VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.11.2002 - 13 S 2039/01
Fundstelle
openJur 2013, 12489
  • Rkr:

1. Eine Einbürgerung, die im Sinne von § 48 Abs 2 Satz 3 Nrn 1 und 2 LVwVfG (VwVfG BW) vorwerfbar erlangt worden ist, kann nach § 48 LVwVfG (VwVfG BW) zurückgenommen werden (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 9.5.1990 - 13 S 2666/89 - und an das Senatsurteil vom 23.9.2002 - 13 S 1984/01 -).

2. Das Vorliegen einer Scheinehe oder die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft lässt zwar nicht bereits den Tatbestand des § 9 StAG (RuStAG) entfallen, rechtfertigt aber die Annahme eines atypischen Falles, der der Staatsangehörigkeitsbehörde die Möglichkeit eröffnet, die Einbürgerung ausnahmsweise nach Ermessen zu verweigern.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. August 2000 - 7 K 2559/00 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit sie sich gegen die in Ziffer 1 des Bescheids des Landratsamts Ostalbkreis vom 11. Juni 1999 verfügte Rücknahme der Einbürgerung der Kläger richtet.

Im übrigen wird die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. August 2000 - 7 K 2559/00 - zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage abgewiesen wird.

Tatbestand

Der am 16.10.1960 geborene Kläger zu 1. (im folgenden Kläger) und seine am 5.1.1986 geborene Tochter, die Klägerin zu 2. (im folgenden Klägerin) sind von Geburt türkische Staatsangehörige. Die Klägerin entstammt der Ehe des Klägers mit der türkischen Staatsangehörigen F. Ö., die am 9.1.1991 in der Türkei geschieden wurde.

Am 8.12.1991 reiste der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte Asylantrag, der erfolglos blieb. Am 26.8.1992 heiratete er die am 12.4.1964 geborene deutsche Staatsangehörige A. H. - nach  Eheschließung A. Ö., nach erneuter Eheschließung A. T. -, worauf ihm die Stadt Aalen am 11.9.1992 eine bis 10.9.1995 befristete und am 2.8.1995 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilte.

Nach Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Kläger durch Beschluss des Landgerichts Sisli/Türkei vom 17.11.1992 reiste auch die Klägerin - spätestens im September 1993 - in die Bundesrepublik Deutschland ein und hielt sich seitdem bei den Eltern ihrer Mutter in Bamberg auf. Dort besucht sie seit September 1993 die Schule.

Am 25.10.1995 beantragten die Kläger beim Landratsamt Ostalbkreis ihre Einbürgerung. Als Familienstand gab der Kläger in dem Antragsformular, das auch die Antwort "getrennt lebend seit" zulässt, "verheiratet" an. Ferner verpflichtete sich der Kläger, Änderungen seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich mitzuteilen. Durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde des Landratsamts Ostalbkreis vom 25.3.1997 am 15.4.1997 wurden die Kläger eingebürgert.

Am 15.5.1997 stellte der Kläger beim Amtsgericht Aalen Ehescheidungsantrag und gab an, seine Ehefrau sei im Frühjahr 1996 aus der ehelichen Wohnung in Aalen, Stadelgasse 12, ausgezogen und lebe seither in Stuttgart. Durch seit dem 6.8.1997 rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Aalen vom 1.7.1997 wurde die Ehe des Klägers und seiner deutschen Ehefrau geschieden. In den Entscheidungsgründen ging das Amtsgericht aufgrund der für glaubhaft erachteten Bekundungen beider Parteien davon aus, dass zwischen ihnen eine Lebensgemeinschaft seit mehr als einem Jahr nicht mehr bestehe. In der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts am 1.7.1997 hatten der Kläger und seine Ehefrau übereinstimmend erklärt, dass sie seit Frühjahr 1996 getrennt lebten.

Nachdem bekannt geworden war, dass der Kläger am 26.12.1997 seine frühere türkische Ehefrau in der Türkei erneut geheiratet hatte und diese die Familienzusammenführung in der Bundesrepublik Deutschland betrieb, leitete das Landratsamt Ostalbkreis ein auf Rücknahme der Einbürgerung der Kläger gerichtetes Verwaltungsverfahren ein. Nach vorheriger Anhörung der Kläger nahm das Landratsamt Ostalbkreis mit Verfügung vom 11.6.1999 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Einbürgerung der Kläger zurück (Ziff. 1 und 3) und forderte den Kläger auf, die ihm für sich und die Klägerin ausgehändigten Einbürgerungsurkunden bis spätestens einen Monat nach Bekanntgabe dieser Verfügung zurückzugeben (Ziff. 2). Zur Begründung wurde ausgeführt: § 9 RuStAG, auf dessen Grundlage die Kläger eingebürgert worden seien, setze grundsätzlich eine fortbestehende Ehe in Form einer Schutz- und Beistandsgemeinschaft voraus. Eine solche, unter den Schutz des Art. 6 GG fallende Ehe habe jedoch ganz offensichtlich zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Für eine "Scheinehe" lägen erdrückende Indizien vor. Zwar könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Eheleute zumindest in der Johann-Gottfried-Pahl-Straße oder der Stadelgasse in Aalen tatsächlich zusammengelebt hätten und die Ehefrau in Stuttgart Sozialhilfeleistungen erschlichen habe. Fraglich sei dann allerdings, wann das genau gewesen sein solle - schließlich hätten die Eheleute nach Angaben der Ehefrau nur ca. ein Jahr zusammengelebt, wobei die Scheidung ziemlich genau ein Jahr nach der Trennung erfolgt sei. Bei Wahrunterstellung dieser Aussage wären die Eheleute erst 1994 oder 1995 in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Es komme hinzu, dass das Sozialamt der Stadt Stuttgart bestätigt habe, dass Frau A. Ö. seit 1994 dort laufend Sozialhilfe bezogen habe und auch ununterbrochen dort wohnhaft gewesen sei. § 9 RuStAG setze jedoch in der Regel das mindestens zweijährige Bestehen einer Ehe voraus. Nach dem vorliegenden Lebenssachverhalt sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass der Kläger eine Zweckehe eingegangen sei mit dem einzigen Ziel, sich ein ihm rechtmäßig nicht zustehendes Aufenthaltsrecht zu verschaffen. In Anbetracht des weit verbreiteten Rechtsmissbrauchs des Erschleichens von Aufenthaltsrechten durch Eingehen einer "Scheinehe" bestehe sogar ein besonderes gewichtiges öffentliches Interesse an der Rücknahme der Einbürgerung. Die Einbürgerung des Klägers sei rechtswidrig gewesen und werde gemäß § 48 LVwVfG zurückgenommen, da die wesentlichste Voraussetzung des § 9 RuStAG, nämlich eine fortbestehende Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen nicht vorgelegen habe. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen könne sich der Kläger nicht berufen; denn er habe durch das Verschweigen der Trennung von seiner Ehefrau in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben gemacht und so seine Einbürgerung erwirkt. Zudem habe er gewusst, dass seine Einbürgerung nur aufgrund der von den Behörden angenommenen schutzwürdigen ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau erfolgt sei. Eine besondere Härte sei darin nicht zu sehen, da vollkommen intakte familiäre Beziehungen zur Türkei bestünden und eine Rückkehr ohne Probleme möglich sein werde. Die Einbürgerung wäre mangels Vorliegens der Voraussetzungen beziehungsweise fehlerhafter Ermessensausübung auch rechtswidrig, wenn man die Angaben des Klägers bezüglich seiner Ehe mit A. Ö. als wahr unterstelle. § 9 RuStAG setze eine gültige geschlossene und fortbestehende Ehe voraus. An dieser Voraussetzung fehle es sowohl bei einer Scheinehe wie auch bei einer bereits gescheiterten Ehe. Auch wenn man den Angaben des Klägers glaube, habe unter Berücksichtigung seines Vortrags im Ehescheidungsverfahren zum Zeitpunkt der Einbürgerung keine von § 9 RuStAG geschützte Ehe mehr bestanden. Art. 16 GG stehe der Rücknahme nicht entgegen. Zurückzunehmen sei auch die Einbürgerung der Klägerin, die ihr Aufenthaltsrecht und damit auch die Einbürgerung nur von dem - tatsächlich nicht bestehenden - Anspruch des Klägers abgeleitet habe. Entgegenstehende Gründe des Vertrauensschutzes oder eine unbillige Härte seien nicht zu erkennen.

Über den von den Klägern gegen den Bescheid vom 11.6.1999 erhobenen Widerspruch wurde nicht entschieden.

Am 23.5.2000 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Anfechtungsklage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Eine Scheinehe liege nicht vor; vielmehr habe der Kläger mit seiner deutschen Ehefrau jahrelang in Aalen in gemeinsamer Wohnung zusammengelebt. Erst im Jahr 1996 sei die Trennung erfolgt. Dies ergebe sich auch aus den melderechtlichen Vorgängen seit 1992. Die Angaben der Frau Ö. gegenüber der Behörde seien in nahezu jeder Einzelheit falsch.

Mit Urteil vom 14.8.2000 - 7 K 2559/00 - hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Bescheid des Landratsamts Ostalbkreis vom 11.6.1999 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: § 9 RuStAG erfordere keine eheliche Lebensgemeinschaft; das Bestehen einer formal gültigen Ehe sei ausreichend. Dafür sprächen der Wortlaut, Gesichtspunkte der Praktikabilität, Gründe der Rechtssicherheit und die Gesetzessystematik. Vom Anwendungsbereich des § 9 RuStAG ausgeschlossen sei zwar eine Scheinehe, von der im vorliegenden Fall aber nicht ausgegangen werden könne. Wenn auch mit wechselnden Angaben über den Zeitraum habe Frau A. Ö. immer geäußert, es habe eine eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Kläger bestanden. Die Eheleute seien auch immerhin in der Zeit vom 27.8.1992 bis 1.6.1997 unter derselben Adresse in Aalen angemeldet gewesen. Auch die Staatsanwaltschaft Ellwangen sei in ihrem Einstellungsbeschluss vom 5.8.1999 davon ausgegangen, dass Frau A. Ö. gegenüber dem Ausländeramt der Stadt Aalen nicht bewusst falsche Angaben gemacht habe, und dass auch die anderen Umstände gegen eine von vornherein beabsichtigte "Scheinehe" sprächen. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 LVwVfG nicht vor, selbst wenn für die Anwendung des § 9 RuStAG das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft für erforderlich gehalten werde. Der Kläger habe die Einbürgerung nicht durch Angaben "erwirkt", die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Im Einbürgerungsantrag habe er bei der Frage nach dem "Familienstand" zutreffend "verheiratet" angekreuzt. Ob er zu diesem Zeitpunkt auch "getrennt" gelebt habe, werde von ihm und seiner damaligen Ehefrau gerade verneint. Später sei er nach dem (Fort-)Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr gefragt worden. Von einem Einbürgerungsbewerber könne auch nicht verlangt werden, jede Störung in seinem Eheleben der Staatsangehörigkeitsbehörde offenzulegen. Der Kläger habe auch nicht die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Das Vorliegen einer Scheinehe sei gerade nicht erwiesen. Formal habe seine Ehe bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils vom 1.7.1997 bestanden.

Auf Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 6.9.2001 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.8.2000 - 7 K 2559/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung macht er geltend, bei der Ehe des Klägers mit Frau A. Ö. habe es sich um eine von Anfang an geplante Scheinehe gehandelt. Aus den Erkenntnissen des Sozialamts der Stadt Stuttgart ergebe sich zweifelsfrei, dass sich Frau A. Ö. von Februar 1992 an durchgängig in Stuttgart aufgehalten habe und wegen ihrer Suchtkrankheit von der Caritas betreut worden sei. Von Oktober 1992 bis Februar 1993 sei sie inhaftiert gewesen. Die telefonische Angabe von Frau A. Ö. gegenüber der Stadt Aalen, zur Trennung vom Kläger sei es deshalb gekommen, weil sie mit dessen Kindern nicht zurecht gekommen sei, erweise sich als unglaubhaft; denn offensichtlich habe die Klägerin entgegen ihrer Anmeldung in Aalen von Anfang an bei ihren Großeltern in Bamberg gelebt. Im übrigen habe sich nur ein Kind des Klägers - die Klägerin - im Bundesgebiet aufgehalten. Die Glaubwürdigkeit des Klägers und seiner früheren deutschen Ehefrau werde darüber hinaus durch die Angaben des "Wohnungsgebers" R. B. zur angeblich ehelichen Wohnung in der Feuerbachstraße 1 in Aalen auf das Schwerste erschüttert. Selbst wenn nicht von Anfang an eine Scheinehe vorgelegen hätte, sei für die Einbürgerung nach § 9 RuStAG eine formal gültige Ehe nicht ausreichend. Im vorliegenden Fall handele es sich jedenfalls um eine von Anfang an gescheiterte Ehe. Ein intensiver persönlicher Kontakt und eine eheliche Verbundenheit seien nicht nachgewiesen worden. Da der Kläger nach seinen Angaben im Scheidungsverfahren vor der Einbürgerung in Trennung gelebt habe, habe er die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung zumindest aufgrund grober Fahrlässigkeit selbst zu vertreten; denn aufgrund der Frage im Einbürgerungsverfahren nach dem Familienstand habe die Bedeutung eines Getrenntlebens für ihn auf der Hand gelegen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor: Eine Scheinehe zwischen dem Kläger und seiner deutschen Ehefrau habe nicht vorgelegen. Hierfür sei der Beklagte beweispflichtig. Von einer Scheinehe könne nur bei beiderseitigem Einverständnis der Ehegatten gesprochen werden, dass eine eheliche Gemeinschaft nicht gewünscht werde. Allerdings spreche sehr viel dafür, dass es sich um eine beiderseitige Zweckehe gehandelt habe, dass der Kläger also mit der Eheschließung naheliegenderweise die Absicherung seines Aufenthaltsstatus beabsichtigt habe, dass er aber auch bereit gewesen sei, die sich aus einer Eheschließung ergebenden unterhaltsrechtlichen Konsequenzen zu tragen. 1995 und 1996 hätten der Kläger und A. Ö. eine Wochenendehe geführt. Der Kläger sei unter der Woche auf Montage im Bundesgebiet gewesen. Er habe sich ebenso wie seine Ehefrau nur an den Wochenenden in Aalen aufgehalten. Diese habe offenbar wieder der Prostitution nachgehen wollen, was in Stuttgart,  aber nicht in Aalen möglich gewesen sei. An zwei oder drei Wochenenden im Monat hätten sie sich in der gemeinsamen Wohnung in Aalen getroffen und dort wie Mann und Frau zusammengelebt. Der Kläger habe gewusst, dass seine Ehefrau in Stuttgart der Prostitution nachgehe, habe sie aber hiervon und von den Drogen wegholen wollen. A. Ö. habe im Oktober 1995 den Einbürgerungsantrag für den Kläger wahrheitsgemäß ausgefüllt. Ein Getrenntleben habe bei der berufsbedingten Trennung unter der Woche nicht vorgelegen. Erst gegen Ende des Jahres 1996 hätten sich der Kläger und A. Ö. getrennt und von da an auch nicht mehr die Wochenenden gemeinsam in Aalen verbracht. Der Kläger habe seine Ehefrau auch danach aber noch in Abständen von etwa ein bis zwei Monaten in ihrer Wohnung in Stuttgart besucht.

Mit Beschluss vom 16.8.1999 - 7 K 3000/99 - hatte das Verwaltungsgericht Stuttgart die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Kläger gegen die angefochtene Verfügung wiederhergestellt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der früheren deutschen Ehefrau des Klägers als Zeugin. Er hat ferner den Kläger informatorisch angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Angaben des Klägers wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Einbürgerungs- und Ausländerakten des Beklagten und der Stadt Aalen, die Ehescheidungsakten des Amtsgerichts Aalen, die Sozialhilfeakten der Landeshauptstadt Stuttgart, die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Ellwangen (Az. 44 Js 8062/99, betreffend A. Ö., und Az. 42 Js 25127/99, betreffend den Kläger) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart, auch zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 7 K 3000/99 - vor. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf diese Unterlagen sowie die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige Berufung des Beklagten hat im wesentlichen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Verfügung des Landratsamts Ostalbkreis vom 11.6.1999 zu Unrecht aufgehoben, soweit mit ihr die Einbürgerung der Kläger zurückgenommen wird. Als im Ergebnis richtig erweist sich das angefochtene Urteil lediglich insoweit, als es die Aufhebung der in Ziff. 2 dieser Verfügung ausgesprochenen Aufforderung zur Rückgabe der Einbürgerungsurkunden betrifft.

Die nach § 75 VwGO unbedenklich zulässige Untätigkeitsklage hat in der Sache keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Rücknahme der Einbürgerung der Kläger richtet; denn diese Maßnahme ist rechtmäßig und verletzt die Kläger deshalb nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Rücknahme der am 15.4.1997 erfolgten Einbürgerung der Kläger findet ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Die Kläger stellen zuletzt offenbar nicht mehr in Frage, dass das Landratsamt Ostalbkreis für die Rücknahme der Einbürgerung örtlich zuständig war. Auch der Senat hat insoweit keine Bedenken. Die örtliche Zuständigkeit des Landratsamts Ostalbkreis ergibt sich aus der - bundesrechtlichen - Regelung des § 17 i.V.m. § 27 StAngRegG i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999 (BGBl. I S. 1618). § 27 StAngRegG erstreckt die Geltung des § 17 StAngRegG, soweit er die örtliche Zuständigkeit regelt, auf die Staatsangehörigkeitsangelegenheiten des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes - RuStAG -. Ungeachtet dessen, dass die getroffene Rücknahmeentscheidung auf § 48 LVwVfG gestützt ist, handelt es sich, soweit die örtliche Behördenzuständigkeit in Rede steht, um eine Staatsangehörigkeitsangelegenheit im Sinne von § 27 StAngRegG; denn Verfahrensgegenstand ist die Rückgängigmachung von Einbürgerungen, die auf der Grundlage von §§ 8, 9 RuStAG vorgenommen wurden. Örtlich zuständig war das Landratsamt Ostalbkreis demnach gemäß § 27 i.V.m. § 17 Abs. 1 StAngRegG zum einen für die Rücknahme der Einbürgerung des Klägers; denn dieser hatte im Juni 1999 noch seinen dauernden Aufenthalt in Aalen. Zwar hatte der Kläger bereits am 20.1.1999 gegenüber der Meldebehörde der Stadt Bamberg die Anschrift der Eltern seiner türkischen Ehefrau als neue Hauptwohnung angegeben. Die melderechtlichen Verhältnisse sind für die Bestimmung des dauernden Aufenthalts aber nicht entscheidend. Der Klageschrift vom 22.5.2000 ist zu entnehmen, dass der Kläger während der Woche im Raum Aalen, wo er seit Jahren seine Geschäftsbeziehungen aufgebaut hat, als selbständiger Fliesenleger tätig ist, während er die Wochenenden bei seiner Ehefrau und seinen Kindern in Bamberg verbringt. In Aalen hatte der Kläger jedenfalls im Juni 1999 auch noch eine Wohnung inne; denn in dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 30.6.1999 wurde er mit seiner Aalener Anschrift (Stadelgasse 12) benannt. Seinen auf unbestimmte Zeit angelegten Mittelpunkt der Lebensverhältnisse und damit seinen dauernden Aufenthalt (vgl. Renner in Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl., § 7 StAngRegG RdNr. 8) hatte der Kläger im Juni 1999 also noch in Aalen, zumal seine türkische Ehefrau sich ausweislich der Klageschrift vom 22.5.2000 erst ab September 1999 in Bamberg aufhielt. Offenbleiben kann mithin, ob bei Annahme einer Verlegung des dauernden Aufenthalts des Klägers im Verlauf des auf Rücknahme der Einbürgerung gerichteten Verwaltungsverfahrens die ersichtlich auf § 3 Abs. 3 LVwVfG gestützte Zustimmung der Stadt Bamberg vom 22.3.1999 eine rechtliche Grundlage zur Fortführung dieses Verfahrens durch das Landratsamt Ostalbkreis geboten hätte (vgl. dazu Hailbronner/Renner, a.a.O., § 17 StAngRegG RdNr. 9 m.w.N.). Örtlich zuständig war das Landratsamt Ostalbkreis zum andern für die Rücknahme der Einbürgerung der Klägerin. Dies folgt aus § 17 Abs. 4 StAngRegG, wonach für einen unter elterlicher Sorge stehenden Minderjährigen die Einbürgerungsbehörde des vertretungsberechtigten Elternteils, hier also des Klägers, zuständig ist.

Der Rücknahmebescheid erweist sich ungeachtet dessen als im Sinne von § 37 Abs. 1 LVwVfG hinreichend bestimmt, dass seine Entscheidungsformel nicht erkennen lässt, ob die Rücknahme der Einbürgerungen mit Wirkung für die Vergangenheit oder nur für die Zukunft gelten soll. Die Gründe des Bescheids, die ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers auf den Bestand der Einbürgerung wegen arglistiger Täuschung verneinen, sprechen allerdings für eine Auslegung dahingehend, dass die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen soll. Dies gilt auch für die Rücknahme der Einbürgerung der Klägerin, deren Einbürgerung sich als akzessorische Entscheidung zu der ihres Vaters darstellt.

Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 9.5.1990 - 13 S 2666/89 -, NVwZ 1990, 1198; hierauf Bezug nehmend Beschluss vom 26.8.1993 - 13 S 2019/93 -, ESVGH 44, 153 <Ls>, Juris; Urteil vom 23.9.2002 - 13 S 1984/01 -; jeweils m.w.N.), ist die Anwendbarkeit des § 48 LVwVfG auf Einbürgerungen mit Blick auf die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz VwVfG nicht durch spezialgesetzliche Bestimmungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit ausgeschlossen. Hieran hält der Senat fest, zumal seine Rechtsprechung in Einklang mit der ganz überwiegenden Judikatur der anderen Oberverwaltungsgerichte und der im Schrifttum vorherrschenden Meinung steht (vgl. die Nachweise in GK-StAR, IV - 3 § 91 RdNr. 100; anderer Ansicht OVG Berlin, Urteil vom 2.11.1988 - 1 B 53.87 -, Juris sowie Berlit in GK-StAR, a.a.O., RdNrn. 99 f. unter Hinweis auf dem allgemeinen Staatsangehörigkeitsrecht immanente Grundsätze). Festzuhalten ist somit insbesondere daran, dass das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz -beziehungsweise nunmehr  das Staatsangehörigkeitsgesetz - die Möglichkeiten der zuständigen Behörden, von ihnen ausgesprochene Einbürgerungen im Hinblick auf Mängel, die dem Verwaltungsakt als solchem anhaften, wieder rückgängig zu machen, nicht abschließend regelt. Insbesondere behandelt der in erster Linie einschlägige § 17 StAG Fälle des Verlustes der Staatsangehörigkeit, die an nach Vollzug der Einbürgerung eintretende Ereignisse anknüpfen. Auch § 24 StAngRegG kann nicht als spezialgesetzliche Bestimmung angesehen werden, die die Anwendbarkeit des § 48 LVwVfG auf Einbürgerungen generell ausschließt. Vielmehr handelt es sich bei dieser Vorschrift um eine nur für die in ihr aufgeführten Einbürgerungsfälle geltende Spezialregelung, die nicht generalisiert und auf die allgemeine Einbürgerungsermächtigung des § 8 StAG (beziehungsweise § 9 StAG) übertragen werden kann (BVerwG, Beschluss vom 13.4.1989 - 1 B 54.89 -, InfAuslR 1989, 276).

Des weiteren entspricht es bereits der bisherigen Rechtsprechung des Senats, dass eine auf § 48 LVwVfG gestützte Rücknahme der Einbürgerung nicht gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verstößt, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden darf (Beschluss vom 9.5.1990, a.a.O.; Urteil vom 23.9.2002, a.a.O.; zum Begriff der Entziehung im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG vgl. BVerfG-K, Beschluss vom 10.8.2001, DVBl. 2001, 1750). Dies gilt jedenfalls in den Fällen einer "erschlichenen" Einbürgerung, wobei zur Präzisierung einer derart qualifizierten Fehlerhaftigkeit der Einbürgerung auf die Tatbestände des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 1 und 2 LVwVfG verwiesen werden kann, die zu einem Ausschluss von Vertrauensschutz des Begünstigten führen. Dass zumindest eine in diesem Sinne unlauter erlangte Einbürgerung ohne Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG rücknehmbar ist, entspricht der weitaus herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (Bay. VGH, Urteil vom 17.6.2002 - 5 B 01.0385 - Juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 28.8.2001, NVwZ 2002, 885; Hess. VGH, Urteil vom 18.5.1998, InfAuslR 1998, 505; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2.9.1996, InfAuslR 1997, 82; Randelzhofer in Maunz/Dürig, GG, Art. 16 Abs. 1 RdNr. 53; Becker in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 16 Abs. 1 RdNr. 41; Allesch in Mitarbeiterkommentar GG, Art. 16 RdNr. 12; Schnapp in v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 16 RdNr. 14; wohl auch Lübbe-Wolff in Dreier, GG, Art. 16 RdNr. 41 f.; Renner in Hailbronner/Renner, a.a.O., GG Art. 16, RdNr. 35 f.). Dabei ist es letztlich nicht entscheidend, ob man eine im obigen Sinne "erschlichene" Staatsangehörigkeit bereits als nicht dem Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallend ansieht (dagegen Lübbe-Wolff in Dreier, a.a.O.). Jedenfalls ergibt eine historisch-teleologische Interpretation des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG, dass es nicht Zeck dieser Bestimmung ist, rechtswidrige Einbürgerungen mit einem verfassungsrechtlichen Bestandsschutz auszustatten; denn Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist entstanden in Reaktion auf die im Dritten Reich praktizierte Aberkennung der Staatsangehörigkeit aus rassischen, politischen und religiösen Gründen, will also gezielte Zwangsausbürgerungen verhindern (Schnapp in v. Münch/Kunig, a.a.O.). Mit diesem verfassungsrechtlichen Anliegen gerät eine Rücknahme unredlich erlangter Einbürgerungen grundsätzlich nicht in Konflikt. Demgegenüber darf Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG bei teleologischer Auslegung nicht isoliert vom verfassungsrechtlichen Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung interpretiert werden (Randelzhofer in Maunz/Dürig, a.a.O.). Dieses in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Gebot kann im Hinblick auf die Einheit der Verfassung unter Abwägung mit dem ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip fließenden Grundsatz des Vertrauensschutzes die Aufhebung einer rechtswidrigen Einbürgerung rechtfertigen, die auf vorwerfbare Art und Weise erlangt worden ist (vgl. Renner in Hailbronner/Renner, a.a.O.; in diesem Sinne auch bereits Senatsurteil vom 23.9.2002, a.a.O.). Konsequenterweise steht in derartigen Fällen auch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, der den Verlust der Staatsangehörigkeit bei dadurch verursachter Staatenlosigkeit ausschließt, der Rücknahme der Einbürgerung nicht entgegen (vgl. zu diesem Aspekt im übrigen Art. 8 Abs. 2b des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961, BGBl. 1977 II S. 598).

Die am 15.4.1997 erfolgte Einbürgerung des Klägers war, was § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG voraussetzt, von Anfang an rechtswidrig. Dies beurteilt sich nach § 9 RuStAG; denn auf diesen - allein in Betracht kommenden -Tatbestand war die Einbürgerung gestützt. Danach sollen Ehegatten Deutscher unter den Voraussetzungen des § 8 RuStAG unter bestimmten weiteren - hier nicht interessierenden - Voraussetzungen eingebürgert werden. Tatbestandlich setzt § 9 RuStAG lediglich eine gültig geschlossene und im Zeitpunkt der Einbürgerung noch bestehende Ehe voraus, so dass sich die Einbürgerung des Klägers nicht bereits mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen als rechtswidrig erweist. Dass der Kläger und Frau A. H. am 26.8.1992 die Ehe nur zum Schein geschlossen haben, was noch im einzelnen darzulegen sein wird, stellt die Gültigkeit der Eheschließung nicht in Frage. Der Wille, die Ehe mit Inhalt zu füllen, war keine notwendige Bedingung deren formaler Wirksamkeit (vgl. Otte, JuS 2000, 148). Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechtes vom 4.5.1998 (BGBl. I S. 833) am 1.7.1998 ist eine Scheinehe im Sinne von § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB lediglich aufhebbar.

Als rechtswidrig erweist sich die Einbürgerung des Klägers aber, weil das Landratsamt Ostalbkreis bei seiner Entscheidung von einer (fortbestehenden) ehelichen Lebensgemeinschaft und insbesondere von einer nicht nur zum Schein geschlossenen Ehe des Klägers ausging, die Einbürgerung also in der Annahme eines in wesentlicher Hinsicht unzutreffenden Sachverhalts verfügt hat. Für die Entscheidung über das Einbürgerungsbegehren kam es hierauf an; denn das Nichtbestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft lässt, wie dargelegt, zwar nicht bereits den Tatbestand des § 9 RuStAG entfallen, es rechtfertigt aber die Annahme eines atypischen Falles, der den grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Einbürgerung beseitigt, und der Staatsangehörigkeitsbehörde die Möglichkeit eröffnet, die Einbürgerung ausnahmsweise nach Ermessen zu verweigern (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.8.1981, BVerwGE 64, 7 und Urteil vom 31.3.1987, BVerwGE 77, 164). Dass das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung die Versagung der Einbürgerung rechtfertigen kann, folgt aus der Ausgestaltung des § 9 RuStAG als Sollvorschrift, die ein "Restermessen" eröffnet (Hailbronner in Hailbronner/Renner, a.a.O., § 9 StAG RdNr. 29). Atypisch sind vornehmlich solche Sachverhalte, auf die ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung nach die Privilegierung des § 9 RuStAG nicht zielt, die aber von ihrem abstrakten Rahmen erfasst werden. Dies gilt, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16.5.1983 (NJW 1984, 70) formuliert hat, vor allem für Missbrauchsfälle, z.B. für sogenannte Scheinehen, kann aber auch in Betracht kommen, wenn die Ehe des Einbürgerungsbewerbers gescheitert ist. Dass das Fehlen oder der Wegfall einer ehelichen Lebensgemeinschaft den durch § 9 RuStAG grundsätzlich vermittelten Einbürgerungsanspruch entfallen lässt, leitet der Senat im Anschluss an das OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 2.9.1996, a.a.O.) daraus her, dass die Beschränkung des Entscheidungsspielraums durch die Sollvorschrift des § 9 RuStAG gegenüber dem weiten Ermessen des § 8 RuStAG auf der Erwartung beruht, die eheliche Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Ehegatten begünstige in besonderem Maß die zu den zentralen Einbürgerungsgesichtspunkten gehörende Integration des Einbürgerungsbewerbers in die deutschen Lebensverhältnisse. Für eine solche positive Integrationsprognose kommt es entscheidend darauf an, dass außer der rechtlichen auch eine tatsächliche - regelmäßig in der Pflege einer häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck kommende - Verbundenheit der Ehegatten besteht (OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Diese Auslegung des § 9 RuStAG (beziehungsweise § 9 StAG) liegt im übrigen auch der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13.12.2000 zugrunde (Nr. 9.0 StAR-VwV). Die in seinem Beschluss vom 26.8.1993 (a.a.O.) geäußerten Zweifel, ob das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft für die Anwendung des § 9 RuStAG überhaupt erheblich ist, hält der Senat aus den dargelegten Gründen nicht aufrecht. Die Auslegung des § 1 Abs. 3 BVFG durch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 18.3.1986, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 31) lässt sich in Anbetracht der unterschiedlichen Gesetzeszwecke nicht auf § 9 RuStAG übertragen.

Aufgrund des Ergebnisses der Berufungsverhandlung ist der Senat davon  überzeugt, dass es sich bei der Ehe des Klägers mit der deutschen Staatsangehörigen A. H. - im folgenden: Zeugin T. -  um eine sogenannte Scheinehe gehandelt hat, die eine Versagung der Einbürgerung nach § 9 RuStAG gerechtfertigt hätte. Eine Scheinehe liegt vor, wenn die Eheschließung nicht dem Ziel diente, eine - in welcher Form auch immer zu führende - eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, sondern einen anderen Zweck verfolgte, insbesondere den, dem ausländischen Partner ein sonst nicht zu erlangendes Aufenthaltsrecht zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.5.1995, BVerwGE 98, 298, vgl. auch § 1314 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 1353 Abs. 1 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4.5.1998, a.a.O. sowie Nr. 9.0a StAR-VwV).

Dass auf Seiten des Klägers der Eheschließung ausschließlich der Zweck der Sicherung seines weiteren Aufenthalts in Deutschland zugrunde lag, erscheint bereits aufgrund einer Reihe von Indizien naheliegend. So ist der enge zeitliche Zusammenhang der Eheschließung mit der auf § 28 AsylVfG a.F. gestützten Abschiebungsandrohung der Stadt Aalen vom 10.6.1992 augenfällig. Da der Kläger bereits Ende 1997 seine frühere türkische Ehefrau erneut heiratete, drängt sich der Verdacht auf, dass die 1991 erfolgte Scheidung von dieser türkischen Staatsangehörigen nur dem Zweck diente, in Deutschland eine aufenthaltssichernde Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen zu schließen. Indizielle Bedeutung kommt insoweit auch dem am Tag der Eheschließung geschlossenen notariellen Vertrag zwischen dem Kläger und seiner deutschen Ehefrau zu, durch den Versorgungsausgleich, nachehelicher Unterhalt und Erbansprüche gegenseitig ausgeschlossen wurden. Dass dieser notarielle Vertrag unter Hinzuziehung eines Dolmetschers für die türkische Sprache geschlossen wurde, belegt, dass eine hinreichende Verständigung der Eheleute in deutscher Sprache nicht möglich war. Dass der Kläger für die Eheschließung einen Geldbetrag an die Zeugin T. entrichtet hat, ist zwar nicht nachgewiesen. Auch diese Annahme liegt indessen nahe; denn die Zeugin T. war bereits damals in hohem Maße betäubungsmittelabhängig. Belegt ist dies in den beigezogenen Sozialhilfeakten, aus denen sich ergibt, dass sie am 23.8.1992, also drei Tage vor der Eheschließung, wegen Medikamentenintoxikation und wegen bekannten Rauschmittelabusus für einen Tag stationär in ärztlicher Behandlung war. Bereits zuvor war sie Bezieherin von Sozialhilfe, so dass sich der Verdacht aufdrängt, dass sie zur Deckung ihres Betäubungsmittelbedarfs vom Kläger Geld für die Eheschließung entgegengenommen hat, dass also auch sie von vornherein nicht die Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft beabsichtigt hat. Mit Schriftsatz vom 1.12.2000 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im übrigen eingeräumt, es spreche sehr viel dafür, dass es sich um eine beiderseitige Zweckehe gehandelt habe, dass der Kläger mit der Eheschließung also naheliegenderweise die Absicherung seines Aufenthaltsstatus beabsichtigt habe. Dass er (notgedrungen) bereit war, die unterhaltsrechtlichen Konsequenzen aus seiner Eheschließung in Kauf zu nehmen, steht der Annahme einer Scheinehe, die von vornherein nicht dem Zweck der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft dienen sollte, nicht entgegen.

Der aufgrund der aufgezeigten Indizien naheliegende Verdacht einer Scheinehe erstarkt zur Gewissheit, da der Kläger zu einer in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Darstellung der mit der Zeugin T. angeblich unterhaltenen ehelichen Lebensgemeinschaft nicht in der Lage war. Unter diesen Umständen vermag der Senat auch der Darstellung der Zeugin T. in der Berufungsverhandlung, wonach eine eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Kläger bis kurz vor der Scheidung praktiziert worden sei, nicht zu folgen, zumal diese Aussage der Zeugin mit ihren früheren aktenkundigen Angaben nicht zu vereinbaren ist.

Ursprünglich hatte der Kläger geltend gemacht (Schriftsatz der früheren Bevollmächtigten an das Landratsamt vom 14.4.1999 und Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten an das Verwaltungsgericht vom 24.7.2000), er habe mit der Zeugin T. seit Eheschließung am 26.8.1992 bis zur Trennung im Jahr 1996 in Aalen zusammengelebt. Die eheliche Lebensgemeinschaft sei zunächst während eines Zeitraums von drei Monaten in der Feuerbachstraße 1 geführt worden. Danach hätten sie bis zum 30.1.1994 in der Johann-Gottfried-Pahl-Straße 1 gemeinsam gelebt. Im Anschluss daran sei eine ehegemeinschaftliche Wohnung in der Stadelgasse 12 unterhalten worden. Die Zeugin T. habe sich um sein Kind aus erster Ehe - die Klägerin - gekümmert und daneben die schriftlichen Angelegenheiten seiner Firma erledigt. Zu keinem Zeitpunkt hätten er und die Zeugin Txx getrennt gelebt. Erst die im Jahr 1996 aufgetretenen ehelichen Probleme hätten schließlich zur Scheidung geführt. Im Berufungsverfahren (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 1.12.2000 nebst Schreiben an die Staatsanwaltschaft Ellwangen vom 27.11.2000 in dem gegen ihn wegen Betruges eingeleiteten Ermittlungsverfahren) räumte der Kläger demgegenüber ein, die überwiegende Zeit nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit der Zeugin Txx gelebt zu haben. Allerdings habe es immer wieder Kontakte zwischen den Eheleuten und vorübergehendes Zusammenleben gegeben. Ausdrücklich eingestanden wird eine Trennung infolge Inhaftierung der Ehefrau (vom 15.10.1992 bis 11.2.1993). Nach ihrer Entlassung aus der Haft sei die Zeugin T. nicht zu ihm zurückgekehrt, sie sei vielmehr in Stuttgart unter Geheimhaltung ihres Aufenthalts der Prostitution nachgegangen und habe dort Sozialhilfe bezogen. Im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten an den Senat vom 19.11.2002 ist demgegenüber erstmals von einer "Wochenendehe" die Rede, die dadurch bedingt gewesen sei, dass der Kläger während der Woche auf Montage im Bundesgebiet gearbeitet habe. Die Zeugin T. sei während der Abwesenheit des Klägers in Stuttgart der Prostitution nachgegangen. An zwei oder drei Wochenenden im Monat hätten sie sich in der gemeinsamen Wohnung in Aalen getroffen. Diese Art der Wochenendehe hätten sie 1995 und 1996 praktiziert. Wiederum anders stellte der Kläger die ehelichen Verhältnisse bei seiner Befragung in der Berufungsverhandlung dar. Danach will er mit der Zeugin T. zunächst für drei Monate in der Feuerbachstraße 1 in Aalen und danach in der Johann-Gottfried-Pahl-Straße 1 in Aalen zusammengelebt haben. Wegen seiner beruflichen Tätigkeit habe sich das Zusammenleben allerdings auf die Wochenenden beschränkt. Im Anschluss daran - ausweislich einer in der Berufungsverhandlung vorgelegten Bescheinigung der Vermieterin seit dem 1.2.1994 -hätten sie eine Wohnung in der Stadelgasse 12 in Aalen bezogen. Ab dem Umzug in diese Wohnung habe er mit seiner Ehefrau auch während der Woche zusammengelebt. Etwa im Herbst 1994 sei seine Ehefrau allerdings für ca. drei Monate in Stuttgart stationär untergebracht gewesen, wobei es sich um eine Art Entziehungsmaßnahme gehandelt habe. Im Anschluss an diese stationäre Therapie habe sich seine Ehefrau lediglich an den Wochenenden regelmäßig bei ihm in Aalen aufgehalten. Während der Woche habe sie mit ihrer Freundin in Stuttgart zusammengelebt. Grund hierfür sei gewesen, dass er während der Woche auf Montage gearbeitet habe.

Diese vom Kläger im Verlauf des Verfahrens abgegebenen Erklärungen erscheinen bereits aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit unglaubhaft und rechtfertigen den Schluss, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft mit der Zeugin T. aufgrund vorgefasster Absicht nie aufgenommen wurde. In dieser Überzeugung bestärkt sieht sich der Senat durch weitere Unstimmigkeiten in dem klägerischen Vortrag und durch aktenkundige Sachverhalte, die diesen widerlegen. Wie bereits ausgeführt, ist in den beigezogenen Sozialhilfeakten der Landeshauptstadt Stuttgart dokumentiert, dass die Zeugin T. am Abend des 23.8.1992, also drei Tage vor der Eheschließung, wegen Medikamentenintoxikation und wegen bekannten Rauschmittelabusus im Zuge eines Notfalleinsatzes in ein Stuttgarter Krankenhaus eingeliefert wurde. Die Entlassung fand erst am darauffolgenden Tag statt. Zu erwarten wäre gewesen, dass sich der Kläger über ein solch einschneidendes Ereignis kurz vor der geplanten Eheschließung informiert gezeigt hätte. Dies war allerdings nicht der Fall, wie seine Befragung in der Berufungsverhandlung ergeben hat. Noch mehr befremdet es, dass er nicht von sich aus auf die bereits ca. sieben Wochen nach der Eheschließung erfolgte Inhaftierung der Zeugin T. zu sprechen kam. Diese aktenkundige Haft der Ehefrau vom 15.10.1992 bis zum 11.2.1993 ist mit seinem Vorbringen in der Berufungsverhandlung, er habe nach der Eheschließung zunächst für drei Monate in der Feuerbachstraße 1 in Aalen und im Anschluss daran in einer gemeinsamen Wohnung in der Johann-Gottfried-Pahl-Straße 1 in Aalen eine Wochenendehe geführt, nicht vereinbar. Stattdessen berichtete der Kläger von einer ca. drei Monate andauernden stationären Behandlung der Zeugin in Stuttgart Ende 1994, die zu einer Unterbrechung der an den Wochenenden praktizierten ehelichen Gemeinschaft geführt habe. Dies wiederum fand bei der Vernehmung der Zeugin T. keine Erwähnung und lässt sich auch den Sozialamtsakten nicht entnehmen. Widerlegt ist die Behauptung, die Eheleute hätten die ersten drei Monate nach der Eheschließung in der Feuerbachstraße 1 in Aalen an den Wochenenden zur Untermiete gewohnt, schließlich durch die Erklärung des angeblichen Wohnungsgebers R. B.. Dieser hat am 9.10.2000 zur Niederschrift des Landratsamts Ostalbkreis angegeben, der Kläger und die Zeugin . hätten sich nie in seiner Wohnung aufgehalten. Der Kläger habe von ihm gefälligkeitshalber die Anmeldebestätigung erbeten, damit er "hier bleiben" könne. Der Senat sieht keinen Grund, an der Richtigkeit dieser zur Niederschrift der Behörde abgegebenen Erklärung des Herrn B. zu zweifeln. Der Kläger ist ihr auch nicht substantiiert entgegengetreten. Im übrigen erscheint die Behauptung des Klägers in der Berufungsverhandlung, der - 1919 geborene - Untervermieter B. habe an den Wochenenden seine Wohnung nicht benötigt, weil er dann immer seine Freundin in München besucht habe, wenig lebensnah. Unter diesen Umständen sieht der Senat keinen Anlass, Herrn R. B. als Zeugen zu vernehmen, zumal die Kläger dies nicht beantragt haben.

Von der Unglaubhaftigkeit der Bekundungen des Klägers und infolgedessen von dem Vorliegen einer Scheinehe ist der Senat ungeachtet dessen überzeugt, dass die Zeugin T. bei ihrer Vernehmung bestätigt hat, sie habe mit dem Kläger bis zu ihrer erst kurz vor der Scheidung erfolgten Trennung durchgängig - abgesehen von der Zeit ihrer Inhaftierung - in Aalen eine Wochenendehe geführt. Mit ihren aktenkundigen früheren Bekundungen gegenüber den Behörden ist ihre Aussage in der Berufungsverhandlung nicht in Einklang zu bringen. So gab sie gegenüber der Ausländerbehörde der Stadt Aalen ausweislich einer von dieser Behörde gefertigten Gesprächsnotiz am 5.3.1998 telefonisch an, sie habe mit dem Kläger nur ca. ein Jahr zusammengelebt. Zur Trennung sei es gekommen, weil sie mit den Kindern des Klägers nicht zurechtgekommen sei. Auch gegenüber dem Landratsamt Ostalbkreis gab sie am 2.7.1998 telefonisch an, sie habe nur ca. ein Jahr fest mit dem Kläger zusammengelebt, in der restlichen Zeit "mal hier und dort", teilweise auch bei dem Kläger. Der Senat hat keinen Anlass zu Zweifeln, dass diese telefonischen Aussagen der Zeugin T. von den jeweiligen Behördenbediensteten zutreffend festgehalten worden sind. Mit ihren Bekundungen in der Berufungsverhandlung sind diese Angaben im übrigen auch insoweit nicht vereinbar, als sich ihrer Vernehmung keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer früheren Behauptung entnehmen lassen, zur Trennung vom Kläger sei es wegen Problemen mit dessen Kindern gekommen. Vielmehr berief sie sich in der Berufungsverhandlung auf eine lediglich einwöchige Anwesenheit der Klägerin in Aalen, ohne dass ein Zusammenhang mit der späteren Trennung vom Kläger hergestellt wurde. Weiter erschüttert wird die Glaubwürdigkeit der Zeugin durch Widersprüche zu ihren aktenkundigen früheren Angaben gegenüber der Sozialbehörde der Landeshauptstadt Stuttgart. So erklärte sie bei einer Vorsprache am 29.4.1994 beim Sozialamt, dass sie vom Kläger seit ihrer Inhaftierung im Oktober 1992 getrennt lebe. Sie habe den Ehenamen Ö. nicht angegeben, da sie sich von ihrem Ehemann bedroht fühle und vermeiden wolle, dass er sie finde. Den Tatbestand des Getrenntlebens und das Fehlen von Kontakten zum Kläger bestätigte sie bei weiteren Vorsprachen am 24.8.1994, 31.10.1994 und am 8.2.1995. In der Berufungsverhandlung distanzierte sie sich zwar von diesen Äußerungen und brachte zur Erklärung vor, sie habe dies nur gesagt, um auch weiterhin Sozialhilfe beziehen zu können. Diese Einlassung vermag allerdings nicht ohne weiteres zu erklären, warum sie sich gegenüber dem Sozialamt auf ein Gefühl der Bedrohung durch den Kläger berief. Im übrigen steht der Glaubhaftigkeit auch ihrer Aussage über ein ehegemeinschaftliches Zusammenleben in der Feuerbachstraße 1 in Aalen die Bekundung des angeblichen Wohnungsgebers B. entgegen. Schließlich erscheint es dem Senat wenig glaubhaft, dass die aufgrund ihrer Abhängigkeit in hohem Maße betreuungsbedürftige Zeugin, die ausweislich der vorliegenden Sozialamtsakten vom Caritasverband im Rahmen einer Wohngruppe dieser Organisation intensiv betreut wurde (vgl. etwa das Schreiben des Caritasverbands vom 17.3.1994 an das Sozialamt), zu einer Wochenendehe der von ihr geschilderten Art physisch und psychisch im Stande war.

Dass die Zeugin T. seit der Eheschließung mit dem Kläger in Aalen gemeldet war, spricht schließlich ebensowenig gegen die Annahme einer Scheinehe wie die Einstellung des gegen sie wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Ellwangen vom 2.8.1999 hebt letztlich nur darauf ab, es sei der Beschuldigten nicht zu widerlegen, dass sie hin und wieder mit dem Kläger zusammengelebt habe, was gegen eine von vornherein beabsichtigte "Scheinehe" spräche. Gerade von einem solchen zumindest zeitweiligen Zusammenleben der Eheleute vermag sich der Senat aus den dargelegten Gründen indessen nicht zu überzeugen.

War die Einbürgerung des Klägers nach alledem rechtswidrig, weil das Landratsamt Ostalbkreis von einer nicht nur zum Schein geschlossenen Ehe und damit von einem in wesentlicher Hinsicht unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, erweist sich die Rücknahme der Einbürgerung auch im übrigen als frei von Rechtsfehlern. Zwar bestehen gewisse Zweifel, ob das Landratsamt in rechtlicher Hinsicht erkannt hat, dass selbst bei einer Scheinehe der Anwendungsbereich des § 9 RuStAG eröffnet ist, dass die Versagung der Einbürgerung in einem solchen Fall also im rechtlichen Ansatz eine Ermessensentscheidung erfordert. Dies ist auch bei der Entscheidung über die Rücknahme von Bedeutung; denn wenn eine fehlerfreie Ermessensentscheidung eine Entscheidungsalternative eröffnet, setzt eine ermessensfehlerfreie Rücknahme des ermessensfehlerhaft ergangenen Verwaltungsakts voraus, dass die Behörde ihr Ermessen hinsichtlich des zurückzunehmenden Verwaltungsakts nunmehr inzident fehlerfrei ausübt. Soweit das Landratsamt die Rechtswidrigkeit der zurückgenommenen Einbürgerung auf das Vorliegen einer Scheinehe und ein dadurch nach § 9 RuStAG eröffnetes, indessen fehlerhaft ausgeübtes Versagungsermessen stützt, hätte es somit grundsätzlich Ermessenserwägungen darüber anzustellen gehabt, ob dem privaten Interesse des Klägers an der Einbürgerung oder dem dem Versagungsgrund zugrundeliegenden öffentlichen Interesse der Vorrang gebührt. Derartige Ausführungen lässt der angefochtene Bescheid vermissen. Im vorliegenden Fall ist dies allerdings unschädlich, da beim Vorliegen einer Scheinehe in aller Regel und so auch in dem hier zu entscheidenden Fall keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine für den Einbürgerungsbewerber positive Ausübung des Ermessens rechtfertigen könnten. Das auch bei Vorliegen einer Scheinehe durch § 9 RuStAG prinzipiell eröffnete Einbürgerungsermessen ist somit zu Lasten des Klägers auf Null reduziert, weshalb insoweit für Ermessenserwägungen bei der Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung kein Raum ist.

Auch ansonsten ist das Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt worden. Zu folgen ist dem Landratsamt insbesondere in seiner Annahme, dass jedenfalls der zum Ausschluss von Vertrauensschutz führende Tatbestand des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 LVwVfG vorliegt; denn der Kläger hat seine Einbürgerung dadurch erwirkt, dass er im Antragsformular bei der Frage nach seinem Familienstand lediglich "verheiratet", nicht aber zugleich "getrennt lebend" angekreuzt hat, was aus den dargelegten Gründen unrichtig beziehungsweise unvollständig war. Bei dieser Sachlage ist es für den Ausschluss von Vertrauensschutz unerheblich, dass der Kläger vor Aushändigung der Einbürgerungsurkunde nicht nochmals nach dem Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft gefragt worden ist.

Es kann im übrigen dahinstehen, ob die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung vom Kläger mit einem im Zeitpunkt dieser Entscheidung bestehenden Anspruch auf Einbürgerung aus einem anderen Rechtsgrund in Frage gestellt werden könnte (in diesem Sinne Nieders. OVG, Urteil vom 22.10.1996 - 13 L 7223/94 -, Juris; Hess. VGH, Urteil vom 18.5.1998, a.a.O.; zweifelnd OVG Hamburg, Beschluss vom 28.8.2001, a.a.O.); denn es liegt auf der Hand, dass im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung weder die Voraussetzungen für eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 RuStAG (schon wegen des nach Nr. 3.2 der Einbürgerungsrichtlinien vom 15.12.1977 <GMBl. 1978 S. 16, ber. S. 27> in der Regel erforderlichen mindestens zehnjährigen Inlandsaufenthalts) noch die Voraussetzungen des § 86 AuslG a.F. für die erleichterte Einbürgerung von Ausländern mit langem Aufenthalt vorgelegen haben.

Schließlich ist die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG gewahrt. Diese wurde entgegen der Auffassung des Klägers nicht bereits durch das Schreiben der Stadt Aalen vom 21.4.1998 an das Landratsamt Ostalbkreis in Gang gesetzt, in dem auf für das Vorliegen einer Scheinehe sprechende Indizien hingewiesen und die Notiz vom 5.3.1998 über das Telefonat mit der Zeugin T. vorgelegt wurde. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war Entscheidungsreife hinsichtlich einer vom Landratsamt sodann ins Auge gefassten Rücknahme der Einbürgerung noch nicht gegeben. Vielmehr trat das Landratsamt in umfangreiche tatsächliche Ermittlungen ein, die erst im Frühjahr 1999 abgeschlossen waren (zur Berechnung der Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG vgl. im übrigen BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1984, BVerwGE 70, 356, wonach die Jahresfrist erst ab Kenntnis aller für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen zu laufen beginnt).

Auch die offenbar auf der Grundlage von § 8 RuStAG i.V.m. den Einbürgerungsrichtlinien vom 15.12.1977 erfolgte Einbürgerung der Klägerin war im Sinne von § 48 Abs. 1 LVwVfG von Anfang an rechtswidrig. Zur Herstellung einer einheitlichen Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie sahen diese Richtlinien die erleichterte Miteinbürgerung minderjähriger Kinder vor (Nr. 4.1 i.V.m. Nr. 3.2.2.5). Es handelte sich somit ersichtlich um eine zur Einbürgerung des Klägers akzessorische Entscheidung, so dass aus der Rechtswidrigkeit von dessen Einbürgerung auch die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung der Klägerin folgt. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der Einbürgerung ist auch der Klägerin nicht zuzubilligen; denn sie muss sich die falschen, beziehungsweise unvollständigen Angaben ihres Vaters zurechnen lassen. Auch im übrigen sind die ihre Person betreffenden Ermessenserwägungen im angefochtenen Bescheid nicht zu beanstanden. Hinzuweisen ist mit Blick auf diese Erwägungen allerdings darauf, dass die Rücknahme der Einbürgerung die von der nunmehr zuständigen Ausländerbehörde zu treffende Entscheidung über den weiteren Aufenthalt der im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung nahezu 17-jährigen und offenbar gut integrierten Klägerin nicht präjudiziert.

Als rechtswidrig erweist sich demgegenüber die auf § 52 LVwVfG gestützte Aufforderung an den Kläger (Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids), die ihm für sich und die Klägerin ausgehändigten Einbürgerungsurkunden vom 25.3.1997 bis spätestens einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheids dem Landratsamt Ostalbkreis zurückzugeben. § 52 LVwVfG setzt nach seinem Wortlaut die Unanfechtbarkeit des zurückgenommenen Verwaltungsakts voraus. Lässt man mit der herrschenden Meinung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 52 RdNr. 7 m.w.N., so auch Senatsbeschluss vom 7.9.1994 - 13 S 270/94 -) die sofortige Vollziehbarkeit genügen, steht der an die Bekanntgabe des Bescheids geknüpften Monatsfrist entgegen, dass das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16.8.1999 - 7 K 3000/99 - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Kläger wiederhergestellt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Soweit die Klage abgewiesen wird, ist die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob und inwieweit rechtswidrige Einbürgerungen nach § 48 LVwVfG rücknehmbar sind, zuzulassen. Im übrigen sind die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision nicht gegeben.