VO 1995 keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beklagte abweichend vom Wortlaut das Risiko nachteiliger Gesetzesänderungen habe übernehmen wollen. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 VO 1995 sei deutlich erkennbar, dass die jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze gemeint sei. Der rechtsdogmatisch zutreffende Ansatzpunkt sei ohnehin nicht die ergänzende Vertragsauslegung, sondern der Wegfall/die Störung der Geschäftsgrundlage. Die normale Entwicklung der BBG sei allerdings nicht zur Geschäftsgrundlage geworden, vielmehr sei beiden Parteien klar gewesen, dass die BBG variabel sei. Selbst wenn man jedoch wegen der außerplanmäßigen Erhöhung der BBG von einer Störung der Geschäftsgrundlage ausgehen wollte, so würde es sich hierbei angesichts der Rentenminderung des Klägers in Höhe von 7,6 bis 8,1 % nicht um eine schwere Äquivalenzstörung handeln, welche eine Anpassung des Vertrages erfordern würde.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.09.2009 die Klage abgewiesen. Das angefochtene Urteil führt insbesondere aus, dass der Kläger die geforderte erhöhte Betriebsrente weder unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung noch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangen könne. Anders als in den Entscheidungen des BAG vom 21.04.2009 könne im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, dass die Versorgungsordnung durch die außerplanmäßige Erhöhung der jährlichen BBG im Jahre 2003 lückenhaft geworden sei und deshalb ein Bedarf und die Möglichkeit für eine ergänzende Vertragsauslegung bestehe. Eine Auslegung der vorliegenden Versorgungszusage gem. § 133, 157 BGB ergebe, dass das mit der Versorgungsordnung verfolgte Versorgungsziel durch die vorliegende Versorgungseinbuße nicht verfehlt werde.

Im vorliegenden Fall könnte auch dahingestellt bleiben, ob die Annahme der Parteien, die BBG werde sich weiterhin an der Veränderung der Bruttolohn- und Gehaltssumme orientieren, zur Geschäftsgrundlage geworden sei. Denn jedenfalls mit einer Betriebsrenteneinbuße von 7,6 bis 8,1 % sei die Unzumutbarkeitsgrenze, die von der Rechtsprechung erst bei ca. 30 % bis 50 % angenommen werde, nicht überschritten.

Gegen das dem Kläger am 02.11.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.11.2010 eingelegte und am 07.01.2011 innerhalb der bis 02.02.2011 verlängerten Begründungsfrist ausgeführte Berufung des Klägers. Der Kläger vertieft das erstinstanzliche Vorbringen und beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte nach den Schlussanträgen der ersten Instanz zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 3 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.II.

In der Sache hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Die vom Kläger für den Zeitraum von Januar 2006 bis November 2009 geforderte erhöhte Betriebsrente steht ihm weder unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung (1.) noch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (2.) zu. Die Kammer schließt sich dem in der Parallelsache 2 Sa 115/10 am 10.05.2011 verkündeten Urteil der zweiten Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg in vollem Umfang an und macht sich deren Entscheidungsgründe zu eigen:

1. Im Gegensatz zu den den Urteilen des BAG vom 21. April 2009 zugrunde liegenden Versorgungsordnungen kann bei der vorliegenden Versorgungsordnung 1995 nicht festgestellt werden, dass sie durch die außerplanmäßige Erhöhung der jährlichen BBG im Jahre 2003 lückenhaft geworden ist und deshalb ergänzt werden muss.

1.1 Bei der vorliegenden Versorgungsordnung 1995 handelt es sich um eine Gesamtzusage und damit um eine für eine Vielzahl von Fällen geschaffene und folglich typische Regelung, die gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen ist. Eine ergänzende Vertragsauslegung setzt voraus, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit aufweist. Sie ist gegeben, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGH 17. Januar 2007 - VIII ZR 171/06 - BGHZ 170, 311 Rn. 28; BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - nv Rn. 26; BAG 21. April 2009 - 3 AZR 695/08 - BAGE 130, 214, Rn. 21). Gleichgültig ist, ob die Lücke von Anfang an bestanden hat oder nachträglich entsteht (BGH 24. Januar 2008 - III ZR 79/07 - NJW - RR 2008, 562, Rn. 14).

1.2 Der Kläger ist der Auffassung, dass sich die Ausführungen des BAG in den Entscheidungen vom 21. April 2009 auf alle Versorgungsordnungen mit einer gespaltenen Rentenformel bezögen. Derartige Bestimmungen seien durch die außerplanmäßige Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahre 2003 lückenhaft geworden, ohne dass es auf den Wortlaut der Versorgungsordnungen ankomme. Jedenfalls sei der in § 6 Abs. 2 der Versorgungsverordnung 1995 enthaltenen Bestimmung Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung zu entnehmen, dass auf die mit der tatsächlichen durchschnittlichen Lohn- und Gehaltsentwicklung verbundenen Norm des § 159 SGB VI Bezug genommen worden sei.

Das Bundesarbeitsgericht hat in den beiden genannten Entscheidungen ausgeführt, Sinn und Zweck einer gespaltenen Rentenformel sei es, den im Einkommensbereich über der BBG bestehenden erhöhten Versorgungsbedarf über die hierfür vorgesehene höhere Leistung abzudecken, da dieser Teil der Bezüge nicht durch die gesetzliche Altersrente abgesichert sei. Die außerordentliche Erhöhung der BBG im Jahre 2003 sei nicht nur von der bisherigen Systematik bei der Dynamisierung der BBG abgewichen, sie habe außerdem dazu geführt, dass das Versorgungsziel verfehlt werde: Die Einkommensbestandteile, die über dem allgemeinen Anstieg der Gehälter lägen, würden nur mit einem niedrigeren Versorgungsprozentsatz verpunktet. Dies führe zu erheblichen Versorgungseinbußen, solange den Beitragszeiten noch keine entsprechende Verbesserung der gesetzlichen Rente gegenüberstehe.

1.3 Die erkennende Kammer ist der Auffassung, dass trotz der relativ apodiktischen Formulierung des Leitsatzes (3 AZR 695/08) und des Orientierungssatzes (3 AZR 471/07) in den beiden Entscheidungen des BAG vom 21. April 2009 den Gründen dieser beiden Urteile nicht entnommen werden kann, dass Versorgungsordnungen mit gespaltener Rentenformel durch die außerplanmäßige Erhöhung der BBG per se lückenhaft geworden sind und diese Lücke generell angemessen zu ergänzen ist. Dieses Verständnis der beiden Entscheidungen des BAG wird auch von den meisten Kommentierungen der beiden Urteile des BAG - soweit ersichtlich - geteilt (Langohr-Plato, juris PR-ArbR 51/2009 Anm. 5; Blomeyer/Rolfs/Otto Betriebsrentengesetz 5. Aufl. Anh. § 1 Rn. 225; Hölscher/Janker BetrAV 2010, 141, 142; Rößler DB 2009, 2490, 2492; Weber DB 2010, 1642, 1644; Böhm/Ulbrich BB 2010, 1341, 1342). Deshalb kommt es im vorliegenden Verfahren auch nicht auf die Frage an, ob die durch die abrupte Anhebung der BBG ab 2003 in Versorgungsordnungen mit gespaltener Rentenformel entstandene Versorgungslücke mit Hilfe der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu schließen ist (so etwa Höfer BetrAVG Band I Arbeitsrecht Rn. 503; Förster/Rühmen/Cisch BetrAVG 12. Aufl. § 1 Rn. 73; wohl auch Blomeyer/Rolfs/Otto aaO Rn. 224b) oder über die ergänzende Vertragsauslegung (so die Entscheidungen des BAG vom 21. April 2009).

Denn die erkennende Kammer ist wie das angefochtene Urteil der Meinung, dass die Versorgungsordnung 1995 durch die außerplanmäßige Erhöhung der BBG nicht lückenhaft geworden ist und deshalb nicht unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens geschlossen werden muss. Haben die Parteien keine explizite Regelung zu der Frage der Ermittlung und Definition der BBG in die Versorgungszusage aufgenommen, ist diese auszulegen. Dabei kommt es insbesondere auf den objektiven Empfängerhorizont an. Auch aus den Begleitumständen und im Verhalten der Vertragsparteien nach Erteilung der Versorgungszusage können Rückschlüsse auf ihr Verständnis gezogen werden (Böhm/Ulbrich aaO Seite 1343 mwN).

Bei der vorliegenden Versorgungsordnung 1995 handelt es sich um eine endgehalts- und dienstzeitabhängige Leistungszusage mit gespaltener Rentenformel auf Basis einer Gesamtzusage. Diese Leistungszusage verweist nicht explizit auf die BBG nach § 159 SGB VI. In § 6 Abs. 2 werden lediglich die Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung genannt. Im Gegensatz zu den beiden Versorgungsordnungen, die den beiden Entscheidungen des BAG vom 21. April 2009 zugrunde gelegen haben, gibt es weder innerhalb der Versorgungsordnung 1995 noch außerhalb Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass die vorliegende Versorgungsordnung 1995 im Jahre 2003 planwidrig lückenhaft geworden ist.

Im Unterschied zur vorliegenden Versorgungsordnung 1995 enthält die der Entscheidung vom 21. April 2009 (3 AZR 471/07) zugrunde liegende Leistungszusage aus einer Betriebsvereinbarung einen expliziten Hinweis auf § 159 SBG VI und damit auf die (alleinige) Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensentwicklung und nicht auf die Erhöhung der BBG aus anderen, z.B. finanzpolitischen Gründen. Deshalb kann bei der Versorgungsordnung 3 AZR 471/07 durch die Umsetzung des § 275c SGB VI eine planwidrige Lücke entstanden sein. Bei der Versorgungsordnung 1995, die nur von der BBG in der Rentenversicherung spricht, wird auch die außerplanmäßige Anhebung der BBG erfasst.

Im Unterschied zur vorliegenden Versorgungsordnung 1995 enthält die der Entscheidung vom 21. April 2009 (3 AZR 695/08) zugrunde liegenden Leistungszulage aus einer Gesamtzulage eine Präambel, in der als Versorgungsziel die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards genannt wird. Weiter heißt es in dieser Präambel: Bei der Ermittlung der Höhe der betrieblichen Versorgungsleistungen war die Beitragsbemessungsgrenze aus der Sozialversicherung einzubeziehen, um den unterschiedlichen Versorgungsbedarf bei Lohn- und Gehaltsteilen oberhalb und unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze Rechnung zu tragen. Damit ist im Gegensatz zur vorliegenden Versorgungsverordnung 1995 der höhere Versorgungsbedarf als Beweggrund für die gespaltene Rentenformel benannt worden. Weiter ist in der Versorgungsordnung 3 AZR 695/08 ein Widerrufsvorbehalt enthalten, in dem sich die Arbeitgeberin für den Fall einer grundsätzlichen Änderung des Sozialversicherungsgesetzes, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung der BBG, vorbehalten hatte, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen. Auch in der Formulierung dieses Leistungsvorbehaltes hat das BAG zu Recht die Wertung gesehen, bei einer wesentlichen Änderung der BBG eine Anpassung der Leistungszusage für erforderlich zu halten.

Das angefochtene Urteil hat deshalb zu Recht festgehalten, dass im Gegensatz zu den beiden Leistungszusagen, die den genannten Entscheidungen des BAG zugrunde gelegen haben, der Wortlaut der Versorgungsordnung 1995 keinerlei Hinweise enthält, dass die Parteien ein bestimmtes Gesamtversorgungsniveau absichern wollten und sie dabei (nur) von der planmäßigen Anpassung der BBG ausgegangen sind.

Im Gegensatz zu den beiden vom BAG am 21. April 2009 entschiedenen Fällen, wo im Verfahren 3 AZR 695/08 eine um 26 % und im Verfahren 3 AZR 471/07 um 42 % verringerte Betriebsrente zu verzeichnen war, errechnet sich im vorliegenden Verfahren lediglich eine Einbuße um ca. 8,1 % (bis zum 31.08.2008) bzw. um ca. 6,2 % (ab dem 01.09.2008). (Im vorliegenden Fall beträgt die Verringerung ca. 8 %.) Auch nach Auffassung der erkennenden Kammer kann bei einer derart begrenzten wirtschaftlichen Auswirkung nicht davon gesprochen, dass der von den Parteien vereinbarte Versorgungsplan nicht mehr verwirklicht werden kann und damit eine planwidrige Unvollständigkeit vorliegt. Zwar ist eine von den Vertragspartnern nicht bedachte Regelungslücke nicht von einer Unzumutbarkeitsgrenze abhängig. Jedoch muss wiederum auch nicht gleich jede Entwicklung der Planparameter, die von den Erwartungen der Vertragspartner abweicht, eine Vertragslücke zur Folge haben. Schließlich sind die betrieblichen Versorgungssysteme für sehr lange Zeiträume konzipiert. Gewisse Toleranzabweichungen liegen daher in der Natur der Sache und sollten auch für beide Vertragspartner akzeptabel sein (Hölscher/Janker aaO, Seite 143).

2. Der Kläger kann die begehrte Rentennachzahlung auch nicht gem. § 313 BGB unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangen.

2.1 Gemäß § 313 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

2.2 Vorliegend kann es dahingestellt bleiben, ob die Annahme der Parteien, die BBG werde sich weiterhin (nur) an der Einkommensentwicklung der Arbeitnehmer orientieren, zur Geschäftsgrundlage iSd. § 313 BGB geworden ist oder nicht. Denn jedenfalls mit einer Verringerung der Betriebsrente von ca. 6 - 8 % ist die Unzumutbarkeitsgrenze bei weitem nicht überschritten. Ein Arbeitnehmer kann sich auf das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei Änderungen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung nur dann berufen, wenn gewisse Opfergrenzen überschritten sind. Dabei ging das BAG im Rahmen der Anpassungsrechtsprechung des § 16 BetrAVG von einer Opfergrenze von 40 % aus, der BGH von 30 % (vgl. Höfer BetrAVG aaO Rn. 488, 490). Bei Gesamtversorgungszusagen hat das BAG ein Anpassungserfordernis wegen Äquivalenzstörung erst bei einer Schwelle von mehr als 50 % gesehen (BAG 19. Februar 2008 - 3 AZR 290/06 - AP Nr. 5 zu § 313 BGB).III.

Der mit seinem Rechtsmittel unterlegene Kläger trägt gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens.IV.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.