BGH, Urteil vom 08.03.2004 - II ZR 175/02
Fundstelle
openJur 2012, 55807
  • Rkr:
Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 6. Mai 2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger, J. H. und E. M. gründeten durch Gesellschaftsvertrag vom 1. März 1991 die Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Gut G. ". Die " 'Gut G. GbR', bestehend aus den Gesellschaftern J. H. und R. He. , geschäftsführend vertreten durch R. He. " (früherer Kläger zu 2, nunmehr alleiniger Kläger), nahm die Beklagte vor dem Landgericht auf Herausgabe mehrerer Gegenstände und Zahlung in Anspruch. Entsprechend einer Anregung des Landgerichts wurde die Klage dahin umgestellt, daß Kläger ... "J. H. , R. He. und E. M. in Gesellschaft bürgerlichen Rechts 'Gut G. GbR', vertreten durch die Geschäftsführer R. He. und E. M. ", sein sollten. Unter diesem Rubrum wies das Landgericht die Klage als unbegründet ab, weil der Kläger nicht zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt sei.

Gegen das Urteil des Landgerichts wurde mit Schriftsatz vom 28. Februar 2001 "Berufung des Herrn R. He. , Kläger zu 2 und Berufungskläger in Gesellschaft bürgerlichen Rechts 'Gut G. GbR' ..." eingelegt. Während des Laufs der Berufungsbegründungsfrist übernahm der Kläger die Anteile seiner Mitgesellschafter. Das Oberlandesgericht hat die Berufung als unzulässig erachtet. Dagegen richtet sich die -zugelassene -Revision des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Gründe

I. Nach Meinung des Oberlandesgerichts scheitert die Zulässigkeit der Berufung an der fehlenden Rechtsmittelbefugnis des Klägers. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei nach neuerer Rechtsprechung rechtsund parteifähig. Daher sei nur die Gesellschaft "Gut G. " befugt, ihr zustehende Forderungen im Klagewege zu verfolgen. Werde die Klage der Gesellschaft abgewiesen, könne nur die Gesellschaft, aber nicht einer ihrer Gesellschafter dagegen mit einem Rechtsmittel vorgehen.

II. Diese Ausführungen halten nur im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.

1. Der Kläger ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts als erstinstanzlich unterlegener Streitgenosse rechtsmittelbefugt.

a) Die Parteistellung für das Rechtsmittelverfahren wird durch den Inhalt der angefochtenen Entscheidung, die zum Vorteil oder Nachteil einer bestimmten Partei ergeht, begründet. Zur Einlegung der Berufung ist darum derjenige berechtigt, gegen den sich das Urteil richtet (BGHZ 4, 328, 332; BGH, Beschl.

v. 9. November 1977 -VIII ZB 34/77, MDR 1978, 304; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. § 511 Rdn. 9). Handelt es sich um eine subjektive Klagehäufung, kann jeder durch das Urteil beschwerte Streitgenosse unabhängig von den übrigen Streitgenossen Berufung einlegen (Zöller/Gummer, ZPO 24. Aufl. § 511 Rdn. 5; Wieczorek/Rössler, ZPO 2. Aufl. § 511 G I b).

b) Zwar hat der Kläger -in der Annahme seiner alleinigen Vertretungsmacht -die Klage für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts "Gut G. " erhoben. Auf Veranlassung des Landgerichts ist die Klage jedoch dahin umgestaltet worden, daß anstelle der Gesellschaft ihre Gesellschafter als Kläger auftraten. Damit haben die Kläger zu 1 bis 3, wie es früherem Verständnis bei der Geltendmachung von Ansprüchen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsprach (vgl. die Nachweise bei BGHZ 146, 341, 348), als notwendige Streitgenossen (§ 62 Abs. 1 Fall 2 ZPO) um Rechtsschutz nachgesucht. Folgerichtig weist das Urteil des Landgerichts die Parteistellung nicht der Gesellschaft "Gut G. ", sondern den Klägern zu 1 bis 3 zu. Darum richtet sich die durch das klageabweisende Urteil begründete Beschwer gegen die Kläger zu 1 bis 3 und nicht die Gesellschaft "Gut G. ". Als Streitgenosse, dessen Klagebegehren der Erfolg versagt blieb, kann dem Kläger die Rechtsmittelbefugnis nicht abgesprochen werden.

c) Die Rechtsmittelbefugnis des Klägers wird -anders als das Oberlandesgericht meint -nicht durch die mit dem Senatsurteil vom 29. Januar 2001 (II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) begründete neuere Rechtsprechung, wonach die Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Zivilprozeß aktiv und passiv parteifähig ist, berührt. Die Parteistellung wird durch Urteilsausspruch und -inhalt ohne Rücksicht auf die Beteiligung an dem materiellen Rechtsverhältnis erworben. Für die Begründung des Prozeßrechtsverhältnisses ist es ohne Bedeutung, ob die Kläger zu 1 bis 3 die "richtigen" Kläger sind. Der nach materiellem Recht unberechtigte Kläger ist also gleichwohl rechtsmittelbefugt (BGHZ 4, 328, 332, 334).

2. Der Zulässigkeit der Berufung des Klägers steht aber die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung geforderte Zulässigkeitsvoraussetzung entgegen, daß die Berufungsbegründung erkennen lassen muß, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig sein soll (vgl. Zöller/Gummer, ZPO 22. Aufl. § 519 a.F. Rdn. 35 m. Nachw. aus der Rspr.).

a) Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Berufungskläger die durch das erstinstanzliche Urteil begründete Beschwer beseitigen will. Sie ist unzulässig, wenn sie die Richtigkeit der erstinstanzlichen Klageabweisung gar nicht in Zweifel zieht, sondern lediglich, etwa im Wege der Klageänderung, einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die Änderung der Klage im Berufungsverfahren kann nicht allein das Ziel des Rechtsmittels sein, sondern setzt dessen Zulässigkeit voraus (Sen.Urt. v. 20. März 2000 -II ZR 250/99, NJW 2000, 1598; BGH, Urt. v. 6. Mai 1999 -IX ZR 250/98, NJW 1999, 2118 f.; BGH, Beschl. v. 21. September 1994 -VIII ZB 22/94, NJW 1994, 3358 f. jeweils m.w.N.).

b) Die Berufungsbegründung muß auf den Streitfall zugeschnitten sein und erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art sowie aus welchen Gründen der Berufungskläger das angegriffene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr. des BGH; BGHZ 143, 169, 171; BGH, Urt. v.

27. September 2001 -V ZB 29/01, BGHReport 2002, 257; BGH, Urt. v.

9. Oktober 2001 -XI ZR 281/00, BGHReport 2002, 302). Der Kläger hat sich in seiner Berufungsbegründung mit dem angefochtenen Urteil überhaupt nicht auseinandergesetzt, sondern die im Berufungsrechtszug geltend gemachten Ansprüche ausschließlich auf den nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils verwirklichten Erwerb der Anteile seiner Mitgesellschafter gestützt. Damit hat der Kläger weder die dem Ersturteil innewohnende Beschwer bekämpft, noch Beanstandungen gegen die Richtigkeit der Entscheidungsgründe erhoben.

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