BGH, Urteil vom 17.06.2005 - V ZR 328/03
Fundstelle
openJur 2012, 59528
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Kläger wird -unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels -das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 27. November 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 143.653,95 € abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 7. Mai 2003 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte zur Zahlung auch Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Rückzahlungsansprüche der Kläger gegen das Finanzamt B. in der N. aus der Aufhebung der Grunderwerbsteuerbescheide vom 16. Oktober 1998 (St.-Nr. 1560841327 und 1560841319) verurteilt wird.

Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelinstanzen tragen die Kläger zu 4 % und die Beklagte zu 96 %.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. September 1998 erwarben die Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung in einer noch zu errichtenden Anlage "mit zwei Häusern mit jeweils 9 und 10 Wohnungseinheiten" zum Preis von 310.000 DM. Die Teilungserklärung vom 5. Februar 1998, die bei Vertragsschluß vorlag, weist für das gesamte Objekt nur Wohnungseigentumsund keine Teileigentumseinheiten aus. Weiter ist darin bestimmt, daß "alle Wohnungen auch gewerblich genutzt werden können, ohne daß hierzu die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer eingeholt werden muß". Schließlich hatte sich die Beklagte in der Teilungserklärung vorbehalten, "eine Änderung bei der Aufteilung und der Zuordnung der Sondernutzungsrechte" vorzunehmen, falls dies "beim Verkauf der einzelnen Wohnungseigentumsrechte gewünscht" werde. Unter Bezugnahme hierauf heißt es in § 1 Abs. 2 des Kaufvertrags, den Käufern sei bekannt, daß "die Zuordnung der Sondernutzungsrechte für die einzelnen Wohnungseigentumsrechte und deren Aufteilung durch den Verkäufer geändert werden" könne. Weiter ist in § 1 Abs. 2 bestimmt:

"Die Änderung der Teilungserklärung beinhaltet auch, daß einegewerbliche Nutzung, die den allgemeinen Wohnwert der Anlagemindert, ausgeschlossen wird."

Am 29. September 1998 beantragte die Beklagte bei der zuständigen Baubehörde die Genehmigung einer Nutzungsänderung für die im Erdgeschoß unter der von den Klägern erworbenen Wohnung gelegenen Räume, die als Büro einer Holzvertriebsgesellschaft genutzt werden sollten. Nach Erteilung der Genehmigung änderte die Beklagte am 5. Februar 1999 die Teilungserklärung u.a. dahin ab, daß die Einheit nunmehr anstelle von Wohnungseigentum als Teileigentum ("Sondereigentum an den nicht zu Wohnzwecken dienenden, gewerblich genutzten Räumen ...") ausgewiesen wurde. Diese Änderung wurde -zusammen mit der ursprünglichen Teilungserklärung -am 10. März 1999 in das Grundbuch eingetragen. Die Räume werden wie vorgesehen genutzt.

Die Kläger bezogen im Dezember 1998 die von ihnen erworbene Wohnung. Eine Auflassungsvormerkung zu ihren Gunsten wurde am 29. März 1999 in das Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 30. Januar 2002 haben die Kläger der Beklagten vergeblich eine Nachfrist zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags vom 23. September 1998 gesetzt und zugleich für den Fall des ergebnislosen Fristablaufs die Annahme der Leistung abgelehnt. Sie fordern deshalb die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Ihrer auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 168.842,81 € Zug um Zug gegen Rückgabe der Eigentumswohnung und Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung gerichteten Klage hat das Landgericht in Höhe von 163.485,41 € stattgegeben; die Widerklage der Beklagten, mit der sie eine restliche Vergütung von 3.943,61 € geltend gemacht hat, hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht -unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Kläger, mit der sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.668,32 € nebst Zinsen beantragt haben -ihre Verurteilung auf 19.831,46 € unter Wegfall des ZugumZug-Vorbehalts reduziert.

Mit den von dem Senat zugelassenen Revisionen (Beschl. v. 7. Oktober 2004, NJW 2005, 153), deren Zurückweisung die jeweils andere Partei beantragt, verfolgen die Parteien ihre zweitinstanzlichen Anträge weiter, soweit sie in dem Berufungsverfahren erfolglos geblieben sind.

Gründe

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts können die Kläger von der Beklagten "wegen Sachmangels bzw. Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft" Schadensersatz verlangen. Der Kaufvertrag enthalte die Zusicherungen, den Grundbesitz mit zwei Häusern zu bebauen, in denen kein Teileigentum, sondern nur Wohnungseigentum habe begründet werden sollen, und die Teilungserklärung dahin zu ändern, daß eine gewerbliche Nutzung ausgeschlossen werde, die den allgemeinen Wohnwert der Anlage mindere. Dagegen habe die Beklagte in grober Weise verstoßen, indem sie Teileigentum geschaffen habe. Die Kläger seien jedoch nach Treu und Glauben daran gehindert, im Wege des großen Schadensersatzes die Rückzahlung des gezahlten Kaufpreisteils und den Ersatz von Folgekosten gegen Rückgabe der Wohnung zu verlangen. Eine solche Ersatzleistung stehe außer Verhältnis zu den allenfalls geringfügigen Nachteilen, welche für die Kläger mit der Nutzung der unter ihrer Wohnung liegenden Räume als Büro verbunden seien. Deshalb könnten die Kläger nur eine Minderung von 15 % des Kaufpreises verlangen. Zusammen mit einer weiteren unstreitigen Minderung wegen anderer Sachmängel und einem ebenfalls unstreitigen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten ergebe sich unter Verrechnung der von der Beklagten mit der Widerklage geltend gemachten restlichen Vergütung ein Anspruch der Kläger auf Zahlung von 19.831,46 €. Den erstinstanzlichen Vortrag der Kläger zu den mit der Anschlußberufung geltend gemachten Rechtsanwaltskosten hält das Berufungsgericht für substanzlos; den in zweiter Instanz neuen Vortrag hierzu hat es nicht zugelassen, weil es auf Nachlässigkeit der Kläger beruhe, daß sie nicht zu allen Schadenspositionen in der ersten Instanz vollständig vorgetragen hätten.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

Die Revision der Kläger führt zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung; das Rechtsmittel der Beklagten bleibt dagegen im Ergebnis ohne Erfolg.

1.

Unzutreffend ist bereits der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, das von dem Vorliegen eines Sachmangels bzw. von dem Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft ausgeht. Insoweit rügt die Beklagte mit Erfolg, daß die angenommenen Zusicherungen in den getroffenen Feststellungen keine Stütze finden. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung nicht begründet. Die in dem Berufungsurteil enthaltene Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil ist als Begründung nicht geeignet, weil das Landgericht seine Entscheidung nicht auf das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft gestützt hat. Die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien hat das Berufungsgericht nicht ausgelegt; auchhat es keine Feststellungen zu einem übereinstimmenden Parteiwillen hinsichtlich einer von der Beklagten abgegebenen Zusicherung getroffen.

2.

Ebenfalls mit Erfolg rügt die Beklagte, daß das Berufungsgericht offenbar von dem Vorliegen eines Sachmangels im Sinne eines Fehlers der von den Klägern erworbenen Eigentumswohnung ausgegangen ist. Auch insoweit läßt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen, worauf das Berufungsgericht seine Auffassung gestützt hat.

3.

Auch hält das Berufungsurteil hinsichtlich der von dem Berufungsgericht geschätzten Minderung des Kaufpreises um 15 % den Angriffen der Revision der Beklagten nicht stand. Zwar geht es insoweit um eine von dem Tatrichter nach § 287 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen vorzunehmende Schadensschätzung. Diese ist aber revisionsrechtlich insoweit nachprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (BGHZ 102, 322, 330; BGH, Urt. v. 18. Februar 1993, III ZR 23/92, NJW-RR 1993, 795, 796). Das ist hier der Fall. Das Berufungsgericht konnte seine Schätzung nur auf dieselben Umstände stützen, die es seiner Annahme einer allenfalls geringfügigen Beeinträchtigung der Kläger zugrunde gelegt hat. Mit dieser Beurteilung ist aber die 15 %ige Kaufpreisminderung nicht zu vereinbaren.

4.

Im Ergebnis stellt sich das Berufungsurteil -soweit es zu Lasten der Beklagten ergangen ist -jedoch aus anderen Gründen als richtig dar. Die Kläger weisen nämlich zu Recht darauf hin, daß der Klageanspruch dem Grundenach nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (pVV) begründet ist.

a) Offen bleiben kann, ob auf die von den Klägern verlangte Rückabwicklung des Vertrags Kaufrecht oder Werkvertragsrecht anzuwenden ist. Beides führt zu der gewünschten Rechtsfolge, einem Schadensersatzanspruch der Kläger wegen Nichterfüllung. Die Beklagte hat schuldhaft gegen ihre Verpflichtung verstoßen, den Klägern die Eigentumswohnung so zu verschaffen, wie sie nach dem Vertrag vom 23. September 1998 beschaffen sein muß.

aa) Verändert der Verkäufer zwischen Gefahrübergang und Übereignung eigenmächtig und schuldhaft die Kaufsache, haftet er grundsätzlich nicht nach Gewährleistungsrecht (§§ 459 ff. a.F.), sondern nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 929). Dasselbe gilt, wenn der Werkunternehmer den Besteller in einer Weise schädigt, die nicht mit der mangelhaften Erstellung der Werkleistung zusammenhängt (Staudinger/Peters, BGB [2000], § 635 Rdn. 49). Beide Fallkonstellationen liegen hier vor. Die Beklagte kann den Klägern die Eigentumswohnung wegen der Änderung der Teilungserklärung am 5. Februar 1999 nicht so übereignen, wie sie sie erworben haben.

bb) Sachenrechtlich ist die Umwandlung der jetzt als Büro genutzten Einheit von Wohnungseigentum (§ 1 Abs. 2 WEG) in Teileigentum (§ 1 Abs. 3 WEG) allerdings nicht zu beanstanden. Denn auch nach der Teilung des Grundstückseigentums in Miteigentumsanteile (§ 8 WEG) am 5. Februar 1998 war die Beklagte ein Jahr später zu der einseitigen Änderung der Teilungserklärung noch berechtigt, weil die Änderung zu einer Zeit erfolgte, als die Beklagte noch Alleineigentümerin des Grundstücks war, und weil im Zeitpunkt des Vollzugs beider Teilungserklärungen im Grundbuch noch keine Auflassungsvormerkung für einen Erwerber eines Wohnungsoder Teileigentums in dem Grundbuch eingetragen war (vgl. BayObLGZ 1993, 259).

cc) Schuldrechtlich war die Beklagte gegenüber den Klägern jedoch nicht zu der Umwandlung von Wohnungseigentum in Teileigentum berechtigt. Es fehlte an der nach dem Abschluß des Vertrags vom 23. September 1998 dazu notwendigen Zustimmung der Kläger. Auch der Änderungsvorbehalt in der ursprünglichen Teilungserklärung deckte die Umwandlung nicht ab. Er berechtigte die Beklagte lediglich zu einer Änderung bei der Aufteilung und der Zuordnung der Sondernutzungsrechte, nicht aber zu der Begründung von ursprünglich nicht vorgesehenem Teileigentum.

dd) Durch die schuldhafte, nämlich wenigstens fahrlässige, Pflichtverletzung der Beklagten ist den Klägern ein Schaden entstanden. Sie haben eine Eigentumswohnung in einer reinen Wohnanlage erworben und übergeben bekommen, können jedoch wegen der späteren Änderung der Teilungserklärung lediglich das Eigentum an einer Wohnung in einer Anlage erhalten, in der sich außer Wohnungseigentumseinheiten auch eine Teileigentumseinheit befindet. Das mindert den Wert ihrer Wohnung erheblich. Denn die Bezeichnung "Teileigentum" läßt jede gewerbliche Nutzung zu. Zwar richtet sich der Umfang der erlaubten Nutzung auch für Teileigentum nach der Teilungserklärung (Bamberger/Roth/Hügel, BGB, § 15 WEG Rdn. 8). Aber diese enthält hier insoweit keine Beschränkungen. Damit geht die Nutzungsmöglichkeit der jetzt als Büro genutzten Einheit weit über das hinaus, was bei der rechtlichen Qualifikation als Wohnungseigentum erlaubt wäre. Dieses darf nämlich nur in dem Maß gewerblich genutzt werden, das zu keinen gegenüber der Wohnungsnutzung erhöhten Störungen führt (Bamberger/Roth/Hügel, aaO Rdn. 7). Soweit das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf abstellt, daß die derzeitige Büronutzung auch in einer Wohnungseigentumseinheit zulässig wäre, greift das zu kurz. Die unbeschränkte gewerbliche Nutzungsmöglichkeit der Teileigentumseinheit verändert den Gesamtcharakter der ganzen Anlage; sie kann nicht mehr -wie vor der Änderung der Teilungserklärung -als reine Wohnanlage angesehen werden. Das begründet die Wertminderung der Wohnung der Kläger. Daran ändert die derzeitige tatsächliche Nutzung der Teileigentumseinheit nichts, auch wenn sie -wie die Beklagte behauptet -über die zulässige Nutzung einer Wohnungseigentumseinheit nicht hinausgehen sollte.

ee) Somit haben die Kläger gegen die Beklagte nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung in analoger Anwendung des § 326 BGB a.F. einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung (vgl. Staudinger/Löwisch, BGB [2001], Vorbem. zu §§ 275-283, Rdn. 56). Das berechtigt sie, den mit der Klage geltend gemachten sogenannten "großen Schadensersatz" zu verlangen. Eine Beschränkung dieses Anspruchs unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kommt -entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts -angesichts der ständig drohenden Beeinträchtigungen, denen die Kläger aufgrund der uneingeschränkten gewerblichen Nutzbarkeit der Teileigentumseinheit ausgesetzt sind, nicht in Betracht.

b) Ohne Erfolg bleibt die Revision der Kläger allerdings insoweit, als sie die Zurückweisung ihrer Anschlußberufung angreifen. Dabei kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht den zweitinstanzlichen Vortrag der Kläger zu den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten zu Recht nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zugelassen hat. Denn diese Kosten, die im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen den Klägern und dem Eigentümer der Teileigentumseinheit über die Nutzung von Stellplätzen entstanden sind, stehen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Pflichtverletzung der Beklagten und werden deshalb von dem Schadensersatzanspruch der Kläger wegen Nichterfüllung nicht erfaßt.

c) Die übrigen mit der Klage geltend gemachten Schadenspositionen, die das Landgericht den Klägern zuerkannt hat, hat das Berufungsgericht -von der Beklagten unbeanstandet -zu Recht als im Rahmen des "großen Schadensersatzes" ersatzfähig angesehen.

5. Nach alledem ist das Berufungsurteil auf die Revision der Kläger -unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels -im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht ihnen lediglich 19.831,46 € nebst Zinsen und nicht auch -wie das Landgericht -die restlichen 143.653,95 € nebst Zinsen zugesprochen hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen, allerdings mit der von den Klägern im Berufungsrechtszug eingeräumten Maßgabe, daß die Beklagte auch Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Rückzahlungsansprüche der Kläger gegen das Finanzamt hinsichtlich der gezahlten Grunderwerbsteuer verurteilt wird. Die Revision der Beklagten ist dagegen nach § 561 ZPO zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Wenzel Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Czub