LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.10.2010 - 5/10
Fundstelle
openJur 2012, 55359
  • Rkr:

1. Eine generelle Verfassungsaufsicht ist auch im Landesverfassungsrecht Mecklenburg-Vorpommerns nicht Ziel des als kontradiktorisches Verfahren ausgestalteten Organstreits nach Art. 53 Nr. 1 LV i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1, §§ 36 ff. LVerfGG; dieser dient vielmehr der Prüfung, ob ein beklagtes Verfassungsorgan landesverfassungsrechtlich abgesicherte Rechtspositionen eines anderen nach Art. 53 Nr. 1 LV Beteiligungsfähigen beeinträchtigt hat.2. Eine Landtagsfraktion kann einen behaupteten Verstoß gegen das in Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV vorgesehene Wahlverfahren für die Führungspositionen des Landesrechnungshofes nicht in einem gegen den Landtag gerichteten Organstreitverfahren überprüfen lassen, da nicht ersichtlich ist, inwiefern sie in diesem Zusammenhang die erforderliche Verletzung in eigenen Rechten (§ 37 Abs. 1 LVerfGG) geltend machen kann. Insbesondere vermittelt Art. 25 Abs. 2 LV einer Fraktion kein allgemeines "Recht auf Mitwirkung an einem Wahlverfahren, das verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt", auf dessen Verletzung sie sich im Organstreitverfahren berufen könnte.3. Die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen und damit die Wahlentscheidung selbst ist ein grundlegendes Recht des einzelnen Abgeordneten (Art. 22 Abs. 2 Satz 2 LV); nur dieser könnte sich insoweit auf eine mögliche Rechtsverletzung berufen.4. Ein Wahlvorschlag der Landesregierung nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV für die Besetzung des Amtes des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes stellt keine "Maßnahme" i.S.d. § 37 Abs. 1 LVerfGG dar, die Gegenstand einer Organklage nach Art. 53 Nr. 1 LV i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 LVerfGG mit dem Ziel sein kann, einen Verstoß des Wahlvorschlags gegen Art. 71 Abs. 1 LV festzustellen.5. Die Durchführung eines zweiten Wahlgangs bei einer Wahl nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV für den Fall, dass der Wahlvorschlag der Landesregierung im ersten Wahlgang die erforderlichen Quoren verfehlt, ist mit der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern vereinbar.6. Da weder aus der Landesverfassung selbst noch aus der Geschäftsordnung des Landtages oder dem Landesrechnungshofgesetz entnommen werden kann, ob ein Wahlvorschlag nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV, der in der Abstimmung das erforderliche Quorum nicht erreicht, endgültig "verbraucht" ist, ob es vor einem zweiten oder neuen Wahlgang eines ausdrücklichen erneuten schriftlichen Vorschlags der Landesregierung bedarf oder ob dann zwingend nur eine andere Person neu zur Wahl vorgeschlagen werden dürfte, hat das Landesverfassungsgericht vorrangig die Gestaltungsautonomie des Verfassungsorgans Landtag zu respektieren, selbst über das von ihm anzuwendende Wahlverfahren zu entscheiden. Auch Sinn und Zweck einer Wahl im Unterschied zu Abstimmungen über Sachfragen anhand näherer Betrachtung der Bestimmungen der Geschäftsordnung und der Vergleich mit sonstigen Regelungen zu parlamentarischen Wahlverfahren im Landes- und Bundesverfassungsrecht sprechen dafür, mehrere Wahlgänge grundsätzlich für zulässig anzusehen. Dies steht auch mit der parlamentarischen Praxis in Einklang.

Tenor

D i e  A n t r ä g e  w e r d e n  z u r ü c k g e w i e s e n .

D i e  E n t s c h e i d u n g  e r g e h t  k o s t e n f r e i.  A u s l a g e n  w e r d e n  n i c h t  e r s t a t t e t.

Gründe

A.

Mit am 26. März 2010 eingegangenem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten macht die Antragstellerin – eine Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern mit 13 Mitgliedern – die Ordnungsgemäßheit der Wahl des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern durch den Landtag am 12. März 2010 zum Gegenstand einer gegen den Landtag und die Landesregierung gerichteten Organklage. Sie sieht sich in ihrer parlamentarischen Mitwirkungsbefugnis aus Art. 25 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern - LV - dadurch verletzt, dass der Antragsgegner zu 1. mit seiner Mehrheit einen Kandidaten unter Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an diese Wahl und gegen Geschäftsordnungsbestimmungen gewählt habe. Ferner ist sie der Auffassung, bereits der Wahlvorschlag der Antragsgegnerin zu 2. genüge nicht den Anforderungen des Art. 71 Abs. 1 LV.

I.

Unter Tagesordnungspunkt 28 fand in der 92. Sitzung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern am 12. März 2010 die Wahl des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern statt. Auf den mit Drucksache 5/3271 vom 24. Februar 2010 gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV unterbreiteten Wahlvorschlag der Landesregierung entfielen in geheimer Wahl von 65 abgegebenen und gültigen Stimmen bei einer Enthaltung 41 Ja- und 23 Nein-Stimmen. Daraufhin stellte die Präsidentin des Landtages fest, der Kandidat habe "die nach Art. 68 Abs. 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern erforderliche Zweidrittelmehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder des Landtages nicht auf sich vereinigen können".

Nach einer Sitzungsunterbrechung rief die Präsidentin des Landtages erneut zur Abstimmung über den Wahlvorschlag der Landesregierung auf und eröffnete den zweiten Wahlgang. Nunmehr entfielen von 65 abgegebenen und gültigen Stimmen 44 Ja-Stimmen auf den Wahlvorschlag bei 21 Nein-Stimmen. Die Präsidentin des Landtages stellte daraufhin fest, der Kandidat habe "die nach Art. 68 Abs. 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern erforderliche Zweidrittelmehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder des Landtages auf sich vereinigen können".

Mit Schreiben vom 17. März 2010 erhob der Fraktionsvorsitzende der Antragstellerin gegenüber der Präsidentin des Landtages Bedenken gegen die Gültigkeit eines 2. Wahlgangs. Mit der Feststellung und Verkündung des ersten Wahlergebnisses sei die Wahl abgeschlossen gewesen. Ein nochmaliger Wahlgang wäre aufgrund der Endgültigkeit des gescheiterten Wahlgangs ausgeschlossen gewesen. Es greife hier der "Grundsatz der Unverrückbarkeit von Beschlüssen".

In ihrer Antwort vom 19. März 2010 trat die Präsidentin des Landtages dem entgegen. Es entspreche der allgemein üblichen Parlamentspraxis, dass Wahlen in mehreren Wahlgängen durchgeführt würden, wenn ein Kandidat im ersten Wahlgang nicht die erforderliche Mehrheit erreicht habe. In den Fällen, in denen für weitere Wahlgänge die Mehrheitsanforderungen gelockert würden, sei dies in Verfassungen, Gesetzen und Geschäftsordnungen der Parlamente ausdrücklich geregelt. Daraus ergebe sich, dass mehrere Wahlgänge zulässig seien, wenn eine vorgegebene Mehrheit in einem Wahlgang noch nicht erreicht worden sei. Der Grundsatz der Unverrückbarkeit von Beschlüssen könne auf einen Wahlvorgang, der nicht zu einer Wahl geführt habe, nicht angewendet werden.

II.

Die Antragstellerin hält die Voraussetzungen für ein Organstreitverfahren nach Art. 53 Nr. 1 LV, § 11 Abs. 1 Nr. 1, §§ 36 ff. Landesverfassungsgerichtsgesetz - LVerfGG - für gegeben. Sie sei gemäß § 37 Abs. 1 LV antragsbefugt. Bei der Wahl nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV handele es sich um eine rechterhebliche Maßnahme i. S. dieser Vorschrift. Eine Verletzung oder Gefährdung ihrer Rechte aus Art. 25 Abs. 2 LV erscheine zumindest möglich. Diese Vorschrift garantiere, an einem Wahlverfahren mitzuwirken, das verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge. Sie müsse eine Mehrheitsentscheidung nur dann hinnehmen, wenn diese im Einklang mit der Verfassung zustande gekommen sei.

Der Antrag sei auch begründet. Nach der ersten Stimmenzählung sei der Wahlvorgang beendet und deswegen eine wiederholte Stimmabgabe unzulässig gewesen. Dass es sich bei Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV um ein schlichtes parlamentarisches Zustimmungserfordernis handele, belegten die Entstehungsgeschichte der Norm und ihre systematische Ausgestaltung. Die Wahl der Spitzenbeamten des Landesrechnungshofes im Konsens von Legislative und Exekutive berücksichtige, dass dieser seine Aufgaben für beider Zwecke wahrnehme. Das Vorschlagsrecht der Exekutive – im Unterschied zu dem der Fraktionen bzw. des besonderen Ausschusses bei anderen Wahlen wie etwa der des Landesbeauftragten für den Datenschutz (Art. 37 LV), des Bürgerbeauftragten (Art. 36 LV) oder der Mitglieder des Landesverfassungsgerichts (Art. 52 Abs. 3 LV) – solle sicherstellen, dass ein Kandidatenvorschlag ohne Rücksicht auf politische Auseinandersetzungen im Parlament vorbereitet und formuliert werden könne. Den Wahlvorschlag nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV könne der Landtag nur annehmen oder ablehnen, er habe kein eigenes Vorschlagsrecht. Auch die Geschäftsordnung des Landtages - GO LT gebe nichts dafür her, die Abstimmung beliebig wiederholen zu können. Eine mehrfache Abstimmung über denselben Beschlussgegenstand oder Wahlvorschlag sei in §§ 89 ff. GO LT nicht vorgesehen; nach der Entscheidung sei dieser verbraucht. § 90 Abs. 5 GO LT erlaube eine Wiederholung der Abstimmung und Neuauszählung der Stimmen nur unter engen Voraussetzungen, die hier nicht vorgelegen hätten. Der Grundsatz der Unverrückbarkeit von Beschlüssen gelte auch für Entscheidungen über Wahlvorschläge. Deswegen hätte die vorschlagsberechtigte Landesregierung ihren Vorschlag zumindest ausdrücklich erneut einbringen und damit ein neues Abstimmungsverfahren einleiten müssen. Dies sei nicht geschehen.

Der Wahlvorschlag der Landesregierung habe zudem nicht den Anforderungen des Art. 71 Abs. 1 LV genügt. Für die Leitungsstellen des Landesrechnungshofes gelte, auch wenn der Begründungszwang bei der Wahl durch ein politisches Gremium entfalle, der Grundsatz der Bestenauslese, dessen Berücksichtigung auch der Landtag bei seiner Wahlhandlung gewährleisten müsse – gegebenenfalls durch Ablehnung des Wahlvorschlags. Dann aber müssten den Abgeordneten hinreichende Informationen über alle Bewerber gegeben werden, um eine eigene Eignungseinschätzung vornehmen zu können, ob die Voraussetzungen des § 3 Landesrechnungshofgesetz - LRHG - erfüllt seien. Die Auswahlkriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung würden nicht ersetzt durch die Notwendigkeit und die Vermutung politischen Vertrauens. Das Zurückdrängen des Leistungsprinzips sei nur in verfassungsrechtlich ausdrücklich geregelten Ausnahmefällen wie etwa den Wahlen der Abgeordneten in Bund, Ländern und Gemeinden, des Bundespräsidenten und der Mitglieder des Verfassungsgerichts sowie bei der Bildung von Regierungen hinzunehmen. Diese staats- und allgemeinpolitische Bedeutung fehle dem Landesrechnungshof.

Die Antragstellerin beantragt,

1. festzustellen, dass die Wahl des Herrn X zum Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern durch den Landtag Mecklenburg-Vorpommern in seiner Sitzung vom 12. März 2010 gegen Art. 68 Abs. 2 Satz 2 der Landesverfassung verstößt und daher unwirksam ist,

2. festzustellen, dass der Wahlvorschlag der Antragsgegnerin zu 2. vom 24. Februar 2010 (LT-Drs. 5/3271) gegen Art. 71 Abs. 1 LV verstößt.

III.

Die Antragsgegner beantragen die Zurückweisung der Anträge. Sie bestreiten die Antragsbefugnis der Antragstellerin; auch ziele der Gegenstand der Anträge nicht auf ein im Organstreit verfolgbares Ergebnis. Sie halten im Übrigen die Anträge jedenfalls für unbegründet. Über den Wahlvorschlag habe erneut abgestimmt werden dürfen.

1. Der Antragsgegner zu 1. macht geltend, die generelle Verfassungserwartung, dass im Landtag – und auch sonst überall im staatlichen Handeln – alles rechtlich einwandfrei ablaufe, bilde gewissermaßen einen "Jedermannsanspruch" und begründe nicht bereits in spezifischer Weise ein "eigenes Recht" der Fraktion, das die Antragsbefugnis im Organstreit vermitteln könne. Tauglich hierzu seien erst die Rechte, mit denen Teile des Landtages ausdrücklich durch Verfassung oder Geschäftsordnung "ausgestattet" seien (Art. 53 Nr. 1 LV). Das Recht auf Teilhabe an der Wahl habe der Antragstellerin uneingeschränkt zu Gebote gestanden. Sie habe an beiden Wahlgängen mitgewirkt, ohne Einwände zu erheben, und Bedenken erst fünf Tage später gegenüber der Landtagspräsidentin geäußert. Die behauptete Beeinträchtigung werde – wie sich aus dem im Sinne eines Vorwurfs zu verstehenden Vortrag ergebe, es habe ein "politisch abgesprochenes" Abstimmungsergebnis herbeigeführt werden sollen – ersichtlich stärker politisch als verfassungsrechtlich empfunden. Politische Absprachen im Bemühen um das Erreichen erforderlicher Mehrheiten im Landtag gehörten aber zum parlamentarischen Alltag und bildeten für Abgeordnete und Fraktionen – auch die der Antragstellerin – nicht selten gerade den Gegenstand, an dem mitgewirkt werde.

Jedenfalls werde das Klagebegehren nicht von der Zwecksetzung eines Organstreites erfasst. Dieser diene nicht einer allgemeinen Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines Organhandelns. Die Frage, welches Wahlverfahren Art. 68 Abs. 2 LV vorschreibe oder zulasse, betreffe nicht die spezifischen Rechts- und Pflichtenbeziehungen zwischen den Beteiligten und damit kein "eigenes" Recht der Antragstellerin. Eine Ungültigerklärung einer Wahl – wie hier beantragt – sei das typische Ergebnis eines Wahlprüfungsverfahrens. Auch im Falle einer Umdeutung oder Auslegung hin zu einer Feststellung einer Verletzung des Art. 68 LV würde im Erfolgsfalle (Wiederholungswahl) inhaltlich eine "Quasiwahlprüfung" vorgenommen. Als Wahlprüfungsbeschwerde in analoger Anwendung des Art. 21 Abs. 1 LV wäre der Antrag ebenfalls unzulässig, weil es am gebotenen vorrangigen Verfahren vor dem Wahlprüfungsausschuss bzw. dem Landtag nach Art. 21 Abs. 2 LV, § 49 Abs. 1 Nr. 3 LVerfGG fehle.

Welche Rechte der Antragstellerin durch einen bloßen Kandidatenvorschlag – selbst wenn man diesen als Maßnahme im Sinne des § 37 Abs. 1 LVerfGG ansehen wollte – verletzt sein sollten, sei nicht ersichtlich. Das Argument, der Vorschlag habe gegen Art. 71 Abs. 1 LV verstoßen, könne typischerweise nur ein unterlegener Mitbewerber im Rahmen einer Konkurrentenklage vortragen; es vermittele der Antragstellerin nicht die Antragsbefugnis im Organstreitverfahren, das lediglich auf die unmittelbare verfassungsrechtliche Beziehung zwischen den Streitparteien angelegt sei.

Im Übrigen seien die Anträge auch unbegründet. Der Grundsatz der Unverrückbarkeit von Beschlüssen könne – wenn überhaupt – nur für politisch-fachliche Regelungsaufgaben gelten. Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV verlange – wie auch andere vergleichbare Vorschriften etwa zur Wahl des Ministerpräsidenten, des Bundespräsidenten oder des Bundeskanzlers –, dass der Vizepräsident des Landesrechnungshofes ohne Aussprache gewählt werde, was charakteristisch für politische Kreationsakte sei. Vorstellungsrunden, Kandidatenbefragungen und Personaldebatten seien ausgeschlossen, weil der Gewählte durch einen "staatstragenden Akt" in einem vernünftigen, das Amt und zugleich den Inhaber des Vorschlagsrechts respektierenden Sinne bestellt werden solle. Die Wahl sei im Gegensatz zur sonstigen Parlamentsarbeit geheim, was ebenfalls in erster Linie die Autorität des Amtes schützen solle.

Vorgaben der geschriebenen und ungeschriebenen Geschäftsordnung fehlten. Eine Fortsetzung der Wahlhandlung sei durch Art. 68 LV jedenfalls nicht untersagt. Schon das Erfordernis der doppelten Mehrheiten von zwei Dritteln der Anwesenden, die mindestens die Mehrheit der Mitglieder ausmachen müssten, zeige, dass mehr als ein Wahlgang nicht von vornherein ausgeschlossen sein könne.

Sofern in anderen Fällen mehrere Wahlschritte ausdrücklich vorgesehen seien, werde dann das Mehrheitserfordernis herabgesetzt, wenn die in erster Linie verlangte qualifizierte Mehrheit nicht erreicht worden sei (Wahlen von Regierungschefs oder Parlamentspräsidenten), oder das Vorschlagsrecht wechsele auf einen anderen Akteur (wie bei der Kanzlerwahl nach Art. 63 Grundgesetz - GG). Aus der Existenz derartiger Vorschriften könne nicht der Schluss gezogen werden, bei ihrem Fehlen sei das Parlament auf eine einzige Abstimmung beschränkt.

Schon der politisch-öffentliche Druck auf die Landesregierung in einem Fall, in dem der Landtag beharrlich die notwendigen Mehrheiten verweigere, würde ausreichen, den Wahlvorschlag zurückzuziehen. Nach – wie vorliegend – einmaligem Verfehlen der geforderten Mehrheit sei eine solche Situation nicht gegeben gewesen.

Die Feststellung der Präsidentin nach dem zunächst misslungenen Wahlversuch, die Mehrheit sei verfehlt, könne nicht zu einer Verkündung des Schlussergebnisses aufgewertet werden; die Sitzung sei lediglich unterbrochen und es sei geprüft worden, ob eine Fortsetzung der Wahl zulässig und sinnvoll sein würde. Der Wahlvorschlag habe auch dem zweiten Wahlgang zugrundegelegt werden dürfen. Schon in dem Umstand, dass er nicht zurückgezogen worden sei, sei konkludent die Aussage zu erkennen, dass er für die Fortsetzung des Wahlverfahrens in Kraft bleiben oder als erneut vorgelegt gelten solle.

2. Die Antragsgegnerin zu 2. sieht ebenfalls nicht, wie der von ihr vorgelegte Wahlvorschlag – dessen Qualifizierung als "Maßnahme" im Sinne des § 37 Abs. 1 LVerfGG bereits zweifelhaft sei – spezifische Mitwirkungsrechte der Fraktionen nach Art. 25 Abs. 2 Satz 2 LV i.V.m. den Vorschriften der Geschäftsordnung des Landtages (insbesondere § 46 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 1, § 66 Abs. 1, § 74, § 91 Abs. 1 Satz 2 GO LT) verletzen könnte. Der in Bezug genommene Art. 71 Abs. 1 LV gewähre ein subjektives, grundrechtsgleiches Recht des Einzelnen gegen den Staat auf gleichen Ämterzugang und Beachtung des Leistungsprinzips. Die parlamentarischen Mitwirkungsrechte der Fraktionen beschränkten sich auf die Möglichkeit, über den Vorschlag abzustimmen. Hiervon hätten die Mitglieder der Antragstellerin mit ihrer Mitwirkung an beiden Wahlgängen Gebrauch gemacht, ohne Einwände gegen einen vermeintlich mangelhaften Wahlvorschlag zu äußern.

Ihr Wahlvorschlag habe nicht gegen Art. 71 Abs. 1 LV verstoßen. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfahre Durchbrechungen durch das Demokratieprinzip. Übertrage das Gesetz die Entscheidung über die Besetzung eines Amtes dem unmittelbar demokratisch legitimierten Parlament, dem eine Einschätzungsprärogative zukomme, drücke dies die Einschätzung aus, das Volk bzw. seine gewählten Vertreter würden eine geeignete Persönlichkeit wählen. Eine solche Wahlentscheidung sei nur daraufhin überprüfbar, ob der gewählte Bewerber die Ernennungsvoraussetzungen erfülle und ob das Wahlverfahren korrekt durchgeführt worden sei. Dass der vorgeschlagene und vom Landtag gewählte Bewerber die in § 3 LRHG genannten Kriterien erfülle, habe nicht ausdrücklich im Wahlvorschlag erwähnt werden müssen. Es verstehe sich von selbst, dass die Landesregierung nur einen solchen Bewerber nominiere, der die persönlichen Voraussetzungen für das Amt besitze.

IV.

Einen ebenfalls am 26. März 2010 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dem Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Ernennung des Gewählten zum Vizepräsidenten zu untersagen, hat das Landesverfassungsgericht mit Beschluss vom 29. März 2010 zurückgewiesen (LVerfG 6/10).

Der Gewählte ist inzwischen ernannt.

B.

Die im Rahmen eines Organstreitverfahrens nach Art. 53 Nr. 1 LV i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1, §§ 36 ff. des Gesetzes über das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Landesverfassungsgerichtsgesetz - LVerfGG) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landesverfassungsgerichtsgesetzes vom 14. Juli 2006 (GVOBl. M-V S. 573) gestellten Anträge bleiben erfolglos.

Zwar sind die Antragstellerin, der Antragsgegner zu 1. und die Antragsgegnerin zu 2. im Sinne der genannten Vorschriften am Organstreitverfahren beteiligungsfähig. Sie stehen auch in einem verfassungsrechtlich geprägten Rechtsverhältnis zueinander, denn zwischen ihnen besteht Streit über den Umfang der jeweiligen Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen dem Fraktions- (und gegebenenfalls Abgeordneten-)status einerseits und Art und Umfang der Mitwirkungspflichten bzw. der Berechtigung zur Festlegung des Verfahrensablaufs bei einem von der Verfassung in Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV vorgegebenen Wahlverfahren zur Besetzung der Funktion des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes andererseits. Dieses Wahlverfahren ist davon geprägt, dass die Landesregierung das ausschließliche Vorschlagsrecht für die Besetzung dieses Amtes besitzt, während die Wahl selbst vom Landtag vorgenommen wird. Die Antragstellerin ist wiederum eine selbständige und unabhängige Gliederung des Landtages, zu der sich Abgeordnete vereinigt haben (Art. 25 Abs. 1 LV) und die mit eigenen Rechten und Pflichten bei der parlamentarischen Willensbildung mitwirkt (Art. 25 Abs. 2 LV). Auch hat die Antragstellerin ihren Antrag gemäß § 37 Abs. 2 und 3 LVerfGG form- und fristgemäß gestellt und begründet.

Soweit mit dem gegen die Landesregierung gerichteten Antrag zu 2. begehrt wird, festzustellen, deren Wahlvorschlag verstoße gegen Art. 71 Abs. 1 LV, ist er jedoch bereits offensichtlich unzulässig; eine solche Feststellung kann nicht Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein (I.).

Was den gegen den Landtag gerichteten Antrag zu 1. mit dem Ziel betrifft, die auf einem Verstoß gegen Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV beruhende Unwirksamkeit der Wahl des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern festzustellen, vermag das Gericht eine mögliche unmittelbare Betroffenheit der Fraktion in ihren eigenen Rechten, wie sie § 37 Abs. 1 LVerfGG erfordert, nicht zu erkennen (II.). Offen bleiben kann, ob man den Antrag dahingehend auslegen könnte, dass mit ihm nicht vorrangig Rechte der Fraktion selbst, sondern im Grunde solche der einzelnen ihr angehörenden Abgeordneten geltend gemacht werden sollen und unterstellt werden kann, dass mit der Berufung auf Art. 25 Abs. 2 LV zugleich der Sache nach – ohne ausdrückliche Benennung, wie sie an sich § 37 Abs. 1 LVerfGG fordert – auch die Verletzung der Abgeordnetenrechte aus Art. 22 Abs. 2 Satz 2 LV gerügt worden ist (III.). Denn jedenfalls wäre der Antrag dann unbegründet, weil die Durchführung eines zweiten Wahlgangs zur Wahl des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes am 12. März 2010 nicht gegen Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV verstoßen hat (IV.).

I.

Die unter 2. begehrte Feststellung kann nicht Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein. Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 LVerfGG liegen nicht vor.

Fraglich ist bereits, ob dieser Antrag – nimmt man ihn wörtlich – nach Sinn und Zweck des Organstreitverfahrens dem Rechnung trägt, was in einem solchen Verfahren erstrebt werden kann. In den Vordergrund stellt die Antragstellerin nämlich nicht ein von ihr für verfassungswidrig gehaltenes Verhalten der Antragsgegnerin zu 2. und die nach ihrer Auffassung daraus resultierende eigene Rechtsverletzung, sondern die (verfassungs)rechtliche Bewertung eines von der Landesregierung verantworteten Wahlvorschlags.

Bei diesem Wahlvorschlag handelt es sich schon nicht um eine Maßnahme im Sinne des § 37 Abs. 1 LVerfGG, durch die die Antragstellerin im Organstreitverfahren in ihren ihr durch die Landesverfassung übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet werden kann. Zwar ist der Begriff der Maßnahme weit auszulegen; er umfasst jedes rechtserhebliche Verhalten des Antragsgegners unabhängig von seiner Rechtsförmlichkeit, durch das ein Antragsteller in seinem Rechtskreis konkret betroffen wird (LVerfG M-V, Urt. v. 21.06.2007 - LVerfG 19/06 -, NordÖR 2007, 407 unter Hinweis auf LVerfGE 5, 203, 216; LVerfGE 7, 199, 206). Eine im Organstreitverfahren beanstandete Maßnahme muss somit Rechtsqualität aufweisen oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung des Antragstellers beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten können (so BVerfGE 97, 408, 414 zum inhaltsgleichen § 64 Abs. 1 BVerfGG; siehe auch BVerfGE 60, 374, 381; BVerfGE 57, 1, 5). Handlungen, die nur vorbereitenden oder bloß vollziehenden Charakter haben – wie etwa ein Beschlussentwurf –, scheiden als Angriffsgegenstand im Organstreit aus (BVerfGE 97, 408, 414). Einen solchen lediglich vorbereitenden Charakter weist der Wahlvorschlag der Landesregierung nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV auf. Er stellt sich als Vorlage im Sinne des § 41 GO LT dar, die erst später im Rahmen des eigentlichen Wahlverfahrens zu einem Verhandlungsgegenstand im Sinne des § 43 GO LT wird. Um verbindliche Rechtswirkungen zu begründen, muss zwingend noch das Handeln eines weiteren Verfassungsorgans hinzutreten, nämlich die Durchführung der Wahl durch den Landtag.

Außerdem wird mit der Rüge, "der Wahlvorschlag verstoße gegen Art. 71 Abs. 1 LV", auch nicht die Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin als Fraktion geltend gemacht, sondern höchstens die Verletzung eines subjektiven Rechts eines Dritten, nämlich eines potentiellen Mitbewerbers. Art. 71 Abs. 1 LV gewährt ein subjektives, grundrechtsgleiches Recht des Einzelnen gegen den Staat (vgl. Meyer in: Litten/Wallerath, LVerf M-V, Art. 71 Rn. 4), er vermittelt einer Fraktion keine eigenen Rechte. Dies wäre auch dann nicht der Fall, wenn man diese Vorschrift ebenso wie Art. 33 Abs. 2 GG zugleich als objektive Wertentscheidung verstehen wollte, die das Interesse der Allgemeinheit zum Ausdruck bringt, möglichst qualifizierte Bewerber in die öffentlichen Ämter zu berufen (vgl. statt vieler Hömig, Grundgesetz, 9. Aufl. 2010, Art. 33 Rn. 3; Jarass in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 10. Aufl. 2009, Art. 33 Rn. 7 m.w.N.). Die Rüge eines Grundrechtseingriffs in Rechte Dritter kann nicht zum Gegenstand eines Organstreits gemacht werden, sondern muss den Betroffenen vorbehalten bleiben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.05.2010 - 2 BvE 5/07 - Rn. 68, juris = EuGRZ 2010, 343); sie wäre gegebenenfalls im Rahmen eines sogenannten Konkurrentenstreitverfahrens von einem unterlegenen Bewerber geltend zu machen (dessen Zulässigkeit bei der Besetzung der Leitungsfunktionen eines Rechnungshofes bejahend VG Potsdam, Beschl. v. 22.12.2006 - 2 L 745/06 -, juris; zur richterlichen Kontrolldichte in diesen Fällen siehe etwa Umbach/Dollinger, Zwischen Bestenauslese und Demokratieprinzip - Die Besetzung der Landesrechnungshöfe unter Berücksichtigung der Bewerbung, Wahl und Ernennung der Mitglieder des Rechnungshofs Brandenburg, Berlin 2007, S. 48 ff.).

Deswegen braucht das Gericht den Fragen nicht weiter nachzugehen, inwieweit die Landesregierung bei ihrem Wahlvorschlag über die in § 3 LRHG normierten persönlichen Anforderungen an die Kandidaten hinaus an den Grundsatz der Bestenauslese gebunden ist, dieser durch das Demokratieprinzip eingeschränkt wird und welche Verfahrensmodalitäten im Vorfeld der Erstellung des Wahlvorschlags zu beachten und gegebenenfalls im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf ihre Einhaltung zu überprüfen wären (vgl. VG Potsdam, a.a.O.; zur gerichtlichen Überprüfung der Wahlentscheidung eines parlamentarisch legitimierten Richterwahlausschusses vgl. BVerwG, Urt. v. 19.06.1997 - 2 C 24/96 -, DVBl. 1998, 196; siehe auch OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 15.10.2001 - 3 M 34.01 -, NJW 2001, 3495 sowie Beschl. v. 16.11.1998 - 3 M 50.98 -, juris).

II.

Auch in Bezug auf das unter 1. formulierte Begehren kann auf das Erfordernis, eine mögliche Verletzung oder unmittelbare Gefährdung von Rechten und Pflichten der Antragstellerin darzulegen, die ihr durch die Landesverfassung übertragen sind, nicht verzichtet werden (§ 37 Abs. 1 LVerfGG). Eine derartige Verletzung in eigenen Rechten ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

Die Organklage dient maßgeblich der Abgrenzung von Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht der davon losgelösten Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. zur Bundesebene BVerfGE 118, 244, 257; BVerfGE 104, 151, 193 f.; BVerfGE 68, 1, 69 ff.). Es handelt sich um kein objektives Verfahren prinzipaler oder authentischer Verfassungsinterpretation, sondern um ein kontradiktorisches Verfahren, dessen Gegenstand die Frage ist, ob das beanstandete Verhalten des beklagten Verfassungsorgans grundgesetzliche (hier: landesverfassungsrechtliche) Rechtspositionen des Klägers – im Falle einer zulässigen Prozessstandschaft solche des materiellen Rechteinhabers – beeinträchtigt (vgl. Bethge in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 64 Rn. 10). Eine generelle Verfassungsaufsicht ist nicht Ziel des Organstreits. Auf eine solche objektive Verfassungskontrolle liefe aber die Anerkennung eines von der Antragstellerin in Anspruch genommenen, aus Art. 25 Abs. 2 LV hergeleiteten allgemeinen "Rechts auf Mitwirkung an einem Wahlverfahren, das verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt" hinaus.

Nach dieser Vorschrift ist die Antragstellerin als Fraktion eine "selbständige und unabhängige Gliederung des Landtages, die mit eigenen Rechten und Pflichten bei der parlamentarischen Willensbildung mitwirkt" (Art. 25 Abs. 2 Satz 1 und 2 LV). Sie ist im Organstreit zur Geltendmachung eigener Rechte befugt, wenn diese in der Verfassung oder z.B. in Geschäftsordnungsbestimmungen verankert sind (vgl. BVerfGE 70, 324, 351 m.w.N.; st. Rspr.). Die Landesverfassung selbst und die Geschäftsordnung des Landtages benennen und präzisieren eine Reihe von geschäftsordnungsrechtlichen Befugnissen der Fraktionen. So sind etwa die Einbringung von Gesetzentwürfen aus der Mitte des Landtages (§ 46 Abs. 1 Satz 1 GO LT), Große Anfragen (§ 63 Abs. 1 GO LT), Anträge auf Aktuelle Stunden (§ 66 Abs. 1 GO LT), auf Abweichung von der Tagesordnung (§ 74 GO LT) oder auf namentliche Abstimmung (§ 91 GO LT) ausschließlich einer Fraktion oder vier Mitgliedern des Landtags vorbehalten. Rechte können den Fraktionen auch in anderen Gesetzen verliehen sein, etwa das Vorschlagsrecht für die Wahl des Landesbeauftragten für den Datenschutz (§ 29 Abs. 2 Satz 3 DSG M-V) oder des Bürgerbeauftragten (§ 5 Abs. 2 Satz 4 PetBüG M-V). Die nähere Ausgestaltung gemäß Art. 25 Abs. 2 Satz 4 LV nehmen zudem die Vorschriften in Abschnitt VI des Abgeordnetengesetzes (§§ 51 bis 57 AbgG M-V) vor. Auch wenn die Fraktionen somit in gewisser Weise die individuellen Rechte der Abgeordneten bündeln mögen, können ihre eigenen Rechte mit denen der Abgeordneten nicht ohne Weiteres in jeder Beziehung gleichgesetzt und im Organstreitverfahren ausgetauscht werden (vgl. BbgVerfG, Beschl. v. 20.02.2003 - 112/02 -, juris Rn. 17 m.w.N.; für den umgekehrten Fall vgl. auch BVerfGE 70, 324, 354: aus der Zugehörigkeit des Abgeordneten zu einer Fraktion folgt nicht sein Recht, deren etwaige Rechte im eigenen Namen im Organstreit zu verfolgen).

Die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen und damit die Wahlentscheidung selbst ist typischerweise ein grundlegendes Recht des einzelnen Abgeordneten (Art. 22 Abs. 2 Satz 2 LV) mit der Folge, dass auch nur dieser sich auf eine mögliche Verletzung seines Rechts berufen könnte.

Da die Fraktionen als solche in die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes nicht eingebunden sind, ist nicht ersichtlich, inwiefern sie bei einer mehrfachen Abstimmung in eigenen Rechten verletzt sein könnten. Förmliche Wahlvorschläge dürfen sie – anders als bei Wahlen zu anderen Funktionen – in keinem Stadium des Verfahrens unterbreiten, da das Wahlvorschlagsrecht ausschließlich der Landesregierung eingeräumt ist. Das in der ursprünglichen Fassung des Landesrechnungshofgesetzes vom 21. November 1991 (GVOBl. M-V S. 438) in § 4 Abs. 1 LRHG noch eingeräumte Vorschlagsrecht der Fraktionen, das in die Nominierung durch die Regierung mündete, ist mit Art. 2 Abs. 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Juli 2006 (GVOBl. M-V S. 572), mit dem zugleich Art. 68 LV seine heutige Fassung erhalten hat, gestrichen worden. Eine Aussprache über den Wahlvorschlag findet nicht statt (Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV), so dass auch eine Gestaltung des Ablaufs der Sitzung durch die Fraktionen (§§ 81 ff. GO LT - Redeordnung) als möglicherweise betroffenes Mitwirkungsrecht nicht in Betracht kommt.

Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass Fraktionen als Teil des Verfassungsorgans Landtag im eigenen Namen stellvertretend in Prozessstandschaft für diesen gegenüber anderen nach Art. 53 Nr. 1 LV Beteiligungsfähigen dessen Betroffenheit in eigenen Rechten geltend machen können (st. Rspr. des BVerfG, vgl. etwa Beschl. v. 01.07.2009 - 2 BvE 5/06 -, Rn. 115 m.w.N., NVwZ 2009, 1092). Eine solche Überlegung führte vorliegend allerdings schon deswegen nicht weiter, weil hier Antragsgegner gerade der Landtag selbst ist, der sich dann in Art eines "In-Sich-Prozesses" auf Antragstellerseite (vertreten durch die Fraktion) und Antragsgegnerseite fände, um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eigenen Verhaltens zu klären.

III.

Das Gericht lässt offen, ob die Antragstellerin als Fraktion mit dem Antrag zu 1. in Wahrnehmung einer Art "Bündelungsfunktion" (Zapfe in: Litten/Wallerath, LVerf M-V, Art. 25 Rn. 4) letztlich die individuellen Rechte der einzelnen ihr angehörenden Abgeordneten geltend macht und unterstellt werden kann, dass mit der Berufung auf Art. 25 Abs. 2 LV zugleich der Sache nach – ohne ausdrückliche Benennung, wie sie an sich § 37 Abs. 1 LVerfGG erfordert – auch die Verletzung von Abgeordnetenrechten aus Art. 22 Abs. 2 LV gerügt worden ist. Nach dieser Vorschrift haben die Abgeordneten das Recht, im Landtag und seinen Ausschüssen das Wort zu ergreifen sowie Fragen und Anträge zu stellen (Satz 1), und sie können bei Wahlen und Beschlüssen ihre Stimme abgeben (Satz 2); das Nähere regelt die Geschäftsordnung (Satz 3).

Auch in diesem Zusammenhang wäre allerdings bereits zweifelhaft, inwiefern das Recht, bei Wahlen seine Stimme abzugeben, zugleich ein allgemeines "Recht auf Mitwirkung an einem Wahlverfahren, das verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt" umfasste, das die Antragstellerin hier wegen der Durchführung eines zweiten Wahlgangs als verletzt und der rechtlichen Überprüfung in einem Organstreitverfahren zugänglich ansieht, obwohl weder sie selbst noch irgendein anderes Mitglied des Landtages in der fraglichen Landtagssitzung die Durchführung eines zweiten Wahlgangs in Frage gestellt hat.

IV.

Ungeachtet dieser Zweifel erscheint es im Interesse aller Beteiligten an der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage dem Gericht sachgerecht, inhaltlich Stellung zu nehmen.

Die Präsidentin des Landtages durfte nach Feststellung und Mitteilung des Ergebnisses des (ersten) Wahlgangs und der anschließenden Sitzungsunterbrechung zu einer erneuten Abstimmung über den vorliegenden Wahlvorschlag aufrufen, einen zweiten Wahlgang durchführen lassen und sodann als Ergebnis der Stimmauszählung feststellen, dass der Kandidat die nach Art. 68 Abs. 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern erforderliche Zweidrittelmehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder des Landtages auf sich hat vereinigen können. Zugleich war mit 44 Ja-Stimmen die Mehrheit der Mitglieder des Landtages erreicht.

1. Weder die Landesverfassung und die Geschäftsordnung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern vom 16. Oktober 2006 (GVOBl. M-V S. 783) i.d.F. der Ersten Änderung vom 27. Januar 2010 (GVOBl. M-V S. 138) noch das Landesrechnungshofgesetz enthalten über die Vorgaben des Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV hinausgehende oder diese präzisierende ausdrückliche Regelungen über Einzelheiten der Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes. Nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV werden beide auf Vorschlag der Landesregierung vom Landtag mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder, mindestens mit der Mehrheit der Mitglieder des Landtages ohne Aussprache auf die Dauer von zwölf Jahren gewählt und sodann vom Ministerpräsidenten ernannt; soweit das Landesrechnungshofgesetz in § 4 Abs. 1 eine abweichende Formulierung enthält ("... werden von der Regierung zur Wahl nominiert und vom Landtag mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder ohne Aussprache gewählt"), ist diese aus der Zeit vor dem endgültigen Inkrafttreten der Landesverfassung vom 23. Mai 1993 am 15. November 1994 (GVOBl. M-V S. 811) stammende Vorschrift ersichtlich noch nicht der aktuellen Verfassungsrechtslage angepasst, die selbstverständlich Geltungsvorrang hat. Die Geschäftsordnung des Landtages enthält auch sonst keine näheren allgemeinen Regelungen zur Durchführung von Wahlverfahren, etwa in Gestalt einer Wahlordnung als Anlage zur Geschäftsordnung (so etwa in Brandenburg, dort Anlage 7).

Es fehlen somit insbesondere Bestimmungen darüber, ob ein Wahlvorschlag der Landesregierung, der in der Abstimmung ein erforderliches Quorum nicht erreicht, endgültig "verbraucht" ist, wie dies die Antragstellerin annimmt, ob es vor einem zweiten oder neuen Wahlgang zumindest eines ausdrücklichen erneuten schriftlichen Vorschlags der Landesregierung bedarf oder ob dann zwingend nur eine andere Person neu zur Wahl vorgeschlagen werden dürfte.

In einer derartigen Situation sieht sich das Landesverfassungsgericht veranlasst, schon aus Respekt vor der Gestaltungsautonomie eines anderen Verfassungsorgans in seinen eigenen Belangen dem Recht des Landtages erhebliches Gewicht beizumessen, selbst über das Verfahren zu entscheiden, das er bei einer von ihm vorzunehmenden Wahlhandlung für anwendbar hält. Vorrangig ist – wie dies auch bei Wahlen auf anderen Rechtsgebieten anerkannt ist und praktiziert wird, etwa im Vereins- oder Gesellschaftsrecht – hierzu zunächst die Sitzungsleitung berufen. Diese hätte auf Widerspruch auch nur eines Abgeordneten gegebenenfalls eine Entscheidung des Plenums herbeizuführen. In diesem Zusammenhang gewinnt daher der Umstand besondere Bedeutung, dass ausweislich des Protokolls während der Landtagssitzung selbst, in der die Wahl vorgenommen wurde, von keiner Seite Bedenken gegen die Durchführung eines zweiten Wahlgangs über den vorliegenden Wahlvorschlag erhoben wurden, auch nicht seitens der Antragstellerin bzw. der ihr angehörenden Abgeordneten. Nachdem die Sitzung nach Eröffnung des Ergebnisses des ersten Wahlgangs für über eine Stunde unterbrochen war, hatten alle Beteiligten hinreichend Gelegenheit, die entstandene Situation tatsächlich, rechtlich und politisch zu würdigen und – sollten Bedenken gegen die Fortführung der Wahl durch die Sitzungsleitung und einen zweiten Wahlgang bestanden haben – diese zu äußern und gegebenenfalls die Entscheidung des Landtages über das weitere Vorgehen herbeizuführen.

2. Nur dann, wenn trotz des Schweigens der Verfassung und des einfachgesetzlichen Rechts über Details des Wahlvorgangs im konkreten Fall aus dem Wortlaut des Art. 68 Abs. 2 LV oder einer Gesamtschau sonst vorhandener Regelungen der eindeutige Schluss gezogen werden müsste, ein zweiter Wahlgang über den Wahlvorschlag der Landesregierung zur Wahl eines Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes verstoße gegen zwingende rechtliche Vorgaben, wäre die streitige Rechtsfrage im Sinne der Antragstellerin zu beantworten. Hierfür sieht das Gericht keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil sprechen Sinn und Zweck einer Wahl im Unterschied zu Abstimmungen über Sachfragen anhand einer näheren Betrachtung der Bestimmungen der Geschäftsordnung sowie der Vergleich mit sonstigen Regelungen zu parlamentarischen Wahlverfahren im Landes- und Bundesverfassungsrecht dafür, mehrere Wahlgänge grundsätzlich für zulässig anzusehen. Diese Auffassung legt zusätzlich auch das in Art. 68 Abs. 2 Satz 2 LV enthaltene Erfordernis eines doppelten Quorums (Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Landtages und mindestens Mehrheit der Mitglieder) eher nahe als die gegenteilige, von der Antragstellerin vertretene.

Dem Argument der Antragstellerin, bei der Wahl des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes handele es sich im Grunde nicht um eine "echte Wahl", sondern um ein "schlichtes parlamentarisches Zustimmungserfordernis", das einem sonstigen (Sach)Beschlussgegenstand gleichzusetzen sei, über den – abgesehen von den Fällen der Wiederholung der Abstimmung wegen Anzweifelns des festgestellten Abstimmungsergebnisses (§ 90 Abs. 5 GO LT) – wegen des Grundsatzes der sog. "Unverrückbarkeit von Beschlüssen" nicht mehrmals abgestimmt werden dürfe, kann das Gericht nicht folgen.

Den Begriff der "Zustimmung" verwendet die Geschäftsordnung lediglich in Zusammenhang mit der Fassung der Fragestellung (§ 89 Abs. 1 Satz 1 und 2 GO LT); es handelt sich nicht um eine eigene parlamentarische Entscheidungskategorie. Die Geschäftsordnung des Landtages unterscheidet in § 41 GO LT zwischen Vorlagen mit sachlichem Inhalt (Beschlussgegenständen wie Gesetzentwürfen, Anträgen, Anfragen und Antworten auf Große Anfragen, Berichten, Beschlussempfehlungen u.ä.) und personenbezogenen Vorlagen (Wahl). Die Abstimmungsordnung wiederum (§§ 89 ff. GO LT) nennt Wahlen lediglich in § 90 Abs. 4 (Feststellung, ob eine erforderliche Mehrheit erreicht ist) und in § 92 Abs. 1 GO LT (geheime Durchführung). Die übrigen Vorschriften über das Abstimmungsverfahren (§ 90), die namentliche Abstimmung (§ 91), die Aussetzung der Abstimmung (§ 93) und die Reihenfolge der Abstimmung sind bei Wahlen ersichtlich nicht anwendbar.

Eine in der Verfassung als solche bezeichnete Wahl verliert diese Qualität nicht deswegen, weil – wie im vorliegenden Falle, in dem vorschlagsberechtigt ein bestimmtes Gremium außerhalb des eigentlichen Wahlgremiums ist – lediglich eine Person zur Wahl gestellt wird. Dass tatsächlich nur eine Person zur Wahl steht, kann zudem auch bei sonstigen Wahlen vorkommen, für die Fraktionen oder Mitglieder des Landtages vorschlagsberechtigt sind. Gerade dort, wo qualifizierte Mehrheiten zur Wahl erforderlich sind, dürfte dies nach allgemeiner politischer Erfahrung in der parlamentarischen Praxis sogar eher wahrscheinlich sein als eine Konkurrenz mehrerer Bewerber. In Konsequenz der Argumentation der Antragstellerin müsste dann auch in diesen Fällen ein Wahlvorschlag, der nicht gleich die erforderliche qualifizierte Mehrheit erreicht, "verbraucht" sein und dürfte ein zweiter Wahlgang nicht durchgeführt werden.

Im Übrigen dürfte die rechtliche Prüfung, ob ein Wahlvorschlag nach einer Abstimmung "verbraucht" ist, weil ein erforderliches Quorum nicht erreicht ist, nicht von dem Ablauf der Wahl und der Stimmenkonstellation in einem konkreten Fall abhängig gemacht werden. Dann aber hätte die Auffassung der Antragstellerin zur Folge, dass ein Wahlvorschlag auch in dem Fall "verbraucht" wäre, in dem auf ihn zwar mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen entfallen, damit aber nicht die Mehrheit der Mitglieder des Landtages erreicht wird, weil sich zu wenig Abgeordnete an der Wahl beteiligt haben. Dies wiederum kann höchst unterschiedliche Ursachen, gerade auch in Addition objektiver Hinderungsgründe wie Krankheiten, Unfälle, Überhören des Aufrufs zur Wahl o.ä. haben und muss keinesfalls zwingend Ausdruck der inhaltlichen Ablehnung des vorgeschlagenen Kandidaten sein.

Der "Grundsatz der Unverrückbarkeit von Beschlüssen" (vgl. hierzu im Zusammenhang mit Gesetzesbeschlüssen BVerfGE 119, 96; BbgVerfG, Urt. v. 30.06.1999 - Vf 50/98 -, juris Rn. 56 = LKV 2000, 71), auf den sich die Antragstellerin beruft, kann bei Wahlen daher nur dann Geltung beanspruchen, wenn die Wahl ein positives Ergebnis erbracht hat, ein Kandidat also die nach den einschlägigen Vorschriften erforderliche(n) Mehrheit(en) erreicht hat. Dem Wahlgremium Landtag wäre es verwehrt, sein eigenes Wahlergebnis ohne Weiteres wieder in Frage zu stellen und eine erfolgreich durchgeführte Wahl neu anzusetzen. Ebensowenig könnte ein Vorschlagsberechtigter ein positives Wahlergebnis ignorieren und mit Aussicht auf Erfolg einen neuen Wahlvorschlag zur Abstimmung stellen. Dies gilt nicht nur in den Fällen, in denen der Gewählte mit der Wahl und deren Annahme unmittelbar in die zu besetzende Funktion eingetreten ist, sondern auch dann, wenn sich – wie vorliegend nach Art. 68 Abs. 2 Satz 3 LV – erst noch ein Ernennungsakt durch einen Dritten anschließt.

Damit steht die parlamentarische Praxis in Einklang, gerade dann, wenn Wahlvorschriften bestimmte oder gar mehrfache Quoren vorsehen, mehrere Wahlgänge als zulässig anzusehen und durchzuführen, wenn das notwendige Quorum im ersten Wahlgang nicht erreicht wird, es sei denn, der Wahlvorschlag würde zurückgezogen. Die Fälle, in denen etwas anderes gilt, sind ausdrücklich geregelt und unterscheiden sich zudem jeweils durch einen sachlichen Grund. Dass bei der Wahl des Bundeskanzlers über den Erstvorschlag des Bundespräsidenten (Art. 63 Abs. 1 GG) kein weiterer Wahlgang stattfindet, wenn die erforderliche Mehrheit nicht erreicht ist, ergibt sich daraus, dass dann das Wahlvorschlagsrecht unmittelbar auf den Bundestag selbst übergeht (Art. 63 Abs. 3 GG), der nach dem Wahlgang 14 Tage Zeit hat, mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Bundeskanzler zu wählen. Innerhalb dieses Zeitraums sind beliebig viele Wahlgänge möglich. Notwendigerweise finden sich Aussagen zur Anzahl von Wahlgängen auch dann, wenn sich im Verlauf des Wahlverfahrens das zu erreichende Quorum ändert, wie das etwa bei der Wahl des Bundespräsidenten der Fall ist (Art. 54 Abs. 6 GG).

Da ein zweiter Wahlgang über den vorliegenden Wahlvorschlag durchgeführt werden durfte, bedurfte es weder einer ausdrücklichen Erklärung der wahlvorschlagsberechtigten Landesregierung, dass sie an ihrem Wahlvorschlag festhält, noch gar eines formell neuen Wahlvorschlags.

C.

Das Verfahren ist kostenfrei (§ 33 Abs. 1 LVerfGG). Auslagen werden nicht erstattet (§ 34 Abs. 2 LVerfGG).

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