VG Karlsruhe, Beschluss vom 12.08.2009 - 4 K 1648/09
Fundstelle
openJur 2012, 61832
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller, ein Naturschutzverband, begehrt vorläufigen Rechtsschutz dagegen, dass der Beigeladenen mit sofort vollziehbarer Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2009 die Zulassung nach § 8 a BImSchG erteilt wurde, vor Erlass einer unter dem 16.05.2008 beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zum Neubau eines fleisch- und wurstverarbeitenden Betriebes mit im Einzelnen aufgeführten baulichen Maßnahmen (Außenanlagen, Erd-, Rohbau- und Tiefbauarbeiten) zu beginnen.

Der Antrag vom 20.07.2009 ist sachdienlich (vgl. §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner gleichzeitig erhobenen Klage - 4 K 1647/09 - begehrt, nachdem das Regierungspräsidium Karlsruhe auf Antrag der Beigeladenen den Sofortvollzug der Entscheidung über die Zulassung des vorzeitigen Beginns angeordnet hat.

Dieser Antrag ist nach § 80 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO zwar statthaft, aber unzulässig, denn es fehlt dem Antragsteller an der Antragsbefugnis, die wegen der Akzessorietät des vorläufigen Rechtschutzes nur derjenige besitzt, der hinsichtlich des angegriffenen Verwaltungsakts im Hauptsacheverfahren gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.10.1992 - 4 A 4.92 -, NVwZ 1993, 565; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 31.07.1989 - 1 S 3675/88 -, NJW 1990, 61; Beschl. v. 07.09.1994 - 5 S 2108/94 -, NuR 1995, 264; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rn. 134 m.w.N.).

Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist nach § 42 Abs. 2 VwGO die Klage und - in analoger Anwendung - der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger/Antragsteller geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Der Antragsteller kann indes weder geltend machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein (im Folgenden unter 1.), noch ist i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO gesetzlich etwas anderes bestimmt (im Folgenden unter 2. und 3.).

1. Der Antragsteller kann sich nicht auf die Verletzung eigener Rechte berufen. Ein hierfür erforderliches, ihm zustehendes materielles Recht, das verletzt sein könnte, etwa das Eigentum an einem vom Vorhaben betroffenen Grundstück, ist nicht gegeben. Auch die Verletzung sonstiger Regelungen, die gerade auch dem Schutz des Antragstellers als betroffenem Dritten zu dienen bestimmt sind, auf die er sich also als eigenes Recht berufen könnte (vgl. hierzu Kopp/Schenke, a.a.O., § 42 Rn. 78; BVerwG, Urt. v. 30.03.1995 - 3 C 8.94 -, BVerwGE 98, 118), ist nicht ersichtlich. Der geltend gemachte Eingriff betrifft natur- und artenschutzrechtliche Regelungen, die nicht dem Interesse des Antragstellers, sondern dem Allgemeinwohl dienen (BVerwG, Urt. v. 26.04.2007 - 4 C 12.05 -, BVerwGE 128, 258). Denn das Naturschutz- und das Artenschutzrecht schützen die Natur und bestimmte Arten um ihrer selbst willen und als Teil der Lebensgrundlage des Menschen und nicht im Interesse Einzelner (BVerwG, Urt. v. 27.09.1990 - 4 C 44.87 -, BVerwGE 85, 348).

2. Etwas anderes i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO ist nicht durch § 61 Abs. 1 BNatSchG bestimmt. Danach kann ein anerkannter Naturschutzverein, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen gegen Befreiungen von Verboten und Geboten zum Schutz von Naturschutzgebieten, Nationalparken und sonstigen Schutzgebieten im Rahmen des § 33 Abs. 2 BNatSchG sowie gegen Planfeststellungsbeschlüsse über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind, sowie Plangenehmigungen, soweit eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist. Da Gegenstand der sog. altruistischen Vereinsklage nur die aufgezählten Behördenentscheidungen sein können und die Zulassung nach § 8 a BImSchG offensichtlich hierzu nicht zählt, scheidet § 61 Abs. 1 BNatSchG von vornherein aus.

Eine entsprechende Anwendung von § 61 Abs. 1 BNatSchG auf die vorliegende Fallkonstellation kommt nicht in Betracht. Denn die Einlegung von Rechtsbehelfen ohne eigene Rechtsverletzung, die diese Bestimmung ermöglicht, ist eine grundsätzlich eng auszulegende Ausnahmeregelung, die der Gesetzgeber nur für bestimmte, abschließend genannte Fallgruppen in § 61 Abs. 1 BNatSchG vorgesehen und auf diese beschränkt hat. Der Gesetzgeber wollte bewusst die Vereinsklage, die als ein objektives Rechtsbeanstandungsverfahren dem vom Grundsatz des Individualrechtsschutzes geprägten Verwaltungsprozessrecht wesensfremd ist, auf einen Kernbereich eingrenzen und auf die Fälle konzentrieren, in denen der Verein zur Mitwirkung im Verwaltungsverfahren berechtigt war (vgl. die Entwurfsbegründung zum Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege BT-Drs. 14/6378 S. 61). Ein analoge Anwendung auf sonstige, nicht in § 61 BNatSchG genannte Behördenentscheidungen scheidet damit aus (vgl. BayVGH, Urt. v. 17.03.2008 - 14 BV 05.3079 -, BayVBl 2008, 499).

Von der Ermächtigungsnorm des § 61 Abs. 5 BNatSchG hat das Land Baden-Württemberg in Bezug auf die vorzeitige Zulassung nach § 8 a BImSchG keinen Gebrauch gemacht.

3. Eine anderweitige Regelung i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG).

Voraussetzung für die Einlegung eines Rechtsbehelfs ohne Geltendmachung eigener Rechte ist gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG vorliegt oder eine solche unterlassen wurde.

Hierzu zählen nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), für die eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann, sowie nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG Genehmigungen für Anlagen, die nach der Spalte 1 des Anhangs der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen einer Genehmigung bedürfen, Entscheidungen nach § 17 Abs. 1a BImSchG, Erlaubnisse nach den §§ 2, 7 Abs. 1 S. 1 WHG in Verbindung mit den auf Grund von § 7 Abs. 1 Satz 3 WHG erlassenen landesrechtlichen Vorschriften sowie gegen Planfeststellungsbeschlüsse für Deponien nach § 31 Abs. 2 KrW-/AbfG.

Bei der vorzeitigen Zulassung nach § 8 a BImSchG handelt es sich indes weder um eine Entscheidung i.S.v. § 2 Abs. 3 UVPG, für die eine Pflicht zur Durchführung einer UVP bestehen kann (im Folgenden unter 3.b), noch um eine Genehmigung, Entscheidung oder Erlaubnis, wie sie in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG Erwähnung findet (im Folgenden unter 3.a).

a) Zwar ist das Vorhaben der Beigeladenen, auf das sich die angefochtene Zulassung vorzeitigen Beginns vom 06.07.2009 bezieht, eine Anlage, die nach Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV einer Genehmigung bedarf. Gegenstand der Anfechtungsklage des Antragstellers ist aber nicht die (Haupt-)Genehmigung für diese Anlage nach § 4 BImSchG - diese ist laut Vortrag der Beteiligten wohl erst für den kommenden Herbst zu erwarten -, sondern allein die Zulassung vorzeitigen Beginns gem. § 8 a BImSchG. Diese Zulassung vorzeitigen Beginns ist keine Genehmigung im Sinn des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG.

Dies ergibt sich bereits aus teleologischen Gründen, dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn die Zulassung vorzeitigen Beginns nach § 8 a BImSchG ermöglicht lediglich, bereits vor Erteilung der Genehmigung mit der Errichtung der Anlage einschließlich bestimmter Maßnahmen zur Prüfung ihrer Betriebstüchtigkeit zu beginnen. Die Zulassung vorzeitigen Beginns ersetzt damit nicht etwa die nach § 4 BImSchG erforderliche Genehmigung oder möglicherweise erforderliche Änderungsgenehmigungen und nimmt diese - anders als beispielsweise die Teilgenehmigung nach § 8 BImSchG - auch nicht inhaltlich vorweg (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.04.1991 - 7 C 35.90 -, DVBl 1991, 877 zu den parallelen Regelungen § 7 a AbfG/§ 9 a WHG; Koch/Scheuing, GK-BImSchG, Stand: Dezember 2007, § 8 a Rn. 23). Insbesondere entfaltet die Zulassung vorzeitigen Beginns - anders als der Vorbescheid nach § 9 BImSchG - auch keine rechtliche Bindungswirkung für die spätere Erteilung der Genehmigung und enthält auch keine vorläufige Gesamtbeurteilung oder eine (verbindliche) Festsetzung der Voraussetzungen (vgl. Jarass, BImSchG, 7. Aufl., § 8 a Rn. 19). Sinn der Zulassung vorzeitigen Beginns ist es gerade nicht, im Hinblick auf die Errichtung einer Anlage abtrennbare Teile des Vorhabens endgültig vorab zu genehmigen; vielmehr soll dem Träger des Vorhabens aus Beschleunigungsgründen schon vor der endgültigen Entscheidung der Beginn der Ausführung ermöglicht, also das in diesem Verfahrensstadium grundsätzlich (noch) bestehende präventive Errichtungs- bzw. Benutzungsverbot partiell beseitigt werden (so auch Jarass, a.a.O., Rn. 18; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. 1, § 8 a BImSchG Rn. 121). Dieser auf Vorläufigkeit angelegte Normzweck kommt im Gesetzeswortlaut einmal dadurch zum Ausdruck, dass die Zulassung vorzeitigen Beginns nur in jederzeit widerruflicher Weise (§ 8 a Abs. 2 S. 1 BImSchG) erteilt werden darf. Der Gesetzgeber ist dadurch, dass er den Widerrufsvorbehalt nicht in das Ermessen der Behörde gestellt hat, sondern ihn gesetzlich vorschreibt, deutlich über das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht hinausgegangen und hat insoweit auch von einer Angleichung an die Verwaltungsverfahrensgesetze bewusst abgesehen. Vor allem aber ergibt sich die Vorläufigkeit zum anderen daraus, dass der Träger des Vorhabens (der Unternehmer) sich verpflichten muss, den früheren Zustand wiederherzustellen, wenn die Genehmigung nicht erteilt wird (§ 8 a Abs. 1 Nr. 3 BImSchG). Hätte die Zulassung vorzeitigen Beginns endgültigen Charakter, so schlösse die Bestandskraft des Zulassungsbescheides die Beseitigungspflicht aus. Aus alledem folgt, dass vorzeitige Zulassungen die endgültige Zulassung des Vorhabens nicht vorwegnehmen oder gar ersetzen dürfen (BVerwG, Beschl. v. 30.04.1991, a.a.O.). Endgültig aufgehoben wird das präventive Errichtungsverbot erst mit der Anlagengenehmigung nach § 4 BImSchG selbst; erst diese ist dann die Genehmigung, gegen die nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG ein Verbandsklagerecht bestehen kann.

Die aufgezeigten Unterschiede zwischen Teilgenehmigung, Vorbescheid und Anlagengenehmigung einerseits und der Zulassung vorzeitigen Beginns andererseits verkennen die Auffassungen, die das UmwRG auch auf § 8 a BImSchG für anwendbar erachten (so Appold: in Hoppe, UVPG, 3. Aufl., § 2 Rn. 80; Peters/Ball, UVPG, 3. Aufl., § 2 Rn. 43; Jarass, a.a.O., § 8 a Rn. 2a und damit inkonsequent im Hinblick auf Rn. 18 f.). Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann die Zulassung vorzeitigen Beginns damit auch nicht als ein Zwischenverfahren innerhalb des eigentlichen Genehmigungsverfahrens qualifiziert werden, mit der Folge, dass es dessen Schicksal gewissermaßen teilen müsste.

Dass die Zulassung vorzeitigen Beginns keine Genehmigung im Sinn des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG ist, folgt zudem aus der Systematik des Vorschrift. Diese nennt als tauglichen Anfechtungsgegenstand neben Genehmigungen (Alternative 1) zusätzlich nachträgliche Anordnungen neuer Emissionsgrenzwerte gemäß § 17 Abs. 1 a BImSchG (Alternative 2). Wäre mit Genehmigungen untechnisch jede Art von Entscheidungen nach dem BImSchG gemeint (also einschließlich der Zulassung vorzeitigen Beginns), hätte es einer gesonderten Nennung der nachträglichen Anordnung gemäß § 17 Abs. 1 a BImSchG nicht bedurft. Die gesonderte Nennung nachträglicher Anordnungen gemäß § 17 Abs. 1 a BImSchG in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG macht deshalb nur dann Sinn, wenn diese neben der Erwähnung der Genehmigungen in dieser Vorschrift eine eigenständige Bedeutung hat. Diese hat sie nur dann, wenn Genehmigungen (Alternative 1) eben ausschließlich echte Genehmigungen im Sinn des BImSchG erfasst und nicht sonstige behördliche Entscheidungen nach dem BImSchG wie die Zulassung vorzeitigen Beginns.

Auch mit Blick auf die Rechtsschutzsystematik kann es nicht angehen, die Zulassung vorzeitigen Beginns einer gerichtlichen Prüfung wie die endgültige Zulassung zu unterwerfen. Ein derartiges Lösungsmodell wäre nämlich verfahrensunökonomisch und ließe sich in das sonstige System des Rechtsschutzes im Fachplanungsrecht nicht einordnen. Denn mit der Vorverlegung des Rechtsschutzes muss notwendigerweise das Abschneiden von Rechtsschutzmöglichkeiten in einem späteren Stadium verbunden sein. Der Sinn einer Stufung des Verfahrens mit der Eröffnung verfahrensspezifischen, also ebenfalls gestuften an Stelle konzentrierten Rechtsschutzes kann nur in einer Abschichtung, nicht jedoch darin liegen, ein ständiges Infragestellen des gesamten Problemstoffes auf allen Ebenen zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.04.1991, a.a.O. unter Hinweis auf BVerwGE 81, 128 ). Da die von der Behörde bei § 8 a BImSchG anzustellende Prognose einer stattgebenden Hauptentscheidung keine Bindungswirkung im Hinblick auf die endgültige Zulassung hat, kann es nicht zu einer abschichtenden Problemlösung kommen. Dann aber würde eine gerichtliche Kontrolle der Prognose dazu führen, dass dieselben Themen in unökonomischer Weise mehrfach zur Überprüfung gestellt werden. Ein derartiges Auseinanderfallen von Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und Rechtsschutzmöglichkeit kann aber nicht hingenommen werden (BVerwG, Beschl. v. 30.04.1991, a.a.O.).

Die Auslegung des § 8 a BImSchG durch die Kammer entspricht auch den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Die Richtlinie 85/337/EWG vom 27.06.1985 (UVP-Richtlinie, ABl Nr. L 175, S. 40) in der Fassung der Richtlinie 2003/35/EG vom 26.05.2003 (ABl Nr. L 156, S. 17) regelt in Art. 10 a ebenso wie Art. 16 der Richtlinie 2008/1/EG vom 15.01.2008 (IVU-Richtlinie, ABl Nr. L 24, S. 8), mit der die Richtlinie 96/61/EG vom 24.09.1996 (ABl Nr. L 257, S. 26) in der Fassung der EG-Richtlinie 2003/35/EG und die entsprechende Regelung in Art. 15 a aufgehoben wurde, dass die Mitgliedstaaten durch ihr nationales Recht sicher stellen, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit u.a. Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten. Die betroffene Öffentlichkeit wird in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337/EWG in der Fassung der Richtlinie 2003/35/EG als die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gemäß Art. 2 Abs. 2 betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit definiert, in Art. 2 Nr. 15 der Richtlinie 2008/1/EG als die von einer Entscheidung über die Erteilung oder Aktualisierung einer Genehmigung oder von Genehmigungsauflagen betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit. Umweltbezogene Entscheidungsverfahren gemäß Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 85/337/EWG sind Verfahren zur Genehmigung..., wobei Genehmigung wiederum in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337/EWG legal definiert ist als die Entscheidung der zuständigen Behörde..., aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält, und nach derselben Vorschrift zu den Projekten u.a. die Errichtung baulicher Anlagen zählt. Wie bereits oben ausgeführt, verschafft die Zulassung vorzeitigen Beginns nach § 8 a BImSchG nur die Möglichkeit, nicht aber das Recht zur Errichtung der Anlage, ermöglicht also nur den Beginn der Ausführung unter partieller Beseitigung des in diesem Verfahrensstadium grundsätzlich (noch) bestehenden präventiven Errichtungs- bzw. Benutzungsverbots.

Genehmigung nach der Richtlinie 2008/1/EG ist gemäß deren Art. 2 Nr. 9 ein Teil oder die Gesamtheit einer schriftlichen Entscheidung oder mehrere solcher Entscheidungen, mit der/denen eine Genehmigung zum Betrieb einer Anlage oder eines Anlagenteils erteilt wird und mit der/denen sichergestellt werden soll, dass die Anlage den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht. Nach dieser Definition liegt eine Genehmigung damit nur vor, wenn sie den Betriebder Anlage zulässt. Dies ist bei der Zulassung vorzeitigen Beginns nicht der Fall, da diese lediglich die Errichtungder Anlage sowie Maßnahmen zur Prüfung der Betriebstüchtigkeit ermöglicht, nicht aber den Betrieb der Anlage. Den Betrieb der Anlage lässt erst die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 BImSchG selbst zu, die vorliegend aber nicht Streitgegenstand ist. Für die bloße Errichtung ergibt sich aus dem Gemeinschaftsrecht damit keine Genehmigungspflicht (vgl. Jarass, a.a.O., Rn. 1 a).

Das Gemeinschaftsrecht verlangt insoweit auch keine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit. Vielmehr überlassen es die Richtlinienbestimmungen den Mitgliedstaaten, in welchem Verfahrensstadium Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können (vgl. Art. 10 a der Richtlinie 85/337/EWG in der Fassung der Richtlinie 2003/35/EG bzw. Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2008/1/EG).

Die vom Antragsteller insoweit angeregte Vorlage zum EuGH ist nach alledem nicht angezeigt, weil die aufgeworfene Frage, ob die Zulassung vorzeitigen Beginns unter den Anwendungsbereich des UmwRG fällt, vom Gemeinschaftsgesetzgeber selbst beantwortet wurde.

Die übrigen in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG genannten Bescheide, also Entscheidungen nach § 17 Abs. 1 a BImSchG, Erlaubnisse nach WHG sowie Planfeststellungsbeschlüsse nach KrW-/AbfG, scheiden vorliegend offensichtlich aus.

b) Die Zulassung vorzeitigen Beginns gemäß § 8 a BImSchG ist auch keine Entscheidung im Sinn des § 2 Abs. 3 UVPG und damit auch keine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. Nr. 1 UmwRG.

§ 2 Abs. 3 UVPG regelt, was unter Entscheidungen i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 UVPG zu verstehen ist, und erwähnt in Nr. 1 Bewilligung, Erlaubnis, Genehmigung, Planfeststellung und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben. Die in den Nrn. 2 und 3 genannten Entscheidungen sind spezieller Art und erfassen ganz augenscheinlich nicht die Zulassung nach § 8 a BImSchG.

Ernsthaft in Betracht kommen daher aus dem Katalog des § 2 Abs. 3 UVPG nur die Genehmigung und die sonstige behördliche Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben.

Die Zulassung vorzeitigen Beginns nach § 8 a BImSchG unterfällt jedoch weder dem einen noch dem anderen.

Für die Auslegung des Terminus Genehmigung sind dieselben Maßstäbe heranzuziehen wie bei § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG (s. oben), weshalb die Zulassung vorzeitigen Beginns keine Genehmigung im Sinne des Gesetzes darstellt.

Auch handelt es sich nicht um eine sonstige behördliche Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben". Den ausdrücklich in § 2 Abs. 3 UVPG genannten Entscheidungsformen ist nämlich gemeinsam, dass ihnen eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UVPG als unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen, vorausgehen kann. Einer Entscheidung nach § 8 a BImSchG kann eine solche Umweltverträglichkeitsprüfung als unselbständiger Teil in keinem Fall vorausgehen, denn sie ist allenfalls Tatbestandsmerkmal im Rahmen des § 8 a Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (so wohl i.E. auch Jarass, a.a.O., Rn. 2 a für einen selbst nicht UVP-pflichtigen Teil einer UVP-pflichtigen Anlage).

Schließlich ändert sich an dem Ergebnis, dass die Zulassung vorzeitigen Beginns nach § 8 a BImSchG nicht dem Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes unterfällt, nichts dadurch, dass dieses nach dessen § 1 Abs. 1 S. 2 auch dann Geltung beansprucht, wenn entgegen geltenden Vorschriften keine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG getroffen worden ist. Denn § 8 a BImSchG sieht ausdrücklich vor, dass die Genehmigungsbehörde auf Antrag den Beginn der Errichtung der Anlage bereits vor Erteilung der Genehmigung u.a. zulassen kann, wenn mit einer Entscheidung zu Gunsten des Antragstellers, also des künftigen Betreibers, gerechnet werden kann.

Selbst wenn aber die Zulassung vorzeitigen Beginns nach § 8 a BImSchG eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG darstellen würde, müsste die Antragsbefugnis des Antragstellers wohl daran scheitern, dass er nicht geltend machen kann, dass die angegriffene Entscheidung nicht nur dem Umweltschutz dienenden Rechtsvorschriften widerspricht, sondern diese Rechtsvorschriften auch Rechte Einzelner begründen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG), also (abstrakt) Schutznormcharakter haben (vgl. hierzu und zum Streitstand insoweit Spieth/Appel, Umfang und Grenzen der Einklagbarkeit von UVP-Fehlern, NuR 2009, 312, ff., 314, mit zahlreichen Nachweisen aus Schrifttum und Rechtsprechung). Dass die Zulassung vorzeitigen Beginns solche Normen nicht verletzt, räumt der Antragsteller selbst ein. Seiner Auffassung, dass es europarechtlich geboten sei, ihm auch ohne die Geltendmachung der Verletzung von Rechtsvorschriften, die Rechte Einzelner begründen, Zugang zu einem gerichtlichen Verfahren zu verschaffen, vermag die Kammer angesichts des vom Richtliniengeber den Mitgliedstaaten diesbezüglich eingeräumten Gestaltungsspielraums (vgl. Art. 10 a der Richtlinie 85/337/EWG in der Fassung der Richtlinie 2003/35/EG bzw. Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/1/EG) jedenfalls im Rahmen des summarischen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht zu folgen.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Auffassung des Antragstellers auch zum Teil vom Schrifttum vertreten wird. Im Gegensatz zu der im Schrifttum wohl überwiegenden Meinung hat jedoch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 07.07.2008 - 1 ME 131/08 - (NVwZ 2008, 1144) die Auffassung vertreten, die Beschränkung des Rechtsschutzes in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG auf Umweltvorschriften, die Rechte Einzelner begründen, stehe mit den europarechtlichen Vorgaben des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes im Einklang (vgl. hierzu auch Schrödter, Aktuelle Entscheidungen zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, NVwZ 2009, 157). Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen sieht sich in seinem Beschluss vom 05.03.2009 - 8 D 58/08.AK - (DVBl 2009, 654), der ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Klärung der Reichweite des Verbandsklagerechts im Umweltrecht nach Art. 10 a der Richtlinie 85/337/EWG in der Fassung der Richtlinie 2003/35/EG betrifft, auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu einer eindeutigen Entscheidung nicht in der Lage. Es hält es allerdings im Ergebnis für möglich, dass Art. 10 a der Richtlinie bei einer nicht nur am Wortlaut, sondern auch an Sinn und Zweck der Richtlinienbestimmung sowie anhand der im Lichte des EG-Vertrages zu betrachtenden Ziele der Richtlinie orientierten Auslegung die Begründung eines weitergehenden Rügerechts der Nichtregierungsorganisationen verlangt, als es im deutschen Recht erfolgt ist. Welchen Umfang ein solches Rügerecht haben müsse, könne ebenfalls nicht abschließend beantwortet werden (vgl. OVG Münster, Beschl. vom 05.03.2009, a. a. O., Rn. 79). Angesichts dessen spricht nach Auffassung der Kammer nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand wenig für die Annahme, dass sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Verzicht auf das sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG ergebende Erfordernis einer Verletzung von Rechtsvorschriften, die Rechte Einzelner begründen, rechtfertigen lassen könnte.

Ein Verzicht auf dieses Erfordernis lässt sich wohl auch nicht aus § 4 UmwRG herleiten. Gegen die Annahme, § 4 Abs. 1 UmwRG bestimme ebenso wie § 2 Abs. 1 UmwRG i. S. von § 42 Abs. 2 VwGO etwas anderes, sprechen der Vergleich des Aufbaus dieser Vorschriften, vor allem aber die in § 4 Abs. 3 UmwRG getroffene Regelung. Während § 2 UmwRG in Absatz 1 die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen und in Absatz 5 deren Begründetheit regelt, normiert § 4 UmwRG in Absatz 1 lediglich einen prozessualen Aufhebungsanspruch unabhängig von dem Erfordernis der Verletzung subjektiver Rechte, was nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässig und auch sonst bei der Verbandsklage der Fall ist (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 113 Rn. 43). Sollte sich dagegen aus § 4 Abs. 1 UmwRG auch unabhängig von § 2 Abs. 1 UmwRG eine Klage-/Antragsbefugnis ergeben, müsste dies auch für den durch § 4 Abs. 3 UmwRG vorgesehenen Fall der entsprechenden Anwendung des § 4 Abs. 1 UmwRG auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO gelten. Damit könnte jeder Beteiligte nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO das Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. der Einzelfallvorprüfung rügen, ohne eine eigene Rechtsverletzung geltend machen zu müssen. Dies kann schon deshalb nicht sein, weil der Gesetzgeber mit dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz lediglich nach § 3 UmwRG anerkannten Vereinigungen einen erleichterten Zugang zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren verschaffen, aber nicht eine Popularklagemöglichkeit in UVP-Sachen für Jedermann eröffnen wollte. Folglich dürfte § 4 UmwRG wohl nicht als eine von § 42 Abs. 2 VwGO abweichende Regelung, sondern lediglich als eine von § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO abweichende Zuweisung eines prozessualen Aufhebungsanspruchs anzusehen sein, die die in § 2 Abs. 1 UmwRG getroffene Regelung und im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 3 UmwRG das sich aus § 42 Abs. 2 VwGO ergebende Erfordernis einer Klagebefugnis unberührt lässt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Antragsteller aufzuerlegen, denn unter Eingehung eines Kostenrisikos hat die Beigeladene einen Antrag gestellt und mit diesem obsiegt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG (in Anlehnung an Nr. 19.2 i.V.m.Nr. 2.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Da die Hauptsache vorweggenommen wird, ist der Ansatz des vollen Streitwerts gerechtfertigt.