LG Heidelberg, Urteil vom 15.12.2009 - 2 S 33/09
Fundstelle
openJur 2012, 62333
  • Rkr:

Das Rechtsanwaltshonorar für die Vertretung kann nach § 9 BerHG als Verzugsschaden gegen den getrennt lebenden Ehepartner durch den Rechtsanwalt des anderen Ehepartners geltend gemacht werden, wenn der Unterhaltspflichtige sich bei Mandatierung in Verzug mit der Unterhaltsleistung befand.

Verzug kann auch durch Übergabe einer Unterhaltsberechnung von dem einen an den anderen Ehepartner eintreten.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 22.07.2009, Az.: 27 C 9/09, im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt geändert:Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 661,16 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2008 zu zahlen.2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits aus beiden Instanzen.3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 544 ZPO; § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils wird voll umfänglich Bezug genommen.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung der Klage in erster Instanz. Sie trägt vor, dass nach dem vom Amtsgericht festzustellenden Sachverhalt eine Inverzugsetzung des Beklagten durch Übergabe der Unterhaltsberechnung durch die getrennt lebende Ehefrau, die Mandantin der Klägerin, vorgelegen habe, so dass die für die Beratung der Ehefrau entstandenen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu ersetzen seien. Dieser Schadensersatzanspruch der Ehefrau sei auch nach § 9 Beratungshilfegesetz auf die Klägerin übergegangen. Den Zahlungsbetrag könne der Beklagte auch nicht unterhaltsmindernd zum Nachteil der Klägerin geltend machen.

Die Klägerin beantragt:

Unter Abänderung des am 22.07.2009 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Heidelberg, Az.: 27 C 9/09, wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 661,16 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 18.07.2008 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Er ist der Auffassung, dass eine Inverzugsetzung des Beklagten nicht anzunehmen sei. Dies gelte insbesondere deshalb, da die Ehefrau dem Beklagten zwei verschiedene Unterhaltsberechnungen übergeben habe. Eine wirksame Mahnung liege ohnehin nicht vor. Außerdem dürfte der Anspruchsübergang nach § 9 Satz 2 Beratungshilfegesetz nicht zum Nachteil des Rechtssuchenden geltend gemacht werden, was jedoch der Fall wäre, wenn der Beklagte den Betrag zahlen müsste und diesen dann von seinem zu leistenden Unterhalt an die Ehefrau abziehen könnte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen in den Akten Bezug genommen.

Gründe

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Nach dem für die Berufung zugrunde zu legenden Sachverhalt steht der Klägerin aus übergegangenem Recht nach § 9 Beratungshilfegesetz ein Anspruch auf Zahlung von 661,16 EUR als Schadensersatz für Rechtsanwaltshonorar gemäß §§ 280, 286, 288 Abs. 4 i.V.m. §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 Abs. 3, 1613 Abs. 1 BGB zu.

Eine ausdrückliche Aufforderung zur Zahlung des Unterhalts wegen Getrenntlebens nach § 1361 BGB hat die Beweisaufnahme erster Instanz durch Vernehmung der getrennt lebenden Ehefrau des Beklagten Z. nicht ergeben. Diese hat lediglich angegeben, dass sie den Ausdruck der Unterhaltsberechnung, welche die Klägerin für die Ehefrau gefertigt hatte, dem Beklagten gezeigt habe. Dieser habe die Unterlagen mitgenommen und geäußert, dass er sie von seinem Anwalt prüfen lassen wolle. Die Zeugin hat nicht angegeben, dass sie den Beklagten in irgendeiner Weise bei diesem Zusammentreffen zur Zahlung des in dem Ausdruck genannten Unterhaltsbetrages ausdrücklich aufgefordert hatte.

Anders als das Amtsgericht ist die Kammer jedoch der Auffassung, dass aus der unstreitig erfolgten Übergabe der Unterhaltsberechnung, nach Trennung der Eheleute und Zahlung des Beklagten von Unterhalt in Höhe von lediglich 1.300,00 EUR, eine Aufforderung an den Beklagten zur Zahlung des gesetzlichen Trennungsunterhalts zu sehen ist, so dass dieser ab dem Zeitpunkt der Übergabe im Februar 2008 in Verzug gewesen ist.

Dafür spricht, dass dem Beklagten bereits aufgrund der erbrachten freiwilligen Zahlungen bewusst war, dass er zur Zahlung von Unterhalt nach dem Gesetz an seine getrennt lebende Ehefrau verpflichtet war. Aus den übergebenen Unterlagen ergab sich auch, dass die Ehefrau eine höhere Zahlung als die bislang erbrachte monatliche Zahlung in Höhe von 1.300,00 EUR erwartete, zumal die Ehefrau noch Belastungen für Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von über 1.000,00 EUR im Monat zu tragen hatte.

Nach allgemeiner Verkehrsanschauung musste daher davon ausgegangen werden, dass die Übergabe einer detaillierten Unterhaltsberechnung an den Unterhaltspflichtigen, die einen höheren Betrag als den derzeit gezahlten Betrag ausweist, als Aufforderung zur Zahlung des zutreffenden Betrages aufgefasst werden musste.

Der Beklagte hat dies offenbar auch so verstanden, da er seinen Prozessbevollmächtigten beauftragte, gegenüber der Klägerin auf die übergebene Unterhaltsberechnung mit Schriftsatz vom 18.032.008 (Anlage K 2, AS. I, 31) zu antworten. Dort wurden die getroffenen Annahmen für die Berechnung der Höhe des Unterhalts zurückgewiesen.

Hinzu kommt auch, dass, wovon beide Parteien unstreitig ausgehen, im Unterhaltsrecht gemäß § 1361 Abs. 4 i.V.m. §§ 1360 a Abs. 3 und 1613 Abs. 1 BGB der Unterhaltsverpflichtete bereits durch ein Auskunftsverlangen bezüglich seiner Einkommensverhältnisse mit der Unterhaltsleistung in Verzug kommt (so auch OLG Karlsruhe, NJW-RR 2006, 872). Wenn mithin bereits das bloße Auskunftsverlangen hinsichtlich der Einkommensverhältnisse des Ehepartners Verzug hinsichtlicht der Unterhaltszahlung begründet, obwohl ein ausdrückliches Verlangen auf Zahlung des Unterhalts und erst recht keine Angabe über die Höhe eines solchen vorliegen, die für die Inverzugsetzung ausreichend sind, muss dies erst recht gelten, wenn eine mit dem üblicherweise verwendeten sogenannten Gut-Deutsch-Programm erstellte Unterhaltsberechnung mit einem konkreten zu zahlenden monatlichen Betrag übergeben wird.

Der Beklagte ist daher mit der Unterhaltsleistung ab Februar 2008 in Verzug gewesen. Er hat auch rückwirkend zum 01.02.2008 Unterhalt geleistet, so dass er die Voraussetzung des § 1613 Abs. 1 BGB selbst offenbar auch ab Februar 2008 als gegeben angesehen hat.

Der nunmehr in der Berufungsinstanz vom Beklagten gehaltene Vortrag, dass die Ehefrau ihm 2 verschiedene Berechnungen übergeben habe, ist nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Der Beklagte hat keine der drei Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulassung dargetan. Dass die Klägerin ggf. wissen konnte, dass mehrere Ausdrucke an die Ehefrau übergeben wurden, bedeutet nicht, dass sie auch sicher wusste, wie viele an den Beklagten tatsächlich übergeben wurden. Für die Frage der Zulassung dieses Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO spielt dies ersichtlich ohnehin keine Rolle. Aber auch wenn davon ausgegangen werden müsste, dass zwei im Zahlungsbetrag leicht unterschiedliche Berechnungen übergeben wurden, würde dies am Eintritt des Verzugs nicht ändern, da dazu gerade nicht Voraussetzung ist, dass der exakte Unterhaltsbetrag von der Anspruchstellerin genannt wird.

Die mithin für die Mandatierung der Klägerin zum 19.03.2008 (Anlage K 3, AS. I, 39) entstandenen Rechtsanwaltskosten für die Geltendmachung des Unterhalts sind daher als Verzugsschaden zu ersetzen.

Dieser Anspruch ist auch gemäß § 9 Beratungshilfegesetz von der Ehefrau des Beklagten auf die Klägerin übergegangen.

Zwar kann nach dieser Vorschrift der Forderungsübergang nicht zum Nachteil der Ehefrau geltend gemacht werden, doch ist ein solcher Nachteil vom Beklagten nicht hinreichend dargetan worden. Seine Annahme, dass er den zu zahlenden Betrag unterhaltsmindernd gegenüber der Ehefrau geltend machen könnte, ist nicht belegt. Zwar verbleibt dem Beklagten nach der Unterhaltsberechnung lediglich noch der notwendige Selbstbehalt, doch ist nicht ersichtlich, dass die genannte Verbindlichkeit zu einer Reduzierung des Unterhaltsbetrages führen würde. Nach der Trennung neu entstandene Schulden sind grundsätzlich nicht bei der Bestimmung des nachehelichen Unterhalts abzuziehen, sofern sie nicht ausnahmsweise der normalen Weiterentwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse zuzurechnen sind (Palandt-Brudermüller, 69.A., § 1361, Randnr. 49, m.w.N.). Auch unter Berücksichtigung der Zumutbarkeitserwägungen kann der Betrag nicht unterhaltsmindernd vom Beklagten angesetzt werden, da er den Verzug mit der Unterhaltszahlung selbst zu vertreten hat. Ein Nachteil für die Ehefrau ist daher durch die Geltendmachung des Forderungsübergangs durch die Klägerin nicht anzunehmen.

Ob die Klägerin in der Zwangsvollstreckung gegen den Beklagten erfolgreich vollstrecken kann oder dessen Einkommen gegebenenfalls unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt, bedarf hier keiner Entscheidung.III.

Verzugszinsen sind gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 23.06.2008 mit Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung (Anlage K 5, AS. I, 49) ab dem 18.07.2008 spätestens zu zahlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen für deren Zulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.