VG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2007 - 11 K 3108/06
Fundstelle
openJur 2012, 60208
  • Rkr:

1. Das Nichtberücksichtigungsermessen nach § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. muss hinsichtlich jeder höheren Strafe ausgeübt werden, die, weil sie ein einzelnes Merkmal überschreitet, nicht unter § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. fällt.

2. Zur Frage, ob eine oberste Landesbehörde (Innenministerium Baden-Württemberg) auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts neben dem hierfür in § 39 StAG a.F. genannten Bundesinnenministerium eigene Landes-Verwaltungsvorschriften erlassen durfte.

3. Ob ein Einbürgerungsbewerber gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F. einen Ausweisungsgrund erfüllt, beurteilt sich im Falle strafrechtlicher Verurteilungen nicht nach den Tilgungsfristen in § 46 Abs. 1 BZRG.

4. Im Falle länger zurückliegender episodenhafter Straftaten, erfüllt ein Ausländer gegebenenfalls auch dann keinen Ausweisungsgrund (mehr), wenn die entsprechenden strafrechtlichen Verurteilungen im Bundeszentralregister noch gespeichert sind.

5. Ein Ausweisungsgrund kann durch eine Entscheidung der Staatsangehörigkeitsbehörde staatsangehörigkeitsrechtlich verbraucht sein.

6. Serbische Staatsangehörige aus dem Kosovo haben die Staatsangehörigkeit der unabhängigen Republik Kosova nicht erworben, wenn sie im Zeitpunkt deren Unabhängigkeitserklärung ihren Lebensmittelpunkt außerhalb Kosovos hatten und sie keine entsprechende Zustimmung zum Staatsangehörigkeitserwerb gegeben haben.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20. Juli 2006 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Einbürgerungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

Der am ... 1971 geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Er kam Ende 1991 ins Bundesgebiet und beantragte Asyl. Nachdem er am 01.09.1995 eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte nahm er seinen Asylantrag zurück. In der Folgezeit erhielt er fortlaufend verlängerte Aufenthaltserlaubnisse, zuletzt bis 06.12.2002. Seit 21.05.2002 ist der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, jetzt Niederlassungserlaubnis. Der Kläger lebt nach wie vor in ehelicher Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen. Aus dieser Ehe sind mittlerweile zwei Kinder hervorgegangen, die ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit haben.

In den Jahren 1993 bis 1998 wurde der Kläger insgesamt sieben Mal wegen einer Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung, strafrechtlich verurteilt. Nach dreimaliger Geldstrafe und dreimaliger Bewährungsstrafe erhielt er zuletzt durch das Amtsgericht Backnang mit Urteil vom 14.05.1998 eine sechsmonatige Haftstrafe, die der Kläger teilweise, vom 05.10.1998 bis zum 05.02.1999, verbüßte. Mit Beschluss des Landgerichts Heilbronn vom 29.01.1999 wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt. Der Kläger wurde danach nicht mehr straffällig.

Einen ersten Einbürgerungsantrag im Jahr 2000 nahm der Kläger wieder zurück. Am 07.02.2003 beantragte er bei der Beklagten sodann erneut, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Er legte hierzu u. a. Nachweise über den ausreichend gesicherten Lebensunterhalt vor. Im Rahmen einer Vorsprache bei der Beklagten, bei der diese die Mindestkenntnisse der freiheitlich demokratischen Grundordnung überprüfte und als vorhanden feststellte, gab der Kläger eine Loyalitätserklärung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ab. Zugleich konnte von der Beklagten festgestellt werden, dass der Kläger gut Deutsch versteht und ausreichend Deutsch spricht. Im Rahmen der weiteren Verfahrensbearbeitung nahm die Beklagte zunächst den Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 30.06.1999 (Az.: 5-1012.1/8) zur Vorgehensweise beim Vorliegen eines Ausweisungsgrundes bei Einbürgerungen zu den Akten. Des Weiteren vermerkte sie nach Eingang der Auskunft aus dem Zentralregister neben den dort aufgeführten Verurteilungen des Klägers jeweils, diese seien gemäß § 88 AuslG unschädlich. Nachdem auch die weitere Verfahrensbearbeitung aus Sicht der Beklagten keine Beanstandungen ergab, erteilte die Beklagte dem Kläger am 19.09.2003 eine Einbürgerungszusicherung. Darin wird dem Kläger die Einbürgerung für den Fall zugesagt, dass der Verlust der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde. Die Einbürgerungszusicherung wurde mit einem Gültigkeitszeitraum bis zum 18.09.2005 versehen und unter dem Vorbehalt erteilt, dass sich die für die Einbürgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage, insbesondere die persönlichen Verhältnisse des Einbürgerungsbewerbers, bis zur Einbürgerung nicht änderten.

Der Kläger legte in der Folgezeit der Beklagten seinen Schriftverkehr mit dem Generalkonsulat vom Serbien-Montenegro und die von dort ausgestellten Bescheinigungen vor. Daraus ergab sich, dass der Kläger am 10.10.2003 einen Antrag auf Beschaffung serbisch-montenegrinischer Dokumente gestellt hatte, sich die Verfahrensbearbeitung dort aber hinzog. Daraufhin richtete die Beklagte ihr Augenmerk darauf, ab wann, wegen der zögerlichen Haltung der serbisch-montenegrinischen Behörden, eine Einbürgerung des Klägers unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit möglich wäre. Die Beklagte nahm hierzu verschiedentlich Kontakt mit der übergeordneten Aufsichtsbehörde auf. Im Rahmen der Prüfung, ob diesbezüglich eine Vorlage an das Regierungspräsidium in Betracht käme, nahm die Beklagte am 05.11.2004 eine erneute Prüfung des Umstandes der vorangegangenen Straffälligkeit des Klägers vor. Hierzu wertete sie zahlreiche vorliegende Erlasse des Innenministeriums Baden-Württemberg sowie zu diesem Themenkreis ergangene Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, auf die in diesen Erlassen jeweils hingewiesen wurde, aus. In einem umfangreichen Aktenvermerk vom 05.11.2004 kam die Beklagte sodann im Rahmen einer vorgenommenen Ermessensbetätigung zu dem Ergebnis, zwar liege beim Kläger eine höhere Strafe i.S.d. § 88 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 AuslG vor. Diese könne im vorliegenden Fall aber außer Betracht bleiben. Daraufhin fertigte die Beklagte einen Einbürgerungsbericht und legte diesen der Rechtsaufsicht vor.

Im April 2005 verweigerte das Regierungspräsidium Stuttgart der Beklagten gegenüber seine Zustimmung zur Einbürgerung. Da die letzte Verurteilung des Klägers im Jahre 1998 nicht insgesamt zur Bewährung ausgesetzt worden sei, sondern lediglich ein Strafrest nach Teilverbüßung dieser Haftstrafe, läge eine Grundlage für eine Ermessensentscheidung schon nicht vor. Mit Erlass vom 19.05.2005 an die Beklagte wies das Regierungspräsidium Stuttgart noch einmal auf dieses Einbürgerungshindernis im Rahmen der Anwendung von § 88 AuslG (jetzt: § 12 a StAG) hin. Daneben wurde auf die geänderte Erlasslage seit dem 10.03.2005 für serbisch-montenegrinische Staatsangehörige verwiesen, wonach erst dann eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgen könne, wenn von Seiten der serbisch-montenegrinischen Behörden nicht innerhalb eines Zeitraumes von (nunmehr) zwei Jahren über einen entsprechenden Antrag des Einbürgerungsbewerbers auf Ausstellung eines Reisepasses, eines Staatsangehörigkeitsnachweises bzw. auf Nachregistrierung entschieden sei. Auch diese Voraussetzung sei im Fall des Klägers noch nicht erfüllt.

Die Beklagte hörte daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 07.07.2005 gemäß § 28 LVwVG zu einer beabsichtigten Ablehnung seines Einbürgerungsantrages an. Zur Begründung ist auf die im Bundeszentralregister eingetragenen Vorstrafen des Klägers verwiesen, die erst im Jahre 2013 Tilgungsreife erreichten. Nachdem über die richtige Anwendung des BZRG zwischen den Beteiligten Streit entstand, beantragte der Kläger förmlich beim Generalbundesanwalt die vorzeitige Tilgung sämtlicher Freiheitsstrafen, die über ihn im Bundeszentralregister geführt werden. Diesen Antrag lehnte der Generalbundesanwalt ab unter Hinweis darauf, damit würde im Fall des Klägers eine Voraussetzung für seine Einbürgerung erst geschaffen. Dies liefe aber im Ergebnis auf eine Entscheidung des Generalbundesanwalts anstelle der eigentlich zuständigen Behörde über den Einbürgerungsantrag des Klägers hinaus. Dass sei kein zweckentsprechender Gebrauch der Tilgungsmöglichkeit des § 49 Abs. 1 BZRG.

Mit Verfügung vom 19.01.2006 schließlich lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab. Zur Begründung ist ausgeführt, der noch unter Geltung des § 85 AuslG gestellte Einbürgerungsantrag sei nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes zum 01.01.2005 nach den Vorschriften des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu bescheiden. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG setze ein Einbürgerungsanspruch voraus, dass der Einbürgerungsbewerber nicht wegen einer Straftat verurteilt sei. Ausnahmen von dieser Regelung ergäben sich aus § 12 a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StAG sowie in Einzelfällen aus Satz 2 dieser Vorschrift. Vorliegend ergebe sich, dass die nach der Auskunft aus dem Bundeszentralregister beim Kläger vorliegenden strafrechtlichen Verurteilungen Nr. 5 und 6 eine Ermessensentscheidung der Einbürgerungsbehörde über ihre Berücksichtigung erforderten. Diese führe im jetzigen Zeitpunkt unter Abwägung des Für und Widers dazu, dass diese nicht außer Betracht bleiben könnten. Hinsichtlich der letzten Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Backnang im Jahre 1998 lägen noch nicht einmal die Voraussetzungen vor, die der Einbürgerungsbehörde eine Einzelfallentscheidung eröffneten. Die damalige Freiheitsstrafe von sechs Monaten sei nicht insgesamt zur Bewährung ausgesetzt. Vielmehr sei nur ein Strafrest nach teilweiser Verbüßung der Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt und später erlassen worden. Eine solche nicht von Anfang an insgesamt zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe sei aber keine höhere Strafe i.S.d. § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG. Nur höhere Freiheitsstrafen, die in ihrer Gesamtheit zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden seien, könnten nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 StAG im Ermessenswege als ein die Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG nicht hindernder Umstand angesehen werden. Damit scheide ein Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG beim Kläger aus. Er könne auch nicht nach § 8 StAG eingebürgert werden. Voraussetzung hierfür sei, dass der Einbürgerungsbewerber keinen Ausweisungsgrund nach den §§ 53, 54 oder 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AufenthG erfülle. Mit den abgeurteilten Straftaten lägen beim Kläger aber Rechtsverstöße vor, bei denen es sich weder um einen vereinzelten noch um einen geringfügigen Rechtsverstoß handele. Wie lange dem Kläger danach eine Straftat im Einbürgerungsverfahren auch nach § 8 StAG vorgeworfen werden könne, richte sich mangels eigener Regelungen nach den Eintragungen im Bundeszentralregister und den nach dem BZRG vorgesehenen Tilgungsfristen. Da Tilgungsreife hiernach erst ab 14.11.2013 frühestens eintreten könne, sei eine Einbürgerung auch nach § 8 StAG derzeit nicht möglich.

Gegen diesen ihm am 23.01.2006 zugestellten Bescheid legte der Kläger am 23.02.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung führt er aus, soweit die gegen ihn verhängten Strafen nicht ohnehin gemäß § 12 a Abs. 1 StAG unterhalb der Erheblichkeitsschwelle lägen, habe die Einbürgerungsbehörde im Einzelfall zu entscheiden, ob eine vorliegende Straftat außer Betracht bleiben könne. Im Rahmen dessen seien die Belange des Einbürgerungsbewerbers sorgfältig abzuwägen. Die letzte Verurteilung liege bereits acht Jahre zurück. Auch sei die letzte Verurteilung vom 14.05.1998 mit gerade einmal sechs Monaten Freiheitsstrafe erfolgt. Nicht berücksichtigt sei dagegen, dass der Kläger seit 1995 mit einer deutschen Ehefrau verheiratet sei und mit dieser zwischenzeitlich zwei minderjährige Kinder habe, die ebenfalls deutsche Staatsangehörige seien. Auch im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit erwarteten ihn bei Auslandsreisen aufgrund der jugoslawischen Staatsangehörigkeit Probleme, da jedes Mal ein Visum eingeholt werden müsse. Schließlich sei es für ihn nahezu unmöglich, einen gültigen jugoslawischen Reisepass zu erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2006, zugestellt am 21.07.2006, wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung ist zunächst auf den Ausgangsbescheid der Beklagten verwiesen. Zwar werde nicht verkannt, dass beim Kläger in letzter Zeit eine charakterliche Stabilisierung eingetreten sei. Er lebe seit einigen Jahren straffrei in Deutschland mit Frau und Kindern. Das öffentliche Interesse, die Einbürgerung bei fehlender strafrechtlicher Unbescholtenheit grundsätzlich zu versagen, überlagere jedoch die Interessen des Klägers. Vor Ablauf der Tilgungsfrist im Bundeszentralregister sei eine Einbürgerung daher nicht möglich. Auch die leichteren Reisemöglichkeiten mit einem deutschen Pass, die Schwierigkeiten bei der Erlangung eines serbisch-montenegrinischen Reisepasses für Kosovaren und schließlich eine dem Kläger in Aussicht gestellte Arbeitsstelle bei einer Schweizer Firma rechtfertigten keinen Ausnahmetatbestand.

Der Kläger hat am 18. August 2006 das Verwaltungsgericht angerufen. Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles müssten auch die gegen ihn am 20.07.1995 und am 09.05.1996 verhängten Freiheitsstrafen, die insgesamt zur Bewährung ausgesetzt worden sind, außer Betracht bleiben. Der Kläger lebe nunmehr seit acht Jahren straffrei in der Bundesrepublik Deutschland. Bei den abgeurteilten Straftaten habe es sich ausschließlich um Straßenverkehrsdelikte gehandelt. Der Kläger sei auf die Einbürgerung dringend angewiesen, um die ihm angebotene Arbeitsstelle in der Schweiz anzunehmen und dadurch für seine Familie den Unterhalt zu sichern. Sämtliche anderen Familienmitglieder, die Ehefrau und zwei Kinder, besäßen die deutsche Staatsangehörigkeit.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2006 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist zunächst auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden. Die letzte gegen den Kläger verhängte Strafe stelle schon keine höhere Strafe i.S.d. § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG dar. Es könne daher noch nicht einmal im Einzelfall entschieden werden, ob diese außer Betracht bleiben könne. Sie sei einbürgerungshindernd gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG. Dessen ungeachtet komme ein außer Achtlassen einer höheren Strafe auch nur in begründeten Ausnahmefällen in Betracht. Das sei hier nicht gegeben. Der Kläger sei immerhin über sechs Jahre hinweg wegen desselben Vergehens straffällig geworden; es handele sich um eine nicht unerhebliche Dauer der Uneinsichtigkeit.

Mangels eigener einbürgerungsrechtlicher Regelungen darüber, für welche Dauer strafrechtliche Verfehlungen eine Versagung der Einbürgerung rechtfertigen könnten, sei auf die Regelungen des Bundeszentralregistergesetzes zurückzugreifen. Zwar sei ein undifferenziertes Abstellen auf den Zeitpunkt der Tilgungsreife und die dort geregelten Tilgungsfristen nicht sachgerecht. Auch folge aus dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG kein Verwertungsgebot bis zur Tilgung der Straftaten im Register. Im Falle des Klägers würde die Tilgungsfrist des BZRG im Falle einer Einbürgerung jedoch so erheblich verkürzt, dass dies nicht mehr gerechtfertigt werden könne.

Auch eine Einbürgerung nach § 9 i.V.m. § 8 StAG sei nicht möglich. Der Kläger erfülle einen Ausweisungsgrund im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; es komme nicht darauf an, ob er tatsächlich ausgewiesen werden solle oder könne. Damit scheitere eine solche Einbürgerung an § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Wann ein solcher Ausweisungsgrund im Einbürgerungsverfahren nicht mehr aktuell vorliege und daher nicht mehr herangezogen werden dürfe, lasse sich nicht allgemein festlegen. Präzise einbürgerungsrechtliche Leitlinien bestünden auch insoweit nicht. Ob die Straffälligkeit eines Einbürgerungsbewerbers nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG außer Betracht bleibe, habe die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ob der Ausweisungsgrund etwa ausländerrechtlich bereits verbraucht sei, sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, da der rechtliche Gegenstand der Entscheidung ein jeweils anderer sei. Bei ihrer Entscheidung über die Berücksichtigung eines solchen Ausweisungsgrundes habe die Einbürgerungsbehörde zunächst auch hier auf die Regelungen des Bundeszentralregistergesetzes zurückzugreifen. Auch wenn § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG hier im Rahmen des § 9 Abs. 1 StAG Anwendung finde, der gegenüber der allgemeinen Ermächtigungsnorm des § 8 StAG im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG Erleichterungen vorsehe, komme hier eine Einbürgerung noch nicht in Betracht. Auch der VGH Bad.-Württ. habe in einem vergleichbaren Fall einer mit einem deutschen Staatsangehörigen verheirateten Einbürgerungsbewerberin auf die Tilgungsfristen des BZRG abgestellt.

Zuletzt schließlich habe der Kläger auch noch keine ernsthaften und nachhaltigen Bemühungen für eine Entlassung aus seiner jetzigen serbischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen, so dass auch in Ansehung von § 10 Abs. 1 Nr. 4 bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 1 StAG eine Einbürgerung nicht erfolgen könne. Eine Ausnahme gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 StAG sei gerade nicht möglich. Zwar habe der Kläger am 10.10.2003 nachweislich einen Antrag auf Beschaffung der für die Stellung eines Entlassungsantrages erforderlichen Dokumente beim jugoslawischen Generalkonsulat gestellt und auch am 22.10.2004 dort die Ausstellung eines Reisepasses beantragt. Inwieweit diese Verfahren jedoch weiter verfolgt worden seien und ggf. mit welchem Ergebnis, sei nicht bekannt. Damit erfülle der Kläger keine der in § 12 Abs. 1 Nr. 3 StAG enthaltenen selbständig nebeneinander stehenden Ausnahmetatbestände.

Der Kläger ist im laufenden Verfahren in den Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes Waldshut verzogen. Die Beklagte hat daraufhin eine Erklärung des Landratsamts Waldshut gemäß § 3 Abs. 3 LVwVfG vom 28.08.2007 vorgelegt, wonach von dort die Zustimmung zur Fortsetzung des Verfahrens durch die Beklagte erteilt wurde.

Das Gericht hat den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung die vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits vorgeschlagen. Auf Weisung der hinter der Beklagten stehenden Rechtsaufsichtsbehörde kam dieser Vergleich nicht zustande.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze, die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist größtenteils begründet. Das Unterlassen der beantragten Einbürgerung unter Hinweis auf noch nicht im Bundeszentralregister getilgte strafrechtliche Verurteilungen ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte musste vom Gericht daher unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet werden, den Einbürgerungsantrag des Klägers neu zu bescheiden und dabei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten (§ 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 VwGO). Mangels endgültiger Spruchreife kam dagegen eine unmittelbare Verpflichtung der Beklagten zur Einbürgerung des Klägers (noch) nicht in Betracht. In diesem - geringen - Umfang musste die Klage abgewiesen werden.

Nachdem die Beklagte gemäß § 3 Abs. 3 LVwVfG eine entsprechende Erklärung der für den Kläger nunmehr örtlich zuständigen Einbürgerungsbehörde vorgelegt hat, konnte der Kläger das Verpflichtungsbegehren trotz seines Umzuges in einen anderen Landkreis weiterhin gegen die Beklagte richten.

Die Frage, ob dem Kläger der von ihm geltend gemachte Anspruch zukommt, beurteilt sich nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.08.1996 - 1 B 82.95 -, InfAuslR 1996, 399 und VGH Ba.-Wü., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - zit. nach ). Gemäß § 40c StAG in der seit 28.08.2007 geltenden Fassung sind jedoch auf Einbürgerungsanträge, die vor dem 30.03.2007 gestellt wurden - wie hier -, die §§ 8 bis 14 StAG in ihrer vor dem 28.08.2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit diese günstigere Bestimmungen enthalten. Da dies für die hier in Rede stehenden Rechtsfragen (vgl. sogleich) sämtlich der Fall ist, kommen für die begehrte Einbürgerung als Rechtsgrundlage daher die §§ 8 ff. StAG i.d.F. des Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950, 1996 ff.), in Kraft getreten am 01.01.2005 (vgl. Art. 15 Abs. 3), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122) in Betracht.

1. Zutreffend geht die Beklagte allerdings davon aus, dass dem Kläger eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. versagt werden durfte.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, einzubürgern, wenn er die in dieser Vorschrift unter Nr. 1 bis Nr. 5 bezeichneten Voraussetzungen, sofern von diesen nicht nach § 12 oder nach § 12 a Abs. 1 StAG a.F. abgesehen wird oder abgesehen werden kann, erfüllt und kein Grund vorliegt, der gemäß § 11 Satz 1 StAG diesen Einbürgerungsanspruch hindert. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. oben) fehlt es aber - zumindest - an der Voraussetzung nach Nr. 5 der Norm, da der Kläger bereits mehrfach wegen einer Straftat verurteilt werden musste.

Für diesen Fall bestimmt § 12 a StAG a.F., dass Strafen bis zu einer bestimmten Höhe außer Betracht zu bleiben haben (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 der Norm) und darüber hinausgehend, dass die Einbürgerungsbehörde im Einzelfall nach Ermessen zu entscheiden hat, ob eine Straftat außer Betracht bleiben kann, wenn der Einbürgerungsbewerber zu einer höheren Strafe verurteilt worden ist (Abs. 1 Satz 2 der Norm).

Das Gericht vermag sich nicht der Rechtsansicht der Beklagten anzuschließen, die letzte gegen den Kläger ausgesprochene Verurteilung vom 14.05.1998 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung (Verurteilung Nr. 7 nach dem Auszug aus dem Bundeszentralregister) stelle eine Straftat dar, die in keinem Fall gemäß § 12 a Abs. 1 StAG a.F., weder unmittelbar kraft Gesetzes (Satz 1), noch im Ermessenswege durch Entscheidung der Einbürgerungsbehörde (Satz 2), außer Betracht bleiben könne. Soweit sich die Beklagte und die hinter ihr stehenden Rechtsaufsichtsbehörden (jedenfalls in diesem Verfahren; anders noch das Regierungspräsidium Stuttgart in einem Widerspruchsbescheid vom 07.12.2006 [16-1019/Nador]) auf den Standpunkt stellen, eine das sogenannte Nichtberücksichtigungsermessen gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. eröffnende höhere Strafe könne überhaupt nur eine höhere Strafe sein, die insgesamt zur Bewährung ausgesetzt wurde, geht dies fehl.

Diese Auffassung, die so auch zu Nummer 88.1.2 der Baden-Württembergischen Fassung der StAR-VwV vom 05.01.2001 enthalten ist, ist unzutreffend. Dabei lässt das Gericht, jedenfalls für das vorliegende Verfahren, ausdrücklich dahingestellt, ob eine oberste Landesbehörde, wie hier das Innenministerium Baden-Württemberg, auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts eigene (Landes-)Verwaltungsvorschriften überhaupt erlassen durfte. § 39 StAG in der bis 31.12.2004 gültigen Fassung wies das Recht zum Erlass von Verwaltungsvorschriften ausdrücklich dem Bundesministerium des Innern mit Zustimmung des Bundesrates zu. Diese Ermächtigung ist durch Erlass der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13.12.2000 (BAnz. 2001, 1418) - StAR-VwV -, in Kraft getreten am 01.02.2001, auch in Anspruch genommen worden. Die ausdrückliche Übertragung der Befugnis zum Erlass von Verwaltungsvorschriften an den Bund in Gestalt des Bundesministeriums des Innern, allerdings mit Zustimmung des Bundesrates, sollte einen Ausgleich für den Wegfall des Zustimmungsvorbehalts nach § 3 der Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 05.02.1934 schaffen, über den bisher - auch in der gerichtlichen Praxis durch entsprechende Beiladung - eine bundeseinheitliche Handhabung von Einbürgerungen gesteuert wurde (BT-Drs. 14/533 S. 17). Zwar ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.1999 (- 2 BvF 1/94 -, NVwZ 1999, 977), dass § 39 StAG in der damaligen Fassung gegen das Grundgesetz verstieß, da nur die Bundesregierung als Kollegialorgan, nicht jedoch ein einzelner Bundesminister mit Zustimmung des Bundesrates Verwaltungsvorschriften erlassen kann (vgl. Art. 85 Abs. 2 GG). Daher wurde § 39 StAG auch mit Wirkung zum 31.12.2004 ersatzlos aufgehoben. Von dieser Aufhebung war die StAG-VwV allerdings nicht mit umfasst. Ob sich die Erkenntnis der Verfassungswidrigkeit einer Ermächtigungsnorm zum Erlass von Verwaltungsvorschriften auch auf die zwischenzeitlich darauf gestützten Verwaltungsvorschriften selbst ausdehnen lässt, mit der Folge etwa, dass entgegenstehende (Landes-)Verwaltungsvorschriften auf dem maßgeblichen Rechtsgebiet nun zulässig sind und ausdrücklich Abweichungen zur (Bundes-)Verwaltungsvorschrift aussprechen dürfen, erscheint zumindest fraglich (vgl. zum vorstehenden Marx, in GK-StAR § 39 Rz. 3f).

Für den vorliegenden Rechtsstreit kann dies letztlich dahinstehen, da es sich insoweit nicht um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift handelt. Vielmehr trifft Ziffer 88.1.2 der Baden-Württembergischen Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 05.01.2001 in Satz 3 lediglich eine Aussage darüber, was nach Auffassung des Innenministeriums Baden-Württemberg unter dem Rechtsbegriff der höheren Strafe i.S.d. § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG (im Zeitpunkt des Erlasses der StAR-VwV: § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG) zu verstehen ist. Es handelt sich gleichsam um eine ministerial-beamtliche Kommentierung des Gesetzes, um mehr nicht. Eine solche mag, wie andere Kommentar-Meinungen zum Bedeutungsgehalt einer Rechtsnorm, zutreffend sein oder auch nicht. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Letzteres.

Der Berichterstatter vermag schon nicht zu erkennen, wie es in Satz 3 der Ziffer 88.1.2 der Baden-Württembergischen Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 05.01.2001 heißt, es liege insoweit in § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG (damals § 88 Abs. 1 Satz 2 AuslG) ein eindeutiger Wortlaut vor, wonach das Nichtberücksichtigungsermessen im Falle einer höheren Strafe nur die Straffälligen begünstigen solle, deren Strafe insgesamt zur Bewährung ausgesetzt wurde (und die sich innerhalb der Bewährungszeit auch tatsächlich bewährt haben). Von einem eindeutigen Wortlaut insoweit kann nicht die Rede sein. Das der Einbürgerungsbehörde eingeräumte Nichtberücksichtigungsermessen kann vielmehr hinsichtlich jedweder Strafe ausgeübt werden, die, weil sie ein einzelnes Merkmal überschreitet, eben nicht unter Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 der Vorschrift fällt (so ausdrücklich die (Bundes-)StAR-VwV in Nr. 88.1.2).

Auch in der Vergangenheit wurde die der baden-württembergischen Ansicht entsprechende Auffassung des Landes Berlin, dass nur Freiheitsstrafen, die insgesamt zur Bewährung ausgesetzt wurden, überhaupt unter den Anwendungsbereich des Abs. 1 Satz 2 fallen könnten, vom Bundesministerium des Innern nicht geteilt (Schreiben des BMI vom 18.05.2001, Az.: V 6-124117-88/1 zu § 88 AuslG; vgl. Hailbronner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., § 12 a Rz 6 a.E.). Auch angesichts der Weite des nach § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. eingeräumten Nichtberücksichtigungsermessens besteht kein überzeugender Grund, die Strafaussetzung zur Bewährung bereits als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in Abs. 1 Satz 2 hineinzuinterpretieren, indem bei kurzzeitigen Freiheitsstrafen - wie hier beim Kläger -, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden konnten, eine Ermessensmöglichkeit der Einbürgerungsbehörde schon von vorneherein verneint wird (so auch Berlit, GK-StAR, § 12 a Rz 41 unter Bezugnahme auf Makarov/von Mangoldt; Deutsches StAnGR, § 88 AuslG Rz 18).

Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Beklagte auch über die unter Nummer 7 des Strafregisterauszuges des Klägers aufgeführte strafrechtliche Verurteilung bzw. über deren Nichtberücksichtigung im Einbürgerungsverfahren eine Ermessensentscheidung hätte treffen müssen, was vorliegend unterblieben ist. Daraus ergibt sich insoweit zwar zunächst ein Ermessensfehler i.S. eines vollständigen Ermessensausfalls. Gleichwohl ergibt sich daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beklagten und des Regierungspräsidiums Stuttgart, dem Kläger eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG a.F. zu versagen. Denn zu Recht hat die Beklagte erkannt, dass ihr wegen Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. auch eine Ermessensentscheidung über die Berücksichtigung oder das außer Acht lassen der beiden strafrechtlichen Verurteilungen nach Nr. 5 und Nr. 6 des Strafregisterauszuges des Klägers abverlangt war. Diese Ermessensentscheidung jedenfalls hat die Beklagte tatsächlich ausgeübt; sie ist im Ergebnis auch nicht zu beanstanden.

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a. F. i.V.m. § 12 a Abs. 1 StAG a. F. ist bei der Prüfung, ob eine strafrechtliche Verurteilung den Einbürgerungsanspruch eines Ausländers aus § 10 StAG a.F. hindert, eine jeweils einzelne Betrachtung geboten. Liegen (eine oder mehrere) strafrechtliche Verurteilungen vor, die nicht generell gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 StAG a. F. außer Betracht bleiben müssen, so erfolgt nicht etwa eine generelle Ermessensprüfung, ob der Betreffende gleichwohl eingebürgert werden kann. Die Ermessensprüfung orientiert sich vielmehr an der einzelnen strafrechtlichen Verurteilung. Entscheidet sich die Einbürgerungsbehörde in Ausübung des ihr so eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens auch nur hinsichtlich einer einzigen insoweit zu prüfenden strafrechtlichen Verurteilung dahingehend, diese nicht außer Betracht zu lassen und ist ihr jedenfalls insoweit kein Ermessensfehler anzulasten, scheidet eine Einbürgerung in Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a. F. aus. So liegt es hier.

Die Beklagte hat zutreffend erkannt, dass die strafrechtlichen Verurteilungen nach Nr. 5 und nach Nr. 6 des Strafregisterauszuges des Klägers nicht generell nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. außer Betracht bleiben können, da der Strafausspruch im Urteil des Amtsgerichts Backnang vom 20.07.1995 auf sieben Monate und zwei Wochen Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung, lautet (Nr. 5 des Strafregisterauszuges) und derjenige im Urteil des Amtsgerichts Backnang vom 09.05.1996 (Nr. 6) auf zehn Monate und zwei Wochen Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung. Da die nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 StAG a.F. maßgebliche Einheit die jeweilige Verurteilung ist, und nicht die einzelne Straftat (Berlit, GK-StAR, § 12 a Rz 27), kommt es nicht darauf an, dass in beiden Fällen die Höhe des Strafausspruches durch das Amtsgericht Backnang im Wege der Gesamtstrafenbildung gemäß §§ 53, 54 StGB vorgenommen wurde. Unschädlich ist danach auch, dass den beiden genannten Strafurteilen des Amtsgerichts Backnang teilweise dieselben Straf taten zuzuordnen sind, da die strafrechtliche Verurteilung vom 19.01.1995 in die Verurteilung vom 20.07.1995 einbezogen wurde und beide wiederum in die Verurteilung vom 09.05.1996 eingeflossen sind, da jede einzelne strafrechtliche Verurteilung dem Nichtberücksichtigungsermessen des § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a. F. unterliegt.

Die Ermessensbetätigung der Behörden, diese beiden strafrechtlichen Verurteilungen einbürgerungsrechtlich nicht unberücksichtigt zu lassen, war vorliegend nicht gemäß § 114 Satz 1 VwGO zu beanstanden. Gegenstand der vorliegenden Verpflichtungsklage ist der angefochtene Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es kommt hinsichtlich der zu prüfenden Ermessensbetätigung daher grundsätzlich auf die letzte behördliche Entscheidung, also hier auf den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.07.2006 an. Dieser schließt sich zunächst dem angefochten Bescheid der Beklagten voll inhaltlich an. Das bedeutet, die Ermessensbetätigung der Beklagten zur Frage der Nichtberücksichtigung der beiden strafrechtlichen Verurteilungen vom 20.07.1995 und vom 09.05.1996 sind auch Gegenstand der Ermessensbetätigung der Widerspruchsbehörde. Die dortigen Ausführungen (S. 3, Mitte bis S. 4, oben des angegriffenen Bescheides der Beklagten) berücksichtigen zutreffend alle mit den strafrechtlichen Verurteilungen in Zusammenhang stehenden Umstände und wägen diese in nicht zu beanstandender Weise ab. Es ist nicht zu verkennen, dass - wie dort ausgeführt - eine Verurteilung zu einer, wenn auch zur Bewährung ausgesetzten, Freiheitsstrafe von zehn Monaten und zwei Wochen bereits eine erhebliche Strafe darstellt. Ebenfalls durfte hier von der Beklagten - negativ - berücksichtigt werden, dass der Kläger immer wieder wegen desselben Deliktes strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und daher über einen längeren Zeitraum, vorliegend zwischen 1993 und 1998, wegen desselben Deliktes mehrmals verurteilt werden musste, er bezogen auf den damaligen Zeitraum somit eine gewisse Renitenz in der Missachtung der Rechtsordnung aufwies.

Soweit demgegenüber der angegriffene Ausgangsbescheid der Beklagten im Rahmen der Betätigung des Nichtberücksichtigungsermessens die persönlichen Interessen des Klägers zu wenig berücksichtigt haben mag, wurde dieser Mangel jedenfalls durch den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.07.2006 geheilt. Dort (S. 2, unten bis S. 3) ist die in letzter Zeit offenbar eingetretene charakterliche Stabilisierung des Klägers, seine familiären Umstände, seine Arbeitsplatzsituation, die mit einem deutschen Pass verbundenen besseren Reisemöglichkeiten sowie allgemein die Passproblematik serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo berücksichtigt. Die Entscheidung, nach Ermessen gleichwohl die beiden hier zu prüfenden strafrechtlichen Verurteilungen nicht unberücksichtigt zu lassen mit der Folge der Versagung eines Einbürgerungsanspruches nach § 10 Abs. 1 StAG a. F. mag streng erscheinen, ermessensfehlerhaft ist sie noch nicht.

2. Der Kläger besitzt aber - entgegen der Annahme der Beklagten - die wesentlichen Voraussetzungen für einen Einbürgerungsanspruch nach den §§ 8 und 9 StAG a.F.

Wird ein Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 StAG versagt, so ist die Einbürgerungsbehörde verpflichtet, das Einbürgerungsbegehren des Betreffenden nach anderen Vorschriften ebenfalls zu prüfen. Nachdem der Kläger mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, kommt danach ohne weiteres die Anwendung der §§ 8, 9 StAG a. F. in Betracht. Auch insoweit findet gemäß § 40 c StAG die bis zum 28.08.2007 geltende Fassung des § 9 StAG Anwendung, da diese für den Kläger günstiger ist. Die maßgeblichen Voraussetzungen für die Einbürgerung des Klägers liegen insoweit auch vor. Der Kläger ist, wie es § 9 Abs. 1 StAG a.F. erfordert, Ehegatte einer Deutschen, seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse ist ohne weiteres gewährleistet und erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland stehen seiner Einbürgerung nicht entgegen.

Soweit § 9 StAG a.F. darüber hinaus als Grundvoraussetzungen auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 StAG a. F. verweist, sind auch diese - entgegen der Ansicht der Beklagten und der hinter ihr stehenden Rechtsaufsichtsbehörden - erfüllt. Für die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 StAG a. F. ist dies zwischen den Beteiligten unstrittig. Dies gilt aber auch für die Voraussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F., da der Kläger, jedenfalls derzeit, keinen Ausweisungsgrund nach §§ 53, 54 oder 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes (mehr) erfüllt. Dabei geht es auch insoweit ersichtlich allein um die vorliegenden strafrechtlichen Verurteilungen und die diesen zugrundeliegenden Rechtsverstöße (Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 1 AufenthG und nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Zwar waren diese Ausweisungsgründe ohne Zweifel ursprünglich gegeben. Der Kläger erfüllt sie aber jedenfalls im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. oben) nicht mehr i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F.

a) § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F. wurde seinerseits neu gefasst durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30.06.1993 (BGBl. I, Seite 1062). Mit der Gesetzesänderung sollte der Begriff des unbescholtenen Lebenswandels" durch wesentlich konkretere Kriterien ersetzt werden, nämlich das Vorliegen bestimmter Ausweisungsgründe im Zeitpunkt der Entscheidung über das Einbürgerungsbegehren (BT-Drs.12/4450 Seite 36). Die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG a.F. enthält ebenso wenig wie vergleichbare ausländerrechtliche Vorschriften (vgl. etwa §§ 5 Abs. 1 Nr. 2; 28 Abs. 2 AufenthG) eine zeitlich genau bestimmbare Grenze für die Erfüllung bzw. das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes. Allerdings ergibt sich bereits aus der Verwendung der jeweiligen Präsens-Form, dass es sich jedenfalls um eine aktuelle Betrachtungsweise und nicht um die Berücksichtigung historischer Vorgänge (...erfüllt hat. bzw. ... vorgelegen haben.) handeln muss. Wann ein Ausweisungsgrund nicht mehr aktuell vorliegt und daher nicht mehr herangezogen werden darf, lässt sich nicht allgemein festlegen; hierzu kommt es auf die Art und den Inhalt des jeweiligen Ausweisungsgrundes an (vgl. so bereits Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländerrecht, 1991, Seite 128 - die entsprechenden Regelungen des AuslG 1990 haben ersichtlich Pate gestanden bei der Gesetzesreform am 30.06.1993 ; VG Stuttgart, Urt. v. 08.07.2002 - 7 K 4197/01 -, zit. nach ). Im Unterschied zum Nichtberücksichtigungsermessen nach § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. handelt es sich insoweit nicht um eine - durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit nur eingeschränkt überprüfbare - Ermessensbetätigung der Einbürgerungsbehörde. Die Frage, ob ein Einbürgerungsbewerber einen Ausweisungsgrund i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F. erfüllt, stellt vielmehr die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes dar. Solches unterliegt der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle im Einzelfall.

Nicht überzeugend ist die von der Beklagten im vorliegenden Verfahren vertretene Auffassung, die aus den Jahren 1993 - 1998 herrührenden Ausweisungsgründe (vgl. oben) stünden einer Einbürgerung des Klägers bis zur Tilgung im Bundeszentralregister entgegen (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 21.08.2003 - 13 S 888/03 -, aufgehoben d. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004 - 1 C 23/03 -, jeweils zit. nach ). Die Beklagte stellt damit - obwohl sie durchaus erkannt hat, aus dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG folge kein Verwertungs gebot - ersichtlich auf das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG ab. Nach dieser Bestimmung dürfen die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder wenn sie zu tilgen ist. Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG markiert (auch) für Einbürgerungsverfahren grundsätzlich - von der vorliegend nicht einschlägigen Ausnahme des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG abgesehen - die äußerste zeitliche Grenze einer im Rechtsverkehr möglichen Verwertung. Aus dem Verwertungsverbot lässt sich jedoch nicht - aufgrund eines Umkehrschlusses - auf die rechtlich gebotene Verwertbarkeit der Eintragung vor Ablauf der Tilgungsfrist schließen (VG Stuttgart, Urt. v. 08.07.2002, a.a.O.). Denn es kann nicht übersehen werden, dass die Tilgungsfristen in § 46 Abs. 1 Nr. 1 - 4 BZRG - fünf, zehn, fünfzehn, zwanzig Jahre, gegebenenfalls erhöht um die jeweils ausgesprochene Freiheitsstrafe - äußerst pauschal gehalten sind und mit ihren Fünf-Jahres-Sprüngen auch vergleichsweise wenig Raum bieten für eine Einzelfallbetrachtung. Dies mag für ein Registergesetz i.S. einer Verwaltungspraktikabilität hinnehmbar sein. Um den früher in § 8 Abs. 1 StAG verwendeten Begriff des unbescholtenen Lebenswandels durch wesentlich konkretere Kriterien zu ersetzen (BT-Drs.12/4450 Seite 36), was ausdrücklich Sinn der gesetzgeberischen Reform des Jahres 1993 war, erscheint ein generelles Abstellen auf noch nicht getilgte Eintragungen im Bundeszentralregister zur Beantwortung der Frage, ob ein Einbürgerungsbewerber aktuell einen Ausweisungsgrund erfüllt, daher eher ungeeignet. Insbesondere, wenn ein Einbürgerungsbewerber etwa die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) - c) BZRG nur geringfügig überschreitet, ist es kaum zu rechtfertigen, ihm darob die Möglichkeit einer Einbürgerung statt für zehn Jahre, sogleich für fünfzehn Jahre (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG) zu versagen.

Bei der Frage, wie lange eine Straftat nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a.F. als Ausweisungsgrund einem Einbürgerungsbewerber entgegengehalten werden darf, ist vielmehr der Sinn und Zweck des jeweiligen Ausweisungsgrundes von maßgeblicher Bedeutung. Liegt dem Ausweisungsgrund - wie vorliegend - eine Straftat zugrunde, so ist das der Verurteilung zugrunde liegende Verhalten zu berücksichtigen, die Schwere und Eigenart des Delikts sowie die ausgesprochene Strafhöhe. Liegen die vorwerfbaren Taten mehrere Jahre zurück, so ist von Bedeutung, wie sich der Ausländer in der Folgezeit verhalten hat und auch, welche künftige Rückfallprognose dem Einbürgerungsbewerber noch ausgestellt werden muss.

Danach kann heute nicht mehr davon ausgegangen werden, der Kläger erfülle noch einen Ausweisungsgrund.

Bei den vom Kläger in den Jahren 1993 bis 1998 begangenen Straftaten handelt es sich jeweils um Straßenverkehrsdelikte, nahezu ausschließlich um Fahren ohne Fahrerlaubnis. Eigentums- oder gar Gewaltkriminalität ist dem Kläger nicht vorzuwerfen. Innerhalb der Biografie des Klägers nehmen sich diese Straftaten episodenhaft aus. Seit 1998 ist der Kläger nicht mehr auffällig geworden. Nachdem er zwischenzeitlich im Besitz einer deutschen Fahrerlaubnis ist, kann nahe ausgeschlossen werden, dass sich beim Kläger Vergleichbares wiederholt. Zwar hat der Kläger in dem genannten Zeitraum eine auffällige Renitenz zur Missachtung der Rechtsordnung an den Tag gelegt, in dem er sich zahlreichen jeweils vorangegangenen Urteilen wegen einer Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis jeweils nicht beugte, sondern sein Verhalten zunächst fortsetzte. Allerdings zeigte der Kläger offenkundig dieses Verhalten lediglich auf diesem einen Rechtsgebiet. Eine anderweitige Neigung zur Missachtung der Rechtsordnung ist beim Kläger weder in dem genannten Zeitraum zu Tage getreten, noch hat sich solches in den vergangenen beinahe 10 Jahren anderweitig gezeigt. Nachdem der Kläger zwischenzeitlich mit einer deutschen Staatsangehörigen eine Familie gegründet hat, ist ersichtlich, dass bei ihm eine charakterliche Stabilisierung eingetreten ist. Die vor beinahe 10 Jahren teilweise und kurzzeitig verbüßte Haftstrafe hat offenkundig beim Kläger in seinem Verhalten eine Zäsur bewirkt. Es kann daher - unabhängig von der noch nicht erlangten Tilgungsreife der Straftaten des Klägers im Bundeszentralregister - heute nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Kläger aktuell noch einen Ausweisungsgrund erfüllt.

b) Unabhängig von Vorstehendem liegt beim Kläger die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StAG a. F. aber auch noch aus einem weiteren Grund vor. Der Kläger erfüllt schon deshalb keinen Ausweisungsgrund nach §§ 54 Nr. 1, 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG mehr, da diese ursprünglich gegebenen Ausweisungsgründe zwischenzeitlich staatsangehörigkeitsrechtlich verbraucht sind.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Ausweisungsgrund in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes einem Ausländer nur dann und solange entgegengehalten werden darf, als er noch "aktuell" und nicht verbraucht ist bzw. die zuständige Behörde auf seine Geltendmachung nicht ausdrücklich oder konkludent "verzichtet" hat (BVerwG, st. Rspr. zuletzt Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - m. zahlr. w. Nachw.; VGH Mannheim, Beschluss vom 25. Februar 2002 - 11 S 160/01 - InfAuslR 2002, 233 ).

Dabei geht es vorliegend nicht darum, ob durch zwischenzeitliche Entscheidungen der Ausländerbehörde, durch die diese zu erkennen gegeben hat, von einem grundsätzlich vorliegenden Ausweisungsgrund keinen Gebrauch machen zu wollen, auch die Staatsangehörigkeitsbehörden gebunden werden (verneinend VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.09.2002 - 13 S 880/00 -, EZAR 271 Nr. 37; bejahend mit guten Gründen Marx in GK-StAR § 8 StAGRz 67 f.). Vielmehr ist vorliegend ein solcher Verbrauch der beim Kläger ursprünglich vorliegenden Ausweisungsgründe i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) hier gerade durch eine Entscheidung der Staatsangehörigkeitsbehörde der Beklagten eingetreten. Dem Kläger wurde nämlich am 19.09.2003 eine Einbürgerungszusicherung erteilt, ohne dass auf das Vorliegen von Ausweisungsgründen - die seinerzeit allesamt bekannt waren - abgestellt wurde. Damit ist hier nun ein solcher Verbrauch gerade staatsangehörigkeitsrechtlich eingetreten, da dem Kläger nun in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht mehr entgegen gehalten werden darf, seiner Einbürgerung stünde nun doch entgegen, dass er vor diesem Zeitpunkt der Erteilung der Einbürgerungszusicherung einen Ausweisungsgrund erfüllt habe.

Nachdem die Beklagte, nach Erkennen ihres Fehlers insoweit, die vorangegangene Einbürgerungszusicherung auch nicht etwa zurückgenommen hat - wobei dahinstehen kann, ob solches in der gegebenen Konstellation möglich gewesen wäre - liegt zum jetzigen Zeitpunkt ein Ausweisungsgrund, der dem Kläger gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG a. F. entgegengehalten werden könnte, nicht mehr vor.

3. Der Kläger hat somit Anspruch darauf, dass die Beklagte sein Einbürgerungsbegehren nach §§ 8, 9 StAG a. F. neu bescheidet. Dabei hat sie zu berücksichtigen, dass § 9 StAG a. F. als Sollvorschrift ausgestaltet ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung, der nur in atypischen Fällen ausnahmsweise ausgeschlossen ist, wofür vorliegend keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind (BVerwG, Urt. v. 18.08.1981 - 1 C 185/79 -, BVerwGE 64, 7). Die Beklagte wird im Rahmen ihrer notwendigen Neubescheidungen des Klägers daher zunächst nur die Voraussetzung des gesicherten Lebensunterhaltes nach § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StAG a. F. im aktuellen Zeitpunkt noch zu überprüfen haben.

Schließlich wird sie die Voraussetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StAG a.F. - die Vermeidung von Mehrstaatigkeit - vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung zu prüfen haben. Nachdem nachgewiesen ist, dass der Kläger am 10.10.2003 einen Antrag auf Beschaffung der für die Stellung eines Entlassungsantrages erforderlichen Dokumente beim jugoslawischen Generalkonsulat gestellt hat und auch am 22.10.2004 dort die Ausstellung eines Reisepasses beantragt hat, dürfte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 03.05.2007 - 5 C 3/06 -, BVerwGE 129, 20 = InfAuslR 2007, 389 = NVwZ 2007, 1328) eine Einbürgerung des Klägers unter Verzicht auf weitere Entlassungsbemühungen aus seiner ursprünglich bestehenden serbischen Staatsangehörigkeit äußerst naheliegen. Mit Blick auf die im Entstehen begriffene eigene Staatsangehörigkeit einer künftigen unabhängigen Republik Kosova weist der Berichterstatter darauf hin, dass nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, der Kläger werde nach deren Unabhängigkeitserklärung automatisch die Staatsangehörigkeit dieses neuen Staates erlangen. Zwar kann, sofern zwischen dem Gebietsvorgänger (hier: Serbien) und dem Gebietsnachfolger (hier: Republik Kosova) im Falle einer Staatensukzession keine Vereinbarung vorliegt, wie dies mangels Zustimmung der serbischen Seite zur angekündigten Unabhängigkeit ersichtlich der Fall ist, jeder Nachfolgestaat selbst bestimmen, welche ehemaligen Angehörigen des Vorgängerstaates seine Staatsangehörigkeit ex lege erlangen sollen (Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., § 1015, § 1192 ff.). Dieses Ermessen endet aber an den allgemeinen Regeln des Völkerrechts. Zu diesen Regeln zählt, dass staatsangehörigkeitsrechtliche Wirkungen im Falle einer Staatensukzession ohne eine Zustimmung der Betroffenen nur dann von der Völkergemeinschaft anerkannt sind, wenn diese Personen in dem betreffenden Gebiet ihren ordentlichen Wohnsitz haben (Kammergericht Berlin, Urt. v. 21.12.1965, Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1966, 167 m. w. N.; Verdross/Simma, a.a.O.; wohl auch Seidel-Hohenveldern, Völkerrecht, 9. Aufl., Rz. 1326). Nachdem der Kläger ohne Zweifel seit langem seinen Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland hat, kann im Rahmen der Neubescheidung seines Einbürgerungsbegehrens nicht davon ausgegangen werden, er werde nach der Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosova ohne weiteres deren Staatsangehörigkeit erlangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.