LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2010 - 13 Sa 73/10
Fundstelle
openJur 2012, 63637
  • Rkr:

"Vergütungsgruppe" im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13.09.2005 (TVÜ-Bund) in Verbindung mit der Anlage 3 zum TVÜ-Bund ist diejenige Vergütungsgruppe, in welche der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD tatsächlich - auch beispielsweise nach bereits zuvor erfolgtem Zeit- oder Bewährungsaufstieg - eingruppiert war und nicht seine "originäre" Vergütungsgruppe.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 10.04.2008 (8 Ca 13/08) abgeändert.

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 40,00 brutto ("Strukturausgleich" für die Monate Oktober und November 2007) zu zahlen.

b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Dezember 2007 für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin an diese einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Strukturausgleichs nach § 12 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13.09.2005.

Die am 00.00.1966 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin arbeitet seit dem 15.03.1989 bei der Beklagten, die in Karlsruhe eine Forschungsanstalt betreibt, als Chemielaborantin in der Funktion einer Chemisch-Technischen Assistentin, zuletzt im Umfang der halben tariflichen Wochenarbeitszeit. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft beidseitiger Tarifgebundenheit zunächst der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT), seit dem 01.10.2005 dann der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Die Klägerin erhielt aufgrund ihrer Tätigkeit als Chemielaborantin zunächst Vergütung nach Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1 der Anlage 1a zum BAT, Teil II Abschnitt L Unterabschnitt II. Aufgrund eines Zeitaufstiegs (vgl. Bewertung des Arbeitsplatzes vom 16.01.1997, Bl. 69 d.A. 1. Instanz; I/69) erhält sie seit 01.01.1997 Vergütung nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 2 der Anlage 1a zum BAT, Teil II Abschnitt L Unterabschnitt II. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ-Bund am 01.10.2005 war die Klägerin der Lebensaltersstufe 39 zugeordnet. Im Rahmen der Überleitung in den TVöD erhielt die Klägerin Entgelt nach Entgeltgruppe 8 Stufe 6 (individuelle Endstufe).

Mit ihrer am 20.12.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 28.12.2007 zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung eines Strukturausgleichs nach § 12 TVÜ-Bund i.V.m. der Anlage 3 zum TVÜ-Bund anteilig im Umfang ihrer Teilzeitbeschäftigung von EUR 20,00 brutto pro Monat, beginnend ab Oktober 2007.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, ihr stehe nach der Anlage 3 zu § 12 TVÜ-Bund dauerhaft ein Anspruch auf Strukturausgleich in Höhe von EUR 40,00 brutto pro Monat, beziehungsweise EUR 20,00 brutto pro Monat für die Dauer ihrer Teilzeitbeschäftigung zu. Es komme nach dem Wortlaut der Anlage 3 zum TVÜ-Bund insbesondere auf ihre tatsächliche Vergütungsgruppe bei Inkrafttreten des TVÜ an, also Vergütungsgruppe V c BAT, an. Der TVÜ stelle nach seinem Wortlaut nicht auf eine "originäre" Eingruppierung ab. Auch die übrigen Spalten der Anlage 3 zum TVÜ-Bund beträfen die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ aktuellen Daten.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 40,00 brutto ("Strukturausgleich" für die Monate Oktober und November 2007) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.12.2007 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund zu bezahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, der Klägerin stehe der von ihr geltend gemachte Anspruch nicht zu. Insbesondere komme es nach der Anlage 3 zum TVÜ-Bund nicht auf die aktuelle, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ gezahlten Vergütungsgruppe an, sondern auf die originäre Vergütungsgruppe der Klägerin, also Vergütungsgruppe VI b BAT, die im konkreten Fall der Klägerin aber keinen Anspruch auf Strukturausgleich begründe, da ihr ein Zeitaufstieg möglich gewesen sei. Insoweit bezieht sich die Beklagte auf ein Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 10.08.2007 mit "Hinweisen zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund" (vgl. I/15 ff.) sowie ein Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 05.02.2008 (vgl. I/76 ff.) in einem ähnlich gelagerten Fall. Die Spalte "Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ" in der Anlage 3 zum TVÜ-Bund müsse mit der Spalte "Aufstieg" als Einheit gesehen werden.

Das Arbeitsgericht hat mit einem am 10.04.2008 verkündeten Urteil die Klage als unbegründet abgewiesen. Maßgeblich nach der Anlage 3 zu TVÜ-Bund sei nicht die aktuelle Vergütungsgruppe der Klägerin bei Inkrafttreten des TVÜ, sondern ihre originäre Vergütungsgruppe. Dies ergebe sich aus einem Vergleich der Anlage 2 und der Anlage 3 zum TVÜ-Bund. Anlage 3 nehme insoweit Bezug auf Anlage 2 zum TVÜ-Bund. Unter "Vergütungsgruppe V c ohne Aufstieg" könne nur der Fall aus Anlage 2 zum TVÜ-Bund "Entgeltgruppe 8: (2. Fall): originäre Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V c ohne Aufstieg nach V b" gemeint sein. Dieses ergebe sich auch aus einem Vergleich mit anderen in den Anlagen geregelten Vergütungsgruppen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 15.05.2008 zugestellt. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Berufung, die am 03.06.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und die sie mit einem am 14.07.2008 (Fax) / 15.07.2008 (Original) eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz zunächst vorgetragen, nach dem eindeutigen Wortlaut von Spalte 2 der Anlage 3 zum TVÜ-Bund sei die Vergütungsgruppe bei Inkrafttreten des TVÜ maßgebend. Dies ergebe sich auch aus dem Wortlaut von § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund. Dort stünden auch die Merkmale "Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten des TVÜ" und "Aufstieg", anders als in der Anlage 3, nicht nebeneinander. Daraus ergebe sich, dass diese Merkmale getrennt und nicht als Einheit zu betrachten seien. Der vom Arbeitsgericht angestellte Vergleich der Anlage 2 und Anlage 3 zum TVÜ-Bund sei nicht richtig. Vielmehr sei erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien die Regelungen aus der Anlage 2 in der Anlage 3 des TVÜ-Bund gerade nicht verwendet hätten. Beide Anlagen hätten auch unterschiedliche Regelungsbereiche. Anlage 2 des TVÜ-Bund habe die Aufgabe der Sicherung der bei der Überleitung bestehenden Vergütungshöhe. Sinn und Zweck der Anlage 3 (Strukturausgleich) zum TVÜ-Bund solle demgegenüber Verluste ausgleichen, die sich für die Beschäftigten im weiteren Verlauf ihres Arbeitsverhältnisses aus der neuen Tabellenstruktur ergäben. Diese resultierten insbesondere aus einer Absenkung der höheren Tabellenstufen zu Gunsten der Eingangsstufen, was zu Einkommensentwicklungsnachteilen bei Arbeitnehmern führe, die die unteren Stufen bereits vor der Überleitung durchlaufen hätten. Ferner sei der Ortszuschlag der Stufe 2 in der neuen Entgelttabelle nur teilweise eingearbeitet. Auch wenn der Ortszuschlag Stufe 2 zunächst in das Vergleichsentgelt für eine individuelle Zwischenstufe eingerechnet gewesen sei, ergebe sich für diese Mitarbeiter bei weiterem Stufenaufstieg ein Nachteil. Auch im Übrigen könne der neue Stufenverlauf zu Nachteilen bei den Arbeitnehmern führen. Diese Verluste bei der kommenden Einkommensentwicklung hätten die Tarifvertragsparteien ausgleichen wollen. Die Auffassung, wonach auf die originäre Vergütungsgruppe abzustellen sei in Verbindung mit der Spalte "Aufstieg", die bei den Vergütungsgruppen VI b und V c BAT regelmäßig ein "ohne" vorsehe, führe im Ergebnis zu einem Leerlaufen des Strukturausgleichs bei diesen Vergütungsgruppen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 10. April 2008 - Az. 8 Ca 13/08 - zu verurteilen:

1. an die Klägerin EUR 40,00 brutto für die Monate Oktober und November 2007 zu bezahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ Bund zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat im ersten Berufungsverfahren das angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts verteidigt. Es sei die Stellung des § 12 TVÜ-Bund im 3. Abschnitt "Besitzstandsregelungen" zu beachten. Bei der Beurteilung, ob ein Beschäftigter die einzelnen Voraussetzungen erfülle, sei grundsätzlich auf den Stichtag 01.10.2005 abzustellen. Danach folgende Veränderungen müssten unberücksichtigt bleiben. Wie das Arbeitsgericht ausgeführt habe, sei auf die originäre Vergütungsgruppe und nicht auf die zum 01.10.2005 erreichte Vergütungsgruppe abzustellen. Die Klägerin, die bei der Überleitung in die Vergütungsgruppe VI b BAT eingruppiert gewesen sei, könne an dem Strukturausgleich nicht teilnehmen.

Das Landesarbeitsgericht hat mit einem am 22.10.2008 verkündeten Urteil im Verfahren 13 Sa 77/08 (vgl. ZTR 2009, 28 f. und in juris) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Für die Frage eines Anspruchs auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund komme es auf die "originäre" und nicht die "aktuelle" Eingruppierung am 01.10.2005 an. Der Wortlaut von § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund lasse keine eindeutige Auslegung zu. Auch seien nach der von der Beklagten unwidersprochenen Mitteilung der gewerkschaftlich vertretenen Klägerin historische Materialien zu dem Tarifvertragsabschluss, welche ergänzend herangezogen werden könnten, nicht bekannt. Die Systematik der tarifvertraglichen Regelung spreche aber dafür, dass es im Rahmen von § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund und der Anlage 3 zum TVÜ-Bund auf die "originäre" Vergütungsgruppe der Klägerin ankomme. Auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung ergebe sich keine andere, die Ansicht der Klägerin stützende Auslegung.

Das Landesarbeitsgericht hat gegen sein Urteil die Revision zugelassen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.04.2010 (6 AZR 962/08; ZTR 2010, 417 ff. und in juris) das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 22.10.2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der Wortlaut der tariflichen Regelung sei nicht eindeutig. Auch die Tarifsystematik führe zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. Auch Sinn und Zweck des Strukturausgleichs gäben kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor. Das von der Klägerin befürwortete Auslegungsergebnis sei auch nicht nennenswert praktikabler als die von der Beklagten vertretene Ansicht. Andere Tarifvertragswerke betreffend die Länder und die Kommunen ließen keinen Rückschluss auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund zu. Aufgrund eines von der Beklagten im Rechtsstreit in Bezug genommenen Schreibens des Bundesministeriums des Innern an das Eisenbahn-Bundesamt habe diese sich aber die Auffassung zu Eigen gemacht, die Tarifvertragsparteien seien sich in den Tarifverhandlungen einig gewesen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich voraussetze, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege des Aufstiegs erreicht worden sei. Sollte diese Behauptung zutreffen, würde dies die Auslegung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten rechtfertigen. Einen solchen übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien müsse das Landesarbeitsgericht prüfen und dazu den Parteien Gelegenheit geben, ihren Sachvortrag zur Entstehungsgeschichte der Regelung des Strukturausgleichs zu ergänzen. Ferner sei gegebenenfalls eine Tarifauskunft einzuholen, insbesondere ob es Protokollnotizen oder vergleichbare Unterlagen gebe, aus denen ein übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ersichtlich sei. Könne eine solche Einigkeit der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden, sei das Merkmal "Aufstieg - ohne" so auszulegen, dass es ausreiche, dass am Stichtag 01.10.2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich gewesen sei. Für diese Auslegung streite der Gesichtspunkt der Normenklarheit, wie sie sich bei einem "unbefangenen Durchlesen" der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen ergebe.

Den Parteien wurde vom Landesarbeitsgericht daraufhin Gelegenheit gegeben, ergänzend zur Entstehungsgeschichte der tariflichen Regelung vorzutragen.

Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass angesichts der von den Tarifvertragsparteien beabsichtigten strukturellen Änderungen im TVöD gegenüber dem BAT, insbesondere dem Wegfall von Zeit-, Tätigkeits-, Bewährungsaufstiegen sowie Vergütungsgruppenzulagen einerseits sowie der Ersetzung von Lebensaltersstufen durch Erfahrungsstufen andererseits, Ausgleichregelungen erforderlich gewesen seien. Dabei seien nicht mehr realisierbare Aufstiege und Vergütungsgruppenzulagen insbesondere im Rahmen der Regelungen in den §§ 8 und 9 TVÜ-Bund berücksichtigt worden, während Verluste, die durch die Umschichtung der Entgelte von den höheren Lebensaltersstufen hin zu den jüngeren Beschäftigten entstehen würden, durch umfangreiche Vergleichsberechnungen bewertet worden seien, auf deren Grundlage die Strukturausgleichbeträge nach Anlage 3 zu § 12 TVÜ-Bund festgelegt worden seien. Für die Regelung des Strukturausgleichs nach der Anlage 3 zu § 12 TVÜ-Bund habe bei den Tarifvertragsverhandlungen der Verlust künftiger Steigerungen für die Beschäftigten wegen des Entfalls von Lebensaltersstufen im Vordergrund gestanden, weshalb diese Regelungen auch erst zwei Jahre nach Inkrafttreten des TVöD selbst wirksam geworden seien. Deshalb werde in der Anlage 3 zu § 12 TVÜ-Bund auch auf die erreichte Lebensaltersstufe Bezug genommen, weil es hier je nach Lage des Falls einen unterschiedlich großen Ausgleichsbedarf für die Mitarbeiter gegeben habe. So erkläre sich auch die unterschiedliche Dauer, für die je nach Fall der Strukturausgleich gezahlt werden müsse. Die Angabe in der Spalte "Aufstieg" habe nichts mit einer an keiner Stelle des Tarifvertrags erwähnten "originären" Eingruppierung zu tun, was auch nicht Gegenstand der Tarifvertragsverhandlungen gewesen sei. Die Regelung gehe vom Zustand im Zeitpunkt der Einführung des TVöD aus und wolle künftige Verluste ausgleichen. Dies treffe auch gerade für den Fall der Klägerin zu. Diese habe zwar durch die Überleitung selbst keine individuellen Verluste gehabt, da sie aus Vergütungsgruppe V c BAT, Lebensaltersstufe 39 in Entgeltgruppe 8 Stufe 6+ (individuelle Endstufe) mit dem nominal selben Gehalt übergeleitet worden sei. Mit der Einführung des TVöD habe die Klägerin aber keine Entgeltsteigerung mehr zu erwarten, während sie nach dem BAT die Lebensalterststufe 41 erreicht hätte. Daraus ergebe sich - auch wenn man als Berechnungsbasis die individuelle Endstufe 6+ in Entgeltgruppe 8 zugrunde lege - gegenüber der Vergütungsgruppe V c BAT Lebensalterststufe 41 ein monatlicher Nachteil bezogen auf eine Vollzeitstelle von EUR 56,92. Deshalb hätten die Tarifvertragsparteien einen Strukturausgleich von monatlich EUR 40,00 vereinbart, wodurch der Nachteil teilweise ausgeglichen werden solle. Wie die Klägerin in die Vergütungsgruppe V c BAT gekommen sei, habe bei der Betrachtung der Tarifvertragsparteien keine Rolle gespielt. Die zu erwartenden Nachteile seien die gleichen, egal ob die Klägerin "originär" in die Vergütungsgruppe eingruppiert gewesen sei, oder ob sie dies im Wege des Aufstiegs erreicht habe. Die Berechnungen der Tarifvertragsparteien seien allein in die Zukunft gerichtet gewesen.

Die Beklagte bezieht sich auf ein Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 10.08.2007, aus der sich die Auslegung der Beklagten ergebe. Die Tarifvertragsparteien seien sich einig gewesen, bei typisierender Betrachtung Vergleichsberechnungen für die Verläufe von Lebenserwerbseinkommen nach BAT und TVöD anzustellen, um so einen begrenzten Ausgleich oder eine Abmilderung veränderter Perspektiven anzustreben. Maßgebliche Faktoren seien hierbei die Vergütungsgruppe, die Aufstiegsmöglichkeit in eine höhere Vergütungsgruppe, der Ortszuschlag und die Lebensaltersstufe gewesen. Dabei beeinflusse die Möglichkeit eines Aufstiegs maßgeblich das Lebenserwerbseinkommen. Die Tarifvertragsparteien hätten für Angestellte mit originärer Eingruppierung in die Vergütungsgruppen VIII bis V c BAT mit bereits erfolgtem Aufstieg grundsätzlich keinen Handlungsbedarf für einen Strukturausgleich gesehen, da diese aufgrund der Überleitung ohnehin privilegiert seien. Die diesbezügliche Einigkeit der Tarifvertragsparteien ersehe man daraus, dass seinerzeit hierzu keine Vergleichsberechnungen durchgeführt worden seien. Für die in die Entgeltgruppen 2 bis 8 TVöD übergeleiteten Angestellten, die einen im BAT begonnen Aufstieg vor Überleitung in den TVöD nicht hätten abschließen können, sehe § 8 TVÜ-Bund eine Regelung vor. Die Anlage 3 zu § 12 TVÜ-Bund betreffe nur die Fälle, in denen aus einer "originären" Eingruppierung nach Vergütungsgruppe IX b bis V c BAT kein Aufstieg möglich gewesen sei. Der in der Anlage 2 zum TVÜ-Bund geregelte und damit offenkundig von den Tarifvertragsparteien bedachte Fall eines bereits erfolgten Aufstiegs aus einer niedrigeren Vergütungsgruppe, finde in der Niederschrift über die bilaterale Sitzung zwischen Bund und ver.di vom 10.05.2005 zum Entwurf TVÜ (vgl. Anlage B 2; Bl. 56 f. d.A.) keine Erwähnung, da dieser Fall nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nicht regelungsbedürftig gewesen sei. Die von den Tarifvertragsparteien angestellten Berechnungen, welche Grundlage der Festsetzung der Strukturausgleiche gewesen seien, seien für die von der Klägerin begehrte Fallvariante nicht einschlägig.

Das Landesarbeitsgericht hat eine Tarifauskunft bei den tarifschließenden Parteien zur Entstehungsgeschichte von § 12 TVÜ-Bund und der dazu gehörenden Anlage 3, insbesondere zu einem gemeinsamen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, eingeholt.

Die Gewerkschaft ver.di teilt in diesem Zusammenhang mit, die Regelungen im TVÜ hätten zum einen eine Besitzstandssicherung als auch einen Schutz der Erwartungen auf zukünftige Entgeltsteigerungen bezweckt, wobei es bezüglich der Vertrauensschutzregelung eine Zweiteilung gebe. Für die Erwartung auf ein höheres Einkommen für im Zeitpunkt der Überleitung begonnene aber noch nicht abgeschlossene Höhergruppierungen im Wege des Bewährungs- oder Tätigkeitsaufstiegs sei mit dem Bund in den §§ 8, 9 TVÜ-Bund eine Regelung getroffen worden. Die Erwartung auf ein höheres Einkommen durch Vorrücken in den Lebensaltersstufen derselben Vergütungsgruppe habe mit der Regelung in § 12 TVÜ-Bund teilweise ausgeglichen werden sollen. Dieses Vorrücken in den Lebensaltersstufen sei aber unabhängig davon eingetreten, ob die aktuelle Eingruppierung auf einem bereits erfolgten Aufstieg aus einer niedrigeren Vergütungsgruppe beruhe oder nicht. Bei den umfangreichen Vergleichsberechnungen, die insbesondere die Faktoren Vergütungsgruppe, Ortszuschlagsstufe und Lebensalter betroffen hätten, sei es ver.di darauf angekommen festzustellen, ob es im weiteren Beschäftigungsverlauf außer den Einkommenszuwächsen durch die Lebensaltersstufen noch anderweitige Einkommenszuwächse aufgrund bevorstehender Aufstiege zu erwarten seien. Dabei handele es sich um rein zukunftsbezogene Betrachtungen, die unabhängig von der Frage des bisherigen Beschäftigungsverlaufs gewesen seien. Für die Frage der Erforderlichkeit eines Strukturausgleichs sei es nicht darauf angekommen, auf welchem Weg der Angestellte zum Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD in die innegehabte Vergütungsgruppe gelangt sei. Es habe keine Einigkeit mit dem Bund bestanden, dass die "originäre" Vergütungsgruppe für die Zahlung eines Strukturausgleichs habe maßgeblich sein sollen. Vielmehr habe Einigkeit darüber bestanden, dass auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD abgestellt werden solle, wie dies auch in der Überschrift zur zweiten Spalte der Anlage 3 zum TVÜ-Bund seinen Niederschlag gefunden habe. Hieraus und aus dem Aufbau der Vergleichsberechnungen habe sich für ver.di ergeben, dass es nur auf die Frage ankomme, ob in Zukunft noch ein Aufstieg erfolgen könne, nicht aber, ob ein solcher bereits in der Vergangenheit erfolgt sei. Diese Auffassung habe ver.di auch im Informationsdienst "TS-berichtet" Nr. 55/2007 vom 09.11.2007 auf Seite 6 (vgl. Bl. 113 ff. d.A.) veröffentlicht.

Das Bundesministerium des Innern teilt mit, zwei Unterlagen aus den Tarifvertragsverhandlungen belegten das gemeinsame Verständnis der Tarifvertragsparteien, dass es in Spalte 2 der Anlage 3 zum TVÜ-Bund auf die "originäre" Eingruppierung und die darauf bezogene Aufstiegsmöglichkeit ankomme. Zum einen Folge dies aus der Niederschrift über die Sitzung zwischen dem Bund und ver.di vom 10.05.2005, wo zum Strukturausgleich von den Tarifvertragsparteien übereinstimmend vereinbart worden sei:

"Betrifft die Zahlung eines Strukturausgleichs eine Vergütungsgruppe (Fallgruppe) mit Bewährungs- bzw. Zeitaufstieg, wird dies gegebenenfalls angegeben. Soweit keine Aufstiegszeiten angegeben sind, gelten die Ausgleichsbeträge für alle Aufstiege."

Hieraus sei ersichtlich, dass beim Strukturausgleich einvernehmlich und einheitlich zwischen Vergütungsgruppen (Fallgruppen) mit Aufstieg und solchen ohne Aufstieg unterschieden worden sei, während Fälle eines bereits erfolgten Aufstiegs nicht hätten erfasst werden sollen. Darauf sei auch mit BMI-Rundschreiben vom 10.10.2005 - D II 2 - 220 210/643 (vgl. Bl. 178 ff. d.A.) hingewiesen worden, wogegen ver.di seinerzeit keine Einwendungen erhoben habe. Eine abweichende Stellungnahme der Gewerkschaft sei erst im Anschluss an die Bekanntgabe des BMI-Rundschreibens zur Durchführung des § 12 TVÜ-Bund vom 10.08.2007 erfolgt. Daneben belegten die zur Ermittlung des Strukturausgleichs von den Tarifvertragsparteien gemeinsam verwendeten Berechnungen, dass es in Spalte 2 der Tabelle in Anlage 3 zum TVÜ-Bund ausschließlich um die "originäre" Vergütungsgruppe gegangen sei. Diese Berechnungen verglichen typisierte Verläufe von Lebenserwerbseinkommen nach dem BAT mit den Eckpunkten Vergütungsgruppe, Aufstiegsmöglichkeit, Ortszuschlag und Lebensaltersstufe. Die Berechnungsbeispiele gingen von "originären" Vergütungsgruppen mit Aufstiegsmöglichkeit und solchen ohne Aufstiegsmöglichkeit aus, was man anhand der Verläufe in der Vergütungsgruppen II a BAT und I b BAT sehen könne. Eine differenzierte Berechnung für Verläufe von Vergütungsgruppe II a BAT mit Aufstieg nach I b BAT einerseits und Vergütungsgruppe I b ohne Aufstiegsmöglichkeit andererseits ergebe aber nur dann einen Sinn, wenn es auf die "originäre" Eingruppierung ankomme. Für die Vergütungsgruppe VI b BAT mit Aufstieg nach V c BAT - wie im vorliegenden Fall - gebe es allerdings kein Berechnungsbeispiel. Insoweit gebe es nur ein Berechnungsbeispiel für die Vergütungsgruppe V c BAT, welches den Verlauf eines Angestellten, der im Alter von 21 Jahren in diese Vergütungsgruppe eingestellt worden ist und alle zwei Jahre in seinen Lebensaltersstufen aufsteigt, bis zu seiner letzten Lebensaltersstufe 43 abbilde. Dies belege, dass die Fallvariante "VI b mit Aufstieg nach V c" gar nicht Gegenstand der Verhandlungen zum Strukturausgleich gewesen sei.

Gründe

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 600,00 übersteigt und die Berufung im Urteil des Arbeitsgerichts ausdrücklich zugelassen wurde, § 64 Abs. 2 Buchstaben a und b ArbGG. Die Berufung ist auch frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nach Maßgabe des zwischen den Parteien ergangenen Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 22.04.2010 (6 AZR 962/08; ZTR 2010, 417 ff.) auch begründet.

1. Die Klage der Klägerin ist zulässig. Dies gilt insbesondere auch für ihren Feststellungsantrag zu 2.), für den nach Maßgabe des vorangegangenen Urteils des Bundesarbeitsgerichts ein Feststellungsinteresse anzuerkennen ist (vgl. Entscheidungsgründe zu I.1.). Dabei war der Feststellungsantrag im Zusammenhang mit dem bezifferten Zahlungsantrag für die Monate Oktober und November 2007 dahin auszulegen, dass sich die begehrte Feststellung eines Anspruchs auf Strukturausgleich auf die Zeit ab Dezember 2007 bezieht (vgl. Entscheidungsgründe zu I.2.).

2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines Strukturausgleichs nach § 12 TVÜ-Bund in Verbindung mit Anlage 3 in Höhe von monatlich EUR 40,00 brutto, beziehungsweise für die Dauer ihrer Teilzeitbeschäftigung mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit in Höhe von monatlich EUR 20,00 brutto ab Oktober 2007 zu.

a) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund Ortszuschlag der Stufe 2 zustand, sie zu diesem Zeitpunkt die Lebensaltersstufe 39 erreicht hatte, von der Vergütungsgruppe V c BAT in die Entgeltgruppe 8 TVöD übergeleitet wurde und im Wege eines Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstiegs nicht mehr höhergruppiert werden konnte. Fraglich ist allein, ob es sich bei der in Spalte 2 der Anlage 3 zum TVÜ-Bund genannten Vergütungsgruppe V c um die tatsächlich von der Klägerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVöD erreichte Vergütungsgruppe handelt, oder ob nur eine diesbezüglich "originäre" Vergütungsgruppe entscheidend ist. Nach Maßgabe der es insoweit bindenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und nach Auslegung der tariflichen Regelung unter Berücksichtigung des Willens der Tarifvertragsparteien und der Entstehungsgeschichte der Regelung nimmt das Landesarbeitsgericht nunmehr an, dass es für einen Anspruch auf Strukturausgleich allein auf die zum Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD erreichte Vergütungsgruppe ankommt, gleichgültig ob dem ein vorheriger Aufstieg vorangegangen ist. Damit steht der Klägerin der von ihr geltend gemachte Anspruch zu.

b) Allerdings ergibt sich diese Auslegung der tariflichen Norm nicht bereits aus ihrem Wortlaut. Dieser ist nicht eindeutig (vgl. LAG Baden-Württemberg 22.10.2008 - 13 Sa 77/08 - zu II.2.a) der Entscheidungsgründe; BAG 22.04.2010 - 6 AZR 962/08 - zu II.4. der Entscheidungsgründe).

c) Weder aus der Systematik der tariflichen Regelung noch aus deren Sinn und Zweck lässt sich ein klares Auslegungsergebnis ableiten. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 22.10.2008 (vgl. zu II.2.b) aa) und bb) der Entscheidungsgründe) eine andere Auffassung vertreten, die zu einem klaren Auslegungsergebnis zu Lasten der Klägerin führte. An die gegenteilige Ansicht des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 22.04.2010 (vgl. zu II.5. und 6. der Entscheidungsgründe) ist das Landesarbeitsgericht nach § 563 Abs. 2 ZPO gebunden.

d) Nach dieser bindenden Auffassung des Bundesarbeitsgerichts führt auch weder der Gesichtspunkt der Praktikabilität oder ein Vergleich mit Überleitungstarifverträgen anderer Tarifparteien zu einem hier maßgeblichen Auslegungsergebnis, so dass es auf den übereinstimmenden Regelungswillen der Tarifvertragsparteien ankomme, wie er sich in der Entstehungsgeschichte der Regelung zum Strukturausgleich manifestiert haben könnte. Ein solcher vom Bundesarbeitsgericht als Auslegungsmittel benannter übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien, dass es für die Gewährung eines Strukturausgleichs auf die "originäre" Vergütungsgruppe und nicht auf die zum Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD tatsächlich (gegebenenfalls nach einem vorangegangenen Aufstieg) erreichte Vergütungsgruppe ankommt, besteht aber nicht. Insbesondere lässt sich aus der Entstehungsgeschichte der tariflichen Regelung nichts hierfür ableiten.

aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten, die auch vom Bundesministerium des Innern im Rahmen der vom Landesarbeitsgericht eingeholten Tarifauskunft vorgetragen wurde, kann der "Niederschrift über die bilaterale Sitzung Bund und ver.di am 10. Mai 2005 zum Entwurf TVÜ in Berlin" (vgl. Bl. 56 f. d.A.) kein gemeinsamer Wille der Tarifvertragsparteien entnommen werden, dass es für einen Anspruch auf Strukturausgleich im Rahmen der Anlage 3 zum TVÜ-Bund auf die "originäre" und nicht die aktuelle, tatsächliche Eingruppierung zum Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD ankommt. Zwar kann aus III. vorletzter Absatz dieser Niederschrift abgelesen werden, dass die Tarifvertragsparteien zwischen Vergütungsgruppen (Fallgruppen) mit und ohne Aufstieg unterschieden haben. Ausdrücklich werden an dieser Stelle der Niederschrift aber nur Vergütungsgruppen (Fallgruppen) "mit" Aufstieg genannt, nicht aber Vergütungsgruppen (Fallgruppen) "ohne" oder gar "nach" Aufstieg. Die Niederschrift gibt an dieser Stelle nichts für eine Auslegung her, die Tarifvertragsparteien hätten einen gemeinsamen Regelungswillen gehabt, der zwischen Vergütungsgruppen (Fallgruppen) unterscheidet, aus denen es von vornherein keinen Aufstieg gibt und solchen, bei denen es keinen (weiteren) Aufstieg gibt, weil ein gegebenenfalls möglicher Aufstieg im Zeitpunkt der Überleitung schon absolviert wurde. Die Niederschrift ist an dieser Stelle eher allgemein gehalten. Aus dem dortigen Fehlen einer klaren Differenzierung zwischen Vergütungsgruppen (Fallgruppen) mit bereits anfänglich fehlender Aufstiegsmöglichkeit und solchen, bei denen nach erfolgtem Aufstieg kein weiterer Aufstieg zum Überleitungszeitpunkt mehr möglich war, erlaubt nicht einen "Umkehrschluss", wie ihn das Bundesministerium des Innern vornimmt, wonach die Bezeichnung "ohne" in Spalte 3 der Anlage 3 zum TVÜ-Bund nur auf solche Vergütungsgruppen (Fallgruppen) zu beziehen sei, die bereits anfänglich keine Aufstiegsmöglichkeit vorsahen. Vielmehr spricht die fehlende Differenzierung in der Niederschrift dafür, dass Vergütungsgruppen (Fallgruppen) "ohne" Aufstieg die sein sollten, aus denen zum Zeitpunkt der Überleitung tatsächlich kein Aufstieg - gleich aus welchem Grund - mehr möglich ist. Hierfür spricht auch der Umstand, dass Erwartungen der Beschäftigten im Zusammenhang mit dem Aufstieg in eine andere Vergütungsgruppe (Fallgruppe) gezielt in den §§ 8, 9 TVÜ-Bund geregelt sind, wodurch ein diesbezüglicher so genannter "Exspektanzverlust" durch die dortigen Maßnahmen gemildert werden soll. Dies lässt es eher vermuten, dass im Rahmen des § 12 TVÜ-Bund in Verbindung mit der Anlage 3 von den Tarifvertragsparteien andere "Exspektanzverluste" gemildert werden sollten, insbesondere in Bezug auf künftige Lebensaltersstufen. Die von der Beklagten und vom Bundesinnenministerium in Bezug genommene Niederschrift vom 10.05.2005 steht dieser Ansicht nicht entgegen. Jedenfalls gibt ihre offene, zum Teil vage Formulierung, die auf die hier interessierende Unterscheidung von Vergütungsgruppen (Fallgruppen) mit anfänglich fehlender Aufstiegsmöglichkeit und solchen mit zwischenzeitlich (weil bereits geschehenem Aufstieg) fehlender Aufstiegsmöglichkeit nicht eingeht, nichts für die Annahme eines übereinstimmenden Regelungswillens der Tarifvertragsparteien zur Frage der Maßgeblichkeit einer originären Eingruppierung her.

bb) Auch aus den von den Tarifvertragsparteien anlässlich der Tarifvertragsverhandlungen verwendeten Berechnungsbeispielen lässt sich nicht auf einen gemeinsamen Regelungswillen zur Maßgeblichkeit der "originären" Eingruppierung schließen. Zwar haben die Tarifvertragsparteien getrennte Beispielsberechnungen für Angestellte in Vergütungsgruppe I b BAT nach Aufstieg aus Vergütungsgruppe II a BAT und solche, die unmittelbar in Vergütungsgruppe I b BAT eingruppiert waren, ohne die Möglichkeit eines weiteren Aufstiegs, angestellt. Allerdings fehlt bereits eine solche Berechnung für die hier maßgebliche Fallvariante eines Angestellten in der Vergütungsgruppe V c BAT nach Aufstieg aus Vergütungsgruppe VI b BAT und solchen, die "originär" in Vergütungsgruppe V c BAT ohne die Möglichkeit weiteren Aufstiegs eingruppiert waren. Darum sind die Berechnungen offenkundig nur beispielhaft und versuchen nicht alle Fälle zu erfassen. Diese Beispielberechnungen lassen daher keinen klaren Rückschluss auf den übereinstimmenden Regelungswillen der Tarifvertragsparteien zu. Offenkundig wurden hier zwar viele, aber doch nicht alle, sondern nur einigermaßen repräsentative Varianten durchgerechnet, so dass man aus diesen Beispielen nicht den Schluss ziehen kann, nur die dort erfassten Varianten sollten auch Gegenstand der späteren tarifvertraglichen Regelung sein. Wie das Bundesministerium des Innern mitgeteilt hat, war die Variante Vergütungsgruppe V c BAT nach Aufstieg aus VI b BAT gar nicht Gegenstand der Verhandlungen zum Strukturausgleich. Darum ist es um so fernliegender, hier einen gemeinsamen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien anzunehmen.

(1) Wie das Bundesministerium des Innern mitgeteilt hat, betreffen die Beispielsrechnungen jeweils "Lebenserwerbsverläufe", wobei zwischen solchen "mit" und "ohne" Aufstieg unterschieden worden sei. Da es um die Erfassung der gesamten Dauer des Erwerbslebens geht, kommt es auf die Variante "nach" Aufstieg nicht an, so dass es verständlich ist, dass dieser Begriff hier nicht auftaucht. Da es bei den Beispielsrechnungen aber um das gesamte Erwerbsleben der Beschäftigten geht ist auch nachvollziehbar, warum insoweit etwa bei den Vergütungsgruppen II a BAT und I b BAT getrennte Betrachtungen nach der jeweils "originären" Vergütungsgruppen angestellt werden. Dies sagt aber nichts über einen gemeinsamen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien zu der Frage aus, wie der Begriff "ohne" in Spalte 3 der Anlage 3 zum TVÜ-Bund zu verstehen ist, soll doch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der 01.10.2005 sein - und nicht eine Betrachtung des Lebenserwerbsverlaufs. Dann spricht aber auch mehr dagegen, dass die Tarifvertragsparteien in Spalte 2 der Anlage 3 zum TVÜ-Bund den gemeinsamen Willen gehabt haben, hier nicht auf die tatsächliche Lage zum Stichtag abzustellen.

(2) Insbesondere kann den Beispielsrechnungen nicht ein diesbezüglicher gemeinsamer Regelungswille der Tarifvertragsparteien entnommen werden, Vergütungsgruppen ohne "originären" Aufstieg und solche mit fehlender (weiterer) Aufstiegsmöglichkeit nach bereits geschehenem Aufstieg auch im Ergebnis unterschiedlich zu behandeln. Selbst wenn punktuell getrennte Berechnungen durchgeführt werden, kann dies ebenso gut geschehen, um einen Überblick dafür zu bekommen, ob und inwieweit sich diese Varianten überhaupt wirtschaftlich unterscheiden. Ob und inwieweit daraus in den tarifvertraglichen Vereinbarungen der gemeinsame Schluss gezogen wurde, diese Varianten im Detail auch unterschiedlich zu behandeln, ist zumindest offen. Nach der Niederschrifterklärung Nr. 1 zu § 12 TVÜ-Bund waren sich die Tarifvertragsparteien vielmehr darüber im Klaren, dass es um eine Regelung einer großen Anzahl von Fällen mit notwendigerweise vereinfachenden Lösungen auf Kosten der Einzelfallbetrachtung geht. Dies spricht eher gegen die Annahme einer feinsinnigen Unterscheidung von anfänglich fehlender und im Überleitungszeitpunkt tatsächlich fehlender (weiterer) Aufstiegsmöglichkeit. Um so weniger kann aus den Beispielrechnungen ein diesbezüglich gemeinsamer Regelungswille abgeleitet werden.

cc) Nach den ergänzenden Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 15.08.2010 (dort Seite 6) hätten die Tarifvertragsparteien drei Fallvarianten regeln wollen:

(1) Beschäftigte mit noch ausstehendem Aufstieg; dieser Fall sei in § 8 TVÜ-Bund geregelt worden. Der Aufstieg könne nachgeholt werden

(2) Beschäftigte ohne Aufstiegsmöglichkeit; dieser Fall werde von § 12 TVÜ-Bund erfasst. In den in der Anlage 3 TVÜ-Bund aufgeführten Fällen würden Exspektanzverluste durch einen Strukturausgleich abgemildert.

(3) Beschäftigte nach bereits erfolgtem Aufstieg; für diese Fallvariante habe kein Regelungsbedarf bestanden, da diese Beschäftigten schon mit einer höheren Vergütungsgruppe in den TVöD übergeleitet worden seien und durch die Überleitung keine abzumildernden Exspektanzverluste zu erwarten hätten.

Diese Ausführungen können nicht überzeugen. Wenn die Tarifvertragsparteien bei der Fallgruppe (3) keine abzumildernden Exspektanzverluste gesehen haben sollten wäre nicht verständlich, warum es Solches bei der Fallgruppe (2) abzumildern gegeben hätte, wo es von Anfang an nicht einmal die "Exspektanz" auf eine höhere Vergütungsgruppe gegeben hat. Soweit die Tarifvertragsparteien aber bei der Fallgruppe (2) im Rahmen des § 12 TVÜ-Bund und der Anlage 3 hierzu einen Bedarf für eine Abmilderung eines Exspektanzverlustes gesehen haben, kann sich dieser offenkundig nicht auf das Entgehen einer höheren Vergütungsgruppe im Wege des Aufstiegs bezogen haben, sondern nur auf die höhere Vergütung durch das Vorrücken in den Lebensaltersstufen. Der diesbezüglichen "Exspektanz" geht ein Arbeitnehmer aber verlustig, gleichgültig, ob die in Anlage 3 zum TVÜ-Bund genannte Vergütungsgruppe seine "originäre" Vergütungsgruppe ist, oder eine im Wege bereits erfolgten Aufstiegs erreichte Vergütungsgruppe. Wenn die Tarifvertragsparteien nach den Ausführungen der Beklagten den Willen gehabt haben, bei Arbeitnehmern, die von vornherein keine Erwartung auf einen Aufstieg hatten, etwas "abzumildern" spricht nichts für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten diese Art von "Abmilderung" (die dann wohl nur auf die entgehenden Lebensaltersstufen bezogen sein kann), nicht denen zubilligen wollen, die wegen bereits geschehenen Aufstiegs keine Vergütungssteigerung durch einen weiteren Aufstieg zu erwarten hatten und darum vom Entfallen der Lebensaltersstufen in gleicher Weise betroffen gewesen sind.

dd) Aus den Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 10.10.2005 und vom 10.08.2007 kann gerade nicht auf einen gemeinsamen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien geschlossen werden, wonach es bei der Anlage 3 zum TVÜ-Bund auf die "originäre" Vergütungsgruppe ankomme. Vielmehr geben diese Rundschreiben allein die Sichtweise einer der beiden Tarifvertragsparteien wieder. Dem steht nicht entgegen, dass sich die andere tarifschließende Partei, die Gewerkschaft ver.di, erst im Rahmen einer Ausgabe von "TS Berichtet" vom 09.11.2007 mit der gegenteiligen Ansicht an seine Mitglieder gewandt hat. Da nach § 12 Abs. 2 TVÜ-Bund die Zahlung des Strukturausgleichs erst ab Oktober 2007 begann, kann aus dem zuvor erfolgten Schweigen auf ein Rundschreiben der anderen tarifschließenden Partei nichts bezüglich eines gemeinsamen Regelungswillens abgeleitet werden. Zum Zeitpunkt der für die Mitglieder der Gewerkschaft praxisrelevanten Umsetzung des Tarifvertrages hat diese jedenfalls unmittelbar ihre abweichende Meinung bekundet.

ee) Wie oben bereits erläutert kann der Beklagten im Rahmen ihrer ergänzenden Ausführungen auch nicht in der Auffassung - die auch vom Bundesministerium des Innern vertreten wird - gefolgt werden, die fehlende Erwähnung der Variante eines bereits geschehen Aufstiegs in der Niederschrift vom 10.05.2005 spreche dafür, dass die Tarifvertragsparteien diesen Fall für nicht regelungsbedürftig gehalten haben. Es spricht allenfalls für die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien diesen Fall tatsächlich nicht geregelt haben, sagt aber nichts über einen gemeinsamen diesbezüglichen Willen aus. Das Fehlen einer Regelung lässt hier vielmehr offen, warum möglicherweise eine Regelung nicht erfolgt ist. Eine Regelung fehlt oft, weil es gerade an einem übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien mangelt.

ff) Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen ist ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ein gemeinsamer Regelungswille der Tarifvertragsparteien zur Frage, ob es im Rahmen der Anlage 3 zum TVÜ-Bund auf die "originäre" Vergütungsgruppe ankommen soll, auch deshalb kaum angenommen werden kann, da die tarifschließende Partei ver.di im Rahmen der Tarifauskunft sogar ausdrücklich mitgeteilt hat, dass sie bei den Tarifvertragsverhandlungen ausschließlich den Zweck verfolgt habe, die Enttäuschung der Erwartung zukünftiger Einkommenssteigerungen abzumildern, während der Weg, wie man den status quo zum Überleitungszeitpunkt erreicht habe, für sie ohne Bedeutung gewesen sei, so dass gerade kein gemeinsamer Wille der Tarifvertragsparteien bestanden habe, im Rahmen der Anlage 3 zum TVÜ-Bund auf die "originäre" Vergütungsgruppe abzustellen. Das ist aufgrund der von der tarifschließenden Partei ver.di geschilderten Betrachtungen zu den "Exspektanzverlusten" auch plausibel. Die Frage der "originären" Eingruppierung sei auch nie Gegenstand der Tarifvertragsverhandlungen gewesen. Letzteres behauptet im Ergebnis auch weder die Beklagte, noch das Bundesministerium des Innern. Die Beklagte leitet nur aus dem Schweigen der Tarifvertragsparteien zu einem bestimmten Punkt in den Tarifvertragsverhandlungen ab, dass insoweit Einigkeit bestanden habe. Dafür gibt es aber weder nachvollziehbare Indizien, noch gibt es einen diesbezüglichen Erfahrungssatz. Für einen fehlenden gemeinsamen Willen der Tarifvertragsparteien, die "originäre" Vergütungsgruppe zum Gegenstand der Regelung in Spalte 2 der Anlage 3 zum TVÜ-Bund zu machen spricht auch eher deren Überschrift, welche die "Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ" benennt.

e) Keine der anerkannten Auslegungsmethoden, insbesondere auch nicht die vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 22.04.2010 (6 AZR 962/08) angemahnte Erforschung des Willens der tarifschließenden Parteien führt zu einem klaren Ergebnis. Gleichwohl kann nach den Vorgaben des genannten Urteils nicht angenommen werden, die Klägerin habe für den von ihr geltend gemachten Anspruch somit keine Anspruchsgrundlage schlüssig benennen können, so dass die Klage abzuweisen wäre. An einer solchen Behandlung des Falles sähe sich die erkennende Kammer schon deshalb gehindert, da das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 22.04.2010 (6 AZR 962/08) unter 11. der Entscheidungsgründe eine Auslegung dahingehend durchführt, dass dann, wenn eine diesbezügliche Einigkeit der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden könne, dass Merkmal "Aufstieg - ohne" so auszulegen sei, dass es ausreiche, dass am 01.10.2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Entscheidend sei dann die bei der Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe des BAT ohne Rücksicht auf einen vorangegangenen Aufstieg. Diese Interpretation ergebe sich bei einem "unbefangenen Durchlesen" der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen. Die erkennende Kammer kann dabei ein Spannungsverhältnis zwischen der sowohl vom Landesarbeitsgericht im Urteil vom 22.10.2008 (13 Sa 77/08) vertretenen und vom Bundesarbeitsgericht in der genannten Entscheidung bestätigten Auffassung, dass einerseits auch eine intensive Wortlautauslegung zu keinem klaren Ergebnis führt, andererseits aber ein "unbefangenes Durchlesen" der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen, dann Maßstab der Auslegung sein und seinerseits zu einem den Ausschlag gebenden Ergebnis führen soll, nicht ausschließen. Das Landesarbeitsgericht sieht sich aber an die Vorgaben aus II.11. der Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 22.04.2010 (6 AZR 962/08) gebunden, so dass es keiner näheren Diskussion dieser Frage bedarf. Vielmehr ist mit dem Bundesarbeitsgericht anzunehmen, dass der Klägerin - nachdem alle anderen Auslegungsversuche ohne Erfolg waren - der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Strukturausgleich ab Oktober 2007 nach nunmehr unbefangenem Durchlesen der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen ohne Rücksicht auf einen vorangegangenen Aufstieg zusteht.

3. Die Höhe des Anspruchs von monatlich EUR 40,00 brutto ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund i.V.m. der Anlage 3 zum TVÜ-Bund, beziehungsweise für die Dauer Beschäftigung der Klägerin im Umfang der Hälfte der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit in Höhe von EUR 20,00 brutto monatlich aus § 12 Abs. 4 TVÜ-Bund. Dies ist zwischen den Parteien nicht streitig. Den erstinstanzlich erhobenen Zinsanspruch hat die Klägerin mit ihren Berufungsanträgen nicht mehr geltend gemacht.

III.

Da die Beklagte unterlegen ist, hat sie die Kosten des Rechtsstreits aller Instanzen zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.