OLG Köln, Urteil vom 27.01.2010 - 2 U 77/09
Fundstelle
openJur 2012, 87845
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 19. Mai 2009 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 3 O 413/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.082,37 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu

17 %, die Beklagte zu 83 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen sie durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners N. M., der ein Sicherheitsunternehmen betrieb. Seine Einkünfte erzielte er mit Bewachungsaufträgen der H. und des X.. Der Dienstleistung für den X. lagen Rahmenverträge zwischen dem Schuldner und der X. Gebäudemanagement GmbH vom 10.2.2006 bzw. 7.12.2006 zugrunde. Im Vertrag vom 10.2.2006 heißt es auszugsweise: „Für die gem. vorliegendem Leistungsverzeichnis vereinbarten Bewachungszeiten als auch eventuell anfallende Zusatzbestellungen gelten nachfolgende Einzelpreise …. Hieraus ergibt sich die monatliche Pauschale. … Für die vereinbarten regelmäßigen Bewachungszeiten ist monatlich eine Einzelrechnung in Höhe der festgelegten Monatspauschale … zu erstellen.“ Im Vertrag vom 7.12.2006 heißt es auszugsweise: „Für die vereinbarten regelmäßigen Bewachungszeiten ist monatlich eine Einzelrechnung in Höhe der festgelegten Monatspauschale … zu erstellen …“. Wegen der weiteren Einzelheiten der Rahmenverträge wird auf Bl. 67 ff., 72 ff. d.A. Bezug genommen.

Der Schuldner unterhielt bei der Beklagten sein (einziges) Geschäftskonto. Die Beklagte hatte ihm unter dem 30. März 2004 einen Kontokorrentkredit von bis zu 100.000,00 € eingeräumt, als Sicherheit diente eine Globalzession.

Im Zeitraum vom 14. November 2006 bis 1. Februar 2007 wurden zahlreiche Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse betreffend das Geschäftskonto der Beklagten als Drittschuldnerin zugestellt. Es handelte sich durchgehend um Pfändungen, die von Sozialversicherungsträgern oder Finanzämtern als Gläubiger ausgebracht wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung in der Klageschrift, Bl. 7 d.A. und im Schriftsatz der Beklagten vom 28. September 2009, Bl. 186 d.A., Bezug genommen.

Der Kläger ficht die Verrechnung des Kreditsolls mit eingegangenen Gutschriften und die hierdurch bewirkte Rückführung des Kontokorrentkredits im Zeitraum von 1 Monat vor Insolvenzantragstellung bis zur Kündigung der Geschäftsverbindung durch die Beklagte am 2. März 2007 an. Erstinstanzlich hat der Kläger - unbestritten - vorgetragen, dass Insolvenzantrag am 30. Januar 2007 durch den Schuldner selbst gestellt worden sei. Auf Hinweis und Nachfrage des Senats hat der Kläger im Berufungsverfahren mitgeteilt, dass bereits am 22. Januar 2007 ein Insolvenzantrag der L. C. T. bei dem Insolvenzgericht eingegangen sei; auch dies ist unstreitig geblieben. Das Insolvenzverfahren ist am 1. April 2007 eröffnet worden, wobei die beiden Insolvenzantragsverfahren zu einem einheitlichen Verfahren verbunden worden waren.

Der Kontostand des Geschäftskontos stellte sich zu den im Rechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkten wie folgt dar:

31.10.2006

Kreditsoll:

- 91.075,15 €

22.12.2006

Kreditsoll:

- 98.472,82 €

30.12.2006

Kreditsoll:

- 103.529,09 €

1.3.2007

Kreditsoll:

- 77.390,45 €

2.3.2007:

Kündigung der Geschäftsverbindung

Wegen der Einzelheiten der Kontenentwicklung wird auf die Kontoauszüge für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 1. März 2007, Bl 56 ff. d.A. sowie die Anlage K8 zur Klageschrift Bezug genommen.

Die Beklagte beruft sich zur Begründung der Zulässigkeit der Verrechnung darauf, an den eingegangenen Forderungen, namentlich den Zahlungen der X. Gebäudemanagement GmbH am 9.1.2007 über 41.933,89 Euro und 9.2.2007 über 40.684,16 Euro, ein anfechtungsfestes Sicherungsrecht erlangt zu haben.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, der Schuldner sei in der zweiten Jahreshälfte 2006 nicht mehr in der Lage gewesen, laufende Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt, den Sozialversicherungsträgern und seinen Arbeitnehmern zu bezahlen. Am 9.11.2006 hätten fällige Forderungen in Gesamthöhe von 82.416,24 Euro nach Maßgabe der in der Klageschrift auf Blatt 4 d.A. enthaltenen Einzelaufstellung bestanden, die später auch im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldet worden seien. Nach Ansicht des Klägers sei daher die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung mit den auf dem Konto eingegangenen Gutschriften anfechtbar. Dies gelte auch für die Gutschriften aufgrund von Forderungen des Schuldners, an welchen der Beklagten ein Sicherungsrecht in Form der Globalzession zugestanden habe. Denn die Werthaltigmachung der Globalzession sei ebenfalls anfechtbar. Die Zahlungseingänge der X. Gebäudemanagement GmbH seien auf Dienstleistungen des Schuldners jeweils im vergangenen Monat, hier also im Dezember 2006 bzw. Januar 2007 zurückzuführen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners aufgrund der Vielzahl der ihr als Drittschuldnerin zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bereits Kenntnis gehabt.

Der Kläger hat die Forderung erstinstanzlich auf 26.138,64 Euro beziffert, ausgehend von der Rückführung des Kontosolls im Zeitraum von einem Monat vor dem am 30. Januar 2007 bei dem Insolvenzgericht eingegangenen Insolvenzantrag bis zur Kündigung der Geschäftsverbindung. Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.138,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.4.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Vortrag des Klägers zur Zahlungsunfähigkeit bestritten. Insbesondere hat sie Bestand, Fälligkeit der vom Kläger aufgeführten Forderungen bestritten sowie dass diese von dem jeweiligen Gläubiger ernsthaft eingefordert worden seien. Jedenfalls für zwei dieser Forderungen, nämlich die der E. Bank und die der Auto N. Haus GmbH, sei mit dem Schuldner eine Ratenzahlung vereinbart gewesen; dies führe zu einer Stundung des noch offenen Forderungsbetrages.

Hilfsweise hat sich die Beklagte den Vortrag zum Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit bereits am 9. November 2006 zu eigen gemacht, hierzu behauptet, dann müsse Zahlungsunfähigkeit auch bereits am 31. Oktober 2006 bestanden haben und sodann die Ansicht vertreten, dass in diesem Fall der für die anfechtbare Kontorückführung  maßgebliche Zeitraum vom 31.Oktober 2006 (d.h. drei Monate vor Antragstellung) an zu bemessen sei.

Das Werthaltigmachen der Forderungen, welche den Zahlungseingängen der X. Gebäudemanagement GmbH zugrunde gelegen habe, sei gleichfalls nicht anfechtbar; die Beklagte habe an den Forderungen ein anfechtungsfestes Sicherungsrecht erlangt. Denn die Forderung habe nicht auf den Dienstleistungen des Schuldners in dem jeweiligen Vormonat beruht. Im Rahmenvertrag zwischen dem Schuldner und der X. Gebäudemanagement GmbH vom 10.2.2006 sei vielmehr eine monatliche Pauschalzahlung ohne konkrete Gegenleistung vereinbart; die Forderung sei daher bereits im Februar 2006 werthaltig gewesen.

Jedenfalls habe die Beklagte von einer Zahlungsunfähigkeit im Dezember 2006 und Januar 2007 noch keine Kenntnis besessen. Dies zeige sich bereits daran, dass sie dem Schuldner noch im Oktober 2006 den auslaufenden Kontokorrentkredit verlängert und den dafür geschuldeten Zinssatz um einen halben Prozentpunkt gesenkt habe. Die den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zugrunde liegenden Forderungen seien vom Schuldner jeweils wenige Tage nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses beglichen worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da jedenfalls keine Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ersichtlich sei. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe und des erstinstanzlichen Vortrags wird auf das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 19. Mai 2009 verwiesen.

Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25. Mai 2009 zu gestellt worden. Mit der am 4. Juni 2009 eingelegten und - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - am 27. August 2009 fristgerecht begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter. 

In der Berufung wiederholen und vertiefen beide Parteien im Wesentlichen den bisherigen Vortrag. Zur Zahlungsunfähigkeit hat der Kläger ergänzend vorgetragen, die Forderung der E. Bank sei nicht etwa von dieser gestundet worden; vielmehr sei bei fortbestehender Fälligkeit der titulierten Forderung nur für den Fall und die Dauer der regelmäßigen Ratenzahlung von einer Vollstreckung aus dem Titel abgesehen worden.

Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.138,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.4.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie legt ergänzend dar, wann die den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zugrunde liegenden Forderungen jeweils vom Schuldner gezahlt worden sind und leitet hieraus eine fehlende Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung im Schriftsatz vom 28. September 2009, Bl. 186 d.A. verwiesen, deren Angaben in tatsächlicher Hinsicht unstreitig sind.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze einschließlich der mit diesen Schriftsätzen als Anlagen (in Kopie) vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch in der zuerkannten Höhe aus § 667 BGB in Verbindung mit §§ 96 Abs. 1 Nr. 3, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu; ein darüber hinaus gehender Anspruch besteht nicht.

1.

Unstreitig zwischen den Parteien ist der rechtliche Ausgangspunkt, dass die Verrechnung des Kontokorrentsolls mit eingehenden Gutschriften insoweit als inkongruente Deckung anfechtbar war, als hierdurch der Saldo im Anfechtungszeitraum zurückgeführt worden ist. Streitig ist dagegen, wie sich dieser Anfechtungszeitraum bestimmt.

a) Nach Auffassung des Senats ist hier entsprechend dem Begehren des Klägers ein Zeitraum zugrunde zu legen, der gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO einen Monat vor Stellung des (ersten maßgeblichen) Insolvenzantrages beginnt und bis zur Kündigung des Kreditvertrages durch die Beklagte reicht. Denn dies ist der Zeitraum, innerhalb dessen die Rückführung des Kredits inkongruent und damit ohne weiteres anfechtbar nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO war. Entgegen  der Ansicht der Beklagten kommt es nicht auf den Zeitraum der Zahlungsunfähigkeit oder die 3-Monats-Frist nach anderen, hier vom Kläger nicht herangezogenen Anfechtungsvorschriften an (vgl. auch BGH NZI 2008, 184, 185 Ziff. 17). Die Anfechtungstatbestände der §§ 130 ff. InsO verbinden unterschiedliche Anfechtungsfristen mit unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen, wobei tendenziell die Tatbestandsanforderungen in objektiver und subjektiver Hinsicht mit der Länge der Anfechtungsfrist steigen. Es muss allein dem Insolvenzverwalter vorbehalten bleiben zu entscheiden, welche tatbestandlichen Anforderungen er im konkreten Einzelfall als gegeben und/oder beweisbar ansieht, und auf welchen Tatbestand er daher seinen Anspruch aus § 143 InsO bzw. die Einwendung aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO stützen möchte. Dies war vorliegend der Tatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO und eben nicht der Tatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Dass der Kläger im vorliegenden Einzelfall aus anderen Gründen, nämlich wegen der weiter unten noch zu behandelnden Anfechtung eines Sicherungsrechts, auch die Voraussetzungen anderer Anfechtungsvorschriften, so auch des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorgetragen hat, kann nicht dazu führen, dass ihm hierdurch verwehrt wird, die Unzulässigkeit der Verrechnung zunächst auf den von ihm ausgewählten Tatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu stützen. Auch hält der Senat es für unzulässig, wie hier die Beklagte zunächst durch hilfsweises Zugestehen der Zahlungsunfähigkeit auf einen bestimmten Zeitpunkt dem Kläger einen von ihm nicht geltend gemachten Anfechtungstatbestand aufdrängen zu wollen, um dann im Hauptvortrag eben diese Zahlungsunfähigkeit zu bestreiten und den Kläger hierdurch zum Beweis von Tatsachen zu nötigen, die nach dem vom Kläger gewählten Anfechtungstatbestand völlig unerheblich sind. 

b) Nachdem nunmehr unstreitig ist, dass der erste Insolvenzantrag, welcher der Eröffnungsentscheidung zugrunde lag, bereits am 22.01.2007 bei dem Insolvenzgericht eingegangen war, ist der Anfechtungszeitraum neu zu bestimmen. Wie mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2009 erörtert worden ist, beginnt er gemäß § 139 Abs. 2 InsO nicht am 30.12.2006, sondern bereits am 22.12.2006. Er endet - wie schon nach der bisherigen Berechnung des Klägers - mit der Kündigung des Kontokorrentverhältnisses durch die Beklagte. Es handelt sich bei den Zeiten vor und nach Antragstellung um einen einheitlichen Zeitraum, da nach der hier herangezogenen Anfechtungsnorm des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO dieser Zeitraum einheitlich behandelt wird (vgl. auch die Entscheidung BGH NZI 2008, 184: dort bestand 1 Monat vor dem maßgeblichen Insolvenzantrag ein Guthaben, bei Antragstellung ein Soll, das sodann - mit Schwankungen -  bis zur Beendigung des Kontokorrentvertrages vollständig zurückgeführt war. Der BGH hat hier eine Anfechtungsforderung verneint mit der Begründung, im Anfechtungszeitraum sei insgesamt betrachtet keine Rückführung des Kredits erfolgt).

c) Aus den Kontoauszügen der Anlage K8 ergibt sich zum 21.12. = 22.12.2006 ein Soll von 98.472,82 Euro. Zum Zeitpunkt der Kündigung des Kontokorrentvertrages  betrug der Saldo 77.390,45 Euro. Die Rückführung beläuft sich somit auf 21.082,37 Euro. Nur in dieser Höhe ist die Klage daher begründet; darüber hinaus besteht kein Anspruch des Klägers.

2.

Durch die Rückführung des Kontokorrentkredits im vorgenannten Umfang ist eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, ihr habe an den eingegangenen Forderungen, mit denen der Kredit zurückgeführt wurde, ein anfechtungsfestes Sicherungsrecht zugestanden, so dass insoweit nur ein unmittelbarer Sicherheitentausch vorgelegen habe (vgl. zur fehlenden Gläubigerbenachteiligung in diesen Fällen BGH NZI 2008, 551, 553; Kreft-Kayser, InsO, 5. Aufl. 2008, § 96 Rn. 47).

Ein solches Sicherungsrecht hat die Beklagte hier geltend gemacht hinsichtlich der Zahlungen der X. Gebäudemanagement GmbH vom 9. Januar 2007 über 41.933,89 Euro und vom 9. Februar 2007 in Höhe von 40.684,16 Euro. Die zugrunde liegenden Forderungen des Schuldners waren an die Beklagte aufgrund der am 9./12. Mai 2000 vereinbarten Globalzession zur Sicherheit abgetreten. Diese getroffene Vereinbarung selbst ist unstreitig nicht anfechtbar und wird vom Kläger auch nicht angefochten. Jedoch ist das Werthaltigmachen der beiden im Rahmen der Globalzession abgetretenen Forderungen anfechtbar nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

a) Allgemein sind Rechtshandlungen, die zur Werthaltigkeit einer abgetretenen Forderung führen, als selbstständig anfechtbar anzusehen. Anfechtbar sind danach auch Erfüllungshandlungen wie hier die Erbringung von Dienstleistungen (vgl. BGH NZI 2008, 551, 553 mit weiteren Nachweisen aus der früheren Rechtsprechung). Dies wird von der Beklagten auch nicht grundsätzlich in Frage gestellt; vielmehr macht sie geltend, dass die Forderung hier aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen bereits vor Erbringung der konkreten Dienstleistung werthaltig gewesen sei. Diesem Verständnis der Rahmenverträge vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Aus den im Tatbestand wiedergegebenen Vertragsklauseln ergibt sich gerade nicht, dass der Auftraggeber zur Leistung einer monatlichen Zahlung unabhängig davon verpflichtet sein sollte,  ob der Schuldner seinerseits die Bewachungsleistung erbringt. Vielmehr war anhand einer Einzelpreisliste und einer vereinbarten Standardbewachungsleistung eine monatliche Standardzahlung vereinbart worden. Hierdurch änderte sich jedoch nichts an der Vorleistungspflicht des Schuldners und an der Fälligkeit der sog. Monatspauschale erst nach ordnungsgemäßer Leistungserbringung und Rechnungserstellung seitens des Schuldners. Selbst wenn, wie die Beklagte behauptet, aus dem Rahmenvertrag folgte, dass die monatliche Pauschale auch dann zu zahlen gewesen sei, wenn der Auftraggeber die Bewachung nicht oder in geringerem Umfang abrief, führte dies nicht zu einem abweichenden Ergebnis. In diesem Fall nämlich hätte die (vorleistungspflichtige) Gegenleistung des Schuldners darin bestanden, die Arbeitskräfte für den Fall des Abrufs vorzuhalten und sie nicht anderweitig einzusetzen. In jedem Fall wurde somit die monatliche Forderung auf Zahlung der vereinbarten Pauschale erst durch die tatsächlich erbrachte Bewachungsleistung oder zumindest das Vorhalten der Arbeitskräfte für Zwecke des Auftraggebers werthaltig gemacht.

b) Der Schuldner war bereits im Monat Dezember 2006, als die am 9. Januar 2007 angewiesene Forderung in diesem Sinne werthaltig gemacht wurde, zahlungsunfähig. Eine Zahlungsunfähigkeit spätestens zum 30.11.2006 ist aufgrund des Vortrags des Klägers in Zusammenhang mit den von ihm vorgelegten Anlagen anzunehmen.

aa) Aus dem Kontoauszug (Anlage K8) geht hervor, dass der Schuldner jeweils zum Monatsende hin, bis zum Eingang der Zahlung der X. Gebäudemanagement GmbH, das von der Beklagten eingeräumte Kreditlimit weitestgehend ausschöpfte, zum Teil sogar überschritt.

bb) Zudem hat der Kläger dargelegt, dass mindestens seit dem 30.11.2006 weitere Verbindlichkeiten in Höhe von 24.876,36 Euro bestanden, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden sind, und für deren Begleichung  dem Schuldner infolge der ohnehin schon vorliegenden Kreditausschöpfung auch jegliche Mittel gefehlt hätten. Ausgangspunkt dieser Feststellung sind die auf Bl. 4 aufgeführten Forderungen. Dabei können die Forderungen mit den lfd. Nrn. 6 und 20 (Auto N. Haus GmbH und E. Bank), für welche eine Ratenzahlung vereinbart war, außer Betracht gelassen werden. Insbesondere bedarf es nicht der Entscheidung, ob diese Forderungen fällig oder gestundet waren und ob der hierzu neue Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren noch zu berücksichtigen ist.

cc) Die Fälligkeitszeitpunkte der übrigen in der Aufstellung Bl. 4 angegebenen Beträge lassen sich belegen aus den (passend zur Aufstellung Bl. 4 geordneten) Unterlagen, welche der Kläger als Anlagenheft zu seinem Schriftsatz vom 12. Februar 2009 eingereicht hat (blauer Ordner). Dieser enthält neben dem jeweiligen Tabellenauszug die Forderungsanmeldung und die dazu weiter von dem jeweiligen Gläubiger eingereichten Unterlagen, wie Forderungsberechnungen, Rechnungen etc. Hieraus lässt sich ohne weiteres nachvollziehen, dass zum 30.11.2006 folgende Forderungen fällig waren:

C.

Bl. 12, 14 des Anlagenheftes

16.224,92 Euro

F.

Bl. 26, 28 AH

4.078,63 Euro

J.

Bl. 51, 53 AH

3.479,10 Euro

I. GmbH

Bl. 77, 83 ff. AH

969,64 Euro

O. GmbH

Bl. 94, 97 AH

124,07 Euro

Gesamt

24.876,36 Euro

Soweit die Beklagte auch nach Vorlage dieser Unterlagen den Bestand und die Fälligkeit dieser Forderungen bestritten hat, ist dies unbeachtlich. Die Forderungen sind in entsprechender Höhe zur Tabelle festgestellt; dies hat nach § 178 Abs. 3 InsO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils auch im Verhältnis zur Beklagten als einer der Insolvenzgläubiger. Wie in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2009 erörtert worden ist, wäre es daher an der Beklagten gewesen, die Forderungen im Prüfungstermin zu bestreiten bzw. zumindest jetzt im Rechtsstreit substantiiert darzulegen, warum die Forderungen trotz bzw. entgegen der Feststellung zur Tabelle nicht bestehen sollten.

dd) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen auch mit hinreichender Deutlichkeit, dass die vorgenannten Forderungen vom jeweiligen Gläubiger ernsthaft eingefordert wurden. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Ausführungen der Beklagten hierzu erst im Schriftsatz vom 7. Januar 2010 nicht mehr zu berücksichtigen sind, weil Schriftsatznachlass der Beklagte nur zur Erwiderung auf den Vortrag im Schriftsatz des Klägers vom 7. Dezember 2009 gewährt war, nicht aber für neuen Vortrag zu den bereits erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen. 

Zu den Forderungen der HFG GmbH sowie der Kopier-Welt GmbH befinden sich in dem Anlagenordner beigeheftet die über die Forderung ausgestellten Rechnungen (Bl. 83 ff., 97 AH). Die Übersendung einer Rechnung genügt regelmäßig, um den Willen des Gläubigers, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, zu belegen (vgl. BGH NZG 2009, 832 Rz. 22; BGH NZI 2007, 579 Rz. 18).

Zu den Forderungen der C., der J. direkt und der F. liegen zwar keine Rechnung oder Beitragsbescheide vor, sondern lediglich Forderungsaufstellungen. Dennoch kann der Wille dieser Gläubiger, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, nicht in Zweifel gezogen werden. Die Leistungsverpflichtung des Schuldners gegenüber dem Trägern der gesetzlichen Sozialversicherungen wegen laufender Beiträge ergibt sich ebenso wie der jeweilige Fälligkeitszeitpunkt aus dem Gesetz; eines vorherigen, monatlich zu versendenden Leistungsbescheides bedarf es nicht (vgl. §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 23 SGB IV). Dabei ist die Fälligkeit nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV kalendermäßig bestimmbar, nach § 24 SGB IV fallen Säumniszuschläge bereits bei Nichtzahlung zum Fälligkeitszeitpunkt an. Daher können die Gläubiger der Sozialversicherungsbeiträge regelmäßig von einer pünktlichen Erfüllung ihrer Forderungen ausgehen; dies macht ein weiteres ausdrückliches Zahlungsverlangen entbehrlich (vgl. BGH NZG 2009, 832 Rz. 25f. für die kalendermäßig bestimmte Forderung eines Ausgleichsfonds).

ee) Somit ist davon auszugehen, dass der Schuldner von November 2006 an bis zur Insolvenzantragstellung weitere Verbindlichkeiten in Höhe von gut 25.000,00 Euro hatte, die er aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht tilgen konnte, weil sein Kreditlimit jeweils zum Monatsende schon anderweitig erschöpft war. Diese 25.000,00 Euro stellen auch mehr als 10% seiner Gesamtverbindlichkeiten dar, die sich entsprechend dem in Anspruch genommenen Kredit auf dem einzigen Geschäftskonto am Monatsende auf jeweils ca. 100.000,00 Euro beliefen.

c) Die Beklagte hatte zum gleichen Zeitpunkt, d.h. Ende November 2006, Kenntnis von Umständen, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen ließen. Nach der von der Beklagten selbst gefertigten Aufstellung im Schriftsatz vom 28. September 2009 (Bl. 186 d.A.) ist von einer derartigen Kenntnis auszugehen. Die Beklagte kannte die dort genannten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, da sie ihr als Drittschuldnerin zugestellt wurden. Zugleich kannte sie aufgrund des bei ihr geführten Kontos den Zeitpunkt, in welchem der Schuldner die der Zwangsvollstreckungsmaßnahme zugrunde liegende Forderung jeweils ausglich. Hieraus ergab sich eindeutig, dass der Schuldner im Oktober/ November 2006 nicht in der Lage war, den wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen zu erfüllen. Die Überschreitung der Drei-Wochen-Frist ergibt sich zum Teil bereits aus dem Zeitraum, welcher zwischen der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und der Zahlung lag. Aber auch wenn dieser Zeitraum kürzer war, musste die Beklagte wissen, dass Fälligkeit der Forderung jedenfalls einige Zeit vor der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eingetreten sein musste. Zieht man zugunsten der Beklagten nur diejenigen Forderungen heran, bei welchen zwischen Zustellung des Beschlusses und Begleichung der Forderung mindestens zwei Wochen vergangen waren, ergibt sich für Oktober bis Mitte November 2006 folgendes Bild:

Gläubiger

Forderungshöhe

Zeitraum (in Tagen) zwischen Zustellung und Zahlung

Finanzamt P. Mitte

2.334,83 Euro

16

G. Q.

498,01 Euro

18

G. R.

3.281,79 Euro

23

Finanzamt P.-Mitte

7.192,36 Euro

23

S. + G.

2.053,83 Euro

14

J. direkt

3.634,79 Euro

15

G. S.

3.284,88 Euro

25

Gesamt:

22.280,49 Euro

Dass ein Zahlungsrückstand in dieser Größenordnung bei den wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners, der nur über 2 Auftraggeber, die X. Gebäudemanagement GmbH und die H. und damit über keine weiteren Einnahmen verfügte, ein erheblicher war und die Zahlungsunfähigkeit indizierte, wurde weiter oben bereits dargelegt.

Dabei ist erschwerend in Rechnung zu stellen, dass allen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Forderungen von Sozialversicherungsträgern oder Steuerforderungen zugrunde lagen. Gerade Sozialversicherungsbeiträge werden typischerweise nur dann bei Fälligkeit nicht bezahlt, wenn die erforderlichen Geldmittel hierfür nicht vorhanden sind (vgl. BGH NZI 2007, 36, Rz. 24). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, die der Senat teilt, stellt die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen ein starkes Indiz dar, welches für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit spricht, weil diese Forderungen in der Regel wegen der drohenden Strafbarkeit gemäß § 266a StGB bis zuletzt bedient werden (BGH ZIP 2006, 1457 Rz. 6).

Es spricht auch nicht entscheidend gegen eine Kenntnis der Beklagten, dass sie noch im Oktober 2006 mit dem Schuldner eine Verlängerung des Kontokorrentkredits vereinbart hat. Selbst wenn die Beklagte im Oktober 2006 noch von der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ausgegangen sein sollte, schließt dies eine Kenntnis von der zwischenzeitlich eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ab Mitte November 2006 nicht aus.

d) Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend hinsichtlich der Gutschrift seitens der X. Gebäudemanagement GmbH vom 9. Februar 2007. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte von einer zwischenzeitlich wiederhergestellten Zahlungsfähigkeit des Schuldners hätte ausgehen können. Wie sich aus der Aufstellung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse auf Bl. 186 ergibt, erfolgten durchgehend bis zum 9. Februar 2007 weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, deren Gläubiger gleichfalls ausnahmslos Sozialversicherungsträger und Finanzämter waren.

Ein Zinsanspruch besteht ab dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens  (vgl. Kreft/Kayser, InsO, 5. Aufl. 2008, § 96 Rn. 41 m.w.N.).

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision sind nicht gegeben. Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Die Beurteilung des Streitfalls beruht im Übrigen auf einer Würdigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls.

5.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 26.138,64 Euro