AG Schorndorf, Gerichtsbescheid vom 25.02.2009 - 2 C 818/08
Fundstelle
openJur 2012, 61618
  • Rkr:

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung die Kosten des Einbaus des nachgelieferten Verbrauchsgutes in eine Sache, in die der Verbraucher das vertragswidrige Verbrauchsgut gemäß dessen Art und Verwendungszweck eingebaut hat, nicht tragen muss, wenn der Einbau ursprünglich vertraglich nicht geschuldet wurde?

2. Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 3 der vorbezeichneten Richtlinie dahin auszulegen, dass der Verkäufer im Falle der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung die Kosten des Ausbaus des vertragswidrigen Verbrauchsgutes aus einer Sache, in die der Verbraucher das Verbrauchsgut gemäß dessen Art und Verwendungszweck eingebaut hat, tragen muss?

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:1. Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung die Kosten des Einbaus des nachgelieferten Verbrauchsgutes in eine Sache, in die der Verbraucher das vertragswidrige Verbrauchsgut gemäß dessen Art und Verwendungszweck eingebaut hat, nicht tragen muss, wenn der Einbau ursprünglich nicht vertraglich geschuldet wurde?

2. Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Unterabs. 3 der vorbezeichneten Richtlinie dahin auszulegen, dass der Verkäufer im Falle der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung die Kosten des Ausbaus des vertragswidrigen Verbrauchsgutes aus einer Sache, in die der Verbraucher das Verbrauchsgut gemäß dessen Art und Verwendungszweck eingebaut hat, tragen muss?

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Rücktritt von einem Kaufvertrag geltend.

Die Klägerin bestellte als Verbraucherin bei der Beklagten als Unternehmerin über das Internet eine neue Spülmaschine B. GSP 627 IX Edelstahl zum Preis von 367,- EUR zuzüglich Nachnahmekosten von 9,52 EUR. Vereinbart wurde eine Lieferung bis vor die Haustüre. Die Beklagte lieferte die Kaufsache am 25. April 2008 und die Klägerin bezahlte bei Lieferung den Kaufpreis. Nachdem die Klägerin hierauf die Spülmaschine anderweitig bei sich in der Wohnung hatte montieren lassen, stellte sich ein Mangel heraus. Diesen reklamierte sie gegenüber der Beklagten und ein von dieser beauftragter Monteur stellte fest, dass es sich nicht um einen Montagefehler handelte, sondern der Mangel an der Maschine selbst lag. Eine Beseitigung des Mangels ist unstreitig nicht möglich, weshalb zur Nacherfüllung nur die Lieferung einer mangelfreien Sache in Betracht kommt. Ein Verschulden der Beklagten liegt nicht vor.

Die Klägerin und die Beklagte einigten sich zum Zwecke der Mängelbeseitigung auf die Lieferung einer mangelfreien Ersatzsache durch die Beklagte. Die Klägerin verlangte von der Beklagten mit E-Mail vom 13. Juni 2008, dass diese die nachzuliefernde Spülmaschine nicht nur anliefert, sondern auch den Austausch in der Küche der Klägerin vornimmt, das heißt, die mangelhafte Maschine ausbaut und die neue Maschine einbaut. Mit E-Mail vom 17. Juni 2008 weigerte sich die Beklagte, die mangelhafte Kaufsache aus- und die nachgelieferte Sache einzubauen.

Mit Anwaltsschreiben vom 2. Juli 2008 ließ die Klägerin die Beklagte dazu auffordern, die Nacherfüllung bis 7. Juli 2008 durchzuführen beziehungsweise zu erklären, sie werde die Aus- und Einbaukosten, die der Klägerin entstehen, wenn sie einen Monteur beauftrage, tragen. Als die Beklagte hierauf nicht reagierte, trat die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 14. Juli 2008 vom Kaufvertrag zurück. Sie verlangt nunmehr die Rückerstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übergabe der mangelhaften Spülmaschine.

II.

Nach deutschem Recht kann die Klägerin gemäß §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB von dem Vertrag zurücktreten und Rückerstattung des Kaufpreises verlangen, wenn die gelieferte Sache mangelhaft ist und sie der Beklagten erfolglos eine wirksame Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, falls letzteres nicht ausnahmsweise entbehrlich ist, beispielsweise wenn die Beklagte die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert.

1. Der nicht unerhebliche Mangel der Kaufsache ist unstreitig. Die Klägerin hat der Beklagten auch eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Diese Nachfrist hat sie indes nur dann wirksam gesetzt, wenn sie (nur) das gefordert hat, was ihr zusteht; hat sie mehr verlangt, als die Beklagte schuldet, scheidet mangels wirksamer Nachfristsetzung ein Rücktritt aus. Eine Ausnahme wäre dann gegeben, wenn die Beklagte eine zu hohe Forderung nach den Umständen als Aufforderung zur Bewirkung der geschuldeten Leistung verstehen musste und die Klägerin zur Annahme der geringeren Leistung bereit war, dies war indes nicht der Fall. Eine Ausnahme kommt weiter in Betracht, wenn die Klägerin nur geringfügig zuviel gefordert hat.

2. Mithin kommt es für die Entscheidung darauf an, ob die Klägerin verlangen durfte, dass die Beklagte die mangelhafte Maschine ausbaut (Vorlagefrage 2, im Folgenden unter b)) und die neue Maschine einbaut (Vorlagefrage 1, im Folgenden unter a)) bzw. jeweils die Kosten trägt.

a) Nach deutschem Recht schuldet der Verkäufer im Zuge der Nachlieferung den Einbau der mangelfreien Sache beziehungsweise dessen Kosten auch dann nicht verschuldensunabhängig, wenn der Käufer die mangelhafte Sache vor dem Auftreten des Mangels ihrer Bestimmung gemäß in eine andere Sache eingebaut hatte (so nach unterschiedlichen Entscheidungen der Instanzgerichte nunmehr BGH, Urteil vom 15. Juli 2008, Az.: VIII ZR 211/07, abgedruckt in NJW 2008, 2837). Dies begründet sich darin, dass es sich bei dem Anspruch auf Nacherfüllung aus § 439 Abs. 1 BGB um eine Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs handelt und der Verkäufer deshalb weiterhin nicht mehr schuldet, als die mangelfreie Sache zu übergeben und dem Käufer das Eigentum hieran zu verschaffen, mithin den Einbau ebenso wenig schuldet wie bei der ursprünglichen Lieferung. Hierfür spricht zudem der Wortlaut, da die Lieferung einer mangelfreien Sache begrifflich von deren Einbau zu unterscheiden ist und jeweils eine andere Tätigkeit bezeichnet wird.

Der Bundesgerichtshof ist der Ansicht, auch die oben bezeichnete Richtlinie, die in Art. 3 den Verkäufer zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verpflichtet, verlange nicht, dass er den Einbau zu übernehmen (beziehungsweise dessen Kosten zu tragen) habe, da er nach dem Kaufvertrag hierzu gerade nicht verpflichtet sei (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2008, a. a. O.). Dafür spricht, dass der vertragsgemäße Zustand hier eine an die Tür gelieferte Spülmaschine, mithin der Einbau nicht geschuldet war.

Indes bestehen Zweifel daran, dass die oben bezeichnete Richtlinie den Einbau der mangelfreien Sache nicht verlangt, zumal sie nach europarechtlichen Gesichtspunkten auszulegen ist und das Gericht insbesondere die zahlreichen sprachlichen Fassungen und das Rechtsverständnis in anderen Mitgliedsstaaten nicht abschließend bewerten kann. Dafür, dass der Einbau nunmehr geschuldet ist, könnte sprechen, dass der vertragsgemäße Zustand, der herzustellen ist, nun dadurch gekennzeichnet ist, dass die Kaufsache inzwischen bestimmungsgemäß verarbeitet wurde (so das OLG Frankfurt, Urteil vom 14. Februar 2008, Az.: 15 U 5/07, abgedruckt in ZGS 2008, 315, das hierin allerdings eine unzulässige Auslegung des deutschen Rechts contra legem sieht; einen Verstoß gegen die Richtlinie sehen Pammler in: jurisPK-BGB, 4. Auflage 2008, § 439 BGB, Rdnr. 53f, und Andreae in der Anmerkung zu dem Urteil des BGH, DAR 2008, 700). Des Weiteren strebt die Richtlinie einen umfassenden Verbraucherschutz an, wie sich beispielsweise am ersten Erwägungsgrund zeigt, demzufolge ein Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus geleistet werden soll, was für eine verbraucherfreundliche Auslegung spricht. Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie soll die Ersatzlieferung zudem ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen. Bekommt der Käufer die Einbaukosten nicht ersetzt, so muss er diese zweimal tragen, nämlich für den Einbau der ersten mangelhaften und für den der zweiten mangelfreien Sache; bei vertragsgemäßer Lieferung hätte er sie nur einmal aufbringen müssen. Es ist zwar ebenfalls denkbar, dem Käufer dies nur bei einem Verschulden des Verkäufers zuzusprechen, indes spricht für einen verschuldensunabhängigen Anspruch, dass nicht recht ersichtlich ist, weshalb, wenn weder dem Käufer noch dem Verkäufer ein Verschulden zur Last fällt, ersterer die zuviel entstandenen Einbaukosten zu tragen haben soll; der Mangel stammt eher aus der Sphäre des Verkäufers, für den es darüber hinaus leichter ist, dies gegenüber dem Hersteller geltend zu machen, sei es auf juristischem oder im Verhandlungswege.

Nachdem der Bundesgerichtshof inzwischen eine richtlinienkonforme Auslegung selbst gegen einen eindeutigen Gesetzeswortlaut für möglich und notwendig hält (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2008, Az.: VIII ZR 200/05, abgedruckt in NJW 2009, 427), steht dieser einer Vorlage nicht entgegen.

b) Ob der Verkäufer nach deutschem Recht im Zuge der Nachlieferung den Ausbau der mangelhaften Sache beziehungsweise dessen Kosten verschuldensunabhängig schuldet, wenn der Käufer die mangelhafte Sache vor dem Auftreten des Mangels ihrer Bestimmung gemäß in eine andere Sache eingebaut hatte, ist umstritten. Hiergegen spricht wiederum der Wortlaut des § 439 Abs. 1 BGB, da die Lieferung einer mangelfreien Sache begrifflich vom Ausbau der mangelhaften Sache zu unterscheiden ist, eine andere Tätigkeit bezeichnet wird und insoweit zudem jeweils ein anderer Gegenstand betroffen ist. Die in § 439 Abs. 2 BGB bezeichneten Aufwendungen sind ebenfalls nur zum Zwecke der Nacherfüllung zu ersetzen, so dass sich hieraus ebenfalls kein Anspruch des Käufers ergibt, wenn man den Ausbau nicht als Bestandteil der Nachlieferung ansieht.

Entgegen der bislang überwiegenden Ansicht scheint der Bundesgerichtshof nunmehr dazu zu neigen, einen Anspruch des Käufers daher nach nationalen Auslegungsgrundsätzen zu verneinen und allein im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung für möglich zu halten, worauf er diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2009, Az.: VIII ZR 70/08, bislang nur über Juris veröffentlicht; gleicher Ansicht als Vorinstanz das OLG Frankfurt a. a. O.).

Das erkennende Gericht legt diese Frage ebenfalls vor, da der Bundesgerichtshof diese Vorlagefrage nur abhängig von der Antwort auf eine weitere Vorlagefrage gestellt hat, so dass sie möglicherweise nicht beantwortet werden wird. Dem erkennenden Gericht scheint - nicht zuletzt angesichts der obigen Ausführungen zum Zweck der Richtlinie - eine Auslegung nicht fern liegend, dass der Verkäufer die Ausbaukosten zu tragen hat. Hierfür spricht, dass der vertragsgemäße Zustand nicht nur umfasst, dass ein mangelfreies Vertragsgut geliefert wird, sondern ebenso, dass sich kein mangelhaftes Vertragsgut beim Käufer befindet. Zudem könnte darin, dass eine mangelhafte Sache beim Verbraucher verbleibt, eine erhebliche Unannehmlichkeit liegen. Schließlich kann man dem Wortlaut nach unter Ersatzlieferung verstehen, dass eben nicht nur die mangelfreie Sache nachgeliefert, sondern auch die mangelhafte ersetzt, mithin ausgetauscht wird.

III.

Die Entscheidung darüber, wie die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie auszulegen sind, ist gemäß Art. 234 EG dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorbehalten. Daher ist der Rechtsstreit auszusetzen und sind die im Beschlusstenor aufgeführten Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen. Da das erkennende Gericht im vorliegenden Fall nicht nur erste, sondern auch letzte Instanz ist, besteht eine Pflicht zur Vorlage.

IV.

Die nationale Vorschrift des § 439 Abs. 1 und 2 BGB (Nacherfüllung) lautet:

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

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