VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.05.1992 - 9 S 642/92
Fundstelle
openJur 2013, 8189
  • Rkr:

1. Für Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis als Bezirksbauschätzer der Badischen Gebäudeversicherungsanstalt ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

2. Die Vollzugsverordnung zum Badischen Gebäudeversicherungsgesetz ist eine Rechtsverordnung und keine Verwaltungsvorschrift.

3. Die Entlassungsbefugnis der Badischen Gebäudeversicherungsanstalt gegenüber den Bezirksbauschätzern nach § 5 Abs 1 Satz 2 VVO (GebVGVollzO BA) ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar.

4. Zur Rechtmäßigkeit der Entlassung eines Bezirksbauschätzers und ihrer sofortigen Vollziehung (hier bejaht).

Gründe

Die - zulässige - Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den durch Bescheid vom 8. März 1991 ausgesprochenen und mit Datum vom 24. September 1991 für sofort vollziehbar erklärten Widerruf seiner Bestellung als Bezirksbauschätzer wiederherzustellen, zu Recht abgelehnt. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, daß das öffentliche Interesse an der sofortigen Einstellung der Bezirksbauschätzertätigkeit durch den Antragsteller seine persönlichen Belange überwiegt, weil der Widerruf als rechtmäßig erscheint und der Antragsgegnerin eine weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Dies folgt nicht nur daraus, daß Streitgegenstand in der Hauptsache ein Verwaltungsakt ist, sondern auch aus der Zugehörigkeit des Rechtsverhältnisses zwischen der Badischen Gebäudeversicherungsanstalt und ihren Bezirksbauschätzern zum öffentlichen Recht. Für Streitigkeiten aus diesem Rechtsverhältnis, die weder verfassungsrechtlicher Art noch einem anderen Gerichtszweig zugewiesen sind, ist deshalb nach § 40 Abs. 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Antragsgegnerin ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts (§§ 1, 11 des Badischen Gebäudeversicherungsgesetzes - BadGebVersG -), deren Aufgabe es ist, die Eigentümer von Gebäuden gegen die gesetzlich festgelegten Risiken zu versichern. Der Staat hat mit dem Badischen Gebäudeversicherungsgesetz die Sicherung des Gebäudebestands als öffentliche Aufgabe an sich gezogen und läßt sie als Verwaltungsmonopol durch die Antragsgegnerin wahrnehmen, die er mit Versicherungszwang (§§ 1, 7 f. BadGebVersG) und Versicherungsbann (§ 9 BadGebVersG) ausgestattet hat (Zwangs- und Monopolanstalt); auch die Gestaltung des Beitragsaufkommens sowie Art und Umfang der Leistungen haben öffentlich-rechtliche Struktur (BVerfGE 41, 205, 217). Bezirksbauschätzer sind gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 BadGebVersG, § 5 Abs. 1 und Abs. 3, § 7 der Vollzugsverordnung vom 15.12.1934 (GVBl. 1935 S. 5) - VVO - von der Anstalt ernannte, auf ihren Dienst eidlich verpflichtete und der amtlichen Aufsicht unterstehende Sachverständige, deren Aufgabe die Einschätzung der Gebäude nach dem ortsüblichen Bauwert ist und die auch zu Schadensabschätzungen beigezogen werden können; bei ihrer Tätigkeit haben sie gem. § 8 VVO die vom Verwaltungsrat mit Genehmigung des Innenministeriums erlassene Dienstweisung zu beachten. Damit sind ihnen Kompetenzen übertragen, die zunächst der Antragsgegnerin zugewiesen und die daher hoheitlicher Natur sind. Die Antragsgegnerin nimmt diese Aufgaben, soweit sie sie an Bezirksbauschätzer delegiert, nicht selbst - d.h. durch die in ihre Organisation eingegliederten Beamten und Tarifangestellten (vgl. § 63 Abs. 2 BadGebVersG) - wahr, sondern mit Hilfe eines ihr nur angegliederten öffentlichen Amtes, das der Bezirksbauschätzer als Person des Privatrechts in eigenem Namen und in eigener Verantwortung ausübt (vgl. § 17 BadGebVersG); die Bezirksbauschätzer nehmen somit Befugnisse wahr, die an sich, gäbe es ihre Betrauung mit der Einschätzung und der Schadensabschätzung nicht, von der Beklagten selbst durch die ihr eingegliederten Bediensteten wahrzunehmen wären. Das Amt des Bezirksbauschätzers erfüllt damit die Merkmale der sog. Beleihung (vgl. hierzu BVerwGE 29, 166, 168 ff. - nebenberuflicher Fleischbeschautierarzt -; BVerwG, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 40 - Prüfingenieur für Baustatik -; Normenkontrollbeschluß des Senats vom 18.3.1985 - 9 S 991/84 -, NVwZ 1987, 431 - öffentlich bestellter Vermessungsingenieur -), die ein öffentlich-rechtliches (Auftrags-) Verhältnis zwischen dem Beleihenden und dem Beliehenen begründet. Rechtsstreitigkeiten über die Begründung und die Beendigung dieses Rechtsverhältnisses sowie über einzelne Rechte und Pflichten hieraus gehören daher vor die Verwaltungsgerichte.

Die Widerrufsverfügung dürfte ihre Rechtsgrundlage in § 5 Abs. 1 Satz 2 VVO finden, wonach der Verwaltungsrat der Anstalt einen Bezirksbauschätzer jederzeit ohne Kündigung entlassen kann. Da die Bestimmung zur Entlassung ermächtigt, ohne Voraussetzungen aufzustellen und den Verwaltungsrat in sonstiger Weise zu binden, ist ihm hinsichtlich des Ob und Wie der Entlassung ein weites Ermessen eingeräumt, das nur vom Zweck der Ermächtigung und der Pflicht begrenzt wird, die im Rechtsstaat jeglicher Ermessensausübung durch einen Träger öffentlicher Verwaltung gesetzten Grenzen einzuhalten (§ 40 LVwVfG). Die Entlassungsbefugnis entspricht in Wortlaut und Inhalt weitgehend derjenigen bei Beamten auf Widerruf, die ebenfalls "jederzeit entlassen werden können" (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Beamtenrechtsrahmengesetz, § 32 Abs. 1 Satz 1 Bundesbeamtengesetz, § 44 Satz 1 Landesbeamtengesetz). Die Entlassungsmöglichkeit von Widerrufsbeamten zu jeder Zeit bedeutet, daß keine Entlassungsfristen einzuhalten sind und keine Beschränkung auf bestimmte Entlassungstatbestände besteht. Die fehlerfreie Ermessensausübung des Dienstherrn fordert nur einen sachlichen Grund; es genügt aber jeder sachliche - d.h. nicht willkürliche - Grund (vgl. BVerfGE 3, 58, 140), der sowohl in der Person des Beamten - z.B. bei unzureichenden fachlichen Leistungen, fehlender gesundheitlicher Eignung, Verstoß gegen Dienstpflichten oder sonstiger fehlender persönlicher Eignung - als auch in sachlichen Bedürfnissen der Verwaltung liegen kann. Ein Verschulden des Beamten ist bei den in der Sphäre der Verwaltung und bei den in der Person des Beamten liegenden, objektiven Gründen nicht erforderlich. Der Entlassungsgrund ist mit den etwa zugunsten des Beamten sprechenden Umständen abzuwägen (vgl. Plog/Wiedow/Beck, Bundesbeamtengesetz, § 32 RdNrn. 4-7). Entsprechendes muß für die Entlassung von Bezirksbauschätzern gelten. Die einseitige Lösung des Rechtsverhältnisses durch die Anstalt ist durch § 5 Abs. 1 Satz 2 VVO abschließend geregelt. Wegen des Subsidiaritätsgrundsatzes in § 1 Abs. 1 LVwVfG (vgl. dazu näher BVerwG, NVwZ 1987, 488 - zu § 1 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes) ist daher der Rückgriff auf § 49 LVwVfG nicht eröffnet, insbesondere gilt die Jahresfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG nicht. Die von der Antragstellerin gewählte Formulierung "Widerruf der Bestellung" ist nicht sachlich-rechtlicher, sondern nur terminologischer Natur.

Der Senat teilt die Bedenken des Verwaltungsgerichts nicht, § 5 Abs. 1 Satz 2 VVO könnte gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, wonach Berufsregelungen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig sind, weil die Vollzugsverordnung als solche möglicherweise keine Rechtsverordnung, sondern eine Verwaltungsvorschrift sei. Die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassene Vollzugsverordnung weist alle Merkmale einer Rechtsverordnung auf (zur Abgrenzung siehe z.B. Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 61 RdNrn. 9 f.; Ossenbühl in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1986, § 7 IV 1 und V 2; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 1986, § 24 RdNrn. 37 ff.), die auch als vorkonstitutionelle Rechtsvorschrift die Berufsausübung wirksam regeln kann, wenn sie inhaltlich mit dem Grundgesetz in Einklang steht (BVerfGE 9, 63, 70; 9, 73, 76; 9, 213, 222; 99, 338, 343). Sie ist als Verordnung bezeichnet und im Gesetzblatt verkündet worden. Der Begriff der Vollzugsverordnung weist auf ihre Zugehörigkeit zum Typ der gesetzesdurchführenden Verordnungen hin, an deren Eigenschaft als Rechtsverordnung kein Zweifel besteht ("Durchführungsverordnung", vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht Bd. I, 9. Aufl., § 25 VII b 2; "Ausführungsverordnung", vgl. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, Nachdruck 1948 S. 126). Durchführungsverordnungen mögen in besonders großem Ausmaß Elemente enthalten, die in Verwaltungsvorschriften geregelt werden können, d.h. Bestimmungen, die sich ausschließlich an Organe oder Organwalter innerhalb der öffentlichen Verwaltung wenden und sich auf die Organisation und/oder das Verfahren der Verwaltung beziehen (vgl. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1986, § 16 RdNrn. 48 und 51 m.w.N.), jedoch wurden solche Mischformen schon zur Zeit des Erlasses der Vollzugsverordnung im Jahre 1935 den Rechtsverordnungen zugerechnet (Jellinek, a.a.O.); daran hat sich nichts geändert (Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, 10. Aufl. 1973, S. 141). Die Vollzugsverordnung beschränkt sich nicht auf die anstaltsinterne Wirkung, sondern enthält auch Regelungen, die die Rechte und Pflichten nicht anstaltsangehöriger Personen und Stellen festlegen. So umreißt aufgrund der Ermächtigung in § 15 Abs. 2 BadGebVersG § 24 VVO den Kreis der versicherten bzw. versicherungspflichtigen Gegenstände näher (vgl. hierzu VG Karlsruhe, Urteil vom 9.11.1988, VBlBW 1989, 468) und konkretisiert die Inpflichtnahme der Gemeinden, etwa bei der Führung des Feuerversicherungsbuches (§§ 9 ff. VVO), bei der Aufnahme zur Versicherung (§§ 18 ff. VVO), bei den Maßnahmen bei Brandfällen (§ 38 VVO), bei der Mitwirkung bei der Schadensabschätzung (§§ 39 ff. VVO) oder bei der Vorschußzahlung (§ 51 VVO). Nicht zuletzt enthält sie in §§ 5 ff. Festlegungen über den Status der Bezirksbauschätzer, die die rudimentäre gesetzliche Regelung (§§ 16 und 17 BadGebVersG) wesentlich ergänzen.

Die Entlassungsbefugnis der Antragsgegnerin ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Tätigkeit als Bezirksbauschätzer ist kein eigenständiger Beruf, weil sie als solche nicht der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dient, sondern lediglich eine Erweiterung der Berufstätigkeit, die die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung unberührt läßt. Bezirksbauschätzer sind Personen, deren Sachverstand in ihrem jeweiligen Hauptberuf sich die Anstalt für die ihr obliegende Aufgabe der Einschätzung und der Schadensabschätzung in ihrem Versicherungsbestand zunutze macht, was darin zum Ausdruck kommt, daß das Amt als "Nebenberuf" ausgestaltet ist (vgl. § 16 Abs. 1 BadGebVersG einerseits und Abs. 3 dieser Bestimmung andererseits sowie § 2 Abs. 1 Satz 1 der auf der Grundlage von § 8 VVO erlassenen Dienstweisung vom 29.10.1986). In die hauptberufliche Tätigkeit des Bezirksbauschätzers z.B. als Architekt oder freiberuflich tätiger Sachverständiger für Bauschätzungen greift § 5 Abs. 1 Satz 2 VVO nicht ein. Die Regelung ist daher keine Regelung der Berufswahl, sondern betrifft lediglich den Umfang der beruflichen Befugnisse und damit die Berufsausübung (vgl. BVerwG, Buchholz 451.26 Nr. 8 unter Hinweis auf BVerfGE 46, 120, 149). Berufsausübungsregelungen sind zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (st.Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, z.B. BVerfGE 68, 272, 282). Da es sich bei der Tätigkeit des Bezirksbauschätzers um eine staatlich gebundene Tätigkeit handelt, indem ihm mit der Einschätzung und der Schadensabschätzung hoheitliche Funktionen übertragen sind, hat der Normgeber eine noch größere Gestaltungsfreiheit als bei rein privaten Berufen ( BVerwG, Buchholz 431.2 Nr. 3 - öffentlich bestellter Vermessungsingenieur -). § 5 Abs. 1 Satz 2 VVO dient dadurch, daß er die Antragsgegnerin instand setzt, sich von ungeeigneten Bezirksbauschätzern zu trennen, einem legitimen Zweck der dem Gemeinwohl verpflichteten Versicherungsanstalt. Bezirksbauschätzer erfüllen wichtige Aufgaben der Anstalt. Von ihrer sachgerechten Einschätzungstätigkeit hängen die Höhe der von der Anstalt erhobenen Einnahmen und die risikogerechte Veranlagung jedes einzelnen Gebäudeeigentümers sowie ggf. die Höhe einer zu leistenden Entschädigung ab. Es ist daher gerechtfertigt, daß die Antragsgegnerin bei Nichteignung im weitesten Sinne die Bestellung löst; dem stünde übrigens nicht einmal das Grundrecht auf freie Berufswahl entgegen. Die Möglichkeit, die Entlassung ohne Bindung an Weiterbeschäftigungsfristen oder andere, die Folgen abmildernde Vorkehrungen herbeizuführen, sobald der Entlassungsgrund festgestellt wird, kommt dem Anstaltszweck in größtmöglichem Umfang entgegen. Dies ist auch dem betroffenen Bezirksbauschätzer gegenüber noch nicht unzumutbar. Der Bezirksbauschätzer widmet der Anstalt seine Arbeitskraft nur zum Teil; ihr Umfang ist nicht näher festgelegt, so daß er auch nicht mit einer festen Vergütung rechnen kann. Er ist nach dem gesetzlichen Leitbild ein von der Antragsgegnerin - nach Maßgabe seiner Weisungsgebundenheit - persönlich und wirtschaftlich unabhängiger Angehöriger eines freien Berufs, der dessen wirtschaftliche Risiken wegen der mit seinem Rechtsstatus verbundenen Freiheiten bewußt auf sich nimmt und der damit auch die den abhängig beschäftigten Personen zustehenden sozialen Schutzrechte nicht beanspruchen kann. Im Einzelfall auftretenden Härten hat die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung zu begegnen, wobei auch die Grundrechte und die Wertentscheidungen des Verfassungsrechts wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Prinzip des Vertrauensschutzes zu beachten sind.

Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglichen summarischen Prüfung ist nicht erkennbar, daß die Antragsgegnerin von ihrer Entlassungsbefugnis in rechtswidriger Weise Gebrauch gemacht hätte; maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 1991. Als Grund für die Entlassung führt sie jahrelang fortdauernde Differenzen über die Höhe der ihr vom Antragsteller in Rechnung gestellten Gebühren und Nichtbeachtung von Bestimmungen und Anweisungen an, wodurch mehrere Mitarbeiter in unvertretbarem Umfang durch ständige Kontrolle in Anspruch genommen werden mußten und das Vertrauensverhältnis im Gefolge der jahrelang andauernden, auch in mehreren verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgetragenen Auseinandersetzungen zerstört worden ist. Es ist bereits beim derzeitigen Verfahrensstand absehbar, daß die Vorwürfe jedenfalls im Kern zutreffen. Auch ohne Eingehen auf die - durchweg umstrittenen - Einzelheiten der Abrechnung von Tätigkeiten kann schon aus der Fülle der Streitpunkte darauf geschlossen werden, daß der Antragsteller im Sinne der Verfügung vom 8. März 1991 und des Widerspruchsbescheids nicht willens oder kraft seiner Charaktereigenschaften nicht fähig zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin ist. So hat er von der Antragsgegnerin für notwendig befundene Kürzungen von Gebührenforderungen auf insgesamt 37 seiner Forderungszettel aus den Jahren 1987 - 1989 durch Klagen vor dem Verwaltungsgericht angegriffen; die Zahl der Streitpunkte ist noch weit höher. Hierin tritt ein ganz ungewöhnlich hohes Konfliktpotential zutage, dessen Verursachung bei der gebotenen Gesamtbetrachtung wesentlich dem Antragsteller anzulasten ist. Ausgangspunkt ist der prinzipielle Aspekt, daß die Befugnisse der Anstalt gegenüber den Bezirksbauschätzern nach der geltenden Rechtslage nur einen verhältnismäßig kleinen Bereich belassen, in dem berechtigte Konflikte überhaupt auftreten können. Bezirksbauschätzer sind, wie erwähnt, der Aufsicht durch die Anstalt unterworfen, woraus folgt, daß sie deren Weisungen nachzukommen haben. Gem. § 8 VVO haben die Bezirksbauschätzer die Dienstweisung zu beachten; nach § 36 Abs. 1 VVO wird ihre Vergütung vom Verwaltungsrat mit Genehmigung des Innenministeriums festgesetzt. Es gelten seit 1.1.1987 die Dienstweisung in der Fassung vom 29.10.1986 sowie seit 1.1.1987 die Gebührenordnung vom 29.10.1986, die mit Wirkung vom 1.1.1990 von der Gebührenordnung vom 26.10.1989 abgelöst worden ist. Bei ihnen handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, für deren Auslegung die Besonderheit gilt, daß sie nicht einer objektiven Interpretation unterliegen, sondern als Willenserklärungen des Vorschriftengebers zu behandeln sind (vgl. BVerwGE 52, 193, 199 f. - Ausbildungs- und Prüfungsordnung -; OVG Münster, ZBR 1984, 243 = RiA 1984, 186 - Beihilfevorschriften -). Dies hat zur Folge, daß maßgeblich die tatsächliche Verwaltungspraxis ist, die den Willen des Vorschriftengebers authentisch interpretiert, sofern sie von ihm gebilligt oder doch geduldet wird und dabei der Gleichheitssatz und allgemeine Rechtsgrundsätze gewahrt werden; auch wenn der Wille des Vorschriftengebers sich wandelt, setzt er sich gegenüber Interpretationen Dritter durch. Angesichts dieser weitgehenden Definitionsmacht der Antragsgegnerin im Bereich der Dienstpflichten und der Vergütung, die ihren Grund letztlich in der Aufsichtsunterworfenheit der Bezirksbauschätzer und den Weisungsbefugnissen der Anstalt hat, verbleibt nur ein schmaler Sektor, der überhaupt einer rechtlichen Überprüfung und Klärung durch Anrufung der Gerichte zugänglich ist. So ist es beispielsweise nicht Sache des Bezirksbauschätzers, sondern allein der Anstalt zu bestimmen, ob der Begriff der baulichen Einheit von Gebäuden (vgl. § 6 Abs. 2 und 3 der Dienstweisung) oder der der grundlegenden Veränderung der Bauweise (vgl. § 14 Abs. 2 der Dienstweisung) eng oder weit auszulegen ist. Daher steht ihm der Einwand beispielsweise gegenüber den Kürzungen seiner Gebührenforderungen vom 30. Juli 1990 und vom 10. Dezember 1990 (W. Straße und L), die an sich verdiente Gebühr sei angesichts des jeweils konkreten "Aufnahmeaufwands nicht leistungsgerecht", bereits vom Prinzip her nicht zu. Der Antragsteller hat auch keine Berechtigung, eine eigene Auffassung über die Frage gebührenmäßig geltend zu machen und durchzusetzen, wann eine vergütete Dienstbesprechung im Sinne von Nr. 4.1 der Gebührenordnung vorliegt. Die Auffassung der Anstalt, eine solche sei bei Einzelbesprechungen mit dem hauptamtlichen Schätzer nicht gegeben, ist vom Bezirksbauschätzer hinzunehmen. Die Praxis des Antragstellers, gleichwohl für solche Einzelbesprechungen Vergütungen zu fordern, ist nach dem oben Ausgeführten auch dann ein Pflichtverstoß, wenn die Praxis früher eine andere gewesen sein sollte, und wiegt wegen der wiederholten Mißachtung von Abmahnungen besonders schwer. Ohnehin drängt sich der Eindruck auf, daß der Antragsteller in prinzipieller Frontstellung zur Antragsgegnerin steht, deren Anordnungen und Kontrollen er als "Pressionen und Drohungen" empfindet, mit denen er zum Schweigen gebracht werden solle, und sich als deren "Partner" sieht, der mit ihr am liebsten nur über eine neutrale Schlichtungsstelle verhandeln würde (Schreiben vom 4. Juli 1989, Heft 2 der Akten der Antragsgegnerin, S. 1915). In dieses Bild vom Verhältnis der Beteiligten in der Sicht des Antragstellers als einer Gleichstellung statt eines Verhältnisses der Über- und Unterordnung paßt die Nichtbefolgung von Einzelweisungen wie der Nichtherausgabe der ihm irrtümlich ausgehändigten Schriftstücke bezüglich des Anwesens Vogtsbauernhöfe trotz mehrfacher, mit Einschreibebriefen versandter Aufforderungen sowie die am 25. August 1983 von ihm abgezeichnete - allerdings nach Darstellung der Antragsgegnerin ihrer Verwaltung erst 1990 bekanntgewordene (siehe Schreiben der Fa. K Treuhand KG vom 18. April 1990, Heft 16 S. 77) - Einschätzung des Gebäudes K-weg 5 in T, die ihm durch § 3 Abs. 1 der Dienstweisung verboten war, weil er darin Wohnungseigentum besaß; außerdem lag das Gebäude außerhalb des ihm zugewiesenen Bezirks (siehe § 2 Abs. 2 Satz 1 der Dienstweisung), so daß er schwerlich einen Schätzauftrag hierfür haben konnte. An alldem wird deutlich, daß die Differenzen primär vom Antragsteller ausgehen und nicht von der Antragsgegnerin, die mit keinem der anderen über 300 Bezirksbauschätzer Auseinandersetzungen führt, die nach Zahl oder Qualität auch nur entfernt an die mit dem Antragsteller heranreichen.

Es kann nach alldem auch ohne Klärung der vielfältigen Sachverhalte bis in die Einzelheiten hinein davon ausgegangen werden, daß eine wesentlich vom Antragsteller zu verantwortende Belastung des Dienstverhältnisses vorliegt, die die Antragsgegnerin berechtigte, die Entlassung auszusprechen.

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat die Interessen des Antragstellers eingehend gewürdigt und in ihre Überlegungen die Beschäftigungsdauer und die Möglichkeit einbezogen, daß ein Großteil der Einkünfte, über die der Antragsteller verfügt, aus seiner Bezirksbauschätzertätigkeit stammt. Eine Fehlgewichtung vermag der Senat hierbei nicht zu sehen, zumal die Entwicklung erkennbar auf eine Entlassung hin vorangeschritten und eine solche bereits 1985 erfolgt war und das Amt des Bezirksbauschätzers als Nebenberuf ausgestaltet ist. Macht ein Bezirksbauschätzer diese Tätigkeit aus eigenem Antrieb zu einer Haupterwerbsquelle, handelt er auf eigenes Risiko.

Der Antragsgegnerin ist nicht zuzumuten, die Belastung des Dienstverhältnisses und daraus folgend des Vertrauens zum Antragsteller für die Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die zwischenzeitlich erhobene Anfechtungsklage hinzunehmen und ihn solange weiter zu beschäftigen, weil eine Fortsetzung und sogar eine Verschärfung der Konflikte eingetreten ist und auch weiterhin droht; das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs muß daher zurücktreten. Nachträglich eingetretene Tatsachen sind im vorliegenden Verfahren verwertbar, denn bei der Entscheidung darüber, ob das öffentliche Interesse am Sofortvollzug eines Verwaltungsakts das Interesse des Bürgers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiegt, ist nach dem Sinn und Zweck des Aussetzungsverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich, wie auch die Abänderungsmöglichkeit nach § 80 Abs. 7 VwGO zeigt. Die nach Erlaß des Widerspruchsbescheids gemachten Äußerungen des Antragstellers lassen die endgültige Zerrüttung der Beziehungen manifest und seinen Einsatz als Träger eines öffentlichen Amtes auch im Interesse der Versicherten, daß ihre Belange nicht durch inneranstaltliche Konflikte Schaden nehmen, als nicht mehr verantwortbar erscheinen. Denn nunmehr ist ein Zustand erreicht, in dem der Antragsteller den Boden der Sachlichkeit endgültig verlassen zu haben scheint, indem er die Antragsgegnerin mit maßlosen Vorwürfen überzieht. So bezeichnet er Handlungen der Antragsgegnerin als "rechtswidrige Attacken dieser Anstalt", bezichtigt sie der Absicht, sie wolle "den Versicherten um eine berechtigte Rückvergütung betrügen", und äußert, "viele Dinge, die nicht ins Konzept passen, würden ignoriert oder umgedeutet"; "bei genauerer Betrachtung dürfte auch der Dümmste (Beamte) merken ..."; mit einer weiteren Äußerung bringt er mit einem Wort aus der Fäkalsprache zum Ausdruck, die Anstalt habe einen Versicherten über Jahrzehnte hinweg betrogen (Schreiben vom 13. Dezember 1991, VG-Akten S. 145 f.). Im erstinstanzlichen Verfahren hat er zu erkennen gegeben, daß er die Ausübung der Weisungsbefugnis und die Handhabung der Verwaltungspraxis durch die Antragsgegnerin als rigorose Bevormundung hinsichtlich dessen betrachtet, was gerecht und richtig zu sein habe, daß er sie als Demütigung, Verleumdung und Schikanierung sowie als Verletzung eines freien Bürgers in seiner Menschenwürde und in seinen unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten betrachtet (Schriftsatz vom 2. Februar 1992, VG-Akten S. 187 f.). Unmittelbar an die Antragstellerin gewendet bescheinigt er ihr eine menschenverachtende Grundeinstellung (Schreiben vom 27. Januar 1992, VG-Akten S. 193), eine kaum vorstellbare Doppelmoral, unbeschreibliche Arroganz und Skrupellosigkeit sowie eklatante Scheinheiligkeit, die Tendenz zur Bevormundung mit patriarchalischen Vorgaben und Lügenhaftigkeit ("Versuchen Sie es doch einfach einmal mit der Wahrheit") und bestätigt, daß "die Vertrauensbasis zu Ihrer Anstalt ... gestört" sei (Schreiben vom 15. Dezember 1991, VG-Akten S. 195 ff.).