OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.01.2011 - 15 WF 2/11
Fundstelle
openJur 2012, 63678
  • Rkr:

Die Anfechtung einer Kostenentscheidung richtet sich nach der Zivilprozessordnung und ist deshalb in der Regel nicht selbständig anfechtbar.

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Backnang vom 29.11.2010 wird als unzulässig

verworfen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Verfahrenswert der Beschwerde: Bis 1.200,00 EUR

Gründe

I.

Die Beteiligten führten vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Backnang einen Rechtsstreit um nachehelichen Unterhalt und Kindesunterhalt. Mit Beschluss vom 29.11.2010 entschied das Familiengericht über die geltend gemachten Ansprüche. Die dazu ergangene Kostenentscheidung (Nr. 3 der Entscheidungsformel) lautete auf Kostenaufhebung.

Mit Schriftsatz vom 22.12.2010 legte der Antragsteller sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ein. Zur Begründung gab er an, bezogen auf den Gesamtstreitwert, sei er mit einem Anteil von lediglich 22% unterlegen. Zudem habe er wegen der notwendigen Einschaltung eines Unterbevollmächtigten höhere Kosten als die Antragsgegner gehabt. Daher sei es unangemessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Sie müssten vielmehr im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens gequotelt werden.

II.

Die vom Antragsteller erhobene sofortige Beschwerde ist unzulässig.1.

Die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung in einer Familienstreitsache ist nicht statthaft (§§ 231 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 112 Nr. 1, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 99 Abs. 1 ZPO).

Vorliegend handelt es sich um eine Unterhaltssache nach § 231 Nr. 1 und 2 FamFG, also eine Familienstreitsache gemäß § 112 Nr. 1 FamFG. Auf solche Verfahren sind zwar nach § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG die Bestimmungen des FamFG über die Beschwerde, §§ 58 ff. FamFG, anzuwenden, nicht heranzuziehen sind aber die Regelungen über Kostenentscheidungen (§§ 80 bis 84 FamFG). Insofern gelten die Bestimmungen der Zivilprozessordnung (§§ 91 ff.), wie aus § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG folgt.

Dieser Verweis auf die Zivilprozessordnung führt dazu, dass Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung zu treffen und nur unter Berücksichtigung des zugehörigen Rechtsmittelsystems der ZPO anfechtbar sind. Somit ist also eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung nicht zulässig (§ 99 Abs. 1 ZPO), es sei denn, es läge einer der Fälle vor, in denen die sofortige Beschwerde nach § 567 ff. ZPO statthaft ist (§§ 91 a Abs. 2, 99 Abs. 2, 269 Abs. 5). Da vorliegend keiner der Ausnahmefälle gegeben ist, war die vom Antragsteller erhobene Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.2.

Die Auffassung, dass die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung in Familienstreitsachen unzulässig ist, ist allerdings nicht unumstritten.

a) Zunächst besteht aber - soweit ersichtlich - Einigkeit darüber, dass in Familiensachen außerhalb der Familienstreitsachen (§ 111 Nr. 2 bis 7 FamFG) eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung - anders als nach früherem Recht (§ 20a FGG) - möglich ist (OLG Stuttgart, FamRZ 2010, 664; OLG Bremen, Beschl. vom 20.09.2010 - 4 WF 119/10, juris; Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Aufl., 2010, § 58 FamFG, Rn. 5; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl., 2009, § 58, Rn. 95). Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 16/6308, S. 168: Um den Beteiligten eine Überprüfung dieser Ermessensentscheidung [gemeint ist die Kostenentscheidung nach § 81 FamFG] zu eröffnen, wird das Verbot der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgehoben).

b) Das OLG Oldenburg (FamRZ 2010, 1831) ist der Auffassung, dass die Möglichkeit der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung auch in Familienstreitsachen besteht. Der oben unter 1. angesprochene Ausschluss des Kostenrechts der §§ 80 bis 84 FamFG durch § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG habe nicht auch die Anwendung des Rechtsmittelrechts der Zivilprozessordnung auf Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen zur Folge. Vielmehr verbleibe es bei der Anwendung der §§ 58 ff. FamFG. Damit finde § 99 Abs. 1 ZPO keine Anwendung.

Jedenfalls aber, so ein zweiter Argumentationsstrang des OLG Oldenburg (a.a.O.), verdränge § 243 FamFG als lex specialis die Anwendung des § 99 ZPO.

c) Dem ist nicht zu folgen.

Der Verweis auf das Kostenrecht der Zivilprozessordnung in § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG hat nach dem Willen des Gesetzgebers zur Folge, dass auch das zugehörige Rechtsmittelrecht nach der Zivilprozessordnung Anwendung findet. Nach der bereits zitierten Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/6308, S. 168 unter I. 10. [§§ 80 ff. FamFG]) sollte das Verbot der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit aufgehoben werden, also ausdrücklich nicht für Familienstreitsachen. Der Gesetzgeber ging somit von der weiteren Anwendbarkeit des § 99 Abs. 1 ZPO auf Familienstreitsachen aus. Noch deutlicher folgt aus BT-Drucks. 16/12717 (S. 60 zu Buchstabe m [Änderung von § 117 FamFG], Abs. 1 a.E.), dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers das Rechtsmittelsystem der ZPO auf Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen Anwendung finden soll. Dort wird der im Gesetzgebungsverfahren aus der richterlichen Praxis geäußerte Wunsch, klarzustellen, ob gegen Kostenentscheidungen nach Erledigung der Hauptsache oder nach Antragsrücknahme in Familienstreitsachen die Beschwerde nach § 58 FamFG oder die sofortige Beschwerde stattfindet, mit der Begründung abgelehnt, dass sich dies bereits ohne Klarstellung aus dem Gesetz ergebe; die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG finde nur statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist; § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG sei eine solche andere Bestimmung, die zur Anwendung der §§ 91a Abs. 2 und 269 Abs. 5 ZPO führe.

Die damit zum Ausdruck gebrachte Einschätzung, dass der Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG ohne weiteres zur Anwendung des Rechtsmittelrechts der ZPO auf Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen führe, ist zwar nicht zwingend. Der Wille des Gesetzgebers ist dennoch mit hinreichender Deutlichkeit im Gesetzestext zum Ausdruck gekommen, wenn auch in ganz anderem Zusammenhang, nämlich im FamGKG. Die Nr. 1910 des Kostenverzeichnisses zum FamGKG sieht eine Gebühr von 75 EUR für Verfahren über die Beschwerde in den Fällen des § 71 Abs. 2, § 91 a Abs. 2, § 99 Abs. 2 und § 269 Abs. 5 ZPO vor. Wäre die Auffassung zutreffend, dass Kostenentscheidungen in Familienstreitsachen mit der Beschwerde nach § 58 FamFG ohne Berücksichtigung des Rechtsmittelrechts der ZPO anzufechten sind, wäre die Bestimmung überflüssig (so zu Recht OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.10.2010 - 6 UF 72/10 -, juris). Sowohl die systematische Auslegung als auch die Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers führen somit zum Ergebnis, dass in Familienstreitsachen die Anfechtung von Kostenentscheidungen nach den Bestimmungen des Kostenrechts der ZPO zu beurteilen ist (zu diesem Ergebnis gelangen auch: KG, NJW 2010, 3588; OLG Nürnberg, FamRZ 2010, 1837; OLG Saarbrücken a.a.O m.w.N.; OLG Oldenburg, Beschl. vom 08.10.2010 - 4 WF 226/10, juris; Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 58, Rn. 97; Zöller/Herget, ZPO, a.a.O., § 243 FamFG, Rn. 10). Damit ist auch eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung gemäß § 99 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen (OLG Oldenburg, Beschl. vom 08.10.2010 - 4 WF 226/10 , juris; OLG Stuttgart, Beschl. vom 01.12.2010 - 17 UF 242/10 , juris, für eine Familienstreitsache nach § 266 FamFG; Keidel/Meyer-Holz a.a.O., § 58, Rn. 95; Götz, NJW 2010, 897, 902; MünchKomm/Dötsch, ZPO, 3. Aufl., § 243 FamFG, Rn. 11).

Auch § 243 FamFG steht der Anwendung des Beschwerderechts nach der ZPO nicht entgegen. Die Vorschrift tritt nach ihrem klaren Wortlaut nur insoweit an die Stelle der Zivilprozessordnung, als die Kostenverteilung, also die Kostengrundentscheidung, betroffen ist (OLG Oldenburg, Beschl. vom 08.10.2010 - 4 WF 226/10 , juris; Zöller/Herget, a.a.O., § 243 FamFG, Rn. 9) und ersetzt nicht die Vorschriften der ZPO über die Kosten insgesamt (so aber OLG Oldenburg, FamRZ 2010, 1831). Für das Rechtsmittelrecht trifft die Norm also keine Aussage.

Allerdings ermöglicht § 243 FamFG dem Gericht, die Kosten nach billigem Ermessen zu verteilen. Es liegt somit eine Situation vor, die der vergleichbar ist, die den Gesetzgeber veranlasst hat, für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung zuzulassen (dazu die bereits zitierte BT-Drucks. 16/6308, S. 168; entsprechend ist nach Helms in Prütting/Helms, FamFG, 1. Aufl., 2009, § 150 Rn. 19 f. die isolierte Anfechtung der Ermessensentscheidung des § 150 Abs. 4 FamFG aus teleologischen Erwägungen zuzulassen). § 81 FamFG lässt aber nicht nur eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zu, sondern ermöglicht mit seinem Abs. 2 auch die kostenrechtliche Sanktionierung unerwünschter Verhaltensweisen eines Verfahrensbeteiligten. Ein solcher Sanktionscharakter ist zwar auch § 243 FamFG nicht völlig fremd (S. 2 Nr. 2 und Nr. 3; vergleichbar: § 150 Abs. 4 S. 2 FamFG), doch geht § 81 Abs. 2 FamFG darüber deutlich hinaus. Dies rechtfertigt es, die beiden Normen hinsichtlich der isolierten Anfechtung von Kostenentscheidungen unterschiedlich zu behandeln (so OLG Oldenburg, Beschl. vom 08.10.2010 - 4 WF 226/10 , juris; ob die isolierte Anfechtung von Kostenentscheidungen nach § 150 Abs. 4 FamFG ebenfalls ausgeschlossen ist, bedarf hier keiner Entscheidung).

Schließlich sprechen auch systematische Gründe dafür, aus § 243 FamFG keine Sonderregelung für das Rechtsmittelrecht bezüglich der Kostenentscheidung in Familienstreitsachen abzuleiten. Für Güterrechtssachen und sonstige Familiensachen (§ 112 Nr. 2 und 3 FamFG) existiert nämlich keine dem § 243 FamFG entsprechende kostenrechtliche Sonderregelung. Wollte man § 243 FamFG so verstehen, dass dadurch die Möglichkeit der isolierten Anfechtung eröffnet würde, würde dadurch ein bisher einheitliches Rechtsmittelsystem aller Familienstreitsachen durchbrochen (darauf weist zu Recht OLG Oldenburg, Beschl. vom 08.10.2010 - 4 WF 226/10 , juris hin).3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 S. 1 FamFG (zur Anwendbarkeit auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens KG, NJW 2010, 3588 m.w.N).

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 40, 37 Abs. 3 FamGKG.