VG Stuttgart, Urteil vom 26.10.2006 - 4 K 1753/06
Fundstelle
openJur 2013, 14545
  • Rkr:
Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Kläger sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit.

Der Kläger Ziffer 1 wurde am 12.04.1960, die Klägerin Ziffer 2 am 01.01.1966, der Kläger Ziffer 3 am 05.08.1985, die Klägerin Ziffer 4 am 29.09.1986, der Kläger Ziffer 5 am 15.09.1988, der Kläger Ziffer 6 am 30.10.1990 und der Kläger Ziffer 7 am 28.10.1996 geboren.

Die Kläger Ziffer 1 und 2 sind die Eltern der übrigen Kläger.

Im Jahre 1987 reisten die Kläger Ziffer 1 bis 4 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 04.07.1987 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 15.04.1988 ab. Die hiergegen zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage wurde durch Urteil vom 29.11.1990 abgewiesen (A 8 K 8346/88). Mit Beschluss vom 22.06.1992 lehnte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg den Antrag auf Zulassung der Berufung ab (A 12 S 369/91).

Bereits am 18.09.1991 beantragten die Kläger Ziffer 1 bis 4 erneut ihre Anerkennung als Asylberechtigte sowie die Gewährung von Abschiebungsschutz, nachdem sie bereits mit Schriftsatz vom 21.06.1991 an das Landratsamt Esslingen um Abschiebungsschutz nach den §§ 51 und 53 AuslG nachgesucht hatten. Mit Bescheid vom 22.03.1995 entschied das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hinsichtlich der Kläger Ziffer 1 bis 4, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und lehnte die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab. In der Begründung des Bescheids wurde auch Bezug genommen auf einen mit Schriftsätzen vom 13.07. und 24.07.1992 erneut gestellten Antrag, die Kläger Ziffer 1 bis 4 als Asylberechtigte anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 vorliegen. Die von den Klägern Ziffer 1 bis 4 insoweit erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 25.10.1996 (A 18 K 13001/95) ab. Der Entscheidung lag zugrunde, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 VwVfG nicht vorgelegen hatten.

Am 09.05.1997 stellten die Kläger Ziffer 1 bis 4 erneut Asylanträge. Mit Bescheid vom 18.03.1998 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Durchführung weiterer Asylverfahren ab. Bereits mit Bescheid vom 07.05.1997 hatte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Asylerstanträge der Kläger Ziffer 5 bis 7 vom 21.02.1997 abgelehnt. Die von sämtlichen Klägern zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhobenen Klagen wies dieses mit Urteil vom 12.02.1999 (A 18 K 12454/98) ab. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart lag hinsichtlich der Kläger Ziffer 1 bis 4 die Feststellung zugrunde, dass die vorgelegten Dokumente nicht geeignet seien, eine für die Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen und auch die Aussage des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen als Gefälligkeitsaussage bewertet werden müsse, weshalb die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 VwVfG nicht vorliegen. Der zum Verwaltungsgericht Baden-Württemberg gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss vom 30.06.1999 (A 12 S 1050/90) abgelehnt.

Am 24.02.1997 beantragten alle Kläger die Erteilung von Aufenthaltstiteln. Mit Bescheid vom 20.05.1997 lehnte das Landratsamt Esslingen die Anträge ab. Die Entscheidung wurde durch Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.01.1998 bestätigt. Am 16.06.1999 beantragten die Kläger erneut die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Mit Bescheiden vom 31.08.1999 lehnte das Landratsamt Esslingen die Anträge ab. Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Bescheid vom 26.01.2000 ab. Auf die hiergegen zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage verpflichtete dieses den Beklagten durch Urteil vom 09.05.2000 (18 K 1359/00), über die Anträge der Kläger erneut zu entscheiden. Durch Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 31.03.2003 (13 S 1917/01) wurde das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart geändert und die Klagen abgewiesen. Die zum Bundesverwaltungsgericht erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision verwarf das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluss vom 26.06.2003 (1 B 150.03).

Am 19.12.2001 stellten sämtliche Kläger erneut Asylanträge. Mit zwei Bescheiden vom 21.01.2002 (die Kläger Ziffer 1 bis 3 sowie 5 bis 7 betreffend) und mit einem weiteren Bescheid vom 22.01.2002 (die Klägerin Ziffer 4 betreffend) lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Anträge auf Durchführung weiterer Asylverfahren ab. Die hingegen von den Klägern Ziffer 1 bis 2 sowie 5 bis 7 zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhobenen Klagen (A 18 K 10277/02) wies das Verwaltungsgericht Stuttgart durch Urteil vom 30.09.2003 ab. Der Entscheidung lag die Feststellung zugrunde, dass die Aussagen der beiden in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen in den entscheidungserheblichen Aspekten unglaubhaft und deshalb nicht geeignet seien, eine für die Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Die vom Kläger Ziffer 3 erhobene Klage (A 18 K 10281/02) wurde ebenfalls durch Urteil vom 30.09.2003 abgewiesen. Das Gleiche gilt hinsichtlich der von der Klägerin Ziffer 4 erhobenen Klage (A 8 K 10279/02). Die insoweit gestellten Anträge auf Zulassung der Berufung wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durch Beschlüsse vom 11.11.2003 als unzulässig zurück.

Am 07.08.2003 sollten die Kläger abgeschoben werden. Die Abschiebung wurde jedoch wegen eines Formfehlers abgebrochen. Am 11.08.2003 unternahm die Klägerin Ziffer 4 einen Suizidversuch.

Am 08.12.2005 stellten sämtliche Kläger einen Antrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, der im Wesentlichen damit begründet wurde, dass der Diabetes mellitus sowie die chronische obstruktive Lungenerkrankung des Klägers Ziffer 1 in der Türkei nicht behandelbar seien und erneut eine Suizidgefahr der Klägerin Ziffer 4 bestehe. Mit Bescheiden vom 22.12.2005 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Abänderung der nach dem alten Recht ergangenen Bescheide hinsichtlich der negativen Feststellung zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG ab und führte zur Begründung aus, dass sich der Sachvortrag auf einer Wiederholung der bereits im früheren Asylfolgeverfahren vorgetragenen Gründe beschränke. Im Übrigen müsse, wie bereits im früheren Verfahren festgestellt, von einer Behandelbarkeit ausgegangen werden.

Sämtliche Kläger erhoben hiergegen Klagen zum Verwaltungsgericht Stuttgart (A 9 K 13660/05 u.a.), die am 14.02.2006 zurückgenommen wurden.

Bereits im September 2003 hatten die Kläger eine Petition eingereicht mit dem Ziel, ein Daueraufenthaltsrecht in Deutschland zu erlangen. Im März 2005 entschied der Petitionsausschuss, dass der Petition nicht abgeholfen werde. Im Juli 2005 wandten sich die Kläger an die Härtefallkommission, um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 a AufenthG zu erhalten. Im November 2005 entschied die Härtefallkommission, kein Härtefallersuchen an das Innenministerium zu richten. Im Dezember reichten die Kläger erneut eine Petition ein, der der Petitionsausschuss im Januar 2006 wiederum nicht abhalf.

Am 21.11.2005 beantragten die Kläger beim Landratsamt Esslingen die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen.

Mit Beschlüssen vom 23.01.2006 (9 K 437/06 u.a.) verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung, im Hinblick auf das anhängige Verfahren auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen die Kläger abzusehen. Auf die hiergegen vom Beklagten eingelegte Beschwerde änderte der Verwaltungsgerichtshof durch Beschlüsse vom 30.08.2006 (13 S 405/06 u.a.) die Beschlüsse und lehnte die Anträge ab.

Mit Entscheidung vom 14.02.2006 lehnte das Landratsamt Esslingen die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ab und führte zur Begründung aus: Die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG scheide schon deshalb aus, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bindend entschieden habe, dass die Kläger nicht asylberechtigt seien, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 sowie des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen. Der Umstand, dass die Klägerin Ziffer 4 im Jahre 2003 nach einem Abschiebungsversuch einen Suizidversuch unternommen habe und mit einer Wiederholung eines solchen Suizidversuchs zu rechnen sei, führe nicht zu einem rechtlichen Abschiebungshindernis. Zum einen sei nicht geklärt, ob der Suizidversuch im Zusammenhang mit der Abschiebung erfolgt sei oder wegen familiärer Probleme unternommen worden sei. Zum anderen vermöge die latente Suizidalität deswegen kein Abschiebungshindernis zu begründen, weil derartige Gefahren durch entsprechende Vorkehrungen bei der Organisation der Abschiebung, wie z. B. die Begleitung durch einen Arzt und psychologisches Fachpersonal, Rechnung getragen werden könne. Auch die vorgetragene Krankheit des Klägers Ziffer 1 stelle kein rechtliches Abschiebungshindernis dar. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe mit Bescheid vom 22.12.2005 festgestellt, dass die Krankheit im Heimatland behandelbar sei. Nach § 25 Abs. 4 AufenthG könne einem Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, so lange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit erforderten. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil die Kläger ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht begehrten. Zudem seien dringende oder persönliche Gründe nicht erkennbar. Es könne auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden, da die Kläger weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen gehindert seien, in ihr Heimatland zurückzukehren. Die freiwillige Ausreise sei jederzeit möglich und auch zumutbar. Ein rechtlich begründetes Abschiebungshindernis folge auch nicht aus Art. 8 EMRK. Eine Aufenthaltsbeendigung hätte keine Verletzung des hierdurch geschützten Rechts auf ein Privatleben zur Folge. Es spreche schon vieles dafür, dass ein schützenswertes Privatleben voraussetze, dass zumindest für einen gewissen Zeitraum ein ordnungsgemäßer und rechtmäßiger Aufenthalt vorgelegen habe. Über einen solchen ordnungsgemäßen Aufenthalt hätten die Kläger zu keinem Zeitpunkt verfügt. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass auch ein rechtlich ungesicherter Aufenthalt Grundlage für die Annahme eines geschützten Privatlebens sein könne, so sei die daraus folgende Rechtsposition im Rahmen der Schrankenbestimmung des Art. 8 Abs. 2 EMRK gegen das Recht des Vertragsstaats zur Einwanderungskontrolle abzuwägen. Die Kläger Ziffer 1 und 4 seien aber in der Türkei geboren und hätten bis zu ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1987 in der Türkei gelebt. Die Kläger Ziffer 1 und 2 sprächen nur schlecht deutsch, weshalb kein Anhaltspunkt für eine Verwurzelung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gegeben seien. Die Kläger Ziffer 5 bis 7 seien zwar in Deutschland geboren, es sei jedoch davon auszugehen, dass diese unter dem sprachlichen Aspekt in der Lage sein werden, sich in der Türkei zu integrieren. Das Hineinwachsen in die Lebensverhältnisse der Türkei werde für sie zwar Anfangs schwierig sein, es sei jedoch nicht ersichtlich, dass ihnen ein Hineinwachsen in die Lebensumstände des Staates ihrer Staatsangehörigkeit nicht mehr oder nur unter größten Schwierigkeiten gelingen könne. Insbesondere sei Kindern in diesem Alter durchaus zuzumuten, sich in die Lebensverhältnisse des Heimatlands einzuleben und dort eine Ausbildung zu absolvieren bzw. mit den hier erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten eine Arbeit zu suchen. Sie befänden sich in keiner anderen Situation als zahlreiche andere abgelehnte Asylbewerber. Weiterhin könne auch nicht von einer wirtschaftlichen Integration der Familie in die Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen werden. Die Kläger hätten über einen Zeitraum von beinahe 11 Jahren ihren Lebensunterhalt überwiegend durch öffentliche Mittel bestritten und insgesamt ca. 105.000,-- € an Sozialleistungen erhalten. Der Kläger Ziffer 1 stehe zwar seit 1998 in einem Beschäftigungsverhältnis und auch der Kläger Ziffer 3 habe eine Ausbildung zum Bäcker absolviert, sei aber anschließend vom Lehrbetrieb nicht übernommen worden. Von Oktober bis Dezember 2005 habe er sogar ohne Genehmigung gearbeitet, weswegen gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden sei. Erst seit Januar 2006 habe er eine Genehmigung zur Ausübung einer Beschäftigung als Bäckergeselle erhalten. Der Kläger Ziffer 5 habe ebenfalls keine Arbeitserlaubnis und sei trotzdem von Anfang August bis Ende September 2004 und von Anfang Februar 2005 bis Ende Dezember 2005 unerlaubt einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Auch gegen ihn seien Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden. Ob er augenblicklich einer Erwerbstätigkeit nachgehe, sei nicht bekannt. Weiterhin sei im September 2005 von der Klägerin Ziffer 4 ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt worden, der inzwischen abgelehnt worden sei. Im Übrigen werde im Landkreis Esslingen seit 01.12.2004 für den Kläger Ziffer 7 für die Teilnahme an der sozialen Gruppenarbeit bei der Paulinenpflege in Kirchheim/Teck monatlich eine öffentliche Leistung in Höhe von 723,58 € gezahlt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG scheide ebenfalls aus. Hiernach könne ein Aufenthaltstitel nur zu einem Zweck erteilt werden, der im Kapitel 2 Abschnitte 3 bis 7 nicht geregelt sei. Der hier angestrebte Aufenthaltszweck aus humanitären Gründen sei - wie bereits ausgeführt - in § 25 AufenthG abschließend geregelt.

Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies das Regierungspräsidium Stuttgart durch Bescheid vom 30.03.2006 - zugestellt am 05.04.2006 - zurück.

Am 02.05.2006 haben die Kläger Klage erhoben.

Zur Begründung tragen sie vor: Sie seien faktisch zu Inländern geworden und eine Rückkehr in die Türkei sei ihnen nicht zuzumuten. Die Familie sei in hohem Maße in Deutschland integriert, nehme keine öffentlichen Hilfen für den Lebensunterhalt in Anspruch. Sie verfüge über eine eigene Wohnung, arbeite und befinde sich in Schul- und Berufsausbildung. Die Kinder sprächen perfekt deutsch. Der Kläger Ziffer 3 sei mittlerweile seit Januar 2006 als Bäckergeselle beschäftigt. In der Zeit von Oktober bis Dezember 2005 habe er gearbeitet, während die Arbeitsgenehmigung beantragt gewesen sei. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass diese nicht erteilt worden sei. Der Kläger Ziffer 5 besuche die Schule und sei neben der Schule von August bis September einer Aushilfstätigkeit nachgekommen, wobei ebenfalls eine Arbeitserlaubnis beantragt worden sei. Die Klägerin Ziffer 4 habe einen Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis gestellt, sie habe auch eine Ausbildungsstelle. Bisher sei die Arbeitserlaubnis jedoch noch nicht erteilt worden. Es sei richtig, dass sie im September 2005 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt habe. Dieser sei abgelehnt worden. Der Antrag werde nicht weiter verfolgt. Hinsichtlich der Klägerin Ziffer 4 sei noch zu berücksichtigen, dass sie im Zusammenhang mit einem früheren Abschiebungsversuch im Jahre 2003 einen ernsthaften Suizidversuch unternommen habe, bei dem sie sich schwerste Verletzungen zugezogen habe. Aus einer vorliegenden ärztlichen Stellungnahme gehe hervor, dass mit einer Wiederholung eines Suizidversuchs im Falle einer erneuten Abschiebung durchaus zu rechnen sei. Die in den Anfangsjahren bezogenen Sozialleistungen könnten den Klägern nicht negativ angelastet werden, da sie seinerzeit keine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten. Die Klägerin Ziffer 2 versorge die Familie. Insgesamt sei eine Beendigung des Aufenthalts der Kläger unverhältnismäßig i.S.d. Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Landratsamts Esslingen vom 14.02.2006 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.04.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.

Der Beklagte ist der Klage aus den Gründen der angegriffenen Bescheide entgegengetreten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Dem Gericht lagen die vom Landratsamt Esslingen geführten Ausländerakten der Kläger sowie die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart vor.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind nicht begründet. Der Beklagte hat zu Recht die Anträge der Kläger abgelehnt. Sie haben keinen Anspruch auf Erteilung der von ihnen begehrten Aufenthaltserlaubnisse.

Allein in Betracht zu ziehende Rechtsgrundlage für die Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnisse ist vorliegend § 25 Abs. 5 AufenthG. Hiernach kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, sofern der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. § 25 Abs. 3 AufenthG scheidet schon deshalb aus, weil im Verhältnis zur Ausländerbehörde sowie zum Gericht infolge der negativen Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gem. § 42 AsylVfG bindend feststeht, dass zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (vgl. zum Verständnis des § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. des § 53 Abs. 4 AuslG 1990 allein als zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot bzw. –hindernis BVerwG, U.v. 15.04.1997 – 9 C 38.96NVwZ 1997, 1127; U.v. 02.09.1997 – 9 C 40.96 – NVwZ 1998, 311). Nichts anderes gilt in Bezug auf die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (vgl. § 4 AsylVfG).

Die Verweigerung eines Aufenthaltstitels durch den Beklagten steht nicht in Widerspruch zu Art. 8 EMRK, weshalb den Klägern eine Rückkehr in ihr Heimatland nicht unmöglich oder aus Rechtsgründen unzumutbar ist (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 27.6.2006 – 1 C 14.05 – juris).

1. a) Im Ausgangspunkt ist zunächst festzuhalten, dass nach der ständigen Spruchpraxis des EGMR aus Art. 8 Abs. 1 EMRK (auch nicht für Familien) grundsätzlich kein irgendwie geartetes Recht abgeleitet werden kann, dass Ausländer oder Ausländerinnen sich einen Aufenthaltsort in einem Konventionsstaat frei wählen. Vielmehr ist den Konventionsstaaten ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, ob und unter welchen Voraussetzungen sie Einwanderung in ihr Hoheitsgebiet zulassen wollen. Namentlich in seinen Entscheidungen vom 16.09.2004 (11103/03 - <Ghiban> - NVwZ 2005, 1046) und vom 07.10.2004 (33743/03 - <Dragan> - NVwZ 2005, 1043 ) hat der EGMR ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Konvention nicht das Recht eines Ausländers garantiere, in einen bestimmten Staat einzureisen oder sich dort aufzuhalten oder nicht ausgewiesen zu werden. Die Vertragsstaaten hätten vielmehr nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen das Recht, über die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung fremder Staatsangehöriger zu entscheiden (vgl. zu alledem auch BVerwG, U.v. 9.12.1997 – 1 C 19.96NVwZ 1998, 742; U.v. 29.9.1998 – 1 C 8.98NVwZ 1999, 303; VGHBW, U.v. 18.1.2006 – 13 S 2220/05ZAR 2006, 142; B.v. 10.5.2006 – 11 2345/05 – juris; HessVGH, B.v 15.2.2006 – 7 TG 106/06InfAuslR 2006, 217; U.v. 7,7,2006 – 7 UE 509/06 – juris; NdsOVG, B.v. 11.5.2006 – 12 ME 138/06 - InfAuslR 2006, 329; B.v. 1.9.2006 – 8 LA 101/06 – juris; OVG NW, B.v. 11.1.2006 – 18 B 44/06AuAS 2006, 144 Ls.). Dessen ungeachtet kann nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. Urt. v. 16.6.2005 - 60654/00 -<Sisojeva/Lettland> - InfAuslR 2005, 349) ausnahmsweise auch eine Aufenthaltsbeendigung bzw. die Verweigerung eines Aufenthaltsrechts einen - rechtfertigungsbedürftigen - Eingriff in das Privatleben darstellen, wenn der Ausländer über starke persönliche, soziale und wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat verfügt. Eine den Schutz des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK auslösende Verbindung mit der Bundesrepublik Deutschland als Aufenthaltsstaat kommt danach für solche Ausländer in Betracht, die auf Grund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland so eng mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichzustellen sind, während sie mit ihrem Heimatland im Wesentlichen nur noch das formale Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.9.1998 - 1 C 8.96 - NVwZ 1999, 303; VGH Bad.-Württ., Urt. v.18.1.2006 - a.a.O. mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

b) In diesem Zusammenhang ist zunächst bereits grundsätzlich umstritten, ob der Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 EMRK unter dem Aspekt des Privatlebens überhaupt nur dann eröffnet ist, wenn der Aufenthaltsstaat den Aufenthalt (durch Erteilung eines Titels) positiv ermöglicht (so etwa NdsOVG, B.v. 1.9.2006 – 8 LA 101/06 – juris; HessVGH, U.v. 7.7.2006 – 7 UE 509/06 – juris) und nicht nur (etwa durch Duldung oder aufgrund gesetzlicher Gestattung als Asylbewerber) ohne sein Zutun faktisch hingenommen hatte bzw. sogar hinnehmen musste. Ein völlig klares Bild lässt sich aus der sehr einzelfallbezogenen Spruchpraxis des EGMR hierzu nicht gewinnen (vgl. auch VGHBW, U.v. 18.1.2006 – 13 S 2220/05ZAR 2006, 142 und letztlich offen gelassen). Auch wenn dieser erst jüngst in seinem Urteil vom 30.1.2006 (50435/99 - <Rodrigues da Silva und Hoogkammer/Niederlande> - InfAuslR 2006, 298) “daran erinnert, dass Personen, die, ohne den geltenden Gesetzen zu entsprechen, die Behörden eines Vertragsstaates mit ihrer Anwesenheit in diesem Staat konfrontieren, im Allgemeinen nicht erwarten können, dass ihnen ein Aufenthaltsrecht zugesprochen wird,“ so stellte es nach Überzeugung der Kammer eine Überinterpretation dar, hieraus den zwingenden Schluss zu ziehen, schon der Schutzbereich sei im Falle der nicht erfolgten ausdrücklichen Legalisierung von vornherein nicht eröffnet. Ein solches Verständnis ist angesichts der Schranke des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht erforderlich und sinnvoll. Es stünde zudem einem einzelfallbezogenen gerechten Interessenausgleich oftmals entgegen und wäre auch im Einzelfall geeignet, die Wirksamkeit des konventionsrechtlichen Schutzes zu schmälern (so auch Hoppe,ZAR 2006, 125; Benassi, InfAuslR 2006, 397). Zudem würde eine vorschnelle Ausgrenzung aus dem Schutzbereich die Möglichkeit verbauen, den Fallkonstellationen angemessen Rechnung tragen zu können, in denen die Ausländerbehörde in der Vergangenheit über Jahre hin nur Duldungen erteilt hatte, obwohl im Grunde realistischerweise keine Abschiebungs- und Ausreisemöglichkeiten bestanden und daher eigentlich Aufenthaltstitel hätten erteilt werden müssen. Es ist nicht ersichtlich, dass etwa auch für solche Fälle der Schutzbereich des Art. 8 Abs. EMRK von vornherein nicht eröffnet sein sollte. Allerdings ist der in diesem Zusammenhang teilweise erfolgte Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 16.06.2005 (60654/00 - <Sisojeva/Lettland> - InfAuslR 2005, 349), wonach dieser explizit keine willentliche Legalisierung verlange (so etwa Benassi, InfAuslR 2006, 397), nicht überzeugend, weil die dortigen Beschwerdeführer jahrelang rechtmäßig in der früheren Sowjetunion (im Gebiet des heutigen Lettland) und auch danach noch in Lettland selbst gelebt hatten und ihnen erst später z.T. als staatenlos gewordene russische Volkszugehörige ein Aufenthaltsrecht bestritten worden war, nachdem sie nach 1989 aber sogar noch zeitlich befristete Aufenthaltstitel erhalten hatten (vgl. etwa NdsOVG, B.v. 1.9.2006 – 8 LA 101/06 m.w.N.).

Sachgerecht ist es nach Auffassung der Kammer allein, den Schutzbereich durchaus nicht zu eng zu fassen und die Frage der Legalisierung als Element der Schrankendiskussion zu verstehen. Um aber von einem Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK sprechen zu können, das im Aufenthaltsstaat stattfindet, müssen – bei aller Unschärfe - zumindest zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss – quantitativ betrachtet - ein langjähriger Aufenthalt vorliegen. Sodann müssen - unter dem qualitativen Aspekt - bestimmte Integrationsleistungen erbracht worden sein, die es rechtfertigen, im Rahmen der Schranken des Absatzes 2 überhaupt in eine umfassende Interessen- und Verhältnismäßigkeitsprüfung einzutreten und hier gewissermaßen eine Feinabstimmung vorzunehmen. Anders ausgedrückt: Der Schutzbereich ist dann nicht eröffnet, wenn es unter dem quantitativen und/oder qualitativen Aspekt auf der Hand liegt, dass phänotypisch nicht von einem „faktischen Inländer“ gesprochen werden kann und kein Anlass dafür besteht, überhaupt einzelfallbezogen der Frage nachzugehen, ob den Betroffenen eine Rückkehr in das Land ihrer Herkunft zugemutet werden kann.

Eine solcher (negativer) Fall wird typischerweise in folgenden Fallkonstellationen anzunehmen sein:

- Die Betroffenen halten sich erst so einen kurzen Zeitraum im Bundesgebiet auf, dass sich die Frage einer auf der Schrankenebene zu diskutierende Frage (vgl. im Folgenden) nach einer Wiedereingliederung in die Verhältnisse des Herkunftslandes von vornherein nicht stellt. Es spricht hier einiges dafür, sich in etwa an dem 8-Jahreszeitraum des § 10 StAG zu orientieren, der vom Gesetzgeber für das Entstehen eines Einbürgerungsanspruchs vorausgesetzt wird (vgl. Hoppe ZAR 2006, 125 <130>; Benassi InfAuslR 2006, 397 <402>).

- Die Betroffenen haben während des langjährigen Aufenthalts keinerlei wirtschaftliche Existenzgrundlage aufbauen können und leben im Wesentlichen ununterbrochen und weitgehend vollständig von öffentlichen Unterstützungsleistungen.

- Die Betroffenen haben keine nennenswerten Sprachkenntnisse erworben und haben demgemäß keinen nennenswerten engeren Bezug zu den Lebensverhältnissen des Landes.

- Die Betroffenen sind durchgängig von Bagatellfällen abgesehen in erheblichem Umfang kriminell geworden (fahrlässige Tatbegehungen bedürfen hingegen der genauen Einzelfallbetrachtung).

Demgegenüber kann nicht eingewandt werden, in der Spruchpraxis des Gerichtshofs seien die Gesichtspunkte der Straffälligkeit oder der Sicherung des Lebensunterhalt nicht als schutzbereichsschädlich verstanden worden (so aber etwa Schild ANA-ZAR 2006, 29). Denn dieses trifft nur auf die grundlegend andere Fallkonstellation zu, in der ein bereits legalisierter langjähriger Aufenthalt beendet werden soll, sei es mit dem Mittel der Ausweisung, sei es mit dem der Nichtverlängerung eines Aufenthaltstitels; ganz abgesehen davon, dass regelmäßig das Schutzgut „Familie“ berührt war und sich dort diese Fragen von vornherein erst auf der Ebene des Art. 8 Abs. 2 EMRK stellen können. Im vorliegenden Zusammenhang geht es hingegen zunächst um die positive Feststellung eines überhaupt schützenswerten Privatlebens.

c) Den (vielfältigen und vielschichtigen) Gründen für die lange Aufenthaltsdauer ist – von Evidenzfällen wiederum abgesehen – daher erst im Rahmen der Schranke nachzugehen. Hier kommt dem Aspekt einer erfolgten (willentlichen) Legalisierung durch den Aufenthaltsstaat wesentliches Gewicht zu. Ist eine solche nicht erfolgt, muss im Rahmen einer umfassenden Abwägung eine genaue Bewertung der Gründe für den faktischen Aufenthalt erfolgen. Hier kann eine große Bandbreite von Ursachen gegeben sein. Diese kann reichen von einer langjährigen zurechenbaren Vereitelung (wenn nicht gar Sabotierung) einer Aufenthaltsbeendigung bei gleichzeitig möglicher freiwilligen Ausreise bis zu einem Dauerzustand einer unverschuldet unmöglichen Abschiebung wie freiwilligen Ausreise. Dazwischen sind differenzierte Fallgestaltungen denkbar, in denen vielleicht zu bestimmten Zeiten eine freiwillige Ausreise und auch eine Abschiebung möglich waren, die Ausländerbehörde eine solche Möglichkeit jedoch über lange Zeit nicht wahrgenommen hatte. Selbst wenn man davon ausgeht, dass im eigentlichen Sinn eine Abschiebungsmöglichkeit nicht verwirkt werden kann, da es sich nach § 58 Abs. 1 AufenthG um eine Rechtspflicht handelt (vgl. OVG NW, B.v. 25.05.2005 – 18 B 1967/04 – juris), kann in zugespitzten Fällen eine Aufenthaltsbeendigung hier jedoch gleichwohl unverhältnismäßig werden und damit Art. 8 Abs. 2 EMRK zuwider laufen.

Ebenfalls erst auf der Schrankenebene ist zu prüfen, ob ein Wiedereinleben (bei Kindern oftmals eine erstmalige Integration) in die Verhältnisse des Herkunftslandes zumutbar ist. Es handelt sich – unter der Prämisse einer überhaupt erfolgten weitgehenden und fortgeschrittenen Integration in die Verhältnisse des Aufnahmestaats - hierbei um eine klassische Verhältnismäßigkeitsprüfung, in deren Rahmen eine differenzierte Abwägung der persönlichen Belange der Betroffenen mit den öffentlichen einwanderungspolitischen Interessen stattfinden kann und muss.

d) Im Rahmen der Schranken ausfüllenden Abwägung ist in der Regel eine Verweigerung des weiteren Aufenthalts und einer erstmaligen Legalisierung verhältnismäßig und damit zulässig, wenn über Jahre hin eine an sich mögliche Aufenthaltsbeendigung immer wieder durch erkennbare aussichtlose Anträge an Behörden und Gerichte durchkreuzt wurden, sofern dieses zu einem Zeitpunkt geschah, zu dem gemessen an Art. 8 EMRK eine Aufenthaltsbeendigung noch zumutbar war. Dies wird namentlich dann anzunehmen sein, wenn, wie in der Praxis sehr häufig, Folgeanträge gestellt wurden, die von Behörden und Gerichten als nicht als asylverfahrensrelevant (vgl. hierzu GK-AsylVfG § 71 Rn. 95 ff.) behandelt wurden. Das Gleiche gilt für Petitionen, die unter realistischer Beurteilung der aktuellen praktizierten Ausländerpolitik im Land keinen Erfolg versprechen konnten. Nicht anders sind vorhersehbar aussichtlose Anträge nach § 23a AufenthG zu behandeln und zu beurteilen. Dabei können die Betroffenen in aller Regel nicht für sich ins Feld führen, dass es retrospektiv betrachtet in bestimmten Zwischenzeiträumen objektiv an sich möglich gewesen wäre, eine Abschiebung durchzuführen. Damit würde nicht genügend berücksichtigt, dass die Ausländerbehörden regelmäßig mit einer Vielzahl von Fällen befasst sind und auch aus Kapazitätsgründen zwangsläufig Schwerpunkte setzen müssen. Auch bliebe unbeachtet, dass mit jedem aussichtlosen Antrag, der jeweils in der Verantwortungssphäre der Betroffenen liegt, die Verfahren komplexer und unübersichtlicher werden können. In besonderen Ausnahmefällen mag eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein.

Eine besondere Problematik besteht insoweit, als in der Mehrzahl der praktisch relevanten Fälle Eltern in der Vergangenheit in Ausübung ihres aus dem Recht der Personensorge fließenden Aufenthaltsbestimmungsrechts gehandelt haben. Es ist hier in Anbetracht der Tatsache, dass die minderjährigen Kinder sich nicht nur familienrechtlich alle Maßnahmen der Personensorge zurechnen lassen müssen, sondern auch grundsätzlich aufenthaltsrechtlich das Schicksal ihrer Eltern teilen, nicht gerechtfertigt, den Kindern diese Maßnahmen im Regelfall nicht zuzurechnen (vgl. VGHBW, B.v. 10.05.2006 – 11 S 2354/05 – juris; VG Stuttgart, U.v. 20.07.2006 – 4 K 921/06 - InfAuslR 2006, 409; so aber wohl RhPfOVG, B.v. 24.02.2006 – 7 B 10020/06.OVG – InfAuslR 2006, 274; VG Stuttgart, U.v. 24.06.2004 – 11 K 4809/03InfAuslR 2005, 106; U.v. 11.10.2005 – 11 K 5363/03InfAuslR 2006, 14), zumal ohnehin – gewissermaßen als Kehrseite - davon auszugehen ist, dass die minderjährigen Kinder mit ihren Eltern zurückkehren (müssen), sofern nicht den Eltern selbst die Rückkehr nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. hierzu noch im Folgenden). Entsprechende Überlegungen gelten, wenn die Eltern – auch zulasten ihrer Kinder – ihren Mitwirkungspflichten bei der Beschaffung von Identitäts- oder Passpapieren in zurechenbarer Art und Weise nicht nachgekommen sind. Die Tatsache, dass die Kinder ab dem 16. Lebensjahr gem. § 80 Abs. 1 verfahrenshandlungsfähig waren, ändert bis zum Eintritt der Volljährigkeit nichts an dieser Bewertung, da die Personensorge und damit das hieraus fließende Aufenthaltsbestimmungsrecht davon nicht berührt werden. Die Fälle des § 35 Abs. 1 S. 1 und § 37 AufenthG sind hier ersichtlich nicht einschlägig. § 35 Abs. 1 S. 1 AufenthG setzt als allein rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers gerade die vorangegangene durchgängige Legalisierung des Aufenthalts voraus. Auch die letztgenannte Vorschrift steht in einem völlig anderen rechtspolitischen Kontext und betrifft Rückkehrer, die regelmäßig vor ihrer Rückkehr bereits die Perspektive eines unbefristeten Aufenthaltsrechts hatten, und stellt eine Reaktion des Gesetzgebers auf die rechtspolitisch umstrittenen und zweifelhaften Aktionen der Rückkehrförderung in den 80-er Jahren im Gefolge des „Gesetzes zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern“ (v. 28.11.1983 – BGBl. I 1377) dar, mit der Härten und Unzuträglichkeiten gemildert werden sollten (vgl. zur Vorläufervorschrift des § 16 AuslG 1990 BT-Drucks. 11/6321, 59), weshalb aus ihr keine bestimmten Wertungen verallgemeinert werden können (so aber VG Stuttgart, U.v. 11.10.2005 – 11 K 5363/03 – a.a.O.).

Eine differenziertere Beurteilung ist hingegen bei volljährig gewordenen Kindern geboten. Denn diese nehmen nicht mehr an dem aufenthaltsrechtlichen Schicksal der Eltern teil, weil sie auch nicht mehr deren Personensorge unterliegen. Vor diesem Hintergrund kann und darf nach dem vorgegebenen rechtlichen Rahmen nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie im Familienverbund in den Herkunftsstaat zurückkehren und dort in demselben leben werden. Haben die Kinder nach Erlangung der Volljährigkeit keine – ihnen dann eigenständig zuzurechnende – Versuche mehr unternommen eine Aufenthaltsbeendigung zu durchkreuzen bzw. zu verhindern, und ggf. nunmehr sogar an der Beseitigung von Abschiebungshindernissen mitzuwirken versucht, und löst sich infolge dessen der unmittelbare zeitliche und sachliche Zusammenhang zu den früheren Handlungen der Eltern, so stößt eine weitergehende Zurechnung des Verhaltens der Eltern angesichts ihrer erlangten rechtlichen Selbstständigkeit an die Grenzen der Verhältnismäßigkeit, sofern alle weiteren Integrationsvoraussetzungen erfüllt sind und auch eine Rückkehr in das Herkunftsland aus sonstigen Gründen nicht mehr zumutbar ist. Allerdings kann diese Sichtweise dann u.U. zu der Konsequenz führen, dass den Volljährigen ein Bleiberecht zukommt, während dies bei den Eltern und eventuell noch vorhandenen minderjährigen Geschwistern nicht der Fall ist (vgl. zu diesen noch im Folgenden). Eine hierdurch bewirkte Trennung der Familienmitglieder wäre jedoch, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, weder mit Art. 6 GG (vgl. BVerfG, B.v. 18.04.1989 – 2 BvR 1169/84NJW 1989, 2195; BVerfG (K), B.v. 01.03.2004 – 2 BvR 1570/03NVwZ 2004, 852) noch mit Art. 8 Abs. 1 EMRK (vgl. EGMR, U.v. 17.04.2002 – 52853/99 <Yilmaz> - NJW 2004, 2147, der implizit eine Trennung von erwachsenen Kindern von Eltern und Geschwistern im Grundsatz nicht für problematisch erachtet und den festgestellten Konventionsverstoß allein aus der fehlenden Befristung der Ausweisung herleitete) unvereinbar.

Ob im Übrigen eine Fallkonstellation des Art. 8 Abs. 2 EMRK gegeben ist, in der eine Aufenthaltsbeendigung eines in Deutschland lebenden Ausländers in das Land seiner Herkunft einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben darstellen würde, hängt immer von zwei kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen ab. Zum einen von seiner Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse („Verwurzelung“) und zum anderen von der Zumutbarkeit einer (erstmaligen) Integration bzw. Reintegration in dem Staat seiner Staatsangehörigkeit („Entwurzelung“).

Für die Integration des Ausländers in Deutschland streitende Gesichtspunkte sind dabei neben einer langjährigen Dauer des Aufenthalts: In Abhängigkeit vom jeweiligen Bildungsstand gute deutsche mündliche und schriftliche Sprachkenntnisse; soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Absolvierung einer allgemeinbildenden Schule und einer (qualifizierten) Berufsausbildung bzw. der Innehabung eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes, in einem festen Wohnsitz, ausreichenden Mitteln (einschließlich ausreichendem Krankenversicherungsschutz), um den Lebensunterhalt ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können, sowie fehlender Straffälligkeit zum Ausdruck kommt. Vorsätzliche Straftaten werden hier, von Bagatelldelikten (wie etwa vereinzelt gebliebene Beförderungserschleichungen oder Ladendiebstählen) abgesehen, regelmäßig entgegenstehen. Von Bedeutung kann hier auch die Feststellung sein, dass die Betreffenden über vielfältige und vielschichtige Beziehungen zu Menschen außerhalb ihrer eigenen landsmannschaftlich geprägten Gruppe verfügen.

In diesem Zusammenhang ist weiter die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu würdigen. Denn ein unerlaubter Aufenthalt und die damit verbundene Unsicherheit des Aufenthaltsstatus stehen der Führung eines schutzwürdigen Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK tendenziell entgegen, weil im Grundsatz die Betroffenen angesichts einer ausdrücklichen Verweigerung der Legalisierung durch den Aufenthaltsstaat nicht darauf vertrauen durften, dass dieser den Aufenthalt letztlich doch hinnehmen werde (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., B.v. 10.05.2006 - 11 S 2354/05 - juris; U.v. 18.01.2006 - 13 S 2220/05ZAR 2006, 142; vgl. auch EGMR, U. v. 30.01.2006 - 50435/99 - <Rodrigues da Silva und Hoogkammer/Niederlande> - InfAuslR 2006, 298).

Was die wirtschaftliche Integration betrifft, ist es nicht erforderlich, dass etwa eine besonders qualifizierte Berufstätigkeit ausgeübt wird, sofern der Arbeitsplatz ungekündigt ist und prognostisch gesehen weiter bestehen bleiben wird, was insbesondere dann angenommen werden kann, wenn der Betroffene den Arbeitsplatz schon lange innehat. Der Umstand, dass in der Vergangenheit Sozialleistungen bezogen wurden (insbesondere während eines durchlaufenden Asylverfahrens), ist unerheblich, wenn davon ausgegangen werden kann, dass diese Lebensphase zuverlässig und dauerhaft überwunden wurde.

Dabei ist es erforderlich, dass die Betroffenen, sofern kein nennenswertes Vermögen vorliegt, nunmehr regelmäßig Einnahmen erzielen, die vom Umfang und der Stetigkeit ihres Zuflusses zuverlässig über den Regelsätzen nach dem SGB II oder XII zuzüglich den Kosten für die Unterkunft liegen und nicht etwa ständig um diese Grenze oszillieren. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es hier in erster Linie nicht um die Anwendung des Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG geht, von der im Übrigen nach § 5 Abs. 3 AufenthG sogar im Ermessenswege abgesehen werden könnte, sondern vielmehr um die positive Feststellung einer unerlässlichen Integrations- bzw. Verwurzelungsvoraussetzung. Ausländer, die nicht nur vorübergehend in einer prekären wirtschaftlichen Situation leben, mögen sich zwar angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse namentlich auf dem Arbeitsmarkt in einer mit vielen deutschen Staatsangehörigen vergleichbaren Situation befinden, vom Aufbau einer wirtschaftlich tragfähigen selbstständigen Existenzgrundlage, die aufzugeben dem Ausländer nicht als verhältnismäßig und zumutbar angesonnen werden darf, kann jedoch bei dieser Sachlage nicht die Rede sein. Lagen die Einkünfte in der Vergangenheit – nicht nur ganz kurzfristig - unter dieser Grenze, ohne dass aber gesetzlich zustehende Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen wurden, so steht dies möglicherweise dann nicht entgegen, wenn aufgrund einer sorgfältigen durch tragfähige Fakten getragenen Prognose zuverlässig vorhergesagt werden kann, dass – wegen der mit dem Wechsel vom Duldungsstatus in den des erlaubten Aufenthalts verbundenen Veränderungen – eine Verbesserung der Einkommensverhältnisse zu erwarten ist. Es muss dann aber gewissermaßen ein Fall gegeben sein, in dem – etwa mit Rücksicht auf Bildung, Ausbildung sowie die darauf gründenden konkreten Erfahrungen bei der erfolglosen Stellensuche – eine wirtschaftliche Integration bereits im Kern angelegt ist und sich lediglich wegen des bisherigen Duldungsstatus nicht entfalten konnte. All dies dürfte allerdings oftmals nicht nur wegen der aktuell weiterhin hohen Arbeitslosigkeit, sondern auch im Hinblick auf das Nachrangprinzip des § 39 Abs. 2 S. 1 lit. b AufenthG nur schwer darzulegen und nachzuweisen sein. Ob eine solche Ausnahme zu machen ist, kann aber hier letztlich offen bleiben, weil, wie noch auszuführen sein wird, diese Voraussetzungen hier nicht gegeben sind. Der Einwand, man habe in der Vergangenheit tatsächlich ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen leben können, vermag die Feststellung einer unzureichenden wirtschaftlichen Integration nicht in Frage zu stellen, zumal jederzeit Ansprüche geltend gemacht werden könnten, was im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht von vornherein von geringem Gewicht ist (vgl. zum Bezug von Leistungen nach § 8 Abs. 2 BAföG VG Stuttgart, U.v. 20.07.2006 – 4 K 921/06InfAuslR 2006, 409). Hinzu kommt, dass bei einem Erwerbseinkommen unterhalb der vorgenannten Grenzen, auch wenn keine Sozialleistungen tatsächlich in Anspruch genommen wurden, mit guten Gründen damit gerechnet werden muss, dass die Betroffenen später auch bei einer kleineren Bedarfsgemeinschaft eine so geringe Altersrente beziehen werden, dass dann ein Bezug von Sozialleistungen unausweichlich sein wird. Auch hieraus wird deutlich, dass bei einer solchen Sachlage eine ausreichende wirtschaftliche Integration nicht besteht.

Was die Unzumutbarkeit eines Wiedereinlebens in die Verhältnisse des Herkunftslandes oder im praktisch sehr häufigen Fall eines erstmaligen Einlebens in diese Verhältnisse betrifft, darf diese allerdings wohl nicht vorschnell schon mit dem Argument verneint werden, dass bei hier geborenen oder den wesentlichen Teil des Lebens hier aufgewachsenen Kindern noch ausreichende mündliche Sprachkenntnisse vorhanden seien (vgl. etwa VGHBW, U.v. 18.01.2006 – 13 S 2220/05ZAR 2006, 142; HessVGH, U.v. 07.07.2006 – 7 UE 509/06 - juris). Mit einer weitgehenden Reduzierung der Fragestellung auf diesen Aspekt wird die Problematik einer Rückkehr nur unzureichend erfasst und bewältigt. Denn oftmals bestehen Sprachkenntnisse zwar schon deshalb, weil gerade die Eltern eher über weniger gute Deutschkenntnisse verfügen und daher bei realistischer Betrachtungsweise in der Familie weitgehend die Muttersprache gesprochen wurde, auch wenn die Kinder mittlerweile perfekt oder gut deutsch sprechen. Bei genauerer Betrachtung wird sich aber häufig schnell ergeben, dass zwar durchaus noch gute oder wenigstens befriedigende mündliche Sprachkenntnisse bestehen, es aber bei der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit – in nachvollziehbarer Ermangelung einer diesbezüglichen Praxis - erhebliche Defizite gibt oder die Schriftsprache gar nicht mehr richtig beherrscht wird, wenn insbesondere noch hinzukommt, dass in der Muttersprache keine lateinischen Schriftzeichen verwendet werden. Gerade aber auch die schriftliche Artikulationsfähigkeit muss als ein wesentliches Integrationselement verstanden und angemessen gewürdigt werden. Daher muss im Einzelfall eine Unzumutbarkeit der Rückkehr bei lediglich festgestellter mündlicher Ausdrucksfähigkeit ernsthaft in Betracht gezogen werde, wenn nicht andere gewichtige Gesichtspunkte und öffentliche Interessen entgegen stehen.

Minderjährige Kinder bedürfen aufgrund ihrer besonderen familien- und auch aufenthalts- und familienrechtlichen Stellung einer gesonderten Betrachtung (vgl. hierzu schon oben). Hier ist immer die Situation der Eltern mit in den Blick zu nehmen und zu berücksichtigen, dass Kinder, solange sie nicht volljährig sind, nicht nur regelmäßig deren aufenthaltsrechtliches Schicksal teilen, sondern darüber hinaus – auch zur Vermeidung einer Unverhältnismäßigkeit der Rückkehr - auf deren familien- und sorgerechtlich zu erbringende Erziehungs- und Hilfeleistungen bei den im Falle der Rückkehr erforderlichen Integrationsbemühungen verwiesen werden dürfen. Gerade in diesen Fällen sind, wenn bei den Eltern der gebotene Integrationsstand nicht erreicht ist bzw. ihnen die Rückkehr ohne weiteres zumutbar ist, erhebliche, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung regelmäßig überwiegende und durchschlagende einwanderungspolitische Interessen berührt, wenn gewissermaßen in umgekehrter Richtung das minderjährige Kind mittelbar seinen nicht oder – wie sehr häufig - nur unzulänglich integrierten Eltern ein Aufenthaltsrecht verschaffen würde mit der Folge, dass im Ergebnis die Eltern das aufenthaltsrechtliche Schicksal des Kindes teilen würden (vgl. zu alledem VGH Baden-Württemberg, B.v. 10.05.2006 - 11 S 2354/05 – juris; a.A. VG Stuttgart, U.v. 24.06.2004 – 11 K 4809/03InfAuslR 2005, 106; U.v. 11.10.2005 – 11 K 5363/03InfAuslR 2006, 14, das explizit eine gemeinsame Betrachtung ablehnt). Deshalb kann nur in ganz besonderen Ausnahmefällen auch in diesen Fallkonstellationen von einem unverhältnismäßigen Eingriff ausgegangen werden, wenn etwa offenkundig kein Elternteil die erforderliche Unterstützung im Herkunftsland leisten kann (vgl. VG Stuttgart, U.v. 20.7.2006 – 4 K 921/06InfAuslR 2006, 409). Zur Klarstellung ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis der einheitlichen Betrachtung von Eltern und minderjährigen Kindern weniger auf das Element der Integration in die Lebensverhältnisse des Aufenthaltsstaats abzielt, als vielmehr auf die Zumutbarkeit einer Rückkehr in das Herkunftsland. Denn in der Mehrzahl der praktisch relevanten Fälle kann realistischerweise von einer nicht gelungenen Integration der Eltern nicht auf eine ebenfalls nicht erfolgte Integration der Kinder geschlossen werden. Eine gemeinsame Betrachtung ist auch deshalb geboten, weil andernfalls der Aspekt der wirtschaftlichen Integration nicht umfassend und zutreffend gewürdigt werden würde. Denn in der Regel werden die minderjährigen Kinder wirtschaftlich nicht auf eigenen Beinen stehen, namentlich wenn sie noch in einer Ausbildung stehen. Es wäre auch nicht sachgerecht, letztlich den (unzulänglich integrierten) Eltern über die jedenfalls unter dem wirtschaftlichen Aspekt in keiner Weise integrierten minderjährigen Kindern mittelbar ein Aufenthaltsrecht zuzuerkennen, weil sie für den Unterhalt der Kinder aufkommen müssen (vgl. hierzu auch VG Stuttgart, U.v. 20.07.2006 – 4 K 921/06 – a.a.O.).

2. Gemessen hieran stellt die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnisse jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff in das Privatleben der Kläger im Sinne des Art. 8 EMRK dar.

Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass sie sich inzwischen seit 1987 bzw. 1988, 1990 und 1996 faktisch im Bundesgebiet aufhalten und ihnen deshalb eine Rückkehr in die Türkei unzumutbar wäre.

Bei den Klägern Ziffer 1 und 2 liegt dies schon allein deshalb auf der Hand, weil sie als Erwachsene in das Bundesgebiet eingereist sind, weshalb auch nach 19 Jahren mit einer Rückkehr ihnen nichts Unzumutbares abverlangt wird.

Im Übrigen steht bei allen Klägern der Annahme einer Unzumutbarkeit der Rückkehr entgegen, dass es ihnen spätestens seit dem 23.06.1992 und zu einer Zeit, zu der sie sich (maximal) fünf Jahre in der Bundesrepublik aufhielten, möglich und auch zumutbar war, wieder freiwillig in die Türkei zurückzukehren. Denn mit Beschluss vom 22.06.1992 hatte der VGH Baden-Württemberg im ersten Asylverfahren den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des VG Stuttgart vom 29.11.1990 abgelehnt. In der Folgezeit hatten die Kläger durch bis zu vier Folge- und Wiederaufgreifensanträge, zwei Petitionen sowie einen Härtefallantrag, die erkennbar keine Aussichten auf Erfolg haben konnten, ihre zeitnahe Aufenthaltsbeendigung hinausgezögert bzw. vereitelt. Hinsichtlich des ersten Folgeantrags vom 24.07.1992 hatte das VG Stuttgart im Urteil vom 25.10.1996 zweifelsfrei bereits das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 VwVfG verneint (vgl. zur Qualifizierung dieses Antrags als Folgeantrag VGHBW, U.v. 29.08.2001 - 13 S 1616/00 - UA S. 10). Das Gleiche gilt für den zweiten Folgeantrag vom 09.05.1997 (vgl. VG Stuttgart, U.v. 12.02.1999, in dem die Aussage des vernommenen Zeugen zudem als bloße und leicht durchschaubare Gefälligkeitsaussage gewertet wurde). Bezüglich des dritten Folgeantrags vom 19.12.2001 hatte das VG Stuttgart im Urteil vom 30.09.2003 zwar letztlich wohl doch offen gelassen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG vorgelegen hatten, die Klage hatte jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil die Aussagen der beiden Zeugen als in jeder Hinsicht vollständig unglaubhaft gewürdigt worden waren. Der letzte Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (beschränkt auf die Voraussetzungen des § 53 AuslG 1990 bzw. § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG) wurde durch Bescheid des BAMF vom 22.12.2005 abgelehnt, weil die geltend gemachten Gründe bereits Gegenstand des Urteils vom 30.09.2003 gewesen waren. Im Übrigen wurden die insoweit zum VG Stuttgart erhobenen Klagen auch zurückgenommen. Vor diesem Hintergrund müssen auch die beiden erfolglosen Petitionen vom September 2003 und Dezember 2005 gesehen werden, die nur in der Weise bewertet werden können, dass hier weitere - vorhersehbar - erfolglose Versuche unternommen wurden, um eine Aufenthaltsbeendigung zu verhindern. Hinsichtlich des Härtefallantrags gilt nichts anderes. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass hier auch die Kläger Ziffer 3 und 4 eigenständig zu einem Zeitpunkt selbst aktiv wurden, als sie bereits volljährig geworden waren. Daher erweist sich schon aus diesen Gründen das Ansinnen, in die Türkei zurückzukehren, nicht als unverhältnismäßig. Dies gilt selbst dann, wenn man das von den Klägern nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils des VG Stuttgart vom 12.02.1999 am 30.06.1999 bis zur Stellung des nächsten Folgeantrags am 19.12.2001 betriebene aufenthaltsrechtliche Verfahren ihnen nicht zum Nachteil gereichen lässt. Denn nach der dargestellten Vorgeschichte konnten sie jedenfalls, nachdem sie von dem – im Übrigen überzeugend begründeten – Berufungsurteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 31.03.2003 erfahren hatten, nicht darauf vertrauen, ihr Aufenthalt könne noch legalisiert und eine Ausreise bzw. Abschiebung vermieden werden. Gleichwohl haben sie das dritte erkennbar aussichtlose Folgeverfahren weiter betrieben und unmittelbar danach noch eine Petition nachgeschoben.

Folgt bereits hieraus, dass den Klägern eine Rückkehr in ihr Herkunftsland nicht unzumutbar ist, so gilt dies umso mehr, als die Kläger Ziffer 1, 2 und 4 bis 7 auch über kein eigenständiges Einkommen verfügen, das nach den maßgeblichen oben dargestellten Grundsätzen die Annahme rechtfertigt, dass sie in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland ausreichend integriert sind. Bei einem Nettoeinkommen des Klägers Ziffer 1 zwischen 929,64 und 1263,06 € monatlich und einem Kindergeldanspruch in Höhe von 462,- € sind die Kläger Ziffer 1, 2 und 4 bis 7 unter Berücksichtigung der Kosten für die Unterkunft in Höhe von 628,- € zwingend auf laufende Unterstützungsleistungen des Klägers Ziffer 3 in Höhe von 500,- bis 650 € monatlich angewiesen. Vermindert man die Kosten der Unterkunft, in der auch der Kläger Ziffer 3 wohnt, um dessen Anteil von 1/7 (d.h. etwa 90,- €) auf 538,- €, so beläuft sich sozialhilferechtliche Bedarf auf 2.194,-€ und wird damit nicht einmal bei einer maximalen Unterstützungsleistung in Höhe von 650,- € durch den Kläger Ziffer 3 gedeckt. Abgesehen davon kann diese Unterstützungsleistung auch nicht als dauerhaft unterstellt werden, da der Kläger Ziffer 3 diese nur dann wird leisten können, wenn er in der Zukunft nicht selbst Unterhaltsleistungen gegenüber Angehörigen einer eventuell gegründeten eigenen Familie zu erbringen hat. Selbst wenn man den vom Kläger Ziffer 5 seit August diesen Jahres aus einer lediglich befristeten geringfügigen Beschäftigung in Höhe von monatlich 304,06 € erzielten Verdienst hinzunimmt, wäre der Bedarf nur bei Berücksichtigung von Unterstützungsleistungen (allerdings dann in geringerer Höhe) des Klägers Ziffer 3 gedeckt. Dass sich infolge der Verbesserung des aufenthaltsrechtlichen Status an den Einkommensverhältnissen des Klägers Ziffer 1 etwa Entscheidendes ändern könnte, ist - nicht zuletzt im Hinblick auf dessen Ausbildung, Alter und gesundheitliche Situation (vgl. zu Letzterem das Vorbringen im letzten Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens) - nicht ersichtlich. Zwar wurde im Übrigen vorgetragen, dass die Klägerin Ziffer 4 einen Ausbildungsplatz erhalten könne. Die Realisierung ihres Ausbildungswunsches und eine damit einher gehende Zunahme des Familieneinkommens setzte aber unabdingbar voraus, dass die erforderliche Zustimmung durch die Arbeitsverwaltung nicht am Nachrangprinzip des § 39 Abs. 2 S. 1 lit. b AufenthG scheitert (vgl. auch Art. 7 S. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80, der mit einer Legalisierung des Aufenthalts des Klägers Ziffer 1 grundsätzlich anwendbar wäre), was aber in Anbetracht der äußerst angespannten Lage auf dem Lehrstellenmarkt nicht von der Hand zu weisen ist. Aus alledem wird deutlich, dass aktuell und auch auf absehbare Zeit die dauerhafte Erzielung eines Einkommens, das zuverlässig über dem sozialhilferechtlichen Bedarf liegt, nicht gewährleistet ist. Nichts anderes gilt für den Kläger Ziffer 5, dem seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge sein Arbeitgeber für den Fall einer Legalisierung des Aufenthalts eine weitergehende Beschäftigung, allerdings auch nur in Teilzeit, in Aussicht gestellt haben soll.

Was die Situation der Klägerin Ziffer 4 im Übrigen betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, das nach den vorliegenden polizeilichen Ermittlungsberichten nichts dafür spricht, dass der von ihr unternommene Suizidversuch im Wesentlichen durch den Abschiebungsversuch vom 07.08.2003 verursacht worden sein könnte, wobei dahin stehen kann, ob dieser Frage im vorliegenden Kontext überhaupt rechtliche Relevanz zukäme. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Aussage der Klägerin Ziffer 2 gegenüber der Kriminalaußenstelle Kirchheim vom 11.08.2003, in der sie unmissverständlich auf bereits länger währende innerfamiliäre Konflikte hingewiesen hatte. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass im Falle einer ärztlichen Betreuung die Abschiebung nicht in einer Weise gestaltet werden könnte, dass etwaigen, im Übrigen für den heutigen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch nicht einmal ansatzweise plausibel gemachten Risiken, hinreichend zuverlässig begegnet werden kann.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf das Ausmaß der bei den Klägern Ziffer 3 bis 7 vorhandene Sprachkompetenz im Einzelnen nicht mehr an. Denn es zumindest davon auszugehen, dass sie sich mündlich in jeder Hinsicht ausreichend in der türkischen Sprache ausdrücken können. Selbst wenn die schriftliche Ausdrucksfähigkeit unvollkommen sein oder gar fehlen sollte, vermag dieser Umstand die vorgenannten Defizite nicht aufzuwiegen.

Den minderjährigen Klägern Ziffer 6 und 7 ist unabhängig von dem Vorgesagten nach den dargelegten Grundsätzen die Rückkehr mit ihren Eltern zuzumuten.

Soweit die Kläger erneut zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote geltend machen, steht deren Berücksichtigung schon die aus den §§ 4 und 42 AsylVfG folgende Bindungswirkung der Entscheidungen des BAMF bzw. der angerufenen Gerichte entgegen, in denen diese Gründe im Übrigen bereits geprüft worden waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 159 S. 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.