BGH, Urteil vom 31.08.2004 - 1 StR 213/04
Fundstelle
openJur 2012, 56948
  • Rkr:
Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 11. Februar 2004 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen.

Gründe

1.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Das Rechtsmittel hat weder zum Schuldnoch zum Strafausspruch Erfolg.

Erörterungsbedürftig sind lediglich die Erwägungen zur Höhe der Strafe. Im übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 10. Mai 2004 Bezug genommen.

2.

Nach den Feststellungen des Landgerichts kam der Angeklagte 1998 im Alter von 19 Jahren aus dem Kosovo allein nach Deutschland und stellte Asylantrag. Er konsumierte mit vielen Unterbrechungen von 1998 bis etwa 2000 "keine großen Mengen" Heroin. Die verfahrensgegenständliche Tat beging er am 30. August 1999 mit zwei albanischen Mittätern, die ihn "dazu verführt hatten". Bei der Tat stand er nicht unter Drogen. Zusammen mit seinen Mittätern überfiel er eine Tankstelle. Dabei bedrohten sie den Tankwart mit einer Scheinwaffe, die sie ihm in Gesichtshöhe entgegenhielten. Als der Angeklagte das Geld aus der gewaltsam aufgebrochenen Kasse entnahm, verletzte er sich am Finger und hinterließ eine Blutspur. Die Täter erbeuteten 1.500 DM. Dem Angeklagten war nicht zu widerlegen, daß er von der Beute keinen Anteil erhielt.

Zwei Jahre nach der Tat, im Jahr 2001, ging der Angeklagte in sein Heimatland zurück. Seine Freundin, die er in Deutschland kennengelernt hatte, folgte ihm. Das Paar heiratete im November 2001 im Kosovo. Zunächst kehrte die Ehefrau, dann der Angeklagte im Mai 2002 nach Deutschland zurück. Nach der Heirat ließ er sich Codein verschreiben; er nimmt derzeit keine Drogen mehr. Der Angeklagte hatte nach der Rückkehr nur kurzfristige Arbeitsverhältnisse in Deutschland und war auf finanzielle Zuwendungen seiner Schwiegereltern angewiesen. Seine Ehefrau hat teilweise auch ihre Eltern bestohlen. Ca. das letzte halbe Jahr vor der Inhaftierung des Angeklagten im September 2003 lebte er von Sozialhilfe.

Das Landgericht hat auf den zur Tatzeit über 20 Jahre alten Heranwachsenden Jugendstrafrecht angewendet und rechtsfehlerfrei allein wegen der Schwere der Schuld Jugendstrafe verhängt (vgl. BGHR JGG § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 1 und 2).

3. Bei der Bemessung der Höhe der Jugendstrafe hat das Tatgericht nicht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen. Die Begründung der Jugendstrafe von drei Jahren entspricht den Anforderungen des § 18 Abs. 2 JGG.

a) Der Erziehungsgedanke ist auch dann zu berücksichtigen, wenn eine Jugendstrafe -wie hier -ausschließlich wegen der Schwere der Schuld verhängt wird (BGHSt 15, 224, 226; 16, 261, 263; BGH StV 1994, 598). Daneben sind auch andere Strafzwecke, bei Kapitalverbrechen namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis des gerechten Schuldausgleichs zu beachten (BGHR JGG § 17 Abs. 2 Strafzwecke 1). Diesen Grundsätzen hat die Jugendkammer bei der Bemessung der Jugendstrafe Rechnung getragen.

b) Sie hat die erforderliche Gesamtwürdigung (vgl. Brunner, JGG 11. Aufl. § 18 Rdn. 7 a) vorgenommen (UA S. 17 bis 20), die keinen Erörterungsmangel enthält.

Die Jugendkammer hat durch die Tat hervorgetretene gravierende Erziehungsdefizite angenommen, aber sich auch mit Veränderungen in der Einstellung und in den Lebensumständen des Angeklagten seit der Tat auseinandergesetzt und folgendes berücksichtigt: Die Tatsache, daß der Angeklagte nicht vorbestraft ist, insbesondere in der Zwischenzeit keine weiteren Straftaten begangen hat, seine Tat bereut und fünf Monate Untersuchungshaft verbüßt hat (UA S. 19). Dabei war sich die Kammer bewußt, daß die Tat viereinhalb Jahre zurücklag, denn sie hat diesen Zeitabstand ausdrücklich bei der Erörterung des § 105 JGG genannt (UA S. 16) und bei der Strafzumessung wie folgt darauf hingewiesen: "-auch wenn die späte Klärung der Straftat nicht das Verdienst des Angeklagten ist -".

Soweit die Kammer die nach der Tat erfolgte Eheschließung und Drogenfreiheit bei der Strafzumessung nicht ausdrücklich erwähnt, so heißt das nicht, daß sie sie aus dem Blick verloren hat, sondern nur, daß sie diesen Umständen keine bestimmende Wirkung beigemessen hat (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 2).

Wenn der Angeklagte keine Arbeit und keine Ausbildung hat, von Sozialhilfe lebt, seine Ehefrau wegen finanzieller Engpässe ihre Eltern bestiehlt, so ist trotz Eheschließung und Drogenfreiheit das Versperren eines Neubeginns durch die verhängte Jugendstrafe nicht ersichtlich, so daß es insoweit einer Abwägung des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden -wie etwa beim Abbruch einer Lehre -nicht bedurfte (BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 2 und 3).

Die Begründung der Kammer, sie erachte unter Abwägung der von ihr genannten Gesichtspunkte aus erzieherischen Gründen und wegen des Ausmaßes der Schuld eine Jugendstrafe von drei Jahren als angemessen und ausreichend, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, zumal mit fortschreitendem Alter des Täters dem Erziehungsgedanken geringere Bedeutung beigemessen werden kann (BGH StV 1998, 334). Der Angeklagte ist derzeit 25 Jahre alt. Er wird die Jugendstrafe im Erwachsenenvollzug verbüßen, wie es in den gesetzlichen Regelungen zur Vollstreckung einer Jugendstrafe gegen Täter, die das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben, vorgesehen ist (§§ 92 Abs. 2 Satz 3, 85 Abs. 6 JGG).

Nack Wahl Kolz Elf Graf