OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.08.2010 - 16 UF 122/10
Fundstelle
openJur 2012, 63174
  • Rkr:

1. Bei der Frage, ob das Kind einen vom bisherigen Familiennamen unterschiedlichen Namen tragen soll, handelt es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, so dass das Familiengericht gemäß § 1628 BGB zur Entscheidung berufen ist.

2. Zu den Voraussetzungen eines wichtigen Grundes nach § 3 Abs. 1 NamÄndG.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ravensburg vom 26.03.2010 unter Ziff. 1 abgeändert und der Antrag des Beteiligten zu 2. auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des künftigen Nachnamens des Beteiligten zu 1. abgelehnt.2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Es verbleibt bei der Kostenentscheidung der ersten Instanz.

Beschwerdewert: EUR 3.000,00

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Änderung des Familiennamens des Beteiligten zu 1.

Die Beteiligten zu 2. (Vater) und 3. (Mutter) waren verheiratet. Die Trennung der Eltern erfolgte im März 2005. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Ravensburg vom 07.02.2008, rechtskräftig seit 20.06.2008, geschieden. Aus der Ehe ist der am 04.11.1997 geborene Beteiligte zu 1. (Kind) hervorgegangen, für den beide Eltern sorgeberechtigt sind. Jener hat zwei Geschwister, den volljährigen Bruder R... C... und die minderjährige Schwester T... R... . Das Kind lebt seit dem 11.09.2008 mit seinem Bruder beim Vater; die Schwester lebt bei der Mutter. Der Vater hat am 25.11.2008 seinen jetzigen Nachnamen angenommen. Der Bruder hat seinen Nachnamen dem Vater angepasst.

Der Vater hat vor dem Amtsgericht sinngemäß beantragt, ihm die Entscheidungsbefugnis für die Namensänderung des Nachnamens des Kindes zu übertragen.

Das Amtsgericht hat dem Antrag durch Beschluss vom 26.03.2010 stattgegeben und die Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Übertragung auf den Vater das Kind in dem bestehenden Loyalitätskonflikt gegenüber den Eltern und bei seiner Identifikation unterstützen kann. Zudem habe sich das Kind seit Oktober 2008 durchgehend dahin geäußert, den Nachnamen des Vaters annehmen zu wollen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Mutter, mit der diese eine Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung und eine Zurückweisung des Antrags erstrebt. Auf die Beschwerdeschrift wird Bezug genommen.

Der Beteiligte zu 2. hat sich per E-Mail vom 09.08.2010 geäußert. Auf das in dieser enthaltene Schreiben mit Datum vom 05.07.2010 wird Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Mutter ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen einer Namensänderung des Beteiligten Ziff. 1 sind nach den vom Amtsgericht und dem Senat getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. Damit entspricht auch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis über die Namensänderung auf den Beteiligten zu 2. nicht dem Kindeswohl am besten.

Das Amtsgericht geht zu Recht davon aus, dass es sich bei der Frage, ob der Beteiligte zu 1. einen vom bisherigen Familiennamen unterschiedlichen Namen tragen soll, um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind handelt, und daher das Familiengericht nach § 1628 BGB zu einer Entscheidung berufen ist (OLG Karlsruhe, FamRZ 2007, 2005).

In Verfahren nach § 1628 BGB (Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern) hat das Gericht ohne Rücksicht auf die Antragstellung diejenige Entscheidung zu treffen, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1697a BGB). Einem Elternteil ist dann eine Entscheidungsbefugnis zu übertragen, wenn dessen Entscheidungsvorschlag für das Kindeswohl am besten ist und den berechtigten Interessen der Beteiligten entspricht.

Die Voraussetzungen einer Namensänderung nach dem hier einzig in Betracht kommenden § 3 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndG) sind allerdings nicht gegeben, so dass der Vorschlag des Vaters dem Kindeswohl nicht entspricht.

Gemäß § 3 NamÄndG darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Ein wichtiger Grund im Sinne dieser Norm liegt nur dann vor, wenn das Kindeswohl die Änderung des Familiennamens bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründen gebietet, also die Namensänderung im Hinblick auf das Wohl des Kindes erforderlich ist. Dieser Maßstab folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 1618 Satz 4 BGB (vgl. BVerwG NJW 2002, 2406). Das Gesetz stellt dabei mit der Formulierung einer Erforderlichkeit bewusst eine hohe Hürde auf. Als für das Kindeswohl erforderlich ist eine Namensänderung daher nur anzusehen, wenn andernfalls schwerwiegende Nachteile für das Kind zu befürchten wären oder die Namensänderung zumindest einen so erheblichen Vorteil für das Kind darstellen würde, dass ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbandes nicht bestehen würde (BGH FamRZ 2002, 94; OLG Stuttgart FamRZ 2004, 1990).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Auch wenn es verständlich ist, dass das Kind den gleichen Namen tragen möchte wie sein Vater, bei dem er lebt, und sein Bruder, ist diese Wertung ihrerseits bereits das Ergebnis einer Abwägung widerstreitender Interessen. Denn auch die Kontinuität des Kindesnamens ist ein wichtiger Kindesbelang (BGH aaO), der nach Auffassung des Senats überwiegt. Das 12 Jahre alte Kind hat zeitlebens den bisherigen Familiennamen der Eltern als Nachnamen geführt. Der Name wird auch weiterhin von der Beschwerdeführerin und der bei dieser lebenden Schwester des Kindes geführt. Der seit dem 25.11.2008 vom Vater geführte Nachname hat demgegenüber keine historisch gewachsene Bedeutung für das Kind. Zudem würde durch eine Namensänderung das Namensband zur leiblichen Mutter, aber auch zu der Verwandtschaft väterlicherseits zerschnitten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kontinuität der Namensführung nicht nur für die Eltern Bedeutung hat, sondern auch einen wichtigen Kindesbelang darstellt (BGH aaO). Der Familienname dokumentiert nach außen hin die Abstammung des Kindes und hat damit auch identitätsstiftenden Charakter. Er begleitet die Lebensgeschichte seines Trägers und ist deshalb nicht allein aus der Perspektive der gegenwärtigen familiären Situation heraus zu beurteilen (BGH FamRZ 2002, 1331).

Die weiteren vom Vater vorgebrachten Argumente vermögen eine Erforderlichkeit der Namensänderung - wie vom Senat in der Verfügung vom 26.05.2010 dargelegt - nicht zu begründen. Die geschilderten Vorgänge - wie etwa die einmal aufgetretenen Probleme beim Grenzübertritt - stellen lediglich Unannehmlichkeiten dar, die zudem im Falle der passrechtlichen Problematik durch Eintragung des Kindes vermieden werden können. Eine Namensänderung ist allerdings nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn sie nur dazu dienen soll, dem Kind Unannehmlichkeiten zu ersparen, die mit der Namensverschiedenheit zum betreuenden Elternteil verbunden sind, etwa durch Nachfragen zu seinem Nachnamen in der Schule oder im sonstigen sozialen Umfeld (vgl. OVG Brandenburg, FamRZ 2004, 1399). Denn diese Unannehmlichkeiten sind ihrer Natur nach nur vorübergehender Art und nicht geeignet, die Entwicklung eines Kindes ernsthaft zu gefährden (OVG Brandenburg aaO).

Auch die in der Beschwerdeerwiderung des Vaters vorgebrachten Tatsachen und Ansichten vermögen eine Zulässigkeit der Namensänderung nicht zu begründen.

Wie vom Senat bereits ausgeführt, lässt sich eine Befriedung der Familie durch eine Namensänderung des Kindes nicht herbeiführen. Der vom Vater geschilderte Konflikt auf Elternebene lässt sich nicht damit lösen, dass das Kind den Nachnamen des Vaters annimmt. Den Ausführungen lässt sich vielmehr entnehmen, dass die Streitigkeiten die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge betreffen. Die Lösung diese Konflikts ist allein Sache der Eltern.

Die Namensänderung kann auch nicht mit der Vorstellung begründet werden, die Herkunft aus einer gescheiterten Ehe zu verdecken. Kinder können nicht völlig konfliktfrei ins Leben treten. In einem gewissen Umfang müssen sie mit den mit einer Scheidung der Eltern verbundenen Problemen - auch mit einer Namensverschiedenheit - zu leben lernen (BVerwG NJW 1983, 1866).

Schlussendlich kann es dahingestellt bleiben, ob der Sachverhalt anders zu beurteilen wäre, wenn auch die Mutter ihren Familiennamen wieder in den Geburtsnamen ändern würde, da dies bislang nicht erfolgt ist und vom Vater auch keine Tatsachen vorgebracht werden, die dies nahelegen würden.

Vor dem Hintergrund des sich nach Aktenlage ergebenden Loyalitätskonflikts des Kindes ist dessen Willen keine ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen. Auch wenn das Kind - wie sich aus den verschiedenen Anhörungsprotokollen ergibt - durchaus in der Lage ist, seine Vorstellungen klar und eindeutig zur Geltung zu bringen, vermag es doch angesichts seines Alters den mit einer Namensänderung verbundenen Identitätsverlust noch nicht zu übersehen.

Der Senat konnte ohne erneute mündliche Anhörung der Beteiligten entscheiden. Von einer weiteren Anhörung war aufgrund der Sachlage keine weitergehende Information zu erwarten.

III.

Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 81 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 40, 45 FamGKG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 FamFG). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch gebietet die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die in der Sache aufgeworfenen Rechtsfragen sind - wie sich den Zitaten entnehmen lässt - höchstgerichtlich bereits entschieden.