OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.08.2010 - 2 W 37/10
Fundstelle
openJur 2012, 63460
  • Rkr:
Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Kostenbeschluss des Vorsitzenden der 4. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21.05.2010 wirdz u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. a) Auf die Beschwerde der Verfügungsklägerin wird der Streitwertbeschluss des Vorsitzenden der 4. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21.05.2010g e ä n d e r t .

b) Der Streitwert wird festgesetzt auf50.000,00 EUR.

c) Eine Kostenerstattung findet insoweit nicht statt.

Gründe

I.

Die Rechtsmittel der Verfügungsklägerin sind zulässig. Ihre sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist der Sache nach jedoch unbegründet, ihre Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung hat teilweise Erfolg.

A.

Die Verfügungsklägerin [im Folgenden kurz: Klägerin]/Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen sie belastenden Kostenbeschluss gemäß § 91 a ZPO sowie gegen die Streitwertbemessung des Landgerichts.

Die Stadt S. und die Stadtwerke S. GmbH schrieben öffentlich den Neubau ZOB (Zentraler Omnibusbahnhof) Platzgestaltung und Parkplatz aus (Ast 2 = Bl. 14). Die Aufforderung zur Angebotsabgabe war gerichtet auf (Ast 3 = Bl. 15):

Angebot für: Los I: Tief- und Straßenbauarbeiten Los II: Gründung Dach

Ziff. 5.3 sah vor (Ast 3 = Bl. 17):

Die Leistung ist in Lose aufgeteilt[X] ja Die Bieter haben grundsätzlich die Möglichkeit, Angebote nicht für alle Lose einzureichen.

Ergänzend war in die Ausschreibungsbedingungen aufgenommen:

Der AG behält sich aber ausdrücklich vor, eine Gesamtvergabe beider Lose an einen Bieter vorzunehmen.

Die Klägerin bot an (Ast 4 = Bl. 18 f, 21):

Endbetrag einschl. Umsatzsteuer (ohne Nachlass) Preisnachlass ohne Bedingungen auf die Abrechnungssumme... %Los I:...1.552.279,28 EUR2,0Los II: ...274.162,40 EUR-

Das Begleitschreiben der Klägerin vom 09.04.2010 (Ast 4 = Bl. 18) gab u.a. an:

Angebot

BV: Neubau ZOB mit Platzgestaltung und Parkplätzen, Los 1 +

&

als Anlage überreichen wir Ihnen unser Angebot ... Es schließt ab mit einer Summe in Höhe von:

Summe netto:EUR 1.534.824,94+ Ust 19 %:EUR 291.616,74Summe brutto: EUR 1.826.441,68

Die Angebotspreise sind Nettopreise zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer, ...

Auf das Angebot für Los 1 gewähren wir einen Preisnachlass von 2,0 %.

Das Angebot für Los 2 gilt nur im Zusammenhang mit der Vergabe von Los 1 an die [Klägerin].

Das Submissionsergebnis der Verfügungsbeklagten (im Folgenden kurz: Beklagten) wies aus (Ast 6 = Bl. 25):

Los 1 Angebots-Summe o. NL (EUR) NL pausch. NL % Angebots-Summe (EUR)1. [Klägerin]1.552.279 2,01.521.2342. [Wettbewerber] 1.636.834 1.636.834& Los 21. [Klägerin]274.162 274.162... 3. [Mitbewerber]325.419 325.419

Letzterer, der unmittelbare Wettbewerber, hatte seine Einzelangebote ergänzt um einen Nachlass von 0,5 % bei Gesamtvergabe (Ast 14 = Bl. 102).

Am 28.04.2010 teilte die Beklagte Ziff. 1 der Klägerin u.a. mit (Ast 7 = Bl. 27): Ihr Angebot ... musste ausgeschlossen werden (§25 Nr. 1 VOB/A). ... Sie haben leider Ihr Angebot davon abhängig gemacht, das Ihnen beide Lose übertragen werden. In der Ausschreibung hatten wir uns aber vorbehalten, die Lose entweder gemeinsam, oder einzeln zu vergeben. Somit weicht Ihr Angebot eigenmächtig von der Ausschreibung ab.

Mit Verfügungsantrag vom 09.05.2010 begehrte die Klägerin im Kern:

... zu untersagen, ... in Los 1 ... den Zuschlag auf das Angebot eines anderen Bieters als das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.

Die Beklagten trugen vor, der Vergabebeschluss sei bereits am 10.05.2010 durch den Gemeinderat erfolgt (Bl. 84). Tatsächlich stand die Vergabeentscheidung erst in der Sitzung vom 19.05.2010 an (Ast 14 = Bl. 102).

Die Klägerin beantragte am 10.05.2010 hilfsweise (vgl. Bl. 75 - Anl., ferner Bl. 100, im Kern):

Der Antragsgegnerin im Wege einer ... einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zu untersagen, ... in Los 1 ... den Zuschlag auf das Angebot eines anderen Bieters als das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.

In der Sitzung vom 21.05.2010, 13. 00 Uhr, teilten die Beklagten mit, am 19.05.2010 habe sich der Gemeinderat für den Mitbewerber entschieden. Um 10. 00 Uhr des 21.05.2010 habe die Beklagte Ziff. 1 den Bauvertrag unterschrieben und den erfolgreichen Mitbewerber vom Zuschlag informiert (Bl. 120).

Daraufhin erklärten beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.

Das Landgericht legte der Klägerin die Kosten auf, da ein einstweiliger Rechtsschutz bei Vergabeverfahren unterhalb des Schwellenwertes nach § 2 VgV allenfalls zur Überprüfung willkürlichen Verhaltens eröffnet sei. Eine solche Willkür sei nicht erkennbar. Denn jegliche Einschränkung der Ausschreibungsbedingungen im Angebot sei unzulässig (§§ 25, 21 VOB/A). Durch dieses Änderungsverbot solle dem Auftraggeber die volle Auswahlfreiheit zu den ausgeschriebenen Bedingungen erhalten bleiben. Genau dies habe die Klägerin mit ihrer Verknüpfung beider Lose durch ihren Rabatt aber zum Teil verhindern wollen. Ferner setzte das Landgericht den Streitwert auf 608.814,00 EUR fest.

Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin , welche die volle Kostenlast der Beklagten erstrebt. Sie erachtet einen einstweiligen Rechtsschutz bei unterschwelligen Vergabeverfahren ohne die Beschränkung auf die bloße Willkürprüfung für gegeben und sieht ihr Angebot nicht unter den Vorbehalt einer Gesamtvergabe gestellt; jedenfalls das Angebot für Los 1 sei von einer solchen Bedingung unberührt. Der Wettbewerber habe im Übrigen nicht anders gehandelt, indem er seine Angebote bei - und nur bei - Gesamtvergabe einem Nachlass unterworfen habe. Die Klägerin sei sowohl bei einer Einzelbewertung von Los 1, aber auch bei einer Gesamtvergabe die preisgünstigste. Andere Vergabekriterien als die Preisgünstigkeit habe es nicht gegeben. Auf jeden Fall hätte Los 1 nicht ausgeschieden werden dürfen. Ihr habe auch bei Ausscheiden des Angebots des Loses 2 der Klägerin der Zuschlag erteilt werden müssen für Los 1, gegebenenfalls im Verbund mit dem Angebot eines anderen Anbieters von Los 2.

Im Übrigen sei der Streitwert analog §§ 53 Abs. 1, 50 Abs. 2 GKG zu bestimmen gewesen und damit weit übersetzt.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung hinsichtlich beider Rechtsmittel für richtig.

B.

Sofortige Beschwerde (§ 91 a ZPO).1.a)

Ein erledigendes Ereignis lag im erteilten Zuschlag, da auch ein Primärrechtsschutzverfahren beendet ist, wenn einem Bieter im Wege des Zugangs des Zuschlags der Auftrag wirksam erteilt ist (BGHZ 146, 202 [juris Tz. 25 und 36]).b)

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung ist über die Kosten unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei der mutmaßliche Ausgang des Beschwerdeverfahrens zu berücksichtigen ist (BGH NZG 2009, 518 [Tz. 1]), ohne dass schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen abschließend geklärt werden müssten (BGH ZInsO 2009, 2113 [Tz. 4]; BKR 2009, 472 [Tz. 1]).2.

a) Das BVerfG hat die Beschränkung des Primärrechtsschutzes auf Sachverhalte oberhalb eines bestimmten Schwellenwertes nicht für verfassungsrechtlich bedenklich erachtet (BVerfGE 116, 135 = NJW 2006, 3701). Soweit es vom Willkürverbot sprach, betraf dies das Justizgewährungsgestaltungsrecht des Gesetzgebers (BVerfGE a.a.O. [Tz. 88]) und nicht den Kontrollmaßstab einer gerichtlichen Überprüfung von Fallgestaltungen unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes. Die in der Rechtsordnung den übergangenen Konkurrenten eingeräumten Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit Auftragssumme unterhalb des Beschwerdewertes (angedeutet von BVerfGE a.a.O. [Tz. 72, 81 und 85]; vgl. hierzu auch Otting in Bechtold, GWB, 5. Aufl. [2008], § 100, 5 f; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. [2007], Vor §§ 97, 52 und 53; Bungenberg in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, KartellR, Bd. 2, GWB [2006], Vor §§ 97, 34 und § 100, 15 und 16) genügten den Anforderungen des Justizgewährungsanspruchs (vgl. auch zum Rechtsweg nicht zu den Verwaltungs-, sondern den Zivilgerichten: BVerwG NJW 2007, 2275, 2276; Brandenburgisches OLG, VergabeR 2008, 294 [juris Tz. 2]; Thüringer OLG, VergabeR 2009, 524 [juris Tz. 18 und 28]; Otting a.a.O. 7; Dreher a.a.O. 53; Heuvels in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff a.a.O. § 102, 17 bis 19).b)

aa) Ob im Unterschwellenbereich ein Zivilrechtsstreit durch einstweiligen Rechtsschutz eröffnet ist, ist streitig (Nachweise zum Streitstand etwa: OLG Düsseldorf NZBau 2010, 328 [juris Tz. 29 f]; Schleswig-Holsteinisches OLG U. v. 09.04.2010 - 1 U 27/10 [juris Tz. 46]).

bb) Soweit aber überhaupt ein Anspruch eines unterlegenen Bieters auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Auftraggeber anerkannt wird (OLG Düsseldorf a.a.O. [juris Tz. 28, 32, 40, 44] m. Anm. Finke EWiR 2010, 295; zust. Anm. Franßen IBR 2010, 160; Erwähnung bei Dicks ZfBR 2010, 339, 348; Brandenburgisches OLG a.a.O. [juris Tz. 6]; Thüringer OLG a.a.O. [juris Tz. 30 und 34]; Senat NZBau 2002, 395 [juris Tz. 31]; vgl. auch, zuneigend, letztlich offen gelassen: Schleswig-Holsteinisches OLG a.a.O. [juris Tz. 47 und 48]), ist, zumal wenn - wie auch hier - die Vergabestelle sich der jeweiligen Verdingungsordnung unterworfen hat (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O. [juris Tz. 33]; Thüringer OLG a.a.O. [juris Tz. 35]; vgl. auch Brandenburgisches OLG a.a.O. [juris Tz. 7]; Senat a.a.O. [juris Tz. 2]), ungeachtet der Frage, ob Prüfungsmaßstab für diesen Verfügungsanspruch (nur) ist, ob die Vergabestelle vorsätzlich das Recht bricht oder sonst in unredlicher Absicht oder willkürlich vorzugehen droht (Senat a.a.O. [juris Tz. 13]), dieser Rechtsschutz nur auf auf Untersagung eines geplanten Zuschlages an einen Dritten gerichtet (OLG Düsseldorf a.a.O. [juris Tz. 28, 32, 40 und 44]; Thüringer OLG a.a.O. [juris Tz. 33]; Senat a.a.O. [juris Tz. 6 bis 8]; vgl. auch Schleswig-Holsteinisches OLG a.a.O. [Tz. 22], dort gerichtet auf Unterlassung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens; Brandenburgisches OLG a.a.O. [Tz. 3], dort Aussetzung des Ausschreibungsverfahrens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens).

cc) Dies wird dem Vorläufigkeitscharakter des einstweiligen Rechtsschutzes auch nur gerecht. Denn in der Regel stellt der einstweilige Rechtsschutz nur ein Sicherungsmittel zur Verfügung (vgl. allg. Drescher in MünchKomm-ZPO, 3. Aufl. [2007], § 935, 1 und 23 und § 938, 9; Huber in Musielak, ZPO, 7. Aufl. [2009], § 935, 12; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. [2010], § 935, 3). Eine einstweilige Verfügung, die auf die Erfüllung des Hauptsacheanspruchs zielt, ist in der Regel nicht begründet und nur Ausnahmefällen vorbehalten (vgl. Drescher a.a.O. § 938, 11, 15 und 20; Huber a.a.O. § 938, 3; Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. [2010], § 938, 3; Reichold a.a.O. § 938, 3). Sie ist allenfalls dann gerechtfertigt, wenn das Versagen einer solchen Verfügung zu einer irreparablen Schädigung des Antragstellers führt (Drescher a.a.O. § 938, 20; Vollkommer a.a.O. § 940, 6; Reichold a.a.O. § 940, 6 f). Grundsätzlich ist immer ein milderes Mittel einer Maßnahme unterhalb der Wirkung einer Hauptsacheentschei-dung zu treffen (Drescher a.a.O. § 938, 18; Vollkommer a.a.O. § 938, 3).

dd) Dies findet seine Entsprechung auch in § 115 Abs. 1 GWB, wonach nach Zustellung eines Antrags auf Nachprüfung an den Auftraggeber zunächst sichernd nur ein Zuschlagsvergabeverbot eintritt und es damit dem Auftraggeber verwehrt ist, durch schnelle Erteilung des Zuschlags vollendete Tatsachen zu schaffen (Otting a.a.O. § 115, 1; Dreher a.a.O. § 115, 3 und 11). Die Vorschrift setzt die europarechtliche Vorgabe um, durch vorläufige Maßnahmen weitere Schädigungen der betroffenen Interessen durch den behaupteten Rechtsverstoß zu verhindern (Storr in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff a.a.O. § 115, 1). Deshalb eröffnet § 115 Abs. 3 GWB auch weitere vorläufige Maßnahmen (vgl. Otting a.a.O. § 115, 10; Dreher a.a.O. § 115, 47 [ vorbeugender Rechtsschutz ]; Drescher a.a.O. § 935 ZPO, 80; Vollkommer a.a.O. § 940 ZPO, 8  Kartellrecht ).c)

Gemessen an diesen Grundsätzen muss nicht entschieden werden, ob die angemeldeten Zweifel durchgreifen, dass der Vorbehalt im Anschreiben der Klägerin vom 09.04.2010 allenfalls in Bezug auf das Los Nr. 2 eine Abweichung von der Ausschreibungsvorgabe getrennter Lose schafft und deshalb jedenfalls nur dieses, nicht aber das Los 1 gemäß § 25 VOB/A auszuschließen war, auch nicht, ob ein Erfolg der Beklagten Ziff. 2 schon dadurch vorgegeben war, dass sie nicht passivlegitimiert sei, obgleich auch sie in der Anzeige (Ast 2 = Bl. 14) als Ausschreibende in Erscheinung getreten und zugleich in Ziff. 1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Ast 3 = Bl. 16) angezeigt war. Denn jedenfalls hat der Verfügungsantrag mit dem beantragten Unterlassungsgebot, ... den Zuschlag auf das Angebot eines anderen Bieters als das Angebot der Antragstellerin zu erteilen (Bl. 2, 11) nicht einen bloßen Aufschub der Zuschlagsentscheidung erstrebt etwa im Sinne von nur, das Angebot der Klägerin auf Los I entgegen der Wertung der Beklagten in deren Schreiben vom 28.04.2010 nicht auszuschließen, sondern als wertungsfähig zu behandeln, oder einstweilen keinen Zuschlag zu erteilen. Der Antrag zielte vielmehr auf die Beschränkung der Handlungsmacht der Beklagten einzig zu Gunsten der Klägerin, also die Bindung einer Zuschlagsentscheidung im Sinne der Klägerin. Auf eine solche an eine Befriedigungswirkung heranreichende einstweilige Verfügung hatte die Klägerin aber keinen Anspruch. Dies bestimmt die Kostenentscheidung zu ihren Lasten im Rahmen des § 91 a ZPO. Diese Wertung erfordert auch in Teilen keine Korrektur im Hinblick auf den Hilfsantrag im Schriftsatz vom 10.05.2010 (Bl. 75 - Anl.; vgl. auch Schriftsatz vom 18.05.2010, Bl. 100). Denn auch dieser gibt den Beklagten einzig als bindendes Rechtmäßigkeitsverhalten den Zuschlag nur an die Klägerin vor.

C.

Beschwerde (Streitwert).

Die Streitwertbeschwerde der Klägerin hat teilweise Erfolg.a)

§ 50 Abs. 2 GKG gibt eine Streitwertberechnungsformel für den Primärrechtsschutz im Verfahren nach §§ 97 f GWB vor. Zwar verweist § 53 S. 1 Nr. 1 GKG bei Verfahren über einen Antrag einer einstweiligen Verfügung auf § 3 ZPO. Allerdings gilt die Regel, dass der Wert des Verfügungsverfahrens in der Regel nicht den Hauptsachewert erreicht, jedenfalls ihn schon gar nicht übertreffen darf (vgl. Hartmann in KostenGe, 39. Aufl. [2009], § 53 GKG, 2 und 5 m.N.).b)

Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH BB 2010, 1431 [Tz. 32]; WM 2010, 28 [Tz. 23]).c)

Zwar betrifft § 50 Abs. 2 GKG nicht den vergaberechtlich unterschwelligen Zivilrechtsschutz. Die Vorschrift ist aber übertragbar. Sie wird auch auf andere Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer erstreckt (Hartmann a.a.O. § 50 GKG, 7 m.N.). Auch im Verfahren nach §§ 97 f GWB, auf welches § 50 Abs. 2 GKG unmittelbar Anwendung findet, sind Elemente des einstweiligen Rechtsschutzes - wie aufgezeigt - enthalten. Zum andern ist es eher Zufall, wo genau der Schwellenwert gemäß § 2 VgV jeweils festgesetzt wird; dieser unterlag auch bislang schon Änderungen (bis 2003 bei Bauaufträgen: 5 Mio. EUR; vom 01.11.2006 bis 28.09.2009: 5.278.000,00 EUR; ab 11.06.2010: 4.845.000,00 EUR). Auch kann es einzig an Besonderheiten der Kalkulation liegen, ob ein eingereichtes Angebot an den aktuellen Schwellenwert gerade heranreicht oder ihn überschreitet. Die Spezialvorschrift des § 50 Abs. 2 GKG trifft danach auch die vorliegende Problemstellung und kann demnach analog angewandt werden (so auch schon Senat a.a.O. [juris Tz. 35]; abw. OLG Düsseldorf a.a.O. [juris Tz. 68]; Schleswig-Holsteinisches OLG a.a.O. [juris Tz. 63] je: § 53 GKG i.V.m. § 3 ZPO). Das Gegenargument der Beklagten: Die Begrenzung von 5 % der Auftragssumme im 'Großen Verfahren' dient dazu, angesichts der dort häufig zur Diskussion stehenden Vergaben von mehreren Euro 100 Mio. oder gar Vergabewerten oberhalb Euro 1 Mrd. die Rechtsverfolgungskosten zu begrenzen (Bl. 172), taugt eher zum Argument für die vorliegende Rechtsansicht. Denn die Vorschrift will ersichtlich verhindern, dass hohe Streitwerte zur Zugangssperre für den Rechtsschutzgewährungsanspruch werden. Dies gilt aber nicht minder für niedrigere Auftragssummen, um welche sich gerade klein- und mittelständische Unternehmen bemühen, für welche das oben aufgezeigte Argument - in Relation - in nicht geringerer Weise gilt.d)

Danach ist der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens abzuleiten aus 5 % des Bruttoangebots der Klägerin für Los I abzüglich 2 % Nachlass: 76.062,00 EUR. Zwar ist ein weiterer Abschlag vorzunehmen, da anders als im Verfahren nach §§ 97 f GWB nicht zugleich auch über den wahren Zuschlagsberechtigten endgültig entschieden wird. Da die Klägerin aber nicht nur einen Aufschub der Zuschlagsentscheidung begehrt hatte, sondern - wie aufgezeigt - eine Bindung der Beklagten in deren Zuschlagsentscheidung vorgeben wollte, ist das Interesse der Klägerin in hohem Maße einem solchen Hauptsachewert angenähert. Der Senat bemisst dieses Interesse deshalb mit 50.000,00 EUR.

II.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der sofortigen Beschwerde (§ 91 a ZPO) beruht auf § 97 ZPO.

Eine Kostenentscheidung hinsichtlich der Streitwertbeschwerde war nicht gefordert (§ 68 Abs. 3 GKG).

Über die Rechtsbeschwerde war hinsichtlich beider Entscheidungsteile mangels deren jeweiliger Statthaftigkeit (vgl. § 542 Abs. 2 ZPO, § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG) nicht zu befinden.

Der Beschwerdewert für das Verfahren der sofortigen Beschwerde schöpft sich aus dem Interesse der Klägerin, von allen Kosten und Gebühren der I. Instanz auf der Grundlage des geändert festgesetzten Streitwertes befreit zu werden.