Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Wohngrundstücks in
F. , Gemarkung F. , Flur 27, Flurstück 31. Zur
Beseitigung des häuslichen Abwassers dient nach den von
Mitarbeitern des Beklagten im Februar 1991 bei einer örtlichen
Óberprüfung getroffenen Feststellungen eine ca. 1 m3 große
Grube mit Óberlauf zu einer ca. 6 m3 großen Grube, die nicht
über einen festen Boden verfügt und der eine weitere ca. 6 m3
große Sickergrube nachgeschaltet ist.
Nach vorheriger Anhörung forderte der Beklagte die Klägerin
mit Ordnungsverfügung vom 5. November 1991 unter Androhung
eines Zwangsgeldes auf, innerhalb von drei Wochen nach
Zustellung die beiden Sickerschächte dicht und dauerhaft zu
verschließen sowie die Klärgrube als abflußlose Grube zu
betreiben. Die Abwasserbeseitigung stelle eine
erlaubnispflichtige, nicht erlaubte und nicht erlaubnisfähige
Gewässerbenutzung dar. Die gegebene Art der
Abwasserbeseitigung beinhalte die Gefahr einer
Grundwasserverunreinigung.
Die Klägerin legte hiergegen durch ihren
Prozeßbevollmächtigten, ihren Sohn, Widerspruch ein, den der
Regierungspräsident L. mit Bescheid vom 28. Mai 1993
zurückwies. Der Widerspruchsbescheid wurde dem
Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 3. Juni 1993 gegen
Postzustellungsurkunde im Wege der Niederlegung bei der Post
zugestellt und in der Folgezeit beim Postamt nicht
abgefordert.
Der Beklagte räumte der Klägerin mit an ihren
Prozeßbevollmächtigten gerichtetem Schreiben vom 27. Januar
1994 eine erneute Frist zur Befolgung der Ordnungsverfügung
ein; der Widerspruch sei durch inzwischen bestandskräftigen
Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1993 zurückgewiesen worden.
Der Prozeßbevollmächtigte entgegnete, eine
Widerspruchsentscheidung sei ihm nicht zugegangen; gegen eine
abweisende Widerspruchsentscheidung hätte er Klage erhoben.
Daraufhin übersandte der Beklagte dem Prozeßbevollmächtigten
unter dem 4. März 1994 eine Ablichtung des
Widerspruchsbescheides.
Am 25. März 1994 hat die Klägerin Klage erhoben und
zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen
Versäumung der Klagefrist beantragt. Sie hat vorgetragen, ihr
Prozeßbevollmächtigter habe von einer Benachrichtigung der
Post über die Niederlegung des Widerspruchsbescheides keine
Kenntnis erlangt. Der Eingang einer Benachrichtigung werde mit
Nichtwissen bestritten. Postsendungen gelangten über einen
Briefkasten oder über ein gesondertes Paketfach in das Haus
und könnten dort weder weggenommen werden noch verloren gehen.
Ein Benachrichtigungsschein sei jedoch weder vom
Prozeßbevollmächtigten noch von dessen Ehefrau aufgefunden
worden. Anderenfalls wäre das Schreiben bei der Post abgeholt
worden. Um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe
nicht früher nachgesucht werden können. Auf die Mitteilung des
Beklagten vom 27. Januar 1994 habe ein entsprechender Antrag
mangels Kenntnis vom Inhalt des Widerspruchsbescheides nicht
gestellt werden können. Die Ordnungsverfügung sei
rechtswidrig. Die Abwasseranlage des etwa 1870 errichteten
Hauses sei in den 50er Jahren auf den seinerzeitigen
technischen Stand gebracht worden. Das Haus werde allein von
ihr - der Klägerin - bewohnt, so daß Abwasser nur in geringer
Menge anfalle. Das Volumen der ersten Grube belaufe sich auf
mehrere m3 und reiche zur Aufnahme des Abwassers aus. Diese
Grube werde regelmäßig geleert; ein Óberlaufen sei nicht
beobachtet worden. Ein Óberlaufen der zweiten Grube sei
ausgeschlossen. Ein Einleiten von Abwasser in das Grundwasser
finde daher nicht statt. Die Gefahr einer
Grundwasserverunreinigung liege nicht vor. Die angeordnete
Maßnahme sei auch angesichts der Umgebung des Grundstücks
unverhältnismäßig. Für die Zukunft sei eine umfassende
Sanierung des Hauses und der Abwasserbeseitigung geplant.
Die Klägerin hat beantragt,
die Ordnungsverfügung des Beklagten
vom 5. November 1991 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides des
Regierungspräsidenten L. vom 28. Mai
1993 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seiner Auffassung nach ist die Klage unzulässig und
unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch den
angefochtenen Gerichtsbescheid, auf den Bezug genommen wird,
als unzulässig abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung, die ihr am 18. April 1995
zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 16. Mai 1995
Berufung eingelegt. Ergänzend und vertiefend zu ihrem
bisherigen Vorbringen trägt sie vor, das Verwaltungsgericht
sei seiner Aufklärungs- und Hinweispflicht nicht nachgekommen
und habe die Anforderungen an den Nachweis des unterbliebenen
Zugangs der postalischen Benachrichtigung überspannt. Der
Nichtzugang der Benachrichtigung könne nicht anders als
geschehen nachgewiesen werden. Es werde nicht behauptet, daß
die Post eine Benachrichtigung über den Zustellungsversuch
unterlassen habe. Vielmehr sei eine Benachrichtigung nicht zur
Kenntnis des Prozeßbevollmächtigten gelangt. Der
Prozeßbevollmächtigte erhalte neben mehreren Fachzeitschriften
eine Vielzahl von Werbesendungen; möglicherweise sei der
Benachrichtigungsschein in diese Schriftstücke gelangt und
habe deshalb nicht entdeckt werden können. Anders könne das
Verschwinden des Benachrichtigungsscheines nicht erklärt
werden. Die Umsetzung der Ordnungsverfügung verursache
erhebliche Aufwendungen.
Die Klägerin beantragt,
den angefochtenen Gerichtsbescheid
zu ändern und nach dem
erstinstanzlichen Klageantrag zu
erkennen,
hilfsweise, den angefochtenen
Gerichtsbescheid aufzuheben und die
Sache an das Verwaltungsgericht L.
zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zu dem Zustellungsvorgang eine Auskunft der
Deutschen Post AG vom 26. Juni 1995 eingeholt, auf die Bezug
genommen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der
Widerspruchsbehörde Bezug genommen.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist sowohl mit
dem Hauptantrag als auch mit dem Hilfsantrag unzulässig.
Die für die Erhebung der Klage einzuhaltende Frist von
einem Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheides (§ 74
Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) ist
nicht gewahrt. Der mit einer fehlerfreien
Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidenten L. vom 28. Mai 1993 ist dem
Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 3. Juni 1993 zugestellt
worden, so daß die Klagefrist mit dem Ende des 5. Juli 1993,
dem auf Samstag, den 3. Juli 1993, folgenden Montag, ablief
(§ 57 Abs. 1 und 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 der
Zivilprozeßordnung - ZPO -, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuches) und die am 25. März 1994 bei
Gericht eingegangene Klage daher verspätet ist. Die Zustellung
ist gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin
ordnungsgemäß im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung
bei der Post (§ 56 Abs. 2 VwGO, § 3 des
Verwaltungszustellungsgesetzes, §§ 182, 195 Abs. 2 ZPO)
bewirkt worden. Ausweislich der Angaben des Postbediensteten
in der Postzustellungsurkunde ist insbesondere eine
schriftliche Benachrichtigung über die Niederlegung in den
Hausbriefkasten eingelegt worden. Die Postzustellungsurkunde
erbringt als öffentliche Urkunde gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den
Beweis dieses Geschehens. Den Gegenbeweis (§ 418 Abs. 2 ZPO)
hat die Klägerin nicht geführt; sie hat keinen
Geschehensablauf behauptet, der die Beweiswirkung der
Postzustellungsurkunde entkräften könnte. Im
Berufungsverfahren hat ihr Prozeßbevollmächtigter in Reaktion
auf die vom Senat eingeholte Auskunft der Deutschen Post AG
vom 26. Juni 1995 hervorgehoben, daß sein Vortrag nicht darauf
abzielt, die Richtigkeit der urkundlich vermerkten Tatsache
des Einlegens des Benachrichtigungsscheins in den Briefkasten
zu erschüttern; der Prozeßbevollmächtigte behauptet
ausdrücklich nicht, daß die Post die Benachrichtigung
unterlassen habe. Seine durch die Schilderung der für den
Erhalt von Post wesentlichen Gegebenheiten näher
substantiierte Behauptung, keine Kenntnis von dem
Benachrichtigungsschein erlangt zu haben, betrifft keinen für
die Ersatzzustellung im Sinne des § 182 ZPO
entscheidungserheblichen Vorgang. Denn mit der Niederlegung
bei der Post und der Einlegung einer Mitteilung hierüber in
den Briefkasten und damit in den Empfangsbereich des
Zustellungsadressaten ist das Zustellungsverfahren
abgeschlossen. Die Kenntnisnahme von der Mitteilung gehört
nicht zur Zustellung des zuzustellenden Schriftstücks.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 16. Mai
1986 - 4 CB 8.86 -, NJW 1986, 2127;
Urteil vom 13. November 1984 - 9 C
23.84 -, NJW 1985, 1179; BGH, Beschluß
vom 15. Juni 1994 - IV ZB 6/94 -, NJW
1994, 2898.
Außerdem läßt das Vorbringen des Prozeßbevollmächtigten, das
Nichtauffinden des Benachrichtigungsscheines sei lediglich
durch die sonstigen in den Briefkasten eingelegten
Postsendungen und Werbematerialien zu erklären, auch mit Blick
auf die vom Postzusteller seiner Darstellung vom 26. Juni 1995
zufolge bei Zustellungen dieser Art üblicherweise geübte
Praxis die Möglichkeit der Richtigkeit der Angaben in der
Postzustellungsurkunde offen. Besteht eine solche Möglichkeit
aber, ist die Beweiswirkung einer öffentlichen Urkunde nicht
widerlegt.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 7. Oktober
1993 - 4 B 166.93 -, NJW 1994, 535;
Beschluß vom 19. Februar 1992 - 4 B
32.92 -, Buchholz 310 § 98 VwGO
Nr. 42.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Klagefrist kann der Klägerin nicht gewährt werden. Sie war
nicht im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ohne eigenes oder ihr
zuzurechnendes Verschulden verhindert, die Klagefrist
einzuhalten. Unverschuldet ist eine Fristversäumnis, wenn dem
Betreffenden nach den gesamten Umständen kein Vorwurf daraus
zu machen ist, daß er die Frist versäumt hat, ihm also die
Einhaltung der Frist nicht zumutbar war. Das erfordert, daß
die Fristversäumnis auch bei Anwendung derjenigen Sorgfalt
nicht zu vermeiden war, die für einen gewissenhaften, seine
Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Prozeßführenden
geboten und zuzumuten war.
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 4. Oktober
1991 - 6 B 10.91 -, Buchholz 310 § 60
VwGO Nr. 173; Beschluß vom 8. April
1991 - 2 C 32.90 -, Buchholz 310 § 139
VwGO Nr. 81; Beschluß vom 5. Februar
1990 - 9 B 506.89 -, Buchholz 310 § 60
VwGO Nr. 168.
Das gebotene Maß an Sorgfalt bestimmt sich unter
Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalles, wobei
einerseits eine verfassungsrechtlich mit Blick auf die
Rechtsschutzgewährleistung und den Anspruch auf rechtliches
Gehör nicht zu vereinbarende Erschwerung der Anforderungen zu
vermeiden ist und andererseits die Erfordernisse der
Rechtssicherheit sowie Rechtsklarheit hinreichend beachtet
werden müssen.
Nach diesem Maßstab ist die Klagefrist unter
Außerachtlassung der vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin
zu verlangenden angemessenen Sorgfalt versäumt worden; das ist
der Klägerin zuzurechnen (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Nach Darstellung des Prozeßbevollmächtigten ist die Klage
deshalb nicht fristgerecht erhoben worden, weil ihm die
(Ersatz-)Zustellung des Widerspruchsbescheides mangels
Kenntnis von dem in den Briefkasten gelangten
Benachrichtigungsschein nicht bekannt war. Von dem
Prozeßbevollmächtigten war, zumal ihm als Rechtsanwalt die
verschiedenen Arten der Zustellung behördlicher Bescheide
einschließlich des Verfahrens einer Ersatzzustellung geläufig
sind, die Schaffung ausreichender Vorkehrungen dafür zu
erwarten, daß er die an ihn gerichtete Post tatsächlich
erhielt. Zur Sicherstellung des tatsächlichen Empfangs von
Post reicht es nicht allein aus, einen geeigneten Briefkasten
anzubringen und regelmäßig zu entleeren. Erforderlich ist
darüber hinaus auch, daß die in den Briefkasten gelangende
Post gründlich durchgesehen und kontrolliert wird, damit
Schriftstücke nicht übersehen werden oder verlorengehen. Ohne
eine sorgfältige Óberprüfung des Inhalts des Briefkastens ist
die für einen geordneten Rechtsverkehr unerläßliche
Kenntnisnahme von eingehender Post in unvertretbarer Weise
gefährdet. Dementsprechend wird der Adressat einer gegen
Postzustellungsurkunde zuzustellenden Postsendung durch die
Gestaltung des von der Post üblicherweise benutzten Formulars
über die Benachrichtigung von der Ersatzzustellung, die der
Prozeßbevollmächtigte im Anschluß an eine gerichtliche
Entscheidung
- FG L. , Urteil vom 10. September
1993 - 8 K 1038/91 -, EFG 1994,
183 -
als ungünstig und risikoreich betrachtet, in bezug auf die
Verläßlichkeit der zu ergreifenden Maßnahmen nicht entlastet.
Im Gegenteil obliegt es dem Adressaten, sich in der Behandlung
seiner Post auf die ihm bekannten tatsächlichen Gegebenheiten
einzustellen. Er hat sich auf die Beschaffenheit postalischer
Benachrichtigungsscheine derart einzurichten, daß ein solcher
Schein mit zureichender Genauigkeit aus sonstigen
Postsendungen und etwaigem Werbematerial aussortiert und
wahrgenommen wird.
Vgl. BFH, Urteil vom 13. Juli 1995
- V R 51/94 -; OLG Düsseldorf, Beschluß
vom 1. Dezember 1994 - 13 U 277/93 -;
Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann,
ZPO, 54. Aufl., § 233 Rdnr. 35.
Dem Sachvortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, daß
diesen Anforderungen mit der notwendigen Achtsamkeit genüge
getan worden ist. Der Briefkasten des Prozeßbevollmächtigten
war ausschließlich diesem und seiner Ehefrau zugänglich, so
daß als Grund für die mangelnde Kenntnisnahme von dem
Benachrichtigungsschein allein das Abhandenkommen, das
Óbersehen oder das sonstige Außerachtlassen des Scheins bei
bzw. nach der Leerung des Briefkastens in Frage kommen. Dies
wiederum kann, was auch der Prozeßbevollmächtigte geltend
macht, allein darauf zurückgehen, daß sich bei der Leerung
neben dem Benachrichtigungsschein sonstige Postsendungen
und/oder Werbematerialien in dem Briefkasten befanden, die
anschließend nicht, nicht vollständig und nicht sorgfältig
gelesen bzw. zumindest durchgeblättert worden sind. Der
Prozeßbevollmächtigte verweist insoweit auf den Bezug mehrerer
zum Teil umfänglicher Fachzeitschriften und eine Vielzahl von
Werbesendungen; er lehnt sich mit diesem Vorbringen
ersichtlich an den Sachverhalt an, der der von ihm
herangezogenen Gerichtsentscheidung zugrunde liegt. Ungeachtet
dessen, daß diese Entscheidung - wie dargelegt - von einem
unzutreffenden Sorgfaltsmaßstab ausgeht und im Widerspruch zur
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes als dem im Instanzenzug
übergeordneten Gericht steht,
- vgl. BFH, Urteil vom 13. Juli 1995
- V R 51/94 -, m.w.N. -,
und weiter abgesehen davon, daß speziell für den Tag des
Zustellungsversuches, den 3. Juni 1993, mangels
substantiierter Darlegung völlig ungewiß ist, ob derartige
pauschal angeführte Schriftstücke tatsächlich in den
Briefkasten gelangt sind, erklärt eine Fülle von
unterschiedlicher Post und Werbematerialien nicht, warum der
Benachrichtigungsschein, sollte er etwa in eine Zeitschrift
oder in ein nicht verschlossenes Werbefaltblatt geraten sein,
dort - wie der Prozeßbevollmächtigte meint - zumutbarerweise
nicht entdeckt werden konnte. Ein auch nur annähernd
greifbarer Anhaltspunkt dafür, daß eine sorgsame
Unterscheidung der "wichtigen" Post von ungelesen beiseite
gelegten bzw. möglicherweise - in bezug auf das
Werbematerial - ungeprüft fortgeworfenen Schriftstücken
vorgenommen worden ist, ist weder dargetan worden noch sonst
ersichtlich. Den Prozeßbevollmächtigten vermag nicht zu
entlasten, daß üblicherweise seine Ehefrau die Post aus dem
Briefkasten nahm. Die Ehefrau war weder Hilfsperson des
Prozeßbevollmächtigten im Sinne der Grundsätze über die
gebotene Organisation eines Rechtsanwaltbüros,
vgl. hierzu Kopp, VwGO, 10. Aufl.,
§ 60 Rdnr. 16,
noch hat sie dem Prozeßbevollmächtigten den
Benachrichtigungsschein eigenmächtig vorenthalten. Sie hat
vielmehr bei der Behandlung der Post in erkennbarer
Óbereinstimmung mit dem Prozeßbevollmächtigten gehandelt.
Fachzeitschriften werden typischerweise zumindest mit einem
gewissen Zeitabstand zur Hand genommen, damit sie ihren
Informationszweck erfüllen. Das schließt ein endgültiges
Verschwinden eines zufälligerweise in eine solche Zeitschrift
gelangten Benachrichtigungsscheines, wie es vorliegend in Rede
steht, regelmäßig aus. In bezug auf (offene) Werbesendungen
ist eine auch nur flüchtige Durchsicht geeignet, einen etwa
hineingerutschten losen Zettel wie den Benachrichtigungsschein
über die Ersatzzustellung aufzufinden. Ein solches Vorgehen
ist im Interesse der Rechtssicherheit auch zumutbar, zumal der
Erhalt von Werbesendungen durch entsprechende Aufkleber am
Briefkasten weitgehend unterbunden, jedenfalls aber auf ein
verträgliches Maß begrenzt werden kann.
Die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet
auch deshalb aus, weil der Antrag nicht innerhalb der Frist
von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses (§ 60 Abs. 2
Satz 1 VwGO) gestellt und die Klage nicht innerhalb dieser
Frist erhoben (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO) worden ist. Das
Hindernis fällt weg, sobald die bisherige Ursache der
Fristversäumnis beseitigt ist. Das ist der Fall, wenn der
Eintritt der Säumnis erkannt worden ist oder bei Anwendung der
zu erwartenden Sorgfalt hätte erkannt werden können.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni
1995 - 1 C 38.93 -, Buchholz 310 § 60
VwGO Nr. 200; BGH, Beschluß vom 6. Juli
1994 - VIII ZB 12/94 -, NJW 1994, 2831;
Beschluß vom 9. Dezember 1992 - VIII ZB
30/92 -, NJW 1993, 1332.
Hier bestand das Hindernis in der mangelnden Kenntnis von
der (Ersatz-)Zustellung des Widerspruchsbescheides und damit
vom Beginn der Klagefrist. Es war deshalb in dem Zeitpunkt
behoben, als der Klägerin bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten
bekannt wurde, daß ein Widerspruchsbescheid ergangen war.
Diese Kenntnis erlangte der Prozeßbevollmächtigte durch das
Schreiben des Beklagten vom 27. Januar 1994, das ihm
spätestens am 7. Februar 1994 vorlag. Durch dieses Schreiben
wurde der Prozeßbevollmächtigte, der zuvor auf die Vorlage des
Widerspruchs an den Regierungspräsidenten L. hingewiesen
worden war, zuverlässig davon informiert, daß der Widerspruch
durch Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1993 zurückgewiesen
worden war. Wenngleich damit keine ausdrückliche Mitteilung
von einer erfolgten Zustellung des Widerspruchsbescheides
verbunden war, mußte das Schreiben des Beklagten vom
27. Januar 1994 doch dringenden Anlaß zu der Óberlegung geben,
daß das Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen und
deshalb die Klagefrist bereits verstrichen war. Eine
Klageerhebung in nach § 60 Abs. 2 Sätze 1 und 3 VwGO
fristgerechter Reaktion auf das Schreiben des Beklagten vom
27. Januar 1994 war auch nicht deshalb unzumutbar, weil die
Aussagen im Widerspruchsbescheid noch nicht im einzelnen
bekannt waren und der Beklagte der unter dem 7. Februar 1994
geäußerten Bitte um Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides
erst Anfang März 1994 in Form der Óbersendung einer
entsprechenden Ablichtung nachkam. Denn Gegenstand einer
möglichen Klage hatte, was der Prozeßbevollmächtigte als
Rechtsanwalt wußte, nicht der Widerspruchsbescheid zu sein,
sondern die Ordnungsverfügung in der Gestalt, die sie durch
den Widerspruchsbescheid erlangt hatte (§ 79 Abs. 1 Nr. 1
VwGO). Damit kam es weniger auf die Kenntnis von den
Einzelheiten der Ausführungen im Widerspruchsbescheid, vor
allem seiner Begründung, an. Ausschlaggebend war vielmehr, daß
aus der Zurückweisung des Widerspruches auf die Fortgeltung
der durch die Ordnungsverfügung vom 5. November 1991 gesetzten
Anordnungen zu schließen war. Zur Abwehr der vom Beklagten
verfügten Regelung konnte daher umgehend Klage erhoben - und
Wiedereinsetzung beantragt - werden. Die Klagebegründung
konnte im Hinblick auf die noch nicht bekannte rechtliche und
tatsächliche Argumentation der Widerspruchsbehörde zunächst
zurückgestellt werden, wenn denn nicht die Zurückweisung des
Widerspruches den Rückschluß jedenfalls sehr nahelegte, die
vorgetragene Widerspruchsbegründung stelle aus der Sicht der
Widerspruchsbehörde die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der
Ordnungsverfügung nicht durchgreifend in Frage. Als eine
Klageerhebung "ins Blaue hinein" hätte ein solches Vorgehen
gegen die Ordnungsverfügung nicht betrachtet werden können.
Das zeigt sich auch daran, daß der Prozeßbevollmächtigte der
Klägerin unter dem 7. Februar 1994, also noch in Unkenntnis
der näheren Einzelheiten des Widerspruchsbescheides, selbst
geäußert hat, er hätte gegen eine ihm zugegangene abweisende
Widerspruchsentscheidung Klage erhoben; daß eine solche
Widerspruchsentscheidung ergangen war, war indessen dem
Schreiben des Beklagten vom 27. Januar 1994 unmißverständlich
zu entnehmen.
Der Hilfsantrag setzt voraus, daß das Verwaltungsgericht
die Zulässigkeit der Klage verkannt und deshalb nicht zur
eigentlichen Sache entschieden hat (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Das trifft - wie ausgeführt - nicht zu. Weil die Klage
verfristet ist, ist über ihre Begründetheit (§ 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO) gerade nicht zu befinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen