LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.06.2011 - L 2 U 4059/10
Fundstelle
openJur 2012, 64374
  • Rkr:

Zu den Voraussetzungen bei einem Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im sogenannten Zugunstenverfahren gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) streitig, ob der Kläger wegen der Folgen des am 17. Februar 2000 erlittenen Arbeitsunfalls Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen kann.

Der 1962 geborene Kläger erlitt insgesamt drei Unfallereignisse mit Beteiligung des Kopfes und/oder der Halswirbelsäule 1999, 2000 und 2006. Laut DA-Bericht von Dr. S. vom 3. Dezember 1999 suchte der Kläger diesen am 1. Dezember 1999 auf und gab an, er habe am selben Tag bei seiner Arbeit als Baggerführer einen Schlag auf den Kopf bekommen und sei kurzzeitig bewusstlos gewesen. An den Unfallhergang könne er sich nicht erinnern. Nach einer Röntgenuntersuchung des Schädels ohne Hinweis auf eine knöcherne Verletzung diagnostizierte Dr. S. eine Schädelprellung mit Platzwunde und Verdacht auf Gehirnerschütterung. Zunächst schrieb er den Kläger für fünf Tage arbeitsunfähig krank. Eine computertomographische Untersuchung der HWS ergab am 3. Dezember 1999 eine Vorwölbung der Bandscheibe im Segment C5/C6; Dr. S. verlängerte die Arbeitsunfähigkeit wegen eines HWS-Syndroms mit pseudoradikulärer Ausstrahlung bis zum 31. Dezember 1999. Nach konservativer Behandlung nahm der Kläger im Januar 2000 wieder seine Berufstätigkeit auf. Die Behandlung auf Kosten der Berufsgenossenschaft - zuständiger Unfallversicherungsträger für das Ereignis war die Steinbruchs-Berufsgenossenschaft - wurde zum 31. Dezember 1999 beendet.

Laut dem Bericht von Dr. S. vom 21. Februar 2000 stellte sich der Kläger an diesem Tag erneut bei ihm vor und berichtete, ihm sei am 17. Februar 2000 bei seiner Arbeit als Berufskraftfahrer auf der Rückfahrt von S. in S. beim Schließen des LKW von oben ein schweres Brett auf den Kopf gefallen. Er habe sich selbst einen Verband angelegt und sei nach Deutschland zurückgefahren. Bis zwei Tage nach dem Unfall habe er an Schwindel und Erbrechen gelitten. Dr. S. stellte am Kopf des Klägers eine ca. drei cm lange verschorfte Platzwunde mit Schwellung fest sowie eine leichte Blockierung der HWS im unteren Bereich in beide Richtungen und Myogelosen im Nacken; neurologisch stellte er keine pathologischen Befunde fest. Er diagnostizierte eine Platzwunde mit Schädelprellung und eine HWS-Distorsion. Er schrieb den Kläger ab 21. Februar 2000 voraussichtlich bis zum 27. Februar 2000 arbeitsunfähig krank; bereits am 23. Februar 2000 nahm der Kläger seine Arbeit wieder auf. Am 2. Mai 2000 stellte sich der Kläger wieder bei Dr. S. vor und berichtete von starken Schmerzen im rechten Arm mit Sensibilitätsstörungen. Seinen Angaben zufolge seien kurze Zeit nach dem Unfall Schmerzen im rechten Arm mit deutlichen Sensibilitätsstörungen aufgetreten. Eine von Dr. S. veranlasste MRT vom 5. Mai 2000 führte zum Nachweis eines mediolateralen Bandscheibenvorfalls C5/C6 sowie einer rechtsbetonten Bandscheibenvorwölbung C6/C7. In seinem Bericht vom 22. Mai 2000 führte Dr. S. aus, bei der vorherigen Untersuchung der HWS mittels CT vom 3. Dezember 1999 habe lediglich eine Bandscheibenprotrusio medio-lateral rechts C5/C6 ohne neurologische Symptome bestanden. Als Diagnose äußerte Dr. S. den Verdacht auf eine posttraumatische Bandscheibenläsion. Am 15. Mai 2000 stellte sich der Kläger bei Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vor. Ihm berichtete er, dass ihm in Avignon ein 25 kg schweres Brett auf den Kopf gefallen sei. Mit heftigen Schmerzen am Kopf und im Nacken sei er am Boden liegend wieder zu sich gekommen. Er sei danach mit seinem Lastzug nach Deutschland zurückgefahren. Seit die Beschwerden seitens des Kopfes abgeklungen seien, habe er ein Taubheitsgefühl im rechten Zeigefinger an der daumenwärtigen Seite und am Daumen selbst festgestellt; bei Beugebewegungen im Ellenbogen habe er das Gefühl, weniger Kraft zu haben. Dr. W. ging von einer beim Unfall erlittenen, folgenlos ausgeheilten Gehirnerschütterung und von einer Stauchung der HWS aus, die zu einer Irritation der Wurzel C6 rechts mit diskreter Bizepsschwäche und Sensibilitätsstörungen an der Hand geführt habe. Im von der Beklagten übersandten Fragebogen gab der Kläger unter dem 11. Juni 2000 an, beim Schließen der Türen nach Beladen des LKW habe sich ein Alubrett von ca. 25 kg Gewicht gelöst und sei ihm von oben auf den Kopf gefallen. Die weitere Behandlung des Klägers erfolgte zunächst vom 5. bis 15. Juni 2000 und 20. bis 28. Juni 2000 stationär im Klinikum K. und anschließend vom 11. Juli bis 1. August 2000 in der Rehabilitationsklinik S.. In beiden Einrichtungen fand eine konservative Behandlung wegen der Diagnose eines Bandscheibenvorfalls C5/C6 mit Nervenwurzelirritation C6 sowie von Bandscheibenvorfällen L4/L5 und L5/S1 mit Nervenwurzelirritation S1, jeweils rechts, statt. Ab dem 1. Juni 2000 bezog der Kläger von der AOK Ortenau Krankengeld, von der die Beklagte auch das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers einholte. Nach diesem erfolgten bereits 1995 und 1999 Behandlungen wegen eines BWS-/HWS-Syndroms.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. R. das unfallchirurgische Zusammenhangsgutachten vom 29. November 2000. Als Unfallhergang führte er aus, dass am 17. Februar 2000 dem Kläger beim Schließen seines LKW ein ca. 25 kg schweres Aluminiumbrett aus zwei m Höhe auf den Kopf gefallen sei. Der Kläger sei anschließend mit seinem LKW nach Deutschland zurückgefahren, wo er allerdings habe weiterarbeiten müssen. Erst am 21. Februar 2000 habe er Dr. S. aufgesucht. Nach Angaben des Klägers seien ab etwa zwei Wochen nach dem Unfall Kribbelparästhesien im Bereich des rechten Daumens und Zeigefinger aufgetreten. Eine Dokumentation hierüber fände sich in den Unterlagen nicht. Nachdem ihm am 27. Februar 2000 von der Firma H. in O. gekündigt worden sei, arbeite er seit 15. September 2000 wieder als Fernfahrer. Prof. Dr. R. führte aus, durch den Unfall vom 17. Februar 2000 sei eine Platzwunde am Schädel, eine Schädelprellung und eine HWS-Stauchung verursacht worden. Dadurch sei eine Arbeitsunfähigkeit vom 21. bis 28. Februar 2000 bedingt gewesen. Anlagebedingte oder schicksalshafte Gesundheitsstörungen seien durch den Arbeitsunfall nicht wesentlich verschlimmert worden. Die mit den Unfallfolgen einhergehende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege bei < 10 v.H. Die Bandscheibenvorfälle seien jedoch keine Unfallfolge. Zwar erscheine das Unfallereignis für einen Bandscheibenschaden der Halswirbelsäule als geeignet. Ein Unfallzusammenhang für einen Bandscheibenschaden setze aber eine erhebliche Unfalleinwirkung, die Ausbildung deutlicher für den Bandscheibenvorfall typischer Symptome in unmittelbarem zeitlichen Anschluss und eine alsbaldige Einstellung belastender körperlicher Tätigkeiten voraus. Der Kläger sei nach dem Unfallereignis noch in der Lage gewesen, seinen LKW aus S. bis nach Deutschland zu fahren. Erst nach vier Tagen habe er seinen Hausarzt aufgesucht. Erst zweieinhalb Monate nach dem Unfallereignis sei aufgrund von Kribbeln im Bereich des rechten Daumens und Zeigefingers ein Bandscheibenvorfall im Bereich C5/C6 rechts mit Einengung des Neuroforamens C5/C6 festgestellt worden. Im DA-Bericht vom 21. Februar 2000 seien keine Sensibilitätsstörungen im Bereich der oberen Extremitäten angegeben. Bereits in der CT vom 3. Dezember 1999 sei eine Bandscheibenprotrusio mediolateral im Bereich zwischen C5/C6 festgestellt worden. Zusammenfassend müsse festgestellt werden, dass mehr Fakten gegen die Anerkennung des Bandscheibenvorfalls infolge des Arbeitsunfalls vom 17. Februar 2000 sprächen. Im Vorerkrankungsverzeichnis seien mehrere Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zusammenhang mit der Wirbelsäule, insbesondere der HWS, vor dem angeschuldigten Ereignis erfasst. Bereits die Röntgenaufnahmen vom 21. Februar 2000 sowie die CT vom 3. Dezember 1999 zeigten degenerative Veränderungen der unteren HWS bzw. eine Vorwölbung der Bandscheibe im Segment C5/C6.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2000 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Februar 2000 sowie die Anerkennung der Bandscheibenveränderungen als Unfallfolgen ab. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit am 26. Juli 2004 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom Dr. S. beantragte dieser eine stationäre Rehamaßnahme für den Kläger. Seit dem 24. April 2002 sei der Kläger wegen einer posttraumatischen degenerativen Veränderung der unteren HWS mit radikulärer Symptomatik arbeitsunfähig. Die Reflex- und Sensibilitätsstörung, die dem HWS-Segment mit einem rechtsseitigen medio-lateralen Bandscheibenvorfall bei Neuroforameneinengung zuzuordnen sei, weise auf einen posttraumatischen Schaden hin, der auf den Unfall vom 17. Februar 2000 zurückzuführen sei. Durch den Unfall sei es zu einer richtungsweisenden Verschlechterung des cervikalen Bandscheibenschadens gekommen, der bereits vor dem Unfall bestanden habe. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5. Oktober 2004 führte Dr. S. dazu aus, bereits im Zusammenhangsgutachten vom 29. November 2000 sei ausgeführt, dass mehr gegen die Anerkennung als für einen Unfallzusammenhang spräche. Es hätten sich keine neuen Aspekte ergeben, die es erforderten, die Zusammenhangsfrage erneut aufzurollen. Die jetzt vom Hausarzt beschriebenen Veränderungen seien unfallunabhängig. Mit Schreiben vom 8. November 2004 an Dr. S. führte die Beklagte aus, die für den Antrag auf ein stationäres Heilverfahren maßgeblichen Beschwerden stünden nicht in Zusammenhang mit dem Unfallereignis, sodass keine weitere Behandlung des Bandscheibenvorfalls zu Lasten der Beklagten stattfinden könne. Der dagegen von den früheren Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 29. November 2004 erhobene Widerspruch wurde von der Beklagten, die diesen Widerspruch für unzulässig hält, bislang nicht verbeschieden.

Mit Schreiben seines jetzigen Bevollmächtigten vom 15. März 2006 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheids vom 21. Dezember 2000 nach Maßgabe des § 44 SGB X. Seit dem fraglichen Arbeitsunfall leide der Kläger unter einem extremen Schmerzsyndrom. Er habe unmittelbar nach dem Unfall entsprechende Beschwerden gehabt und sei mit extremsten Schmerzen nach Hause gefahren. In Deutschland sei er vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt worden und habe das Abladen des LKW selbst erledigen müssen. Er habe auf die Zähne gebissen. Er habe anschließend praktisch das ganze Wochenende im Bett verbracht. Am folgenden Montag sei er wegen des Persistierens der Schmerzen zum Arzt gegangen.

Der Kläger gibt an, am 18. März 2006 bei einer Kontrolle durch f. Polizeibeamte gewaltsam aus dem Führerhaus seines LKW gezogen und verprügelt worden zu sein. Beim Anlegen von Handschellen seien ihm der Kopf und die rechte Schulter verdreht worden. Prof. Dr. R. diagnostizierte als Durchgangsarzt am Tag dieses Ereignisses Schürfungen beider Handgelenke mit Handgelenksdistorsion, eine Zerrung der rechten Schulter mit Prellungen am Oberarm sowie eine HWS-Distorsion bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen.

Mit Bescheid vom 15. August 2006 lehnte die Beklagte die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 21. Dezember 2000 mit der Begründung ab, dass keine neuen Anhaltspunkte dafür vorgebracht worden seien, dass die Entscheidung unrichtig sei. Das beschriebene Schmerzsyndrom sei auf die unfallunabhängigen Wirbelsäulenerkrankungen zurückzuführen. Der hiergegen am 8. August 2006 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2006 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 6. Dezember 2006 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben, mit der er unter Rücknahme des Bescheids vom 21. Dezember 2000 die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 v.H. aufgrund eines unfallbedingten Bandscheibenvorfalles begehrt. Die ebenfalls erhobene Untätigkeitsklage hat der Kläger zurückgenommen. Durch den Unfall am 17. Februar 2000 sei es zu einer traumatischen Läsion dreier Bandscheiben der HWS gekommen. Das Unfallereignis sei geeignet gewesen, eine solche Verletzung auszulösen. Nicht unfallbedingt seien die Bandscheibenvorfälle an der Lendenwirbelsäule. Die Beschwerden hätten erst nach diesem Unfall begonnen, seien zunächst leichterer Art gewesen und hätten sich dann sukzessive gesteigert. Die Beschwerden seien auch unmittelbar nach dem Unfallereignis aufgetreten. Zur Begründung hat der Kläger weiter ein für die private Unfallversicherung erstelltes Gutachten von Dr. K. vom 2. September 2000 vorgelegt. Dieser hat im Rahmen der Unfallanamnese ausgeführt, der Kläger habe, nachdem ihm ein ca. 30 bis 35 kg schweres Brett aus ca. zwei m Höhe auf das Schädeldach geschlagen sei, sowohl am Schädeldach als auch im Bereich der HWS sofort Schmerzen gehabt. Da es sich um einen wichtigen LKW-Transport gehandelt habe, habe er keinen Arzt aufgesucht, sondern sich selbst einen Kompressionsverband am Kopf angelegt und sei weitergefahren. Nach Rückkehr nach Deutschland sei er von seinem Chef nachdrücklich dazu bewegt worden, noch eine weitere LKW-Fahrt zu unternehmen. Nach Rückkehr von dieser Fahrt habe er bei sehr schlechtem Allgemeinbefinden anhaltende Kopf- und Nackenschmerzen gehabt. Eine Woche nach diesem Unfallereignis sei es zu zunehmenden Kribbelgefühlen am rechten Daumen, Zeigefinger und Handgelenk gekommen. Für die traumatische Genese eines Bandscheibenvorfalls sei eine schwere Gewalteinwirkung von außen, die mit Stauchungen und Verbiegungen der Wirbelsäule einhergehe, geeignet. Wichtig für die Anerkennung sei weiterhin, dass die typischen Beschwerden des WS-Syndroms sofort nach dem Unfall einsetzten und dass der Kranke unmittelbar vor dem Ereignis beschwerdefrei gewesen sei. Vorliegend sei das Unfallereignis die überwiegende Ursache des Bandscheibenvorfalls. Die beschriebenen vorbestehenden degenerativen Veränderungen zwischen C6/7 seien zu vernachlässigen. Derzeit bestehe nahezu völlige Beschwerdefreiheit.

Auf Antrag des Klägers hat das SG sodann gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein fachorthopädisches Gutachten von Dr. G. vom 4. Februar 2008 eingeholt. Er kam zu dem Ergebnis, es bestünden Zephalgien und Cervikobrachialgien rechts bei Spondylodese HWK5/6/7 vom 30. August 2006 mit postoperativ aufgetretenen persistierenden Sensibilitätsstörungen und Schluckstörungen. Die Cervikobrachialgien mit Hypästhesien seien auf das Ereignis vom 17. Februar 2000 zurückzuführen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Kläger habe angegeben, vor dem Unfallereignis keine Cervikobrachialgien gehabt zu haben. Die unfallbedingten Gesundheitsstörungen verursachten eine MdE von > 20 v.H. Das Unfallereignis sei schwer genug gewesen, um Rissbildungen und nachfolgende Bandscheibenschädigungen zu verursachen.

Die Beklagte ist der Klage und dem Sachverständigengutachten von Dr. G. entgegengetreten. Im Gutachten fehlten jegliche Überlegungen zur Kausalität und insbesondere eine Auseinandersetzung mit den Vorgutachten. Wie anhand der mitgebrachten MRT-Befunde bestimmte Diagnosen im Sinne der Entstehung unmittelbar und alleine mit dem Unfallereignis in Eintracht gebracht werden könnten, sei nicht nachvollziehbar. Der Antwort zu Beweisfrage 3 liege der klassische Fall eines logischen Fehlers zu Grunde. Der Hinweis auf den Abschlussbericht vom 4. August 2000 mit einer MdE >20 v.H. sei als Begründung nicht ausreichend.

Das SG hat weiter von Dr. S. und Prof. Dr. R. als sachverständigen Zeugen schriftliche Auskünfte eingeholt. Dr. S. hat in seiner Stellungnahme vom 15. August 2008 angegeben, die Röntgenuntersuchung der HWS nach dem Unfall vom 17. Februar 2000 habe eine ausgeprägte Steilstellung als Zeichen einer frischen Verletzung ergeben, die bei der Voruntersuchung (CT am 3. Dezember 1999) noch nicht nachweisbar gewesen sei. Insgesamt habe wohl der Hauptschaden der HWS beim zweiten Unfall stattgefunden. Zu erwähnen sei ein unfallunabhängiger alter Schaden mit bereits damals nachgewiesenen spondylotischen Veränderungen, der aber zumindest 1999 vor dem Unfall keinerlei Beschwerden oder Behandlungsbedürftigkeit verursacht habe. Bei der Kernspinuntersuchung am 2. Mai 2000 habe sich ein rechtsseitiger Bandscheibenvorfall C5/C6 gezeigt. Gegenüber der Voruntersuchung vom 3. Dezember 1999 habe sich aus der Bandscheibenprotrusio ein Bandscheibenvorfall entwickelt sowie eine zusätzliche Protrusio im Segment C6/C7. Durch die beiden Unfälle am 1. Dezember 1999 und 17. Februar 2000 sei es zu einer richtungsweisenden Verschlechterung der Veränderungen an der HWS gekommen.

Das SG hat die Gerichtsakte des Landgerichts B. Aktenzeichen: ... zum Verfahren beigezogen und daraus das neurochirurgische Gutachten von PD Dr. K. zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht. Im Rahmen der Anamnese hat Dr. K. ausgeführt, der Kläger habe angegeben, insbesondere im Bereich der HWS vor dem Unfall vom 17. Februar 2000 keine Beschwerden gehabt zu haben. Im Rahmen der Unfallanamnese hat Dr. K. ausgeführt, der Kläger habe angegeben, bereits zu diesem Zeitpunkt Taubheitsgefühle im Bereich der rechten Hand, insbesondere im Daumen und Zeigefinger, gespürt zu haben. Die Beschwerden hätten angehalten und seien schlimmer geworden. PD Dr. K. ist zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger habe beim Unfall am 16. Februar 2000 ein plötzlich und unerwartet von außen auf seinen Körper einwirkendes schädigendes Ereignis erlitten, das die Voraussetzungen für eine unfallbedingte Schädigung erfülle. Die beklagten Beschwerden im Bereich der Kopf-/Nackenregion seien direkt nach dem Trauma eingetreten. Dieser Umstand werde für eine Ursachenbeziehung herangezogen. Bei einem Vergleich der CT-Untersuchung der HWS vom 3. Dezember 1999 mit der kernspintomographischen Untersuchung vom 5. Mai 2000 lasse sich eine deutliche neurologische Veränderung im Bereich des Bandscheibenfaches HWK5/6 nachweisen. Vom Schweregrad der im Rahmen des Unfalles erlittenen Verletzung sei entsprechend den Befunden von einer Bandscheibenruptur und Verlagerung des Bandscheibengewebes auszugehen. Die bei der aktuellen gutachterlichen Untersuchung erhobenen Befunde wiesen auf eine chronische Beeinträchtigung der Belastbarkeit der HWS in den zurückliegenden Jahren hin. Hierdurch könne es zu Fehlbelastungen der Wirbelsäule kommen, die sich in einer verstärkt voranschreitenden degenerativen Veränderung auswirkten. Als Hinweis für eine verstärkt voranschreitende degenerative Veränderung der HWS könnten die in der CT-Untersuchung vom 31. Mai 2006 nachweisbaren ausgeprägten spondylophytären, knöchernen Veränderungen im Bereich der HWS gewertet werden. Somit seien hier nach dem Unfall durch eine chronische Belastungsstörung zumindest verstärkt voranschreitende degenerativen Veränderungen der HWS zumindest mitursächlich für die jetzt durchgeführte operative Versorgung der HWS zu werten.

Auf Veranlassung des SG hat am 31. März 2010 Prof. Dr. S. ein orthopädisches Sachverständigengutachten erstattet. Im Rahmen der Unfallanamnese hat er vom Kläger wiedergegeben, dass anfänglich nach dem Unfall vom 16. Februar 2000 nur Kopf- und Nackenschmerzen bestanden hätten und nach ca. acht bis zehn Tagen dann eine Taubheit und ein Kribbelgefühl in den Armen beidseits, rechts mehr als links, hinzugekommen sei sowie ein Kraftverlust in den Armen. Mit dieser Symptomatik habe er unter Schmerzmedikation weitergearbeitet. Als beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörungen hat er angegeben: Versteifung der HWS-Segmente C5 bis C7 (2006 wegen Aufbrauch mit Bandscheibenverschleiß), Aufbrauch von C4/5, Nacken-/Arm-Schmerz rechts, Schädelprellung, HWS-Distorsion. Prof. Dr. S. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Unfall vom 17. Februar 2000 zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der bereits vorgelegenen Bandscheibensituation geführt habe, jedoch nicht als wesentliche Teilursache für die vorliegende Problematik angeschuldet werden könne. Auf das Ereignis seien die Schädelprellung sowie die HWS-Stauchung sowie vorübergehend - über vier bis acht Wochen - die Sehnen-Begleitresektion des Nacken/Arm-Schmerzes rechts zurückzuführen. Der Kläger sei nach dem Unfallereignis noch in der Lage gewesen, seinen LKW aus S. bis nach Deutschland zu fahren. Erst vier Tage nach dem Unfallereignis habe er seinen Hausarzt aufgesucht und wiederum erst zehn Tage später sei es zu den ersten Kribbelparästhesien und zu den Schmerzen im Bereich der Hände gekommen. Ein Vorschaden 1999 sei nachgewiesen. Das erlittene Unfallereignis - axiale Stauchung von Kopf und Wirbelsäule - sei nicht als geeignetes Unfallereignis für einen Bandscheibenschaden anzusehen. Für einen Unfallzusammenhang müsse eine bandscheibenschadenassoziierte Symptomatik in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang und eine sofortige Einstellung belastender körperlicher Tätigkeit belegt sein. Dies sei beim Kläger nicht nachzuvollziehen. Der Kläger sei aufgrund der unfallbedingten Gesundheitsstörungen bis zum 23. Februar 2000 arbeitsunfähig gewesen. Es habe bis zum 22. Februar 2000 eine MdE von 100 v.H., bis zum Ende der sechsten Woche 20 v.H. und danach weniger als 10 v.H. bestanden.

Mit Urteil vom 15. Juni 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. S. gestützt. Wesentlich durch den Unfall verursachte Gesundheitsstörungen seien die ausgeheilte Schädelprellung und HWS-Stauchung sowie für einen Zeitraum von vier bis acht Wochen die Nacken-Arm-Schmerzen rechts. Der Arbeitsunfall vom 17. Februar 2000 habe lediglich zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der Situation an der verschleißbedingt erheblich vorgeschädigten Wirbelsäule geführt, sei jedoch nicht wesentliche Teilursache der Bandscheibenproblematik. Das Unfallereignis sei ungeeignet gewesen, eine relevante Schädigung der Bandscheibe zu verursachen, da eine axiale Stauchung wie hier die Bandscheibe nicht unter Stress setze. Zweitens fehle es an den bei einer rechtlich wesentlich traumatisch verursachten Bandscheibenverletzung unvermeidlichen, kernspintomographisch nachweisbaren Begleitverletzung im umliegenden Gewebe. Schließlich sei weder die sofortige Einstellung körperlich belastender Tätigkeiten noch das sofortige Eintreten für eine Bandscheibenverletzung typischer Symptome belegt.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 2. August 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. August 2010 Berufung eingelegt. Die Annahme, dass der Unfallhergang vom 17. Februar 2000 ein ungeeignetes Ereignis für das Herbeiführen der beim Kläger vorhandenen HWS-Bandscheibenschäden gewesen sei, sei unzutreffend. Schon blandere Ereignisse könnten Bandscheibenschäden verursachen, so z.B. die spontane Belastung des Skelettsystems. Jedenfalls bei vorgeschädigten Bandscheiben bedürfe es nicht einer tangentialen oder horizontalen Belastung. Sowohl die Sachverständigen Dr. K., Dr. G. und PD Dr. K. als auch Dr. S. gingen von einer Geeignetheit des Unfalles vom 17. Februar 2000 aus. Im Übrigen habe der Kläger initiale Beschwerden gehabt, so massive Schmerzen in der HWS; neurologische Symptome seien ca. 14 Tage später aufgetreten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2006 zu verpflichten, den Bescheid vom 21. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ausgehend von den Unfallfolgen des Arbeitsunfalls vom 17. Februar 2000 eine Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H. zu gewähren,hilfsweise, ein neurochirurgisches Sachverständigengutachten einzuholen,weiter hilfsweise, ein orthopädisches Sachverständigengutachten einzuholen,höchsthilfsweise, gem. § 109 SGG ein neurochirurgisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. S. und ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. von S. einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und ihre Bescheide für rechtmäßig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (drei Bände), die Klageakte des SG (S 9 U 6070/06) und die Nebenakte des SG sowie die Berufungsakte des Senats (L 2 U 4059/10) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs.1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-1825 § 2 Nr. 2;L BSGE 88, 75, 77; BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 8; BSG sozR 3-4100 § 249e Nr. 7; BSG SozR 3-3100 § 30 Nr. 18; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 54 Rdnr. 20c; a.A. im Sinne einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage bzw. Leistungsklage BSGE 97, 54, 56; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 19).

1.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 21. Dezember 2000 und - unter Berücksichtigung eines Bandscheibenvorfalls C5/6 und einer Bandscheibenprotrusio C6/7 als Folge des Arbeitsunfalls vom 17. Februar 2000 - auf Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H.

Ausgangspunkt der Prüfung ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach der Rechtsprechung des BSG durchbricht diese Regelung des Verfahrensrechts nicht nur die Bindungswirkung eines Bescheids, sondern auch die Rechtskraft einer diesen bestätigenden gerichtlichen Entscheidung. Auch wenn der Bescheid durch eine rechtskräftige sozialgerichtliche Entscheidung bestätigt worden ist, ist die Beklagte danach verpflichtet, den belastenden Teil der vorgenannten Bescheide zurückzunehmen, sofern die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X vorliegen (BSG, Urteil vom 7. Dezember 1989 - 4 RA 110/88 -, veröffentlicht in Juris). Ergibt sich im Rahmen eines Antrags auf Erlass eines Zugunstenbescheids aber nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen. Werden zwar neue Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen und neue Beweismittel benannt, ergibt aber die Prüfung, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren, darf sich die Behörde ebenfalls auf die Bindungswirkung stützen. Nur wenn die Prüfung zu dem Ergebnis führt, dass ursprünglich nicht beachtete Tatsachen oder Erkenntnisse vorliegen, die für die Entscheidung wesentlich sind, ist ohne Rücksicht auf die Bindungswirkung erneut zu entscheiden. Auch wenn die neue Entscheidung ebenso lautet wie die bindend gewordene Entscheidung, ist in einem solchen Fall der Streitstoff in vollem Umfang erneut zu prüfen (vgl. BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 = SozR 1300 § 44 Nr. 33 = BSGE 63, 33). Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des BSG hat allerdings, wenn geltend gemacht wird, das Recht sei unrichtig angewandt worden, immer eine erneute - rechtliche - Prüfung der bindenden Entscheidung zu erfolgen. Denn insoweit komme es nicht auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel an, sondern es handele sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden könnten, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen müsse (BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 2 U 24/05 R -, veröffentlicht in Juris). Diese Frage kann hier offenbleiben. Denn zum Einen geht es hier nicht um eine neue rechtliche Prüfung und zum Anderen geht der Senat davon aus, dass jedenfalls in Fällen der rechtskräftigen Bestätigung der zu überprüfenden Entscheidung im Rücknahmeverfahren nach § 44 SGB X eine erneute Sachprüfung ähnlich wie nach § 580 ZPO erst stattfinden muss, wenn der vorgebrachte Einwand seiner Art nach geeignet ist, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts darzutun und wenn dieser Einwand eine tatsächliche Grundlage hat (vgl. BSG vom 3. Februar 1988 - 9/9a RV 18/86 = SozR 1300 § 44 Nr. 33 = BSGE 63, 33).

Ob bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden Recht (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, § 44 SGB X Rdnr. 29 m.w.N.). Die unrichtige Rechtsanwendung begründet allein noch keinen Rücknahmeanspruch. Denn dieser ist nur gegeben, wenn auch die weitere Voraussetzung erfüllt ist, dass deswegen Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind. Diese Frage beantwortet sich nach der materiellen Rechtslage, wie sie sich für den geltenden gemachten Anspruch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung ergibt (vgl. BSGE 57, 209, 210; BSGE 78, 109, 113; BSG SozR 4-1300 § 44 Nr. 5). Wie das BSG (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 44; SozR 1300 § 44 Nr. 38; ebenso im Grundsatz BSG, Urteil vom 8. März 1995 - 9 RV 7/93 -; Urteil vom 30. September 1996 - 10 RKg 20/95 -) entschieden hat, dient das Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X ausschließlich der materiellen Gerechtigkeit. Eine Rücknahmeverpflichtung besteht nach § 44 SGB X nicht schon dann, wenn der Verwaltungsakt nur irgendwie fehlerhaft war; vielmehr kommt es allein darauf an, ob er vom materiellen Ergebnis her berechtigt war, dem Betroffenen die abgelehnte Leistung nach materiellem Recht zustand. Nur dieses ist im Rahmen eines Zugunstenverfahrens bei einem Aufhebungsbescheid nach § 44 SGB X zu überprüfen.

Gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Satz 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkende Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Satz 3).

Der Bescheid vom 15. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2006 ist nach diesen Grundsätzen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine sachliche Prüfung des bindend gewordenen Bescheids vom 21. Dezember 2000.

Die Beklagte hat keine erneute Sachprüfung getroffen. Ob eine Behörde eine solche getroffen und damit einen sogenannten Zweitbescheid erlassen hat, ist durch eine am objektiven Sinn der Erklärung orientierte Auslegung des Bescheids zu ermitteln (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 28. März 1996 - 7 C 36.95 -, veröffentlicht in Juris). In dem angegriffenen Bescheid vom 15. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2006 hat die Beklagte nur geprüft, und verneint, dass bei Erlass des Bescheids vom 21. Dezember 2000 das Recht nicht unrichtig angewandt wurde und nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen wurde. Die Beklagte war der Auffassung, dass keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse vorgetragen wurden, die für die Entscheidung wesentlich oder bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt geblieben sind. Diese Entscheidung ist rechtmäßig.

Zunächst ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass bei Erlass des Bescheids vom 21. Dezember 2000 das Recht unrichtig angewandt wurde. Daneben wurden vom Kläger aber auch keine neuen Tatsachen vorgetragen, aus denen sich eine Unrichtigkeit der mit dem vorgenannten bindenden Verwaltungsakt getroffenen Entscheidung ergeben kann. Soweit der Kläger in seinem Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 21. Dezember 2000 gemäß § 44 SGB X hat ausführen lassen, dass er seit dem fraglichen Arbeitsunfall unter einem extremen Schmerzsyndrom leide und es teilweise auch neurologische Ausfälle gegeben habe, gibt er dabei selbst zu erkennen, dass es sich, da das Schmerzsyndrom seit dem 17. Februar 2000 besteht, um keine neue Tatsache handelt. Soweit der Kläger von neurologischen Ausfällen berichtet, waren diese bereits Gegenstand der unfallchirurgischen Begutachtung durch Prof. Dr. R.; dieser hat in seinem Sachverständigengutachten vom 29. November 2000 ausgeführt, dass der Kläger zum Krankheitsverlauf angegeben habe, dass er etwa zwei Wochen nach dem Unfallereignis Kribbelparästhesien im Bereich des rechten Daumens und Zeigefingers gehabt habe; eine Dokumentation hierüber lasse sich jedoch nicht finden. Soweit vorher Dr. S. in seinem Antrag für den Kläger vom 26. Juli 2004 auf Durchführung eines stationären Reha-Verfahrens ausgeführt hat, der Kläger sei wegen einer posttraumatischen degenerativen Veränderung der unteren HWS mit radikulärer Symptomatik arbeitsunfähig, wobei eine MRT-Untersuchung einen rechtsseitigen medio-lateralen Bandscheibenvorfall, komplizierend bei Neuroforameneinengung, ergeben habe, sind auch dies keine neuen Tatsachen, die die Beklagte hätten veranlassen müssen, in eine erneute Prüfung des bindend gewordenen Bescheids vom 21. Dezember 2000 einzutreten. Die Diagnose eines medio-lateralen Bandscheibenvorfalls C5/C6 war seit der MRT vom 5. Mai 2000 bekannt und ist auch entsprechend in die Begutachtung von Prof. Dr. R. eingegangen. Soweit darüber hinaus Dr. S. ausführt, dass die Reflex- und Sensibilitätsstörung, die dem Segment C5/6 zuzuordnen sei, auf einen posttraumatischen Schaden hinweise, handelte es sich hierbei zum einen nicht um eine Tatsache, sondern um die Auffassung von Dr. S. zur Kausalität zwischen dem Unfall des Klägers am 17. Februar 2000 und dem Vorliegen des Bandscheibenvorfalls. Zum anderen hat Dr. S. diese Auffassung bereits vor Erlass des Bescheids vom 21. Dezember 2000 in seinem Nachschau-Bericht vom 2. Mai 2000 mitgeteilt, als er die Diagnose eines Verdachts auf posttraumatische Bandscheibenläsion angegeben hat, die er damit begründete, dass nunmehr ein Bandscheibenvorfall C5/6 vorliege, wohingegen bei der vorherigen Untersuchung der HWS am 3. Dezember 1999 lediglich eine Bandscheibenprotrusio medio-lateral rechts C5/6 vorgelegen und auch noch keine neurologischen Symptome bestanden hätten.

Damit ist dem Senat die - erneute - Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 21. Dezember 2000 verwehrt.

2.

Unabhängig davon hat die Beklagte bei Erlass dieses Bescheids weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich aus heutiger Sicht als unrichtig erweist. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des anerkannten Arbeitsunfalls nach einer MdE von mindestens 20 v.H. nicht zu. Der medio-laterale rechtsseitige Bandscheibenvorfall C5/6 sowie die rechtsbetonte Bandscheibenprotrusio C6/7 sind keine Unfallfolgen des Arbeitsunfalls vom 10. Februar 2000.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus wenigstens um 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente ( § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII -). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei der Bemessung der MdE werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB VII). Allerdings begründet nicht jeder Gesundheitsschaden, der bei der Ausübung einer unfallversicherten Tätigkeit eintritt, eine Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers. Vielmehr muss neben dem Nachweis der Tatbestandsmerkmale der versicherten Tätigkeit und des Gesundheitsschadens auch ein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Gesundheitsschaden (haftungsausfüllende Kausalität) bestehen.

Nach der auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwendenden Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung sind Ursache und Mitursache unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur diejenigen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, vgl. BSGE 1, 72 , 76; 61, 127, 129; 63, 272, 278). Sind zwei oder mehr Ereignisse im gleichen Maße wesentlich für den Erfolg, dann sind sie alle wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinne. Die untere Grenze der Wesentlichkeit einzelner Bedingungen im Vergleich zu anderen Mitbedingungen liegt dort, wo der Anteil der einzelnen entscheidenden Bedingung im Verhältnis zu dem Gesamtbündel der übrigen (nicht anspruchsbegründenden) Mitbedingungen nicht mehr als wesentlich bewertet werden kann (BSG, 12.02.1998, B 8 Kn 3/96 Ur). Ein mitwirkender Faktor ist dann rechtlich unwesentlich, wenn er von der einen oder anderen Ursache ganz in den Hintergrund gedrängt wird. Unfallunabhängige Faktoren überwiegen an ursächlicher Bedeutung, wenn sie bei vernünftiger lebensnaher Betrachtung die tatsächlich und auch rechtlich allein wesentliche Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsschadens darstellen, das Unfallereignis deshalb völlig zurückdrängen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 26). Mithin gilt: Besteht im Unfallzeitpunkt eine Krankheitsanlage des geschädigten Körperteils, so muss abgegrenzt werden, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis zu etwa derselben Zeit durch andere alltäglich vorkommende Ereignisse hätte verursacht werden können, oder ob der Krankheitsanlage eine solche überragende Bedeutung nicht beigemessen werden kann und daher dem Unfallgeschehen ein wesentlicher Ursachenbeitrag zuzuerkennen ist (BSGE 62, 220 , 222; BSG Breithaupt 1968, 823, 824; Brackmann/Krasney, Handbuch der Unfallversicherung -- Gesetzliche Unfallversicherung - 12. Auflage § 8 SGB VII Rn . 378).

Des vollen Beweises bedarf im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der Sachverhalt, der gesetzliche Tatbestandsmerkmale verwirklichen soll; für den kausalen Zusammenhang zwischen Tatsachen genügt dagegen hinreichende Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit ist eine Wahrscheinlichkeit, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 32, 203, 209; 45, 1, 10; 45, 285, 286). Die gute Möglichkeit eines Zusammenhangs reicht nicht aus (BSG v. 24.02.1988, USK 8825, 113). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG 31.07.1962, Breithaupt 1963, 60, 61). Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache sind von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 30, 121, 123 m.w.N.). Hinsichtlich anspruchsbegründender Voraussetzungen trifft die Beweislosigkeit denjenigen, der Ansprüche geltend macht oder für den sie geltend gemacht werden. Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, für die ein Antragsteller die objektive Beweislast trägt, gehört auch die Kausalität zwischen Tatsachen, die den Anspruch im Übrigen begründen (st. Rechtspr., vgl. nur BSGE 30, 278, 281; 35, 216, 218).

Die MdE richtet sich wie bereits ausgeführt nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung: BSGE 63, 207, 209 = SozR 2200 § 581 Nr. 28 m.w.N., vgl. BT-Drucks 13/2204 S 90). Bei der Bemessung des Grades der MdE handelt es sich um eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. etwa Urteil des BSG vom 18.03.2003, Az: B 2 U 31/02 R, zitiert nach juris, dort Randnr. 17). Die Bemessung der MdE hängt dabei von zwei Faktoren ab: den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSGE 6, 267, 268 = SozR Nr. 25 zu § 128 SGG; SozR 2200 § 581 Nr. 6). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5 m.w.N.; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII Stand: Januar 2004, § 56 RdNr. 67 ff). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (vgl. zum Ganzen Urteil des BSG vom 22.06.2004, Az. B 2 U 14/03 R, SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen bestätigt das Ergebnis der Ermittlungen im Klageverfahren die Entscheidung der Beklagten in ihrem Bescheid vom 21. Dezember 2000. Gestützt auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Prof. Dr. S. und auch Prof. Dr. R. führte der Arbeitsunfall vom 17. Februar 2000 zur Überzeugung des erkennenden Senats beim Kläger zu einer vorübergehenden Verschlimmerung der bereits vorgelegenen Bandscheibensituation; auf das Unfallereignis ursächlich zurückzuführen waren die Schädelprellung sowie die Halswirbelsäulen-Stauchung sowie vorübergehend im Rahmen dieser Stauchung und Schädelprellung und Sehnen-Begleitresektion der Nacken-/Arm-Schmerz rechts. Nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sind jedoch der mediolaterale rechtsseitige Bandscheibenvorfall C5/6 und die rechtsbetonte Bandscheibenprotrusio C6/7 als Unfallfolgen ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 17. Februar 2000 zurückzuführen. Der Senat schließt sich - wie auch bereits das SG - nach eigener Prüfung den diesbezüglichen Schlussfolgerungen von Prof. Dr. S. an. Bei der Beurteilung einer Unfallverursachung von Bandscheibenverletzungen der HWS - so auch für den medio-lateralen rechtsseitigen Bandscheibenvorfall C5/6 beim Kläger - gilt, dass Voraussetzung des Nachweises für einen traumatischen Bandscheibenvorfall u.a. das Vorliegen ligamentärer und/oder knöcherner Begleitverletzungen sind. Ohne diese ist eine Schadensanlage als wesentlich und das Unfallereignis als Gelegenheitsursache anzusehen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S.434, 436). Weder durch die vier Tage nach dem Unfall durchgeführte Röntgenuntersuchung der HWS noch durch das am 5. Mai 2000 angefertigte MRT haben sich Anhaltspunkte für das vorliegen derartiger Begleitverletzungen ergeben. Auf das Fehlen solcher derartiger Begleitverletzungen hebt auch schlüssig Prof. Dr. S. für eine nicht gegebene hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem Bandscheibenvorfall ab, wenn er den Unfallhergang am 17. Februar 2000 - axiale Stauchung von Kopf und Wirbelsäule - als nicht geeignetes Unfallereignis für einen Bandscheibenschaden ansieht. Er ist davon ausgegangen, dass nicht eine Stauchung eine Bandscheibe schädigt, sondern eine Zerreißung durch einen Hochrasanz-Unfall, wobei auch das Weichgewebe zwischen Haut und Bandscheibe geschädigt würde; das MRT der HWS vom 5. Mai 2000 habe jedoch eine solche Schädigung nicht belegt. Die Annahme von Prof. Dr. S., dass es sich bei einer axialen Stauchung von Kopf und Wirbelsäule nicht um einen geeigneten Unfallhergang handelt, der eine Bandscheibenverletzung (z.B. Bandscheibenvorfall) herbeiführt, wird gestützt durch die Erkenntnisse der Sozialmedizin, wonach Bewegungen mit Scher-/ Rotationswirkung, Überbeugung, Überstreckung sowie Zugbelastung eine Bandscheibe zerreißen können, wobei je nach Art der Einwirkung die Begleitverletzung ligamentärer oder knöcherner Art sind (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 436). Diesen Erkenntnissen entspricht auch die Annahme von Prof. Dr. S. von einem dann im Hinblick auf den Arbeitsunfall am 17. Februar 2000 nicht geeigneten Unfallhergang zur Herbeiführung eines Bandscheibenvorfalls. Im Übrigen ist nochmals hervorzuheben, dass ohne entsprechende Begleitverletzungen - die vorliegend nicht nachgewiesen sind - eine Schadensanlage als wesentlich für das Entstehen des Bandscheibenvorfalls zu betrachten ist. Dass im Hinblick auf das geschädigte HWS-Segment C5/6 eine Schadensanlage vorhanden war, ist nachgewiesen aufgrund der CT-Untersuchung vom 3. Dezember 1999, bei der eine Bandscheibenprotrusion im Segment C5/C6 festgestellt wurde. Der Senat folgt dem Sachverständigen Prof. Dr. S. auch darin, dass gegen einen hinreichend wahrscheinlichen Unfallzusammenhang des Bandscheibenvorfalls mit dem Unfall am 17. Februar 2000 auch die Tatsache spricht, dass die mit einem Bandscheibenschaden assoziierte Symptomatik nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang belegt ist und auch eine sofortige Einstellung belastender körperlicher Tätigkeit seitens des Klägers nicht erfolgt ist. Der Kläger hat während des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens angegeben, dass ca. zwei Wochen nach dem Unfall - nach seinen Angaben im Gutachten von Prof. Dr. S. nach ca. acht bis zehn Tagen - eine Taubheit und ein Kribbelgefühl in den Armen beidseits, rechts mehr als links sowie ein Kraftverlust in den Armen als Beschwerden zu den anfänglichen nur Kopf- und Nackenschmerzen hinzugekommen seien. Bedrängt jedoch das ausgetretene (vorgefallene) Bandscheibengewebe eine Nervenwurzel, liegen initial klinisch Nervenwurzelreiz- oder Ausfallsymptome vor. Diese sind jedoch nicht ärztlicherseits dokumentiert. Im Gegenteil hat Dr. S. in seinem Bericht vom 21. Februar 2000 ausdrücklich angeführt, dass neurologisch kein Befund zu erheben war. Im Übrigen bestehen seitens des Senats erhebliche Zweifel an den vom Kläger angegebenen schweren Kopf- und Nackenschmerzen, den der Kläger ist seinen Angaben zufolge unmittelbar nach dem Unfall die Strecke von S. zu seinem Arbeitgeber nach Hause gefahren und hat auch noch alleine den LKW abgeladen. Zwar hat der Kläger hierzu angegeben, dies nur aufgrund des massiven Drängens seines Arbeitgebers gemacht zu haben. Dennoch bestehen beim Senat diesbezüglich erhebliche Zweifel daran, wie sich das Weiterarbeiten des Klägers vereinbaren lässt mit der bei traumatischen Bandscheibenvorfällen aufgrund der erforderlichen Krafteinwirkung und der Begleitverletzungen stets eintretenden starken lokalen Schmerzsymptomatik (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 438). Im Übrigen hat der Kläger auch erst vier Tage nach dem Unfall erstmals einen Arzt - am 21. Februar 2000 - aufgesucht.

Von den Schlussfolgerungen von Prof. Dr. S. ist der Senat auch deshalb überzeugt, weil sie durch das unfallchirurgische Gutachten von Prof. Dr. R. vom 29. November 2000 gestützt werden. Prof. Dr. R. ist bei der Abwägung der für und gegen einen Zusammenhang des Bandscheibenvorfalls mit dem Unfall sprechenden Gesichtspunkte zu der Schlussfolgerung gelangt, dass mehr gegen als für einen solchen Zusammenhang spricht. Er hat ausgeführt, dass ein Unfallzusammenhang für einen Bandscheibenschaden eine erhebliche Unfalleinwirkung, die Ausbildung deutlicher für den Bandscheibenvorfall typischer Symptome in unmittelbarem zeitlichen Anschluss und eine alsbaldige Einstellung belastender körperlicher Tätigkeiten voraussetze. Dem steht entgegen, dass der Kläger nach dem Unfallereignis noch in der Lage war, seinen LKW aus S. bis nach Deutschland zu fahren und erst vier Tage nach dem Unfallereignis seinen Hausarzt aufgesucht hat. Gegen einen entsprechenden Zusammenhang steht auch der Umstand, dass die neurologische Untersuchung am 21. Februar 2000 unauffällig gewesen ist. Sensibilitätsstörungen im Bereich der oberen Extremitäten hat der Kläger nicht angegeben. Erst zweieinhalb Monate nach dem Unfallereignis wurde aufgrund von Kribbel- und Taubheitsgefühlen im Bereich des rechten Daumens und Zeigefingers ein Bandscheibenvorfall im Bereich C5/6 rechts mit Einengung des Neuroforamens C5/6 festgestellt. Auch der Neurologe Dr. W. hat erst am 15. Mai 2000 eine Nervenwurzel C6-Irritation rechts festgestellt. Im Übrigen war der Kläger vor diesem Arbeitsunfall im Hinblick auf seine HWS nicht beschwerdefrei. Bereits im Dezember 1999 bestand nach dem Vorerkrankungsverzeichnis der A. ein BWS-/HWS-Syndrom. Auch im Dezember 1995 war der Kläger wegen eines solchen Syndroms arbeitsunfähig.

Nicht gefolgt ist der Senat dem orthopädischen Sachverständigengutachten von Dr. G. vom 4. Februar 2008, der davon ausgeht, dass im Hinblick auf die beim Kläger vorliegenden Cervikobrachialgien und Hypästhesien der Arbeitsunfall vom Februar 2000 hinreichend wahrscheinlich zu einer richtungsweisenden Verschlechterung der vorbestehenden HWS-Situation beim Kläger geführt hat. Denn Dr. G. beschränkt sich bei der Begründung des von ihm angenommenen hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs ausschließlich auf den Hinweis, der Kläger habe angegeben, vor dem Unfallereignis am 17. Februar 2000 keine Cervikobrachialgien gehabt zu haben. Dr. G. unternimmt somit keine Kausalitätsdiskussion und er lässt jegliche Auseinandersetzung mit dem Vorhandensein eines für das Vorliegen eines isolierten traumatischen Bandscheibenvorfalls erforderlichen Schädigungstatbestandes, mit der Geeignetheit des Unfallereignisses, mit entsprechenden initialen Beschwerdesymptomen nach einem traumatisch verursachten Bandscheibenvorfall sowie mit dem Umstand vermissen, dass der Kläger trotz der bei einer solchen Unfallfolge stets eintretenden starken lokalen Schmerzsymptomatik noch in der Lage war, seinen LKW über eine lange Strecke nach Hause zu fahren, diesen LKW selbst abzuladen, erst nach Ablauf von vier Tagen einen Arzt aufgesucht hat und mit dem Umstand, dass erstmals am 5. Mai 2000 der Bandscheibenvorfall diagnostiziert wurde.

In vergleichbarer Weise gilt dies für das in dem Verfahren beigezogene Gutachten von PD Dr. K. vom 16. Juli 2007. Er schließt im Wesentlichen vom Schweregrad der im Rahmen des Unfalls erlittenen Verletzung auf eine Bandscheibenruptur und Verlagerung des Bandscheibengewebes. Er setzt sich jedoch nicht damit auseinander, ob der Unfallhergang prinzipiell dazu geeignet war, einen solchen Schaden am HWS-Segment C5/6 herbeizuführen, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass bei einem als Unfallfolge auftretenden Bandscheibenvorfall stets begleitende (minimale) knöcherne oder Bandverletzung im betroffenen Segment entstehen, die jedoch vorliegend beim Kläger ärztlicherseits nicht dokumentiert sind und dass im Hinblick auf seine Annahme, es sei auch zu einer Verlagerung des Bandscheibengewebes gekommen, entsprechende neurologische Symptome initial nicht aufgetreten sind, sondern vier Tage nach dem Unfall von Dr. S. ausdrücklich verneint wurden und nach den Angaben des Klägers erst ca. zehn bis vierzehn Tage nach dem Unfall erstmals aufgetreten sind.

Die Berufung des Klägers war danach zurückzuweisen.

II.

Der Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen bedurfte es nicht, da es, wie oben dargelegt, schon aufgrund des fehlenden Prüfungsanspruchs nach § 44 SGB X nicht auf die im Schriftsatz vom 8. Juni 2011 genannten Beweisfragen ankommt und der medizinische Sachverhalt im Übrigen durch die in den Akten befindlichen orthopädischen und unfallchirurgischen Gutachten erschöpfend aufgeklärt ist. Ein weiteres Gutachten war auch nicht nach § 109 SGG einzuholen. Dies ergibt sich wiederum bereits aus der fehlenden Entscheidungserheblichkeit. Im Übrigen war dem Antrag des Klägers, nach § 109 SGG bei Dr. v. S. ein orthopädisches Sachverständigengutachten einzuholen, auch deswegen nicht stattzugeben, weil der Kläger von seinem Antragsrecht nach § 109 SGG bereits im erstinstanzlichen Verfahren im Hinblick auf die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. G. Gebrauch gemacht hat. Das Antragsrecht nach § 109 SGG steht grundsätzlich nur einmal in den beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz im Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG SozR 3-1500 § 109 Nr.1). Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich nur bei Vorliegen besonderer Umstände (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 109 Rdnr. 10b). Solche sind nicht gegeben. Bei unverändertem Sachverhalt - insbesondere im Hinblick auf den vom Kläger seinen wiederholten Antrag gemäß § 109 SGG zugrunde gelegten Umstand, dass das HWS-Segment C5/6 bereits durch eine bestehende Bandscheibenprotrusio vorgeschädigt gewesen sei - muss im Berufungsverfahren kein neues Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden (BSG SozR Nr. 18 zu § 109 SGG). Der Sachverhalt hat sich im Berufungsverfahren nicht geändert. Im Berufungsverfahren sind weitere medizinische Ermittlungen zum Sachverhalt nicht erfolgt, insbesondere ist kein weiteres Gutachten eingeholt worden. Im Übrigen reicht eine Begutachtung auf einem anderen Gebiet nach Auffassung des Senats nicht aus, um besondere Umstände für eine erneute Antragstellung nach § 109 SGG anzunehmen. Maßgeblich ist, ob der Angehörige des weiteren Gebiets über zusätzliche Erkenntnisse und damit eine größere Sachkunde verfügt (Udsching, NZS 1992, 50, 54). Dies ist aber regelmäßig nicht gegeben, wenn die Gesundheitsstörungen in sich überschneidende Gebiete wie (Neuro)Chirurgie und Orthopädie fallen. Die Behandlung von Verletzungen und deren Folgen werden sowohl vom Gebiet der (Neuro)Chirurgie als auch vom Gebiet der Orthopädie umfasst. Im Regelfall verfügt damit ein Angehöriger des einen Gebiets nicht über zusätzliche entscheidende Erkenntnisse, die die Sachkunde des Angehörigen des anderen Gebiets übertreffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).