Bayerischer VGH, Beschluss vom 11.06.2008 - 10 C 08.777
Fundstelle
openJur 2012, 92885
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 29. Februar 2008 aufgehoben.

II. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts München von 21. August 2007 wird dahingehend abgeändert, dass der Erstattungsbetrag um 238,80 Euro erhöht wird. Das Verfahren wird zur weiteren Veranlassung an den Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts München zurückverwiesen.

III. Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.

IVI. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 238,80 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr.

1. Im Ausgangsverfahren verfolgte der Kläger zwei Klageziele: eine strafbewährte Unterlassungserklärung und Schmerzensgeld. In der mündlichen Verhandlung erklärten Kläger und Beklagte den Unterlassungsanspruch für erledigt. Für den Schmerzensgeldanspruch wurde die Verweisung der Klage an die ordentliche Gerichtsbarkeit beantragt. Der Streitwert wurde auf insgesamt 7.000 Euro festgesetzt. Ferner schlugen die Parteien einvernehmlich eine Kostenregelung vor. Das Verwaltungsgericht folgte diesem Vorschlag und legte dem Beklagten zwei Drittel und dem Kläger ein Drittel der Kosten auf.

2. Am 4. Mai 2007 beantragte der Kläger die Festsetzung der Kosten und veranschlagte neben einer Verfahrens- und Terminsgebühr auch eine Erledigungsgebühr von 85 Euro. Der Kostenbeamte lehnte die Festsetzung der Erledigungsgebühr mit der Begründung ab, dass die Erledigungsgebühr nur bei besonderen, über die übliche Prozessführung hinausgehenden Bemühungen des Rechtsanwalts um eine einvernehmliche Erledigung des Rechtsstreits angesetzt werden könne. Mit der fristgerecht erhobenen Kostenerinnerung trug der Kläger vor, dass er hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs eine Einigungs-, hilfsweise eine Erledigungsgebühr verdient habe. Die Einigung beruhe auch auf seinen Bemühungen. Das Verwaltungsgericht wies die Kostenerinnerung mit der Begründung zurück, dass eine Einigungsgebühr mangels Einigung in der Sache nicht in Betracht komme und dass die Erledigung des Rechtsstreits ausweislich des Protokolls allein auf der Erklärung des Beklagten beruhe.

3. Mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde wird geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer durch die eingereichten Schriftsätze und seinen Beitrag bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage an der Abgabe der Unterlassungserklärung des Beklagten mitgewirkt habe. Der Beschwerdewert des § 146 Abs. 3 VwGO sei auch erreicht. Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen, dass der Beschwerdewert von 200 € nicht erreicht sei und dass für eine Gebühr nach Nr. 1002 VV-RVG Bemühungen vorliegen müssten, die über die allgemeine Prozessführung hinausgingen. Daran fehle es.

II.

Die zulässige Beschwerde, über die der Senat in voller Besetzung entscheiden muss (vgl. BayVGH vom 19.1.2007, 24 C 06.2426), hat in der Sache Erfolg.

1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht § 146 Abs. 3 VwGO nicht entgegen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes überschreitet die Grenze von 200 Euro. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 20. August 1986 (NVwZ 1987, 219/220) ausgeführt hat, wird der Wert des Beschwerdegegenstandes durch die Beschwer des Rechtsmittelführers und durch dessen Beschwerdeantrag bestimmt. Im vorliegenden Fall liegt die Beschwer des Klägers nicht allein darin, dass die beantragte Erledigungsgebühr für die Kosteneinigung von 85 Euro abgelehnt worden ist. Denn mit der Kostenerinnerung hat der Kläger seinen Antrag dahingehend geändert, dass er eine Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr für die Streitbeilegung hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs begehrt. Wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, überschreitet die Einigungsgebühr für diesen mit 5.000 Euro Streitwert anzusetzenden Anspruch die 200 Euro-Grenze. Nach Anlage 2 zu § 13 RVG beträgt die einfache Gebühr hierfür bereits 301 Euro.

2. Dem Kläger steht auch in der Sache die Kostenerstattung von zwei Dritteln einer Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV-RVG zu.

a) Allerdings ist die Anrechnung einer Erledigungsgebühr im vorliegenden Fall nicht möglich. Der Kläger hat seinen ursprünglichen Antrag, für die Einigung über die Kosten von 1.200 Euro eine Gebühr zu fordern, mit Recht nicht weiterverfolgt. Zum einen kommt hierfür grundsätzlich keine Erledigungs-, sondern nur eine Einigungsgebühr in Betracht. Zum anderen setzt eine Einigungsgebühr nach Ziffer 1000 VV-RVG voraus, dass sich die Parteien verbindlich über die Kosten einigen. Solange sie lediglich dem Gericht einen Kostenvorschlag unterbreiten, bleibt die verbindliche Entscheidung dem Gericht überlassen. Es besteht dann kein Grund, die Entlastung des Gerichts gebührenrechtlich zu honorieren (vgl. OLG Köln vom 15.8.2005 MDR 2006, 539).

b) Desweiteren scheidet die Anrechnung einer Erledigungsgebühr nach Ziffer 1002 VV-RVG für den Unterlassungsanspruch aus. Nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung muss sich die Erledigung durch die Aufhebung eines angefochtenen Verwaltungsakts oder durch den Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes ergeben. Im vorliegenden Fall begehrte der Kläger jedoch nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern die Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung. Der Beklagte sollte sich verpflichten, die Weitergabe bestimmter privater Daten zu unterlassen. Es wurde somit nur ein schlichtes Verwaltungshandeln, die Anerkennung einer Rechtspflicht zur Unterlassung eines Realakts, und kein förmlicher Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 VwVfG begehrt.

10c) Hingegen kann der Kläger die Anrechnung einer Einigungsgebühr nach Ziffer 1000, 1003 VV-RVG beanspruchen. Die Einigungsgebühr setzt die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages voraus, durch den der Streit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Wie der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13. April 2007 (NJW 2007, 2187) zutreffend ausgeführt hat, setzt die Einigungsgebühr keinen protokollierten Vergleich, sondern nur eine Einigung über materielle Ansprüche voraus. Dementsprechend kann eine Einigungsgebühr auch anfallen, wenn der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien beendet wird. Zwar stellen die übereinstimmenden Erledigungserklärungen als solche bloße Prozesshandlungen dar, die lediglich die Rechtshängigkeit der bisher streitigen Ansprüche beseitigen. Wenn jedoch gleichzeitig eine Einigung über die in Frage stehenden materiell-rechtlichen Ansprüche erzielt wird, ist eine Einigungsgebühr anzunehmen (vgl. OLG Köln vom 15.8.2005, a.a.O. LG Koblenz vom 7.3.2008, 12 T 10/08 juris RdNr. 7). Die Einigungsgebühr entfällt nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV-RVG nur dann, wenn der Rechtsstreit nicht durch ein mehrseitiges Einvernehmen, sondern durch ein einseitiges Anerkenntnis beendet wird, wobei auch hier ein rein materielles Anerkenntnis genügt (vgl. LAG Düsseldorf vom 1.8.2006 MDR 2007, 119).

Im vorliegenden Fall wurde der Rechtsstreit über den Unterlassungsantrag jedoch nicht durch ein einseitiges Anerkenntnis beendet. Zwar hat der Beklagte den Anspruch des Klägers durch eine einfache Unterlassungserklärung befriedigt und damit in der Sache den Anspruch des Klägers auf Schutz seiner privaten Daten anerkannt. Damit war der Rechtsstreit jedoch nicht erledigt, weil der Beklagte keine strafbewährte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Hierauf hat der Kläger im Wege gegenseitigen Nachgebens verzichtet und deswegen auch bei der Kostenentscheidung einem Teilunterliegen zugestimmt. Insofern wurde durch Einigung über den materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch und dessen Ausgestaltung der Rechtsstreit einvernehmlich beigelegt, was die Gebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz1 VV-RVG auslöst.

Da das Gericht nach dieser Einigung noch über das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers entscheiden musste, ermäßigt sich die Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV-RVG, so dass eine Gebühr in Höhe von 301 Euro nebst Mehrwertsteuer anzurechnen ist. Weil der Kläger nach der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts nur zwei Drittel dieser Gebühr erstattet bekommt, beläuft sich der Änderungsbetrag auf 200,67 Euro plus 19 Prozent Umsatzsteuer, also 238,80 Euro. Der Erstattungsbetrag des Kostenfestsetzungsbeschlusses ist folglich um diesen Betrag zu erhöhen.

Die Zurückverweisung an den Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts beruht auf § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO (vgl. Happ, in Eyermann VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr.10 zu § 165).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).