VG Karlsruhe, Urteil vom 01.04.2010 - DL 13 K 1892/09
Fundstelle
openJur 2012, 62730
  • Rkr:

Ein Beamter, der dienstlich anvertrautes Geld unberechtigt für private Zwecke verwendet, begeht ein so schwerwiegendes Dienstvergehen, dass dieses Verhalten regelmäßig mit der Entfernung aus dem Dienst zu ahnden ist (ständige Rechtsprechung der Disziplinargerichte). Dies gilt erst recht für einen als Gerichtsvollzieher beschäftigten Beamten, dem als hoheitlich handelndem Organ der Zwangsvollstreckung eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe übertragen ist, die er in weitem Umfang eigenverantwortlich und selbständig ausübt, mit der Folge, dass dem Dienstherrn nur eine vergleichsweise eingeschränkte Kontrolle seiner Tätigkeit möglich ist.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine vorläufige Dienstenthebung.

Der am ... geborene Kläger wurde am 01.09.1995 in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Justizdienst (Rechtspflegerlaufbahn) eingestellt und zum Rechtspfleger-anwärter ernannt. Am 16.10.1998 bestand er die Rechtspflegerprüfung. Mit Wirkung zum 01.11.1998 wurde er zum Gerichtsvollzieher zur Anstellung und mit Wirkung zum 01.11.2000 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Gerichtsvollzieher (Besoldungsgruppe A 8) ernannt. Der Kläger war zuletzt beim Amtsgericht ... beschäftigt. In seiner letzten dienstlichen Beurteilung wurde als Gesamturteil die Note 5 Punkte vergeben.

Der Kläger ist verheiratet und hat einen Sohn im Alter von 15 Jahren sowie eine Tochter im Alter von 5 Jahren. Disziplinarrechtlich ist er bislang nicht in Erscheinung getreten.

Mit Beschluss vom 08.12.2008 leitete der Direktor des Amtsgerichts ... nach vorheriger Anhörung des Klägers ein Disziplinarverfahren gegen diesen ein. Der Kläger nahm mit Schreiben vom 16.12.2008, 22.12.2008, 06.01.2009 und 15.01.2009 zu den erhobenen Vorwürfen Stellung. Mit Beschluss vom 29.04.2009 setzte der Direktor des Amtsgerichts das Disziplinarverfahren gemäß § 13 Abs. 1 LDG aus. Der Kläger wurde am 08.07.2009 erneut angehört. Dabei erklärte er, er werde derzeit keine Angaben machen. Allerdings werde sein Rechtsanwalt nach Akteneinsicht eine schriftliche Stellungnahme abgeben.

Mit Verfügung ebenfalls vom 08.07.2009 nahm der Direktor des Amtsgerichts das ausgesetzte Disziplinarverfahren wieder auf (Ziffer 1) und enthob den Kläger vorläufig des Dienstes (Ziffer 2). Zur Begründung führte er aus, es bestehe der dringende Verdacht, dass der Kläger in mindestens sieben Fällen Überweisungen von seinem Dienstkonto an verschiedene Gläubiger dokumentiert, tatsächlich jedoch durch Manipulation die angeblich an die Gläubiger überwiesenen Beträge auf sein Privatkonto umgeleitet habe. Dieses Vorgehen erfülle strafrechtlich die Tatbestände der Untreue und Falschbeurkundung im Amt. Darüber hinaus habe der Kläger in einer Mehrzahl von Fällen gegen seine Pflichten aus § 64 GVGA (Untätigkeit), §§ 10, 110 GVGA, 57 Nr. 3 GVO, 762, 763 ZPO (nachlässige Protokollführung) sowie § 59 Nr. 2 GVO (Titel bleiben in der Akte) verstoßen und Gebühren zu Lasten und zu Gunsten von Personen fehlerhaft erhoben. Der Kläger habe durch sein Verhalten das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren.

Die Verfügung vom 08.07.2009 wurde dem Kläger am selben Tag persönlich übergeben. Mit Schreiben vom 20.07.2009 änderte der Direktor des Amtsgerichts die Rechtsmittelbelehrung der Verfügung ab. Das Schreiben vom 20.07.2009 wurde dem Kläger am 22.07.2009 zusammen mit einer Ausfertigung der Verfügung vom 08.07.2009 mit neuer Rechtsmittelbelehrung zugestellt. Bereits mit weiterer Verfügung vom 08.07.2009, die dem Kläger am selben Tag unmittelbar im Anschluss an die vorläufige Dienstenthebung übergeben worden war, hatte der Direktor des Amtsgerichts diesen angewiesen, sämtliche Akten und Gerätschaften, die im Eigentum des Landes Baden-Württemberg und im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Gerichtsvollzieher stehen, an das Amtsgericht ... herauszugeben und das Passwort bzw. die Passwörter für den oder die von ihm benutzten dienstlichen Computer zu benennen.

Mit Verfügung vom 28.08.2009 teilte der weitere aufsichtführende Richter am Amtsgericht ... dem Kläger mit, dass gemäß § 22 Abs. 2 LDG von der Einbehaltung von Bezügen abgesehen und das Disziplinarverfahren gemäß § 13 Abs. 1 LDG erneut ausgesetzt werde.

Mit Verfügung vom 17.09.2009 wurde die sofortige Vollziehung der vorläufigen Dienstenthebung angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei dringend verdächtig, als Gerichtsvollzieher in mehreren Fällen Gelder von Schuldnern eingezogen, auf eigene Konten überwiesen und die Umleitung der Gelder durch eine geschickte Manipulation von Überweisungslisten und sonstigen Begleitdokumenten kaschiert zu haben. Er habe mit einer erheblichen kriminellen Energie die spezifischen Zahlungswege und Nachweisverfahren des Gerichtsvollzieherdienstes ausgenutzt und sich dadurch strafbar gemacht. Bei dieser Sachlage sei es im Interesse der am Vollstreckungsrechtsverkehr Beteiligten sowie einer funktionierenden Justiz nicht zu vertreten, dass der Kläger auch nur vorläufig weiterhin als Gerichtsvollzieher tätig sei.

Mit Beschlüssen vom 09.02.2010 (DL 13 K 2426/09 und DL 13 K 2427/09) lehnte die erkennende Disziplinarkammer die Anträge des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab.

Der Kläger hat bereits mit Schreiben vom 10.08.2009, das nicht eigenhändig unterschrieben, jedoch mit Anlagen versehen war, Klage erhoben. Die Klageschrift ist am 12.08.2009 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe eingegangen. Am 02.09.2009 hat der Kläger einen unterschriebenen Klageschriftsatz nachgereicht. Zur Begründung seiner Klage macht er im Wesentlichen geltend, er sei im Disziplinarverfahren nicht ordnungsgemäß angehört worden. Ihm sei die Ladung zum Anhörungstermin am 08.07.2009 nicht rechtzeitig zugestellt worden. Von dem Termin habe er wegen einer fehlerhaften Zustellung der Ladung erst am 06.07.2009 Kenntnis erlangt. Seinem Verfahrensbevollmächtigten sei die Ladung zum Anhörungstermin erst am Vortag des anberaumten Termins zugestellt worden. Wegen der verspäteten Zustellung habe er sich nur eingeschränkt gegen die erhobenen Vorwürfe verteidigen können. Seinem Verfahrensbevollmächtigten sei es wegen der kurzfristigen Ladung zudem nicht möglich gewesen, am Anhörungstermin teilzunehmen. Darüber hinaus könne er sich gegen die erhobenen Vorwürfe auch deshalb nicht verteidigen, weil ihm wegen der Beschlagnahme sämtlicher Datenträger einschließlich seines Computers keine Aufzeichnungen über seinen Zahlungsverkehr mehr zur Verfügung stünden. Die Verfügung des Direktors des Amtsgerichts ... vom 08.07.2009, mit der dieser u.a. die Herausgabe der Sonderakten angeordnet habe, sei rechtswidrig gewesen. Die Herausgabe der Sonderakten hätte nur durch Beschluss des Verwaltungsgerichts auf der Grundlage des § 17 LDG angeordnet werden dürfen. Die vorläufige Dienstenthebung sei im Übrigen erst nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Verfügung vom 17.09.2009 wirksam geworden. Bei den auf sein Privatkonto überwiesenen Geldern handele es sich ausschließlich um die ihm zustehenden Auslagen, Wegegelder und Gebührenanteile.

Der Kläger beantragt,

Ziffer 2 der Verfügung des Beklagten vom 08.07.2009 (vorläufige Dienstenthebung) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen die Gründe der angegriffenen Verfügung.

Die Disziplinarkammer hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft ... aus dem Verfahren Js 16563/08 (20 Bände) beigezogen. Darüber hinaus lagen der Disziplinarkammer die Personalakte des Klägers (1 Band), die Disziplinarakten des Beklagten (2 Bände), die Akte des Beklagten zur Dienstaufsichtsbeschwerde ... (1 Band) und die Gerichtsakten in den Verfahren DL 13 K 2426/09 und DL 13 K 2427/09 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser Akten sowie der im gerichtlichen Verfahren übersandten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Auf das vorliegende Verfahren finden die Regelungen des am 22.10.2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts vom 14.10.2008 (GBl. S. 343) - LDNOG - Anwendung. Das Landesdisziplinargesetz - LDG - (Artikel 1 des LDNOG) führt nach der gesetzgeberischen Absicht das Disziplinarverfahren in ein Verwaltungsverfahren mit sich ggf. anschließendem verwaltungsgerichtlichen Verfahren über und beendet damit im Wesentlichen dessen bisherige Bindung an das Strafprozessrecht. Das Disziplinarverfahren soll an das allgemeine beamtenrechtliche Verwaltungsverfahren angeglichen werden (Amtliche Begründung zum LDNOG, LT-Drs. 14/2996, S. 52). Disziplinarrechtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sollen künftig weitgehend den allgemeinen Regeln des Verwaltungsprozessrechts folgen (vgl. LT-Drs. 14/2996, Begründung zu Art. 15 des LDNOG zu Teil 2, 2. Abschnitt, S. 140 ff.). Die hier streitgegenständliche vorläufige Dienstenthebung gemäß §§ 22 Abs. 1, 23 LDG ist als Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 LVwVfG zu qualifizieren; der Rechtsschutz hiergegen richtet sich nach den Vorschriften der VwGO und dem hierzu ergangenen Ausführungsgesetz (AGVwGO) i.d.F. des LDNOG (vgl. LT-Drs. 14/2996, zu § 23 LDG, S. 84, sowie zu Art. 15 des LDNOG zu Teil 2, 2. Abschnitt, S. 140 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.11.2009 - DL 16 S 1921/09 -, juris; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, 23. Aktualisierung Juli 2009, § 63 Rn. 20).

Das Begehren des Klägers ist hiernach als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) statthaft. Die Durchführung eines Vorverfahrens ist gemäß § 15 Abs. 2 AGVwGO entbehrlich. Der Kläger hat gegen die Verfügung vom 08.07.2009, die ihm - mit abgeänderter Rechtsmittelbelehrung - am 22.07.2009 zugestellt wurde, am 12.08.2009 auch rechtzeitig Klage erhoben (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Erfordernis der Schriftlichkeit der Klageerhebung gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht einer wirksamen Klageerhebung mit dem nicht unterzeichneten Schreiben vom 10.08.2009 nicht entgegen. Zwar setzt diese grundsätzlich voraus, dass die Klageschrift durch den Kläger oder seinen Prozessbevollmächtigten eigenhändig unterschrieben ist. Von einer wirksamen Klageerhebung ist allerdings auch ohne eigenhändige Namenszeichnung auszugehen, wenn sich aus dem bestimmenden Schriftsatz allein oder in Verbindung mit beigefügten Unterlagen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (BVerwG, Urt. v. 06.12.1988 - 9 C 40/87 -, BVerwGE 81, 32 m.w.N.). Hiervon ist vorliegend auszugehen, da die Klageschrift vom 10.08.2009 mit Anlagen versehen war, aus denen sich mit hinreichender Sicherheit ergibt, dass diese vom Kläger herrührte und mit seinem Willen dem Verwaltungsgericht zugegangen war. Der Klageschrift waren unter anderem in dem Disziplinarverfahren gegen den Kläger ergangene Verfügungen des Beklagten, eine im Ermittlungsverfahren gegen den Kläger durch die Staatsanwaltschaft ... eingeholte Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts ..., die von dem Kläger gegen den Direktor des Amtsgerichts ... erhobene Dienstaufsichtsbeschwerde und die daraufhin ergangene Entscheidung des Präsidenten des Landgerichts ... in Kopie beigefügt. Darüber hinaus lagen der Klageschrift vom Kläger selbst unterzeichnete Niederschriften über die in seinen Diensträumen und seiner Wohnung durchgeführten Durchsuchungen in Kopie bei. Diese beigefügten Unterlagen, die mit der angefochtenen Disziplinarverfügung vom 08.07.2009 im Zusammenhang stehen, bieten in ihrer Gesamtheit die Gewähr dafür, dass der Kläger Urheber der Klageschrift vom 10.08.2009 ist und diese bewusst in den Rechtsverkehr gegeben hat.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung vom 08.07.2009, wonach der Kläger vorläufig des Dienstes enthoben wird, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die angefochtene Verfügung ist formell rechtmäßig. Der Direktor des Amtsgerichts ... war vorliegend gemäß §§ 22, 7 Abs. 1, 4 Satz 1 Nr. 3 LDG als Dienstvorgesetzter des Klägers (vgl. § 2 Nr. 2 GVO i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AGGVG) für den Erlass der Verfügung zuständig.

Entgegen dem Vortrag des Klägers leidet die angefochtene Verfügung auch nicht an Verfahrensfehlern. Der Kläger ist insbesondere gemäß § 11 Abs. 2 LDG ordnungsgemäß angehört worden. Ihm wurde bereits vor der Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Beschluss vom 08.12.2008 Gelegenheit gegeben, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern. Darüber hinaus nahm er auch mit Schreiben vom 16.12.2008, 22.12.2008, 06.01.2009 und 15.01.2009 hierzu Stellung. Der Kläger wurde am 08.07.2009 erneut angehört. Dieser Anhörung stand - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - nicht entgegen, dass das Disziplinarverfahren mit Beschluss vom 29.04.2009 ausgesetzt worden war und der Kläger ausweislich der über die Anhörung gefertigten Niederschrift erst unmittelbar im Anschluss an diese über die Wiederaufnahme des Verfahrens unterrichtet wurde. Denn zum einen hatte er nach der Bekanntgabe der Wiederaufnahme des Verfahrens noch Gelegenheit, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern, so dass ein Verfahrensfehler jedenfalls nach § 2 LDG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 LVwVfG geheilt wäre (vgl. LT-Drucks. 14/2996, zu § 11 LDG, S. 69). Zum anderen kann nach Auffassung der Disziplinarkammer bereits die Ladung zum Anhörungstermin als konkludente Wiederaufnahme des Verfahrens angesehen werden. Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG kann die Disziplinarbehörde das Disziplinarverfahren jederzeit wieder aufnehmen, ohne dass hierfür besondere Voraussetzungen vorliegen müssen. Die gesetzliche Regelung sieht für die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens - abgesehen von der Pflicht zur Unterrichtung des Beamten nach § 13 Abs. 4 LDG - keine besondere Form vor, so dass diese auch konkludent durch eine Maßnahme erfolgen kann, mit der die Disziplinarbehörde zum Ausdruck bringt, dass das Disziplinarverfahren fortgesetzt werden soll, vorausgesetzt der Beamte wird gemäß § 13 Abs. 4 LDG von dieser Maßnahme unterrichtet (vgl. Weiß in GKÖD Bd. II, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 22 Rn. 44). Vorliegend war für den Kläger aus der ihm zugegangen Ladung zum Anhörungstermin ersichtlich, dass das Disziplinarverfahren fortgeführt werden soll.

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, er und sein Verfahrensbevollmächtigter seien zu dem Anhörungstermin am 08.07.2009 nicht rechtzeitig geladen worden, weshalb es seinem Verfahrensbevollmächtigten nicht möglich gewesen sei, zum Termin zu erscheinen, und er selbst den Termin nicht habe ausreichend vorbereiten können. Denn eine Anhörung des Beamten setzt weder nach § 11 Abs. 2 LDG noch nach § 2 LDG i.V.m. § 28 LVwVfG oder sonstigen Vorschriften des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes die Beachtung besonderer Förmlichkeiten, insbesondere eine fristgerechte Ladung zum Anhörungstermin voraus. Der Kläger ist zu dem Anhörungstermin am 08.07.2009 auch erschienen. Die Frage der Verwertbarkeit einer im Anhörungstermin getroffenen Aussage des Klägers stellt sich im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht, weil der Kläger im Anhörungstermin keine Angaben gemacht hat.

Der Kläger vermag darüber hinaus nicht mit Erfolg vorzutragen, er habe sich wegen der Herausgabe bzw. Beschlagnahme sämtlicher Datenträger und seines Computers nicht ordnungsgemäß verteidigen können. Denn er hätte sowohl im Verwaltungsverfahren nach § 2 LDG i.V.m. § 29 LVwVfG als auch im gerichtlichen Verfahren nach § 100 Abs. 1 VwGO jederzeit die Gewährung von Akteneinsicht durch ihn oder einen Verfahrens- bzw. Prozessbevollmächtigten beantragen können. Dementsprechend übersandte der Direktor des Amtsgerichts dem damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Klägers mit Verfügung vom 22.12.2008 auf dessen Antrag vom 17.12.2008 die Disziplinarakte zur Einsicht und teilte zugleich mit, dass eine Einsichtnahme in die Beweismittel nach Vereinbarung beim Amtsgericht ... erfolgen könne. Einen weiteren Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht hat weder der Kläger selbst noch sein Verfahrensbevollmächtigter gestellt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die vorläufige Dienstenthebung auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der Direktor des Amtsgerichts ... mit Verfügung vom 08.07.2009 - wie der Kläger meint - rechtswidrig die Herausgabe der Sonderakten verlangt habe. Nach § 9 Abs. 1 GVO veranlasst die Dienstbehörde, dass die im Besitz des Gerichtsvollziehers befindlichen dienstlichen Gegenstände (z.B. Dienstsiegel, Dienststempel, Geschäftsbücher und Akten) an sie abgeliefert werden und die aus dienstlichem Anlass der Verfügung des Gerichtsvollziehers unterliegenden Gegenstände (z.B. Geld, Giroguthaben, Pfandstücke, Schriftstücke) sichergestellt werden, wenn die Beschäftigung des Gerichtsvollziehers bei der Dienstbehörde durch vorläufige Dienstenthebung endet. Die Disziplinarkammer kann dahinstehen lassen, ob die Herausgabeverfügung vom 08.07.2009 und die hierauf beruhende Inbesitznahme der Akten deshalb rechtswidrig war, weil die am 12.08.2009 erhobene Klage gegen die vorläufige Dienstenthebung aufschiebende Wirkung hatte. Dahingestellt bleiben kann auch, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Verfügung vom 17.09.2009 ggf. zur Heilung dieses Fehlers führte (vgl. § 2 LDG i.V.m. § 45 LVwVfG und § 21 Satz 2 AGVwGO). Denn es ist vorliegend offensichtlich, dass die Herausgabeverfügung und die nachfolgende Inbesitznahme der Sonderakten die Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 2 LDG i.V.m. § 46 LVwVfG). Die vorläufige Dienstenthebung wurde nach dem Vortrag des Klägers sowie der Niederschrift über die Anhörung vom 08.07.2009 und die an diesem Tag vorgenommenen Verfahrenshandlungen (Band II der Disziplinarakten, AS 615 ff.) bereits vor dem Erlass der Herausgabeverfügung und der Inbesitznahme der Sonderakten ausgesprochen. Zwar wurde die Disziplinarverfügung (vorläufige Dienstenthebung) am 22.07.2009 erneut zugestellt. Sie entsprach jedoch inhaltlich der bereits am 08.07.2009 übergebenen Verfügung und war lediglich mit einer geänderten Rechtsmittelbelehrung versehen. Die Herausgabeverfügung und die Inbesitznahme der Sonderakten waren somit offensichtlich nicht kausal für die vorläufige Dienstenthebung und können daher nicht deren Rechtswidrigkeit begründen.

Die vorläufige Dienstenthebung steht auch mit materiellem Recht in Einklang. Rechtsgrundlage der vorläufigen Dienstenthebung ist § 22 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 LDG. Danach kann die Disziplinarbehörde den Beamten vorläufig des Dienstes entheben, wenn er voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 LDG (sog. entfernungsvorbereitende Dienstenthebung, vgl. LTDrucks. 14/2996, zu § 22 LDG, S. 81) sind vorliegend erfüllt. Danach muss gegen den Beamten der Verdacht eines Dienstvergehens bestehen, das als disziplinare Ahndung die Verhängung der sogenannten Höchstmaßnahme erfordert. Dies bedeutet, dass bereits ein Sachverhalt festgestellt sein muss, aus dem sich ein Verdacht ergibt, der die individuelle, auf den konkreten Fall bezogene Prognose zulässt, dass der Beamte ein Dienstvergehen begangen hat, das voraussichtlich zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen wird (vgl. auch bereits die Rechtsprechung zu §§ 38 Abs. 1, 63 Abs. 2 BDG: OVG NRW, Beschl. v. 14.11.2007 - 21d B 1024/07.BDG -, DVBl 2008, 128 ff., m.w.N.; Gansen, a.a.O., § 38 BDG Rn. 9; zu § 92 Abs. 1 BDO: BVerwG, Beschl. v. 28.02.2000 - 1 DB 26.99 -, juris; zu § 89 LDO: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.11.1993 - D 17 S 13/93 -, VBlBW 1994, 209). Die dem Tatbestand des § 22 Abs. 1 Nr. 1 LDG zugeordnete Prognose ist gerichtlicherseits voll nachprüfbar. Erst wenn die Prognose im Sinne einer voraussichtlichen Entfernung aus dem Dienst beantwortet ist, setzt das Ermessen der Behörde ein.

Der Prognosecharakter der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung impliziert, dass die Disziplinarkammer nicht die Überzeugung gewinnen muss, dass der Beamte das Dienstvergehen, das die disziplinare Höchstmaßnahme rechtfertigt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit begangen hat. Prognosen sind bereits ihrer Natur nach lediglich Aussagen über die Wahrscheinlichkeit und den Wahrscheinlichkeitsgrad des Eintritts eines Sachverhalts (vgl. Dawin in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 108 Rn. 64). Für die in § 22 Abs. 1 Nr. 1 LDG vorausgesetzte Prognose reicht deshalb ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit aus. Dieser besteht allerdings nicht schon dann, wenn die Verhängung der schärfsten Disziplinarmaßnahme möglich oder ebenso wahrscheinlich ist wie die einer milderen Disziplinarmaßnahme. Vielmehr ist erforderlich, dass im Disziplinarverfahren gegen einen aktiven Beamten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis muss wahrscheinlicher sein als eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinierung (vgl. zu § 38 Abs. 1 S. 1 BDG: OVG NRW, Beschl. v. 14.11.2007, a.a.O.; Gansen, a.a.O., § 38 Rn. 10; zu § 92 Abs. 1 BDO: vgl. BVerwG, Urt. v. 18.12.1987 - 1 DB 27/87 -, BVerwGE 83, 376, 378; Beschl. v. 28.02.2000 - 1 DB 26.99 -, juris; zu § 89 LDO: vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.11.1993, a.a.O.).

Ausweislich der Amtlichen Begründung geht der Landesgesetzgeber davon aus, dass die Prognoseentscheidung auf der Grundlage des Ermittlungsergebnisses zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorläufige Maßnahme zu treffen ist (LT-Drs. 14/2996, zu § 23 LDG, S. 84). Diese Aussage bedarf im Hinblick auf die gerichtliche Kontrolle der Präzisierung.

Dies gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht. Um eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Richtigkeit der Prognose sicherzustellen, müssen auch nach Erlass der vorläufigen Dienstenthebung eintretende Änderungen der die Prognosebasis bildenden Umstände Berücksichtigung finden. Für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung gemäß § 22 Abs. 1 LDG durch das Verwaltungsgericht ist deshalb auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Urteil der Disziplinarkammer vom 07.12.2009 - DL 13 K 598/09 -; dies entspricht der Rechtsprechung zu den im Bundesrecht wie den übrigen Landesdisziplinargesetzen normierten Beschlussverfahren; zu § 126 Abs. 3 WDO vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002 - 2 WDB 1/02 -, NVwZ-RR 2003, 287 f.; zu §§ 38, 63 Abs. 2 BDG vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, - 83 DB 1.09 -, juris; Ganser, a.a.O., § 63 BDG Rn. 12; Weiß, a.a.O., § 63 Rn. 49; zu §§ 89, 93 LDO v. Alberti/Roskamp/Gayer, LDO, § 93 Rn. 8).

Auch das Maß der Sachverhaltsaufklärung im Rahmen des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens bedarf der Konkretisierung. Für den Rechtsschutz des Beamten gegen eine vorläufige Dienstenthebung sehen das Bundesdisziplinargesetz und auch die übrigen Disziplinargesetze der Länder ein besonderes Beschlussverfahren vor. Nach der bundesrechtlichen Regelung, die in zahlreichen Bundesländern für entsprechend anwendbar erklärt wird, kann der Beamte die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung beantragen (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 BDG); nach § 63 Abs. 2 BDG ist die vorläufige Dienstenthebung auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Der Untersuchungsgrundsatz ist hier hinsichtlich des Umfangs der Sachverhaltsaufklärung - ähnlich wie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO - grundsätzlich dahingehend eingeschränkt, dass auf der Grundlage einer lediglich summarischen Prüfung des zum Entscheidungszeitpunkt bekannten Sachverhalts entschieden wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.07.2009 - 2 AV 4/09 -, juris; OVG NRW, Beschl. v. 14.11.2007, a.a.O.; Ganser, a.a.O., § 63 BDG Rn. 11; Weiß, a.a.O., § 63 Rn. 50 ff.; zur bisherigen Rechtslage in Baden-Württemberg auf der Grundlage der §§ 89, 93 LDO vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.08.2004 - DL 17 S 11/04 - m.w.N.).

Demgegenüber enthält das Landesdisziplinargesetz keinen speziellen Rechtsbehelf gegen vorläufige Dienstenthebungen. Der Rechtsschutz hiergegen richtet sich nach der zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts mit Gesetz vom 14.10.2008 nunmehr nach allgemeinem Verwaltungsprozessrecht, so dass im Hauptsacheverfahren der Anfechtungsklage gegen die vorläufige Dienstenthebung, das regelmäßig mit einer mündlichen Verhandlung verbunden ist, der Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO grundsätzlich in vollem Umfang Geltung beansprucht. Im Hauptsacheverfahren gegen die vorläufige Dienstenthebung ist daher nicht eine lediglich summarische - im Sinne einer überschlägigen - Prüfung des dem Beamten zur Last gelegten Sachverhalts durchzuführen (vgl. Urteil der Disziplinarkammer vom 07.12.2009, a.a.O.; LT-Drs. 14/2996, zu § 23 LDG, S. 84; a. A. wohl VG Freiburg, Urt. v. 03.02.2009 - DL 10 K 2701/08 -).

Allerdings hält die Disziplinarkammer die in der Amtlichen Begründung der Sache nach postulierte Beschränkung der Entscheidungsgrundlage auf die aktuell vorliegenden Erkenntnisse und Beweismittel (LT-Drs. 14/2996, zu § 23 LDG, S. 84) und die damit einhergehende Modifikation des Untersuchungsgrundsatzes auch im Hauptsacheverfahren im Kern für sachgerecht. Dies gilt vor allem mit Blick auf das systematische Verhältnis des Verfahrens der vorläufigen Dienstenthebung nach § 22 LDG zu dem Verfahren der (endgültigen) Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach § 31 LDG. Das Landesdisziplinargesetz sieht vor Erlass der Disziplinarverfügung, also auch vor Erlass der Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, ein Ermittlungsverfahren vor, in dem die zuständige Disziplinarbehörde verpflichtet ist, eigene Ermittlungen anzustellen (vgl. § 12 LDG). § 15 Abs. 1 LDG begründet dabei ausdrücklich eine Pflicht zur Beweiserhebung. Im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 86 VwGO und damit die Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts, ggf. mittels einer Beweisaufnahme (§ 96 VwGO; vgl. hierzu nur Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 86 Rn. 5 sowie die Amtliche Begründung, LT-Drs. 14/2996, zu § 19 AGVwGO, S. 145). Mithin zielt das Gesetz darauf ab, dass der für die (endgültige) Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis maßgebliche Sachverhalt entweder bereits in dem auf Erlass dieser Maßnahme gerichteten (behördlichen) Disziplinarverfahren oder in dem sich anschließenden Klageverfahren - ggf. unter Durchführung einer Beweisaufnahme - erschöpfend und abschließend aufgeklärt wird. Vor diesem Hintergrund hat die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Maßnahme nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 LDG im Rahmen der Anfechtungsklage in der Regel lediglich auf der Grundlage der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorhandenen Ermittlungsergebnisse unter Einschluss präsenter Beweismittel zu erfolgen. Denn nur so wird die Eigenart der Entscheidung nach § 22 LDG als mit einer Prognose verbundenen vorläufigen Maßnahme gewahrt und gewährleistet, dass die abschließende Klärung der Voraussetzungen der (endgültigen) Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 31 LDG dem diesbezüglichen behördlichen oder gerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt (vgl. zum Ganzen Urteil der Disziplinarkammer vom 07.12.2009, a.a.O.).

An diesem Maßstab gemessen ist die Disziplinarkammer nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass das Disziplinarverfahren voraussichtlich mit der Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis (§ 31 LDG) enden wird (sog. Höchstmaßnahmeprognose). Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung liegt ein hinreichender Tatverdacht für ein schweres Dienstvergehen gemäß § 95 Abs. 1 LBG vor, durch das der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren hat (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 LDG). Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 LBG (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift §§ 47 Abs. 1, 63 Abs. 3 BeamtStG) begeht der Beamte ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt.

Der Verdacht eines - einheitlichen - innerdienstlichen schweren Dienstvergehens, das mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erwarten lässt, ergibt sich vorliegend daraus, dass der Kläger aller Voraussicht nach in den Jahren 2005 bis 2009 in einer Mehrzahl von Fällen Gelder, die ihm in seiner Funktion als Gerichtsvollzieher anvertraut waren, ausweislich von ihm angefertigter Sammelüberweisungslisten angeblich an die Gläubiger ausgezahlt, tatsächlich jedoch auf sein Privatkonto überwiesen hat. Die Überweisungen erfolgten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Wege von Sammelüberweisungsaufträgen, die der Kläger bei der sein Dienstkonto führenden Bank in Form einer 3,5 Zoll Diskette einreichte, wobei die Bank nicht überprüfte, ob der im Datensatz enthaltene Begünstigte materiell der Berechtigte war (vgl. den Ermittlungsbericht der Polizeidirektion ... vom 01.10.2009, S. 9, in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft ..., Hauptband II).

Der Kläger hat mit überwiegender Wahrscheinlichkeit insbesondere folgende, in den Gründen der Disziplinarverfügung vom 08.07.2009 aufgeführte Verstöße begangen:

1. Am 03.02.2005 überwies er in seiner Funktion als Gerichtsvollzieher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Wege eines Sammelüberweisungsauftrages unter Angabe eines Verwendungszweckes folgende Beträge von seinem Dienstkonto bei der Sparkasse ..., Kto.-Nr. ..., auf sein Privatkonto bei der Sparkasse ..., Kto.-Nr. ...:

Betrag:

Verwendungszweck:

38,60 EUR

Zahlungseingang GV ..., KB II 216, DR II 975/04

39,76 EUR

Zahlungseingang GV ..., DR II 639/04

26,50 EUR

Zahlungseingang GV ..., KB II 219, DR II 999/04

23,60 EUR

Zahlungseingang GV ..., KB II 218, DR II 982/04

Bezüglich der im Verwendungszweck genannten Verfahren (Geschäftsnummern DR II 975/04, DR II 639/04, DR II 999/04 und DR II 982/04) hatte der Zentrale Prüfungsbeamte anlässlich einer am 20.09.2004 durchgeführten Geschäftsprüfung den Kostenansatz des Klägers beanstandet. Der Präsident des Landgerichts ... hatte den Kläger daraufhin mit Prüfungsbescheid vom 27.12.2004 aufgefordert, die oben genannten Beträge an die Gläubiger auszuzahlen. Ausweislich der von dem Kläger erstellten Sammelüberweisungsliste Nr. 7 vom 04.02.2005 (Auftragsnummern 4259, 4261, 4262 und 4263) wurden die oben genannten Beträge an die Gläubiger bzw. Gläubiger-Vertreter ausgezahlt (38,60 EUR an ..., 39,76 EUR und 26,50 EUR an das Landratsamt ... sowie 23,60 EUR an ...). Tatsächlich dürfte der Kläger die Beträge jedoch auf sein Privatkonto überwiesen haben.

Dieser Sachverhalt ergibt sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aus den in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft (Fallakte Sammelüberweisungen 1-24, Fall-Nr. 1) enthaltenen Kopien einer Übersicht über den Datenträgeraustausch vom 07.02.2005, der Sammelüberweisungsliste Nr. 7 vom 04.02.2005, eines Kontoauszugs des Privatkontos des Klägers (Sparkasse ..., Kto.-Nr. ...) sowie eines in der Disziplinarakte, Bd. II (AS 509) enthaltenen Berichts des Oberamtsrats ... an den Direktor des Amtsgerichts ... vom 30.06.2009, der den oben dargelegten Sachverhalt aufgrund einer Auswertung der Sonderakten, Kassenbücher, Sammelüberweisungslisten und Quittungsblöcke sowie der Einholung von Auskünften der Gläubiger unter Berücksichtigung einer ihm von der Staatsanwaltschaft überlassenen Liste über Zahlungseingänge auf dem Privatkonto des Klägers festgestellt hat.

2. Ausweislich der von ihm angefertigten Sammelüberweisungsliste Nr. 28 vom 24.05.2005 überwies der Kläger im Verfahren Geschäftsnummer DR II 1378/04, Kassenbuchnummer KB II 1094, unter dem 20.05.2005 angeblich einen Betrag von 679,04 EUR an den Empfänger ... (Auftragsnummer 4557). Dieser Betrag ging mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jedoch nicht bei dem genannten Empfänger ein, weil der Kläger die Überweisung tatsächlich nicht an diesen, sondern auf sein Privatkonto veranlasst hat.

Dieser Sachverhalt wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit belegt durch die in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft (Fallakte Sammelüberweisungen 1-24, Fall-Nr. 3) enthaltenen Kopien eines Kontoauszugs des Dienstkontos des Klägers, der Sammelüberweisungsliste Nr. 28 vom 24.05.2005 und eines Kontoauszugs des Privatkontos des Klägers (Sparkasse ..., Kto.-Nr. ...). Gemäß den Kontoauszügen des Dienstkontos und des Privatkontos des Klägers wurde von dem Dienstkonto ein Betrag in Höhe von 679,04 EUR auf das Privatkonto überwiesen, der dort am 30.05.2005 einging. Der Kontoauszug des Dienstkontos weist dagegen keine Überweisung an den Empfänger ... aus. Ausweislich der Kontoauszüge des Dienstkontos und des Privatkontos wurde im Verwendungsvermerk übereinstimmend auf das Verfahren Geschäftsnummer DR II 1378/04, Kassenbuchnummer KB II 1094 Bezug genommen. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Übrigen auch aus dem Prüfbericht des Oberamtsrates ... vom 30.06.2009. Danach bestätigte Rechtsanwalt ... mit Schreiben vom 25.06.2009, dass in dem Verfahren Geschäftsnummer DR II 1378/04 keine Zahlungen durch den Kläger geleistet wurden.

3. Ausweislich der von ihm angefertigten Sammelüberweisungsliste Nr. 37 vom 30.06.2005 überwies der Kläger im Verfahren Geschäftsnummer DR II 473/05, Kassenbuchnummer KB II 1397, unter dem 30.06.2005 angeblich einen Betrag von 60,84 EUR an den Empfänger .... (Auftragsnummer 4673). Dieser Betrag ging mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jedoch nicht bei dem genannten Empfänger ein, weil der Kläger die Überweisung tatsächlich nicht an diesen, sondern auf sein Privatkonto veranlasst hat.

Dieser Sachverhalt wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit belegt durch die in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft (Fallakte Sammelüberweisungen 1-24, Fall-Nr. 7) enthaltenen Kopien eines Kontoauszugs des Dienstkontos des Klägers, der Sammelüberweisungsliste Nr. 37 vom 30.06.2005 und eines Kontoauszugs des Privatkontos des Klägers (Sparkasse ..., Kto.-Nr. ...). Gemäß den Kontoauszügen des Dienstkontos und des Privatkontos des Klägers wurde von dem Dienstkonto ein Betrag in Höhe von 60,84 EUR auf das Privatkonto überwiesen, der dort am 01.07.2005 einging. Der Kontoauszug des Dienstkontos weist dagegen keine Überweisung an den Empfänger .... aus. Ausweislich der Kontoauszüge des Dienstkontos und des Privatkontos wurde im Verwendungsvermerk übereinstimmend auf das Verfahren Geschäftsnummer DR II 473/05, Kassenbuchnummer KB II 1397 Bezug genommen. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Übrigen auch aus dem Prüfbericht des Oberamtsrates ... vom 30.06.2009. Danach bestätigte die Kanzlei Rechtsanwälte ... (Sachbearbeiterin Frau ...) am 30.06.2009 fernmündlich, dass der Betrag von 60,84 EUR nicht auf den Konten der Kanzlei eingegangen sei.

Über diese in der Disziplinarverfügung genannten Fälle hinaus ist aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft ersichtlich, dass der Kläger auch in den Jahren 2006 bis 2009 in einer Mehrzahl von Fällen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ihm dienstlich anvertraute Gelder nicht an die Gläubiger, sondern auf sein Privatkonto überwiesen hat. Exemplarisch sollen nur folgende Fälle herausgegriffen werden:

1. Ausweislich eines vom Kläger unterzeichneten Zahlungsprotokolls vom 09.11.2006 zahlte der Schuldner ... an diesen unter dem 09.11.2006 im Verfahren Geschäftsnummer DR II 719/06, Kassenbuchnummer KB II 2408/06 auf eine gegenüber der Firma ... GmbH bestehende Schuld einen Betrag von 370,30 EUR zuzüglich Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 29,70 EUR. Ausweislich der von dem Kläger angefertigten Sammelüberweisungsliste Nr. 57 vom 13.11.2006 und einem dem Zahlungsprotokoll beigefügten Belegvermerk des Klägers wurde der Betrag von 370,30 EUR am 09.11.2006 an die Gläubigerin überwiesen. Tatsächlich ging der Betrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jedoch nicht, wie angegeben, bei der Gläubigerin ein, weil der Kläger diesen nicht an die Gläubigerin, sondern auf sein Privatkonto überwiesen hat.

Dieser Sachverhalt ergibt sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aus den in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft (Fallakte Sammelüberweisungen 25-34, Fall-Nr. 25) enthaltenen Kopien eines Kontoauszugs des Dienstkontos des Klägers, der Sammelüberweisungsliste Nr. 57 vom 13.11.2006, eines Kontoauszugs des Privatkontos des Klägers (Sparkasse ..., Kto.-Nr. ...) sowie des Zahlungsprotokolls vom 09.11.2006. Ausweislich der Kontoauszüge des Dienstkontos und des Privatkontos wurde von dem Dienstkonto ein Betrag in Höhe von 370,30 EUR auf das Privatkonto des Klägers überwiesen, der dort am 14.11.2006 einging. Der Kontoauszug des Dienstkontos weist dagegen keine Überweisung an die Firma ... GmbH aus.

2. Ausweislich eines vom Kläger unterzeichneten Zahlungsprotokolls vom 05.03.2007 zahlte die Schuldnerin ... an diesen unter dem 05.03.2007 im Verfahren Geschäftsnummer DR II 268/07, Kassenbuchnummer KB II 439/07 auf eine gegenüber der GEZ Gebühreneinzugszentrale bestehende Schuld einen Betrag von 280,85 EUR zuzüglich Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 21,10 EUR. Ausweislich der von dem Kläger angefertigten Sammelüberweisungsliste Nr. 12 vom 05.03.2007 und einem dem Zahlungsprotokoll beigefügten Belegvermerk des Klägers wurde der Betrag von 280,85 EUR am 05.03.2007 an den Gläubiger überwiesen. Tatsächlich ging dieser Betrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jedoch nicht bei dem Gläubiger ein, weil der Kläger den Betrag nicht, wie angegeben, an diesen, sondern auf sein Privatkonto überwiesen hat.

Dieser Sachverhalt wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit belegt durch die in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft (Fallakte Sammelüberweisungen 25-34, Fall-Nr. 34) enthaltenen Kopien eines Kontoauszugs des Dienstkontos des Klägers, der Sammelüberweisungsliste Nr. 12 vom 05.03.2007, eines Kontoauszugs des Privatkontos des Klägers (Sparkasse ..., Kto.-Nr. ...) sowie des Zahlungsprotokolls vom 05.03.2007. Ausweislich der Kontoauszüge des Dienstkontos und des Privatkontos wurde von dem Dienstkonto ein Betrag in Höhe von 280,85 EUR auf das Privatkonto des Klägers überwiesen, der dort am 07.03.2007 einging. Der Kontoauszug des Dienstkontos weist dagegen keine Überweisung an die GEZ Gebühreneinzugszentrale aus.

3. Ausweislich eines vom Kläger unterzeichneten Zahlungsprotokolls vom 10.07.2008 zahlte der Schuldner ... an diesen unter dem 10.07.2008 im Verfahren Geschäftsnummer DR II 505/07, Kassenbuchnummer KB II 1303/08 auf eine gegenüber der LOK Landesoberkasse Baden-Württemberg bestehende Schuld einen Betrag von 393,90 EUR zuzüglich Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 6,10 EUR. Ausweislich der von dem Kläger angefertigten Sammelüberweisungsliste Nr. 31 vom 10.07.2008 und einem dem Zahlungsprotokoll beigefügten Belegvermerk des Klägers wurde der Betrag von 393,90 EUR am 10.07.2008 an die Gläubigerin überwiesen. Tatsächlich ging der Betrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jedoch nicht, wie angegeben, bei der Gläubigerin ein, weil der Kläger den Betrag nicht an diese, sondern auf sein Privatkonto überwiesen hat.

Dieser Sachverhalt wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit belegt durch die in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft (Fallakte Sammelüberweisungen 94-98, Fall-Nr. 96) enthaltenen Kopien eines Kontoauszugs des Dienstkontos des Klägers, der Sammelüberweisungsliste Nr. 31 vom 10.07.2008, eines Kontoauszugs des Privatkontos des Klägers (Sparkasse ..., Kto.-Nr. ...) sowie des Zahlungsprotokolls vom 10.07.2008. Ausweislich der Kontoauszüge des Dienstkontos und des Privatkontos wurde von dem Dienstkonto ein Betrag in Höhe von 393,90 EUR auf das Privatkonto des Klägers überwiesen, der dort am 16.07.2008 einging. Der Kontoauszug des Dienstkontos weist dagegen keine Überweisung an die Landesoberkasse Baden-Württemberg aus.

4. Ausweislich der von ihm angefertigten Sammelüberweisungsliste Nr. 3 vom 12.01.2009 überwies der Kläger im Verfahren Geschäftsnummer DR II 134/09, Kassenbuchnummer KB II 77, unter dem 09.01.2009 angeblich einen Betrag von 273,40 EUR an das Landratsamt .... Dieser Betrag ging mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jedoch nicht bei dem genannten Empfänger ein, weil der Kläger den Betrag tatsächlich nicht an diesen, sondern auf sein Privatkonto überwiesen hat.

Dieser Sachverhalt ergibt sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aus den in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft (Fallakte Sammelüberweisungen 119-128, Fall-Nr. 119) enthaltenen Kopien eines Kontoauszugs des Dienstkontos des Klägers, der Sammelüberweisungsliste Nr. 3 vom 12.01.2009 und eines Kontoauszugs des Privatkontos des Klägers (Sparkasse ..., Kto.-Nr. ...). Ausweislich der Kontoauszüge des Dienstkontos und des Privatkontos wurde von dem Dienstkonto ein Betrag in Höhe von 273,40 EUR auf das Privatkonto des Klägers überwiesen, der dort am 13.01.2009 einging. Der Kontoauszug des Dienstkontos weist dagegen keine Überweisung an das Landratsamt ... in der entsprechenden Höhe aus.

In der mündlichen Verhandlung hat sich der Kläger zu den erhobenen Vorwürfen nicht konkret geäußert. Schriftsätzlich wendet er gegen diese Vorwürfe lediglich ein, bei den auf sein Privatkonto überwiesenen Beträgen handele es sich jeweils um die ihm zustehenden Auslagen, Wegegelder und Gebührenanteile. Dieser - im Übrigen nicht substantiierte - Vortrag ist jedoch nicht glaubhaft. Hiergegen spricht bereits, dass die auf das Privatkonto des Klägers überwiesenen Beträge in den oben genannten Fällen ihrer Höhe nach stets mit den angeblich an die Gläubiger überwiesenen Beträgen übereinstimmten. Aus den Kopien der Kontoauszüge des Dienstkontos des Klägers ergab sich in keinem der genannten Fälle, dass eine Überweisung der entsprechenden Beträge an die Gläubiger tatsächlich vorgenommen wurde.

Vorliegend kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Verfehlungen des Klägers tatsächlich den im Ermittlungsbericht der Polizeidirektion ... vom 01.10.2009 (Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen, S. 17) beschriebenen Umfang erreichen (Untreue mittels Veränderung der Sammelüberweisungslisten in 244 Fällen, Vermögensvorteil in Höhe von 136.829,29 EUR). Dahingestellt bleiben kann zudem, ob auch der begründete Verdacht besteht, dass der Kläger über das oben genannte Fehlverhalten hinaus noch weitere Verstöße - etwa durch Einreichung von Verrechnungsschecks mit dienstlichem Bezug auf seinen privaten Konten, Untätigkeit, nachlässige Protokollführung, fehlerhafte Aktenführung, unzulässige Aktenvernichtung oder fehlerhafte Gebührenerhebungen - begangen hat.

Denn bereits der nach den obigen Darlegungen erhärtete Verdacht, der Kläger habe dienstlich anvertraute, zur Weiterleitung bestimmte Gelder nicht an die Gläubiger abgeliefert, sondern auf sein Privatkonto überwiesen, rechtfertigt die entfernungsvorbereitende Dienstenthebung nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 LDG. Durch die dargelegten Verhaltensweisen hat der Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schuldhaft, nämlich vorsätzlich, insbesondere gegen seine Verpflichtung verstoßen, sein Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen zu verwalten und mit seinem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 73 Satz 2 und 3 LBG; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschriften §§ 34 f., 63 Abs. 3 BeamtStG). Darüber hinaus hat der Kläger durch sein Verhalten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch gegen die Vorschrift des § 75 Abs. 1 LBG (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift §§ 36, 63 Abs. 3 BeamtStG) verstoßen, wonach er für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung trägt.

Die Verletzung dieser besonderen Beamtenpflichten begründet ein schweres Dienstvergehen, durch das der Beamte nach derzeitigem Sachstand das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung endgültig verloren hat (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 LDG). Ein Beamter, der dienstlich anvertrautes Geld unberechtigt für private Zwecke verwendet, begeht nach der ständigen Rechtsprechung der Disziplinargerichte ein so schwerwiegendes Dienstvergehen, dass dieses Verhalten regelmäßig mit der Entfernung aus dem Dienst zu ahnden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252; Urt. v. 05.10.1994 - 1 D 31/94 - BVerwGE 103, 177; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.12.2007 - DB S 168/06 -). Ein solches Fehlverhalten im Kernbereich der dem Beamten obliegenden Dienstpflichten zerstört regelmäßig das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in die Ehrlichkeit und die Zuverlässigkeit des Beamten. Der Beklagte als Dienstherr des Klägers ist auf die absolute Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit seiner Bediensteten im Umgang mit dienstlich anvertrauten Geldern angewiesen. Eine lückenlose Kontrolle aller Bediensteten ist nicht möglich und muss weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, a.a.O.; Urt. v. 05.10.1994, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.12.2007, a.a.O.).

Diese Grundsätze gelten erst recht für einen als Gerichtsvollzieher beschäftigten Beamten. Denn diesem ist als hoheitlich handelndem Organ der Zwangsvollstreckung (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1982 - 2 C 33/80 -, NJW 83, 897; BGH, Beschl. v. 29.01.2009 - III ZR 115/08 -, NJW 09, 1086; Baumbach u.a., ZPO, 68. Auflage, § 753 Rn. 3) eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, die er in weitem Umfang eigenverantwortlich und selbständig ausübt, mit der Folge, dass dem Dienstherrn nur eine vergleichsweise eingeschränkte Kontrolle seiner Tätigkeit möglich ist. Dem Gerichtsvollzieher obliegt es nach §§ 753 Abs. 1, 754 ZPO, im Auftrag, d.h. auf Antrag der Gläubiger, die Zwangsvollstreckung durchzuführen, soweit diese nicht den Gerichten zugewiesen ist. Entsprechend der Art der ihm übertragenen Aufgaben, die im Interesse einer zweckmäßigen und effektiven Erledigung der Vollstreckungsaufträge eine gewisse Flexibilität erfordern, ermöglichen die Vorschriften der Gerichtsvollzieherordnung - GVO - und der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher - GVGA - dem Gerichtsvollzieher, seine Tätigkeit weitgehend eigenverantwortlich und selbständig auszuüben (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1982, a.a.O.; Bay. VGH, Beschl. v. 15.01.2009 - 3 ZB 08.818 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.06.2009 - 4 B 52.08 -, juris). Der Gerichtsvollzieher regelt seinen Geschäftsbetrieb nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen, soweit hierüber keine besonderen Bestimmungen bestehen (§ 45 Nr. 1 GVO), muss grundsätzlich an seinem Amtssitz ein Geschäftszimmer auf eigene Kosten halten (§ 46 Nr. 1 Satz 1 GVO), ist verpflichtet, Büro- und Schreibhilfen auf eigene Kosten zu beschäftigen, soweit es der Geschäftsbetrieb erfordert (§ 49 GVO), kann grundsätzlich Zeitpunkt und Reihenfolge der Erledigung der Vollstreckungsaufträge bestimmen (§ 6 GVGA) und führt den Schriftverkehr unter eigenem Namen mit Amtsbezeichnung (§ 53 Nr. 1 GVO). Er handelt bei der ihm zugewiesenen Zwangsvollstreckung selbständig (§ 58 Nr. 1 Satz 1 GVGA), wobei er zwar der Aufsicht, aber nicht der unmittelbaren Leitung des Gerichts unterliegt (§ 58 Nr. 1 Satz 2 GVGA). Es ist die zentrale Aufgabe des Gerichtsvollziehers, im Auftrag der Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Schuldner vorzunehmen (vgl. § 808 Abs. 1 ZPO). Gepfändetes Geld hat er nach § 815 Abs. 1 ZPO an die Gläubiger abzuliefern. Der Gerichtsvollzieher hat bezüglich des Vollstreckungsauftrags gegenüber den Gläubigern die ihm kraft Gesetzes obliegende Pflicht, deren Vermögensinteressen wahrzunehmen (sog. Vermögensbetreuungspflicht; vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage, § 266, Rn. 25; BGH, Urt. v. 20.10.1959 - 1 StR 446/59 -, NJW 1960, 52; OLG Celle, Beschl. v. 03.04.1990 - 1 Ss 48/90 -, juris). Wenn ein Gerichtsvollzieher gegen diese Kernpflichten verstößt, zerstört er in der Regel die für die geordnete Vollstreckung unabdingbare Vertrauensgrundlage, weshalb er im Regelfall nicht mehr Beamter bleiben kann.

Hiervon dürfte auch im Fall des Klägers auszugehen sein, der nach den bisherigen Ermittlungen aller Voraussicht nach über mehrere Jahre hinweg dienstlich anvertraute Gelder, zu deren Beitreibung und Weiterleitung er gerade beauftragt war, in erheblichem Umfang für private Zwecke verwendet hat. Hierzu hat er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die spezifischen Zahlungswege und Nachweisverfahren des Gerichtsvollzieherdienstes ausgenutzt, so dass es ihm möglich war, sein Vorgehen, trotz regelmäßiger Überprüfungen seiner Geschäftstätigkeit zu verschleiern. Das planmäßige Vorgehen des Klägers zeigt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht nur ein erhebliches Maß an krimineller Energie, sondern offenbart ein grundlegendes Fehlverständnis von den Kernpflichten eines Gerichtsvollziehers (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.12.2007, a.a.O.).

Erschwerend kommt vorliegend hinzu, dass das Fehlverhalten des Klägers ein besonderes Gewicht auch dadurch erhält, dass die Öffentlichkeit hiervon Kenntnis erhielt. Mehrere Gläubiger mussten auf mögliche Rechtsverstöße des Klägers und ggf. auf die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gegen den Beklagten gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG hingewiesen werden. Ausweislich der von der Beklagten-Vertreterin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Übersicht (Liste der Schadenersatzansprüche) hat die Generalstaatsanwaltschaft zur Begleichung der entstandenen Schäden bereits 30.461,44 EUR an die Geschädigten ausgezahlt. Darüber hinaus hat auch die Presse über die Vorkommnisse berichtet (Bericht des ... vom 22./23.08.2009, Disziplinarakte Band I AS 915, 917).

Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt, wenn zu Gunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die von der Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten entwickelten so genannten anerkannten Milderungsgründe dar, die besondere Konfliktsituationen (Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage, in einer psychischen Ausnahmesituation oder in einer besonderen Versuchungssituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung, Zugriff auf geringwertige Gelder oder Güter) umschreiben. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen (BVerwG, Urt. v. 03.05.2007 - 2 C 9/06 -, NVwZ-RR 2007, 695; Urt. v. 06.06.2007 - 1 D 2/06 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.12.2007, a.a.O.). Solche Milderungsgründe hat der Kläger hier allerdings weder dargelegt noch sind für die Disziplinarkammer Umstände ersichtlich, die den Schluss gerechtfertigt erscheinen ließen, der Kläger sei trotz der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begangenen schweren Pflichtverletzungen als Gerichtsvollzieher noch tragbar.

Insgesamt hat das innerdienstliche Fehlverhalten des Klägers so erhebliches Gewicht, dass es aller Voraussicht nach einen endgültigen und vollständigen Verlust des auf seine Stellung als Gerichtsvollzieher bezogenen Ansehens und Vertrauens der Öffentlichkeit und des Dienstherrn bewirkt. Nach alledem ist für das vorliegende Verfahren davon auszugehen, dass die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis wahrscheinlicher ist als seine Belassung im Dienst.

Damit konnte die Disziplinarbehörde den Kläger vorläufig des Dienstes entheben. Ob sich der Verfügung vom 08.07.2009 hinreichend entnehmen lässt, dass sich der Beklagte bei seiner Entscheidung bewusst war, dass ihm durch die Bestimmung des § 22 Abs. 1 LDG Ermessen eingeräumt ist, kann offen bleiben. Auch bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob jedenfalls in § 22 Abs. 1 Nr. 1 LDG ein sogenanntes intendiertes Ermessen eingeräumt werden sollte (so zu § 91 BDO BVerwG, Beschl v. 17.05.2001 - 1 DB 15/01 -, NVwZ 2001, 1410 ff.; Beschl. v. 21.09.2000 - 1 DB 7/00 -, NVwZ-RR 2001, 246; Beschl. v. 16.05.1994 - 1 DB 7/94 -, BVerwGE 103, 116; vgl. auch zu § 89 LDO VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.08.2004, a.a.O.; a. A. zu § 22 Abs. 1 LDG VG Freiburg, Urt. v. 12.11.2008 - DL 10 K 2701/08 -). Denn die Verfehlungen des Klägers sind derart gravierend und die eingetretenen Folgen von solchem Gewicht, dass aus Gründen des Schutzes der hier betroffenen hochrangigen Rechtsgüter - eines funktionierenden Vollstreckungswesens und der Vermögensinteressen des Beklagten und der am Vollstreckungsverfahren Beteiligten - sowie des Ansehens des öffentlichen Dienstes allein die vorläufige Dienstenthebung des Klägers rechtmäßig ist und damit eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Eine Ermessensausübung war daher ausnahmsweise entbehrlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.