LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24.08.2009 - L 6 B 186/09
Fundstelle
openJur 2012, 55038
  • Rkr:

1. Im Fall der Insolvenz eines Bieters ist ein Vergabenachprüfungsverfahren nicht unterbrochen. Die Vorschrift des § 240 ZPO findet keine entsprechende Anwendung. Nach Sinn und Zweck des Vergaberechts und der prozessualen Gestaltung des Vergabenachprüfungsverfahrens ist eine Unterbrechung im Hinblick auf die Sicherung des Versorgungsauftrages der Krankenkassen und das besondere Beschleunigungsverbot nicht geboten. Zudem ist die Insolvenzmasse durch die Chance auf einen Zuschlag nicht berührt.

2. Die Antragsbefugnis fehlt, wenn ein Bieter eine subjektive Verletzung in eigenen Rechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB nicht substantiiert darlegt. Wer ein unvollständige Angebot vorlegt, hat darzulegen, warum gleichwohl eine Rechtsverletzung bzw. Schädigung möglich sein soll.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 18. August 2008 gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Landes bei dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern vom 01. August 2008 - ... - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Eilantrages gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB. Sie hat der

Antragsgegnerin und den Beigeladenen zu 3., 4., 6. und 8. ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 375.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt in diesem Vergabeverfahren die Untersagung der Zuschlagserteilung durch die Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin führt ein offenes Ausschreibungsverfahren zum Abschluss von Versorgungsverträgen gemäß § 127 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über Leistungen zur Versorgung mit Gehhilfen und Kranken-/Behindertenfahrzeugen. Die Antragstellerin gab auf eines der ausgeschriebenen 18 Regionallose ein Angebot (Los 18) ab. Die Antragsgegnerin schloss die Antragstellerin auf der zweiten Wertungsstufe wegen eines fehlenden Qualifikationsnachweises über die fachliche Eignung aus, woraufhin die Antragstellerin wie auch weitere Antragsteller Vergaberechtsverstöße rügte. Schließlich hat sie am 04. Juli 2008 zusammen mit 17 anderen Unternehmen einen Nachprüfungsantrag, gerichtet auf Aufhebung der Ausschreibung, gestellt.

Die 3. Vergabekammer bei dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern hat diesen Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 01. August 2008 verworfen ( ). Zur Begründung hat die Vergabekammer im Wesentlichen ausgeführt, dass der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis unzulässig sei. Die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft lägen nicht vor. Jeder Antragsteller müsse in einem Vergabeverfahren in seinen eigenen Rechten betroffen sein. Es fehle den Antragstellern auch das erforderliche Interesse am Auftrag, da sie nur das Ausschreibungsverfahren torpedieren wollten. Es erscheine auch ausgeschlossen, dass alle vertretenen Antragsteller bei der neuen Ausschreibung zum Zuge kommen könnten.

Gegen die vorgenannte Entscheidung der Vergabekammer haben die Antragsteller am 18. August 2008 sofortige Beschwerde beim OLG Rostock eingelegt, welches diese an das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Inkrafttreten der Rechtswegzuweisung zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit abgegeben hat (vergleiche § 29 Abs. 5 SGG, § 116 Abs. 3 GWB).

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 05. Mai 2009 (L 6 B 17/09) die fragliche Zulässigkeit der Streitgenossenschaft erörtert, woraufhin die Antragsteller - mithin auch diese Antragstellerin - gleichwohl beantragt haben,

1. den Beschluss der Vergabekammer vom 01. August 2008 Az. bei dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Mecklenburg-Vorpmmern aufzuheben,

2. der Antragsgegnerin zu untersagen, im Vergabeverfahren Versorgung der Versicherten mit Gehhilfen und Kranken-/Behindertenfahrzeugen einen Zuschlag zu erteilen,

3. der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens sowie des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

1. die sofortige Beschwerde zurückzuweisen,

2. den Antragstellern die Kosten des Verfahrens einschließlich die für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen,

3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin notwendig war.

Die Beigeladenen zu 3., 4., 6. und 8. beantragen,

die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten jeweils für notwendig festzustellen.

Der Senat hat nach Zwischenberatung in der mündlichen Verhandlung das Verfahren in 18 eigene Verfahren der jeweiligen Antragsteller mit eigenem Aktenzeichen getrennt. Mit der Trennung hat der Senat den Antragstellern jeweils aufgegeben, bis zum 26. Mai 2009 darzulegen, durch welche sie selbst betreffenden Vergabefehler, sie meinen, in ihren eigenen Rechten verletzt zu sein. Des Weiteren wurde ihnen aufgegeben, entsprechende Tatsachen und Beweismittel anzugeben und mitzuteilen, welche Anträge jeweils gestellt werden sollen.

Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2009 hat Rechtsanwältin Antje K mitgeteilt, als Insolvenzverwalterin für die Antragstellerin gemäß Beschluss des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 06. Mai 2009 bestellt zu sein und beantragt, den Rechtsstreit L 6 B 17/09 (Verg) auszusetzen bzw. ruhen zu lassen.

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass das Beschwerdeverfahren der Antragstellerin - nach Trennung unter dem Geschäftszeichen L 6 B 186/09 eingetragen - nicht unterbrochen sein dürfte. Zweifelhaft sei, ob § 240 ZPO anwendbar sei. Auch dürfte die Insolvenzmasse durch die im Verfahren streitigen Chancen nicht betroffen sein. Auszugehen sei von einer weiteren Vertretung der Schuldnerin durch die Geschäftsführung. Sollte sie der Ansicht sein, die Schuldnerin nunmehr zu vertreten, werde einer begründeten Stellungnahme binnen 2 Wochen entgegengesehen. Danach beabsichtige der Senat zu entscheiden. Die Insolvenzverwalterin K hat hierauf in einem Schriftsatz vom 15. Juli 2009 mitgeteilt, sie bitte um Unterbrechung des Verfahrens L 6 B 186/09 und beabsichtige nicht, den Rechtsstreit aufzunehmen. In einem weiterem Schriftsatz vom gleichen Tag hat sie auf den Hinweis des Senats erwidert, § 240 ZPO würde in allen Verfahrensarten gelten. Der Insolvenzverwalter solle mit dem Wechsel in der Prozessführung ausreichend Bedenkzeit erhalten, über die Fortführung des Prozesses zu entscheiden. Schließlich sei der Geschäftsbesorgungsvertrag mit den ehemaligen Prozessbevollmächtigen der Antragstellerin mit Insolvenzeröffnung erloschen, weswegen deren Rechte ohne Verfahrensunterbrechung erheblich beschnitten seien. Sie bitte weiterhin um Unterbrechung des Verfahrens L 6 B 186/09.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu 3. haben schriftsätzlich die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde sowie die Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten beantragt. Zur Frage der Verfahrensunterbrechung hat die Antragsgegnerin insbesondere ausgeführt, eine solche käme im Vergabeverfahren angesichts der Vergabevorschriften und des besonderen Beschleunigungsgebots nicht in Betracht. Zudem fehle aufgrund der Insolvenz der Antragstellerin das Interesse am Auftrag, zumal die Insolvenzverwalterin ausgeführt habe, den Rechtsstreit nicht aufnehmen zu wollen. Insoweit weise sie darauf hin, dass die Insolvenzverwalterin am 24. Juni 2009 die Masseunzulänglichkeit beim Insolvenzgericht angezeigt habe.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Eine Verfahrensunterbrechung gemäß § 240 ZPO i.V.m. § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht eingetreten. Danach finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechende Anwendung, wenn im Sozialgerichtsgesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthalten sind und die grundsätzlichen Unterschiede in beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren kommt es danach grundsätzlich zu einer Verfahrensunterbrechung, wenn die Voraussetzungen des § 240 ZPO erfüllt sind.

Zu beachten ist allerdings hier, dass es sich um ein Vergabenachprüfungsverfahren handelt, in welchem auch besondere prozessuale Regelungen durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) getroffen werden (§ 142a Abs. 1 SGG). Nach § 120 GWB finden die §§ 69, 70 Abs. 1 bis 3., § 71 Abs. 1 und 6, §§ 72, 73 mit Ausnahme der Verweisung auf § 227 Abs. 3 der Zivilprozessordnung und die §§ 111, 113 Abs. 2 Satz 1 entsprechende Anwendung. In dieser Aufzählung findet sich die Vorschrift des § 240 ZPO gerade nicht. In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Kommentierung ist streitig, ob diese Verweisung trotz ihres Wortlauts tatsächlich abschließend ist und wie Lücken zu schließen sind, sei es durch Rückgriff auf die ZPO oder VwGO (vergleiche Willenbruch/Bischoff, Kompaktkommentar Vergaberecht, § 120 GWB, Rz. 23ff.; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17.08.2007, 1 Verg 5/07, zitiert nach juris). Einigkeit besteht, dass die analoge Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften für jede einzelne Verfahrensfrage gesondert zu prüfen ist. Im sozialgerichtlichen Verfahren kann die ZPO entsprechend der Vorschrift des § 202 SGG anwendbar sein, wobei andererseits das SGG auch auf Vorschriften der VwGO verweist (wie zB in § 197a SGG). Im Ergebnis kann diese Frage auch offenbleiben, da der Senat jedenfalls der Auffassung ist, dass die Vorschrift des § 240 ZPO unter Berücksichtigung des Sinn und Zweckes des Vergaberechts und der speziellen materiellen und prozessualen Vergabevorschriften nicht anwendbar ist.

Die Geltung des § 240 ZPO verträgt sich nicht mit dem im Vergabeverfahren geltenden besonderen Beschleunigungsgrundsatz, der auch in relativ kurzen prozessualen Fristen Ausdruck findet (vgl. insbesondere § 113 und 118 GWB). Schließlich bestünde die Gefahr, dass regelmäßig Ausschreibungen nicht binnen angemessener Zeit beendet werden können, wenn sich insolvenzgefährdete Bieter an der Ausschreibung beteiligen. Dies wäre im Hinblick auf die Interessen des Auftragsgebers bedenklich, der ein Interesse an der zügigen Vergabe des von ihm ausgeschriebenen Auftrages hat. Hier gilt dies in besonderem Masse, da es um eine wirtschaftlichere Versorgung (vgl. BT-Drucksache 16/3100 zur Gesetzesbegründung) und damit um die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung geht, die einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang darstellt (vgl. ständige Rspr. des BVerfG, zuletzt Urteil vom 10.06.09, 1 BvR 706/08 u.a, zitiert nach juris; BVerfGE 68, 193, 218). Schließlich können insolvente Bieter vom Vergabeverfahren gemäß § 25 Nr. 1 (2) b) i.V.m. § 7 Nr. 5 a) und b) der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) Teil A ausgeschlossen werden. Der Ausschluss liegt im Ermessen der Vergabestelle, die Chancen und Risiken abwägen kann. Die Insolvenz eines Bieters soll aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht den Fortgang des Verfahrens hindern. Dies gilt erst recht, wenn ein Bieter erst während des bereits anhängigen Beschwerdeverfahrens in Insolvenz fällt.

Selbst wenn jedoch § 240 ZPO anwendbar wäre, ist jedenfalls nicht die Insolvenzmasse betroffen. Hierfür genügt nicht irgendeine wirtschaftliche Beziehung zur Masse, sondern der streitbefangene Gegenstand muss tatsächlich zur Insolvenzmasse gehören und aus ihr zu leisten oder zu erfüllen sein (vergleiche Thomas/Putzo, ZPO, 28. Auflage, 240 Rz. 4 ff). Dies ist regelmäßig der Fall bei aktiven oder passiven Zahlungsklagen zivilrechtlicher Natur, hier jedoch streitet die Antragstellerin in ihrem Aktivprozess nicht um Forderungen oder Rechte, sondern nur um die Chance, solche Rechte im Falle des Zuschlages zu erwerben. Allein die Berührung der gewerblichen Tätigkeit der Antragstellerin durch das Nachprüfungsverfahren ist nicht ausreichend. Mithin ist die Insolvenzverwalterin auch nicht in diesem Verfahren vertretungsbefugt, sondern wird die Antragstellerin durch ihre Geschäftsführer vertreten. Aus diesem Grunde ist auch nicht ersichtlich, inwieweit ohne Unterbrechung Rechte der Antragstellerin beschnitten würden.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Das Nachprüfungsbegehren der Antragestellerin ist mangels Antragsbefugnis unzulässig. Nach § 107 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschrift ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Wie bereits die Vergabekammer zu Recht in ihrem angefochtenen Beschluss vom 01. August 2008 ausgeführt hat, mangelt es dem durch die 18 Antragsteller gemeinsam gestellten Antrag an einer schlüssigen Darlegung, durch welchen gerügten Vergaberechtsverstoß der jeweilige Antragsteller in seinen Rechten beeinträchtigt sei. Dies hätte die Antragstellerin nach Trennung der Verfahren durch Beschluss des Senates vom 05. Mai 2009 spätestens bis zum 26. Mai 2009 nachholen müssen, was sie allerdings bis zur heutigen Entscheidung unterlassen hat.

Das Nachprüfungsverfahren dient nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle, sondern es stellt ein Individualbeschwerdeverfahren dar, in dem vom Antragsteller ein schlüssiger und nachvollziehbarer Sachvortrag abzuverlangen ist, aus dem ein möglicher Vergabeverstoß ersichtlich ist, durch den dem Unternehmen ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht (allgemeine Auffassung, vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss vom 04. Februar 2009, 1 Verg 4/08, zitiert nach juris). Dieser Sachvortrag ist bereits mit der fristgerechten Einlegung der Beschwerde gefordert. Insoweit gilt der im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich geltende Amtsermittlungsgrundsatz nur eingeschränkt und knüpft insbesondere an das Beschwerdebegehren bzw. die Beschwerdebegründung an (§ 117 Abs. 2 GWB). Dies ist angesichts der besonderen Natur des Vergabeverfahrens sowie des geltenden Beschleunigungsgrundsatzes auch unverzichtbar. Hier war der Antragstellerin eine entsprechende Substantiierung um so mehr abzuverlangen, da aus dem bisherigen gemeinsamen Vortrag aller Antragsteller vor der Vergabekammer bzw. dem Senat ihr subjektives Rechtsschutzinteresse nicht ersichtlich gewesen ist. Insbesondere haben die bisherigen Prozessbevollmächtigten im Namen aller Antragsteller zahlreiche Rügen erhoben, die gerade nicht jeden der Antragsteller betreffen, sondern sogar ihren Individualinteressen konträr widersprechen.

Es fehlt an jeglicher substantiierter Darlegung einer subjektiven Rechtsverletzung. Die Antragstellerin ist aufgrund fehlender Fachkundenachweise ausgeschlossen worden. Fachkundenachweise dürfen gefordert werden, § 97 Abs. 4 GWB und § 2 Nr. 3, § 7 Nr. 4, § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A. Wer kein vergaberechtskonformes Angebot vorliegt, kann bei insgesamt rechtmäßiger Verfahrenshandhabung der Vergabestelle keinen Zuschlag erhalten. Im übrigen hätte die Antragstellerin auch darlegen müssen, wie sie trotz verfristeter Abgabe der Zusatzerklärung über die Änderung des Mustervertrages (vgl. Auflage Ziffer 3 des Senatsbeschlusses vom 05. Mai 2009) noch in eigenen Rechten verletzt sei. Ein (unterstelltes) unvollständiges Angebot ist aus Gleichbehandlungsgründen zwingend von der Vergabe auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2003, X ZV 4/02). Desweiteren hätte die Antragstellerin neben der konkreten Rechtsverletzung die Schädigung bzw. mögliche Schädigung darlegen müssen. Dies ist in ihrem Fall im besonderen Maße erforderlich, weil angesichts der Insolvenz zweifelhaft ist, inwieweit die Antragstellerin überhaupt noch Zuschlagschancen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG iVm § 154 Absatz 1 und 2 VwGO. Neben den Gerichtskosten hat die Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu übernehmen, wobei die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung bereits aus § 142a Abs. 1 SGG i.V.m. § 120 Abs. 1 Satz 1 GWB folgt.

Darüber hinaus sind auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3., 4. , 6. und 8. zu erstatten, weil dies der Billigkeit entspricht (§ 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwG). Danach erfolgt eine Kostenerstattung für Beigeladene, wenn diese erfolgreich Anträge gestellt haben bzw. auch ohne ausdrückliche Antragstellung, wenn der Beigeladene allein oder zusammen mit anderen Beteiligten das Verfahren wesentlich gefördert hat (vergleiche auch aktuell erste BSG-Entscheidung zum Vergaberecht vom 22.04.2009 B 3 KR 2/09 D; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 197a Rz. 29, allgemeine Auffassung).

Die vorgenannten Beigeladenen haben nach Auffassung des Senates das Verfahren durch umfangreiche Schriftsatztätigkeit wie auch ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung wesentlich gefördert. Da die Antragstellerin mit ihrem Antrag die Aufhebung der gesamten Ausschreibung - und nicht lediglich die Untersagung der Zuschlagserteilung für das Los 18 - beantragt hat, sind sie auch schwerwiegend in ihren Interessen durch die Entscheidung berührt (vgl. § 109 GWB). Dabei kommt es nicht darauf an, dass nur die Beigeladene zu 3. ausdrücklich Kostenerstattung beantragt hat. Über die Kosten der Beigeladenen ist von Amts wegen zu entscheiden, ohne dass es einer Antragstellung bedarf (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 197a, Rz. 28; BSG, aaO). Im Übrigen scheiden Kostenerstattungsansprüche aus, weil die Beigeladenen sich nicht wesentlich beteiligt haben.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 47, 50 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Gemäß § 50 Abs. 2 GKG beträgt der Streitwert in Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer (§ 116 GWB) einschließlich des Verfahrens über den Antrag nach § 115 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 118 Abs. 1 Satz 3 und § 121 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen 5 % der Bruttoauftragsumme. Auftragssumme ist der Wert des sachlich-rechtlichen Auftrags, wobei hilfsweise auf die Angebotssumme abgestellt werden kann. Maßgeblich ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, den die Antragstellerin auch später nicht eingeschränkt hat. Das Auftragsvolumen für 2 Jahre beträgt 7,5 Mio. . Die Verlängerungsoption für weitere 2 Jahre ist insoweit nicht streitwertrelevant, da das Begehren auf die Aufhebung der Ausschreibung zielt und nicht auf eine vierjährige Bindung. Mithin betragen 5% von 7,5 Millionen EUR 375.000,-.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG)