LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24.08.2009 - L 6 B 172/09
Fundstelle
openJur 2012, 55031
  • Rkr:

1. Beschwerdeverfahren, in denen in Konkurrenz stehende Bieter einer Ausschreibung gemeinsam agieren, sind mangels Zulässigkeit einer Streitgenossenschaft zu trennen.2. Die Rügeobliegenheiten des § 107 Abs. 3 GWB gelten als tragende materielle Regeln des Vergaberechts auch nach Rechtswegzuweisung zur Sozialgerichtsbarkeit.3. Ein ungewöhnliches Wagnis (§ 8 Nr. 1 (3) der VOL/A) liegt bei einer zweijährigen Vertragsdauer nebst einmaliger Option für weitere 2 Jahre bei einer Hilfsmittelversorgung betreffend Gehhilfen, Kranken- und Behindertenfahrzeugen nicht vor.4. Beiladungen durch die Vergabekammer gemäß º 109 GWB kann das Beschwerdegericht aufheben, wenn Beigeladene nach Verfahrenstrennung nicht mehr schwerwiegend in ihren Interessen berührt sind. Den ehemals Beigeladenen steht in dem betreffenden Verfahren kein Kostenerstattungsanspruch zu. 5. Im Rahmen der Streitwertfestsetzung kann eine Schätzung nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung der auf Wertungsstufe IV gelangten Angebote erfolgen, wenn bei einer ausgeschriebenen Hilfsmittelversorgung die Zahl der tatsächlichen Versorgungen aufgrund prognostischer Kalkulation basierend auf Fallzahlen vergangener Jahre naturgemäß ungewiss ist. Einseitige Vertragsverlängerungsoptionen sind streitwertrelevant.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer bei dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern vom 01. August 2008 - … - wird zurückgewiesen.

Die Beiladungen der Beigeladenen zu 1., 4., 5., 7. und 8. werden aufgehoben.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Eilantrages gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB. Sie hat der Antragsgegnerin und den Beigeladenen zu 3. und 6. ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 125.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin (Ag) führt europaweit ein offenes Ausschreibungsverfahren zum Abschluss von Versorgungsverträgen gemäß § 127 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für den Zeitraum vom 01. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 über Leistungen zur Versorgung mit Gehhilfen und Kranken-/Behindertenfahrzeugen entsprechend der Produktuntergruppen des Hilfsmittel-verzeichnisses 10.46.01, 10.46.02, 10.50.04 sowie 18.46.02, 18.46.03, 18.50.02, 18.99.04 und 18.99.05 durch. Zeitgleich kündigte sie den Rahmenvertrag mit der Innung Orthopädietechnik zum 30. Juni 2008. Die Ausschreibung wurde im Supplement vom 04. April 2008 (ABl. 2008/S 66-089021) bekannt gemacht. Nach den Verdingungsunterlagen waren Versorgungspauschalen zu kalkulieren. Ausgeschrieben ist die Versorgung für einen befristeten Zeitraum von 2 Jahren (beabsichtigte Vertragslaufzeit: 01. Juli 2008 bis 30. Juni 2010), wobei der Ag ein einseitiges Optionsrecht für weitere 2 Jahre eingeräumt wird. Die Versorgungsdauer erfolgt unabhängig von der Vertragsdauer für einen Versorgungszeitraum von 4 Jahren ab Auslieferung. Auf der Basis der Versorgung im Jahre 2007 berechnete die Ag ein Auftragsvolumen für den Vertragszeitraum von ca. 7.500.000,00 EUR. Die Ausschreibung erfolgt in 18 Regionallosen innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Angebote sind zulässig für maximal 5 Regionallose. Als Teilnahmebedingungen werden unter anderem die Vorlage eines aktuellen Handelregisterauszuges, gültiger Unbedenklichkeits-bescheinigungen des zuständigen Finanzamtes und des hauptsächlich zuständigen Sozialversicherungsträgers sowie verschiedene fachliche Eignungsnachweise verlangt. Bietergemeinschaften sind, soweit gesamtschuldnerisch haftend, zulässig. Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote ist der 16. Mai 2008 - 12.00 Uhr bestimmt. Die Verdingungsunterlagen waren bei der Vergabestelle abzuverlangen.

In den Verdingungsunterlagen der Ag wird die ausgeschriebene Leistung, das Vergabeverfahren und die Angebots- und Bewerbungsbedingungen im Einzelnen konkretisiert. Des Weiteren finden sich unter anderem umfangreiche Hinweise zu den geforderten Fachkundenachweisen. Wegen der Einzelheiten wird auf die in den Akten der Ag befindlichen Verdingungsunterlagen verwiesen.

In der Folgezeit riefen 91 Interessenten die Verdingungsunterlagen nebst Anlagen bei der Vergabestelle ab. Die Ag erstellte in Beantwortung von Fragen der Bewerber am 24. April, 08. Mai, 15. Mai und 23. Mai 2008 als Zusatzinformationen Nr. 1 bis 4 benannte Auskünfte nach § 17 Nr. 6 VOL/A, die sie an alle Bewerber versandte (jeweils per Fax; Sendeberichte liegen vor). Die Zusatzinformation Nr. 2 enthält auf Rügen und Hinweise verschiedener Bieter eine Änderung der Verdingungsunterlagen, die in der Betreffszeile durch Fettdruck kenntlich gemacht ist und auf Seite 17 und 18 unter der Überschrift "II. Änderungen der Verdingungsunterlagen" (Stand 08.05.2008) dargelegt ist. Dabei handelt es sich um Änderungen des Mustervertrages, und zwar das Entfallen einer Verfallsklausel (vormals § 7 Abs. 9) und um Änderungen der Haftungs- und Kündigungsregelung (vgl. § 8 Abs. 2 und § 13). Ferner wurde die Leistungsbeschreibung für Vierrädrige Gehhilfen (10.50.04.1) auf die Standardversorgung gemäß HiMi-Verzeichnis beschränkt, da Rollatoren standmäßig mit einer fest verschraubten Sitzfläche und in den wenigsten Fällen mit einem hochklappbarem Sitzpolster ausgerüstet seien und eine Mehrausstattung zu einer wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Kalkulation führen würde. Des Weiteren ist auf Seite 18 unter "III. Verlängerung der Angebotsfrist" im Hinblick auf die Änderung des Verdingungsunterlagen eine Verlängerung der Angebotsfrist bis zum 30. Mai 2008, 12.00 Uhr bekannt gegeben worden, mit der daraus folgenden Terminsverschiebung der Zuschlagsfrist auf den 01. Juli 2008 und des Vertragsbeginns auf den 15. Juli 2008. Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf die in den Vergabeakten befindlichen Zusatzinformationen verwiesen.

Bei der Ag gingen 42 Angebote ein. Die Ast bewarb sich in Bietergemeinschaft mit drei anderen Unternehmen auf die Regionallose 2, 4, 13, 15 und 17. Mit Fax vom 30. Mai 2008 (10.11 Uhr) rügte sie u.a. die Vertragsdauer ohne Preisanpassungsklausel. Der Eröffnungstermin fand am 03. Juni 2008 statt. Nach Prüfung in der Bewertungsstufe 1 stellte die Antragsgegnerin fest, dass bei ca. 80 Prozent der eingegangenen Angebote (auch der Bietergemeinschaft der Ast) die verbindliche Erklärung durch Einbeziehung der Vertragsänderung gemäß Zusatzinformation Nr. 2 fehlte. Die Ag ging davon aus, dass die von ihr gewählte Formulierung und Form in der Zusatzinformation Nr. 2 "II. Änderung der Verdingungsunterlagen" mißverständlich und damit nicht transparent genug gewesen sein könnte. Daraufhin entschied sie sich, von den Bietern die Erklärung mit Schreiben vom 18. Juni 2008 nachzufordern. Auf eine entsprechende Anfrage einer Bieterin teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 01. Juli 2008 mit, dass eine entsprechende Rüge zwar nicht vorliege, sie aber vorsorglich mit ihrer Vorgehensweise einen möglichen Rügegrund im laufenden Verfahren ausräume.

Am 24. Juni 2008 erstellte die Ag den Vergabevermerk gemäß § 30 VOL/A. Am selben Tag versandte sie Informationsschreiben gem. § 13 VgV. Sie teilte der Ast als Vertreterin der Bietergemeinschaft mit, ihr Angebot sei nicht zum Zuge gekommen, da es nicht das wirtschaftlichste gewesen sei.

Mit Fax vom 03. Juli 2008 legitimierten sich die Prozessbevollmächtigten der Ast für diesen sowie eine Vielzahl weiterer Bieter des Vergabeverfahrens. Zum einen rügten sie die Möglichkeit der Nachreichung bestimmter Unterlagen. Es lägen Aufhebungsgründe für die Ausschreibung dar, nämlich das Fehlen ausreichend verwertbarer Angebote, die wesentliche Änderung der Grundlagen der Ausschreibung durch Verlängerung der Zulassungsfrist des § 126 Abs. 2 SGB V. Schließlich sei die faktische Vertragslaufzeit von 6 - 8 Jahren als ungewöhnliches Wagnis wegen unkalkulierbarer Kostenermittlung erneut zu rügen. Schließlich rügten sie mit weiterem Fax vom gleichen Tage für den Ast und die übrigen von ihnen vertretenen Bieter die Rabattregelung, die Skonto-Regelung, eine selektive Informationspolitik der Ag im Ausschreibungsverfahren, die von der Ag als "freiwillig" titulierte Anwendung der Vergabevorschriften, den Zwang zur Vorlage eines Handelsregisterauszuges sowie den Nachweis des Vorhaltens einer elektrotechnisch geschulten Person. Die Ag wies die Rügen mit Schriftsatz vom 07. Juli 2008 als unbegründet, im Übrigen als verspätet zurück.

Am 04. Juli 2008 haben insgesamt 18 bisher als Leistungserbringer zugelassene erfolglose Bieter, darunter die Ast als Antragsteller zu 3. und die anderen Mitglieder der Bietergemeinschaft (BG) als Antragsteller zu 12., 13. und 14. bei der Vergabekammer des Landes beim Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern einen gemeinsamen Nachprüfungsantrag gestellt. Sie haben die Aufhebung der Ausschreibung beantragt. Zur Begründung wiederholten und vertieften die Antragsteller ihre bisher behaupteten Vergaberechtsverstöße. Zur Begründung des gemeinsamen Antrages führten sie aus, es könne nur eine gemeinsame Entscheidung über alle Anträge geben, weil getrennte Entscheidungen dennoch Wirkung für die jeweils anderen Verfahren hätten. Es sei dasselbe Vergabeverfahren, weil in weiten Teilbereichen die selben Regionallose betroffen sind. Die Überlegung, gemeinsam Rechtsschutz zu suchen, basiere auf der prozesstaktischen Überlegung, das Verfahrenskostenrisiko so gering wie möglich zu halten, schließlich seien die Antragsteller sämtlich kleine oder mittelständische Unternehmen. Der gemeinsame Antrag verstoße auch nicht gegen die Regeln des unlauteren Wettbewerbs. Die Antragsteller stünden gleichwohl weiterhin in Konkurrenz und würden den geheimen Wettbewerb zwischen ihnen sowie den übrigen Bietern und der Beigeladenen nicht beeinträchtigen. Die Ag hat die Auffassung vertreten, dass dieser Antrag als gemeinsamer Antrag bereits unzulässig sei. Im Übrigen lägen die behaupteten Vergaberechtsverstöße auch nicht vor.

Die 3. Vergabekammer hat das Verfahren zunächst mit anderen Vergabeverfahren wegen der selben Ausschreibung mit Beschluss vom 10. Juli 2008 verbunden, später wieder mit Beschluss vom 22. Juli 2008 getrennt sowie zugleich die Beigeladenen zu 1. bis 7. zum Verfahren beigeladen.

Mit Beschluss vom 01. August 2008, zugestellt am 04. August 2008, hat die 3. Vergabekammer den Nachprüfungsantrag ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen (…). Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, dass die Anträge mangels Antragsbefugnis nicht zulässig seien. Als gemeinsamer Antrag sei der Antrag unzulässig, da die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft nicht vorlägen. Jeder Antragsteller müsse in einem Vergabeverfahren in eigenen Rechten verletzt sein. Schließlich fehle den Antragstellern auch das erforderliche Interesse am Auftrag, da sie nur das Ausschreibungsverfahren torpedieren wollten, aber nicht am ordnungsgemäßen Abschluss des Vergabeverfahrens interessiert seien. Sie wollten sich möglichst lange in den Genuss der Erbringung der Leistung ohne Auftragsbindung nach der bekannten Übergangsregelung bringen. Es erscheine auch ausgeschlossen, dass alle vertretenen Antragsteller bei einer erneuten Ausschreibung zum Zuge kämen.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer haben die Antragsteller am 18. August 2008 gemeinsam sofortige Beschwerde beim OLG Rostock eingelegt und am 25. August 2008 einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gestellt (…). Mit Beschluss vom 29. September 2008 hat das OLG die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragsteller zu 2. bis 11. und 15. bis 18. bis zu einer Entscheidung der sofortigen Beschwerde verlängert. Hinsichtlich der Antragsteller zu 1., 12.,13., 14. hat das OLG den Antrag zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 06. November 2008 hat das OLG die Beigeladene zur 8. zum Verfahren beigeladen.

Vor der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern sind weitere Vergabenachprüfungsverfahren durchgeführt worden, woraufhin die Ag mit Mitteilung vom 20. August 2008 sämtlichen Bieter, die entgegen der Zusatzinformation Nr. 2 die dort beigefügte Vertragsergänzung nicht zusammen mit dem Angebot abgegeben hatten, zwingend auf der Wertungsstufe 1 ausschloss. Daraufhin ist von keinem der Bieter eine Rüge erhoben oder ein Vergabenachprüfungsverfahren eingeleitet worden.

Das OLG Rostock hat das Verfahren nach Verkündung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (vom 15. Dezember 2008, in Kraft ab 01. Januar 2009) am 18. Dezember 2008 zuständigkeitshalber an das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern abgegeben (nunmehr eingetragen unter L 6 B 17/09).

Der Senat hat das Vergabenachprüfungsverfahren L 6 B 17/09 in der mündlichen Verhandlung am 05. Mai 2009 verhandelt. Dabei hat der Senat auch die Unzulässigkeit der Streitgenossenschaft zwischen den in Konkurrenz stehenden Antragstellern erörtert. Das Verfahren ist sodann in 18 eigene Verfahren der jeweiligen Antragsteller mit eigenem Aktenzeichen getrennt worden. Mit dem Trennungsbeschluss hat der Senat den Antragstellern folgende Auflagen aufgegeben:

"2. Den Beschwerdeführern zu 1. bis 18. wird aufgegeben, bis zum 26. Mai 2009 darzulegen, durch welche sie selbst betreffenden Vergabefehler, sie meinen, in ihren eigenen Rechten verletzt zu sein. Die entsprechenden Tatsachen und Beweismittel sind anzugeben.

3. Den Beschwerdeführern zu 1. bis 18. wird weiterhin aufgegeben, bis zum 26. Mai 2009 darzulegen, wie die Auflage zu 2. unter der Voraussetzung, dass die Anbieter, die die Erklärung über die Änderung des Mustervertrages (Zusatzinformation Nr. 2) nicht bis zum 30. Mai 2008, 12.00 Uhr abgegeben hatten, von der Vergabe ausgeschlossen wären (vergleiche erneute Bewertung gemäß Protokoll vom 19.08.2008), zu beantworten wäre.

4. Den Beschwerderführern 1. bis 18. wird weiter aufgegeben, bis zum 26. Mai 2009 mitzuteilen, welche Anträge jeweils gestellt werden sollen."

Mit Schriftsatz vom 03. Juni 2009 hat die Ast in ihrem nunmehr unter dem Aktenzeichen L 6 B 172/09 eingetragenem Beschwerdeverfahren beantragt,

1. den Vorsitzenden Richter des Senates beim LSG Herrn … wegen Befangenheit vom Verfahren auszuschließen,

2. der Antragsgegnerin wird untersagt, in der streitgegenständlichen Ausschreibung in den Losen 2 Greifswald, 4 Stralsund, 15 Ostvorpommern einen Zuschlag zu erteilen,

3. die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens,

4. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin notwendig war,

5. die Beiladung der durch die Lose 2, 4, 15 nicht betroffenen Beigeladenen aufzuheben.

Zur Begründung des Sachantrages hat die Ast im Wesentlichen mit einer Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 14 und Art. 12 Grundgesetz argumentiert. Die Ausschreibung stelle einen zielgerichteten Eingriff in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Ihre Zulassung bzw. Leistungsberechtigung sei eine echte eigentumsrelevante Rechtsposition. In diese dürfte nur durch ein Gesetz, jedoch nicht aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Sie genieße gemäß Art. 14 Grundgesetz Schutz im Markt gegen wettbewerbsverzerrende Maßnahmen des Staates. Durch die vorliegende Ausschreibung würden mittelfristig Oliogopolstrukturen geschaffen und würde gerade durch die Marktkonzentration der Wettbewerb zum Erliegen kommen, weswegen auch ein Qualitätsverlust zu befürchten sei.

Sie rüge die fehlende Transparenz der Abänderung der Verdingungsunterlagen als Vergabeverstoß. Die Information habe sich erst auf Seite 17 der 18-seitigen Zusatzinformation befunden. Zumindest hätte die Liste der mit den Angebot abzugebenden Unterlagen und Erklärungen aktualisiert werden müssen. Die Ag habe ursprünglich selbst die Intransparenz eingeräumt, was ein schriftliches erklärtes außergerichtliches Anerkenntnis darstelle. Auch die hohe Zahl der unvollständigen Angebote (etwa 80%) belege den Fehler. Einen weiteren Vergabestoß stelle die faktische Vertragslaufzeit von 8 Jahren dar, die ihr ein ungewöhnliches Wagnis auferlege. Es sei ihr unmöglich gewesen, ein sicheres, aber auch gleichsam wettbewerbsfähiges Angebot zu kalkulieren. Es erschließe sich nicht ansatzweise, wie sie die allgemeinen Kosten, Inflationsentwicklung, insbesondere hinsichtlich Treibstoff- und Lohnkosten, im Voraus einschätzen und ohne - nicht mehr wettbewerbsfähige - Sicherheitsaufschläge kalkulieren solle. Bisher können die zugrunde liegenden Leistungsverträge, die bis zu 5-jährige Versorgungspauschalen vorsehen, ordentlich gekündigt werden und ließen die gegenwärtig üblichen Pauschalvergütungen gewisse Spielräume für unvorhergesehene Preisentwicklungen zu. Ihr Antrag sei als Antrag der Bietergemeinschaft zu verstehen, deren Bevollmächtigte sie sei. Ergänzend beziehe sie sich auf den gesamten Vortrag aus dem Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, dem OLG wie dem LSG Mecklenburg-Vorpommern in dem gemeinsam geführten Verfahren L 6 B 17/09.

Desweiteren haben die Prozessbevollmächtigten der Ast in 9 der Beschwerdeverfahren die Nachprüfungsanträge zurückgenommen, in weiteren 7 Verfahren halten sie die Beschwerden mit entsprechend konkretisierten Anträgen aufrecht.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. den Antragstellern die Kosten des Verfahrens einschließlich der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen,

3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin notwendig war.

Der nunmehr gestellte Sachantrag der Ast stelle eine Teilrücknahme des bisherigen Antrages dar, welcher sie nicht zustimme. Zwar werde nunmehr ein konkreter losbezogener Antrag verfolgt, gleichwohl belege die Argumentation der Ast wie auch die offensichtlich systematische Rücknahme einzelner Vergabenachprüfungsverfahren, die darauf abziele, nahezu alle Lose im Streit zu belassen, andererseits jedoch das Kostenrisiko zu minimieren, dass weiterhin die Intention gegeben sei, insgesamt die Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren zu unterbinden. Zudem vertreten die Prozessbevollmächtigten weiterhin sämtliche Antragsteller in den noch anhängigen Verfahren, obgleich diese teilweise im direkten Konkurrenzverhältnis zu einander sehen. Wenn von den Beschwerdeführern tatsächlich eine Auftragserteilung an sie selbst gewollt wäre, so könnten diese konkurrierenden Antragsteller nicht durch ein und denselben Prozessbevollmächtigten vertreten werden. Schließlich genügten die Ausführungen der Ast nicht den Auflagen des Senatsbeschlusses vom 05. Mai 2009, insbesondere nicht der Auflage zu Ziffer 2. Soweit die Ast nunmehr Intransparenz rüge, setze sie sich hiermit in Widerspruch zu ihren früherem Vortrag. Ursprünglich habe sie gerade die Gelegenheit zur Nachreichung der Erklärung gerügt. Mit der erneuten Wertung sei der Rüge gerade abgeholfen worden.

Die Beigeladene zu 3. hat beantragt,

1. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer bei dem Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern vom 01. August 2008, Aktenzeichen …, wird zurückgewiesen;

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich die für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen zu 3) aufzuerlegen;

3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Beigeladene zu 3) notwendig war.

Sie meint, der Ast fehle bereits die Antragsbefugnis. Es bestehe kein Interesse am Auftrag, weil die Ausschreibung schlicht verhindert werden solle, um den Status quo als zugelassener Leistungserbringer zu erhalten. Sie sei auch nicht antragsbefugt, weil ihr durch die verspätete Abgabe des vollständigen Angebotes kein Schadenseintritt drohe. Das Vorbringen der Antragstellerin sei auch mangels rechtzeitiger Rüge präkludiert. Im Übrigen sei es auch in der Sache nicht begründet, da die Ast schließlich in der Lage gewesen sei, ein Angebot abzugeben. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum bei einer deutlich kürzeren Vertragslaufzeit als bisher nunmehr diese eine schier unüberwindbare Hürde darstellen soll, um ein konkurrenzfähiges Angebot abzugeben. Schließlich erbringe die Ast seit 1999 Leistungen, ohne das es bis zum heutigen Tage Preisanpassungen gegeben hätte. Es sei anerkannt, dass selbst unkalkulierbare Leistungen ausgeschrieben werden können, wenn die Auftraggeberin auf entsprechende Risiken ausdrücklich hinweise.

Die Beigeladene zu 4. beantragt,

festzustellen, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Beigeladene zu 4) notwendig war und

dem Antragsteller die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Beigeladenen zu 4) aufzuerlegen.

Sie trägt insbesondere vor, dass das Vergaberecht gerade willkürliche Vertragsabschlüsse der Krankenkasse mit Leistungserbringern verhindere und den Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern nicht verzerre. Denn schließlich seien alle potentiellen Bieter in einem transparenten Verfahren gleich zu behandeln. Inwieweit die Ast in ihren Grundrechten durch eine Ausschreibung verletzt sein sollte, erschließe sich nicht. Intransparenz liege nicht vor, denn einem Bieter in einem Vergabeverfahren - vor allem im Hilfsmittelsektor - sei es zumutbar, einiges an schriftlichem Material durchzuarbeiten.

Die Beigeladene zu 8. hat beantragt,

1. festzustellen, dass sich der Rechtsstreit bezüglich der Regionallose 1, 3, 5-14 und 16-18 in der Hauptsache erledigt hat,

2. die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten durch die Beigeladene zu 8) für den erledigten Teil des Rechtsstreites für notwendig zu erklären,

3. der Antragstellerin/Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beigeladenen zu 8) bezüglich des erledigten Teils des Rechtsstreites aufzuerlegen,

4. den Streitwert für das Verfahren auf Basis der Bruttoauftragssumme für die Regionallose 1, 3, 5-14 und 16-18 festzusetzen.

Die Beigeladene zu 8. trägt insbesondere vor, dass die nachträgliche Beschränkung des Antrages als Antragsrücknahme auszulegen sei, was zu einer entsprechenden Kosten- und Streitwertentscheidung zu ihren Gunsten führen müsse. In dem noch verbleibenden rechtshängigen Teil des Beschwerdeverfahrens stelle sie keine Anträge.

Mit Beschluss vom 21. August 2009 hat der Senat das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 43 ZPO als unzulässig verworfen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegenden Gerichtsakten (4 Bände) sowie auf die vorliegenden Akten der Vergabekammer (2 Akten) sowie die Vergabeakten der Antragsgegnerin (15 Aktenordner) verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen ist.

II.

Die sofortige Beschwerde der Ast hat keinen Erfolg.

Die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer vom 01. August 2008 ist im Ergebnis statthaft, sie ist fristgemäß und auch formgerecht eingelegt worden (§ 142a Abs. 1 SGG i.V.m. § 117 GWB). Zwar entspricht die Beschwerdeschrift nahezu wortlautgleich dem Nachprüfungsantrag, wobei es an einer substantiierten Auseinandersetzung mit der Entscheidung der Vergabekammer mangelt. Aufgrund der auf den Auflagenbeschluss des Senates nachgeholten Stellungnahme liegt jedenfalls eine ausreichende Begründung vor.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Beschluss der 3. Vergabekammer vom 01. August 2008. Ausweislich des schriftsätzlichen Antrages der Ast vom 03. Juni 2009 soll das Begehren der Ast ausschließlich auf die Untersagung des Zuschlages in den Losen 2, 4 und 15 gerichtet sein, obgleich sich die Bietergemeinschaft auch auf die Lose 13 und 17 beworben hat. Soweit die Ast vorträgt, sie habe nur ein Interesse an den Losen 2, 4 und 15 gehabt, wird verkannt, dass das Interesse der Bietergemeinschaft (BG) am Auftrag maßgeblich ist. Offensichtlich soll nur das Kostenrisiko durch taktisches Agieren der Prozessbevollmächtigten minimiert werden. Das Gericht ist aber nicht an die Anträge gebunden, § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB und § 106 Abs. 1 SGG (vgl. bereits BSG, Beschluss vom 22.04.2009, B 3 KR 2/09 D). Da der Vortrag der Ast sich zudem nicht auf Vergabefehler bzgl. konkreter Lose beschränkt, ist zulässiger Streitgegenstand der Zuschlag in den Losen 2, 4, 13, 15 und 17. Insoweit ist die Antragsänderung sachdienlich und verändert nicht den ursprünglichen Streitgegenstand, sondern beschränkt diesen, was entsprechend § 99 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht zu beanstanden ist. Zu einer sachdienlichen Konkretisierung ihres Antrages ist die Ast schließlich auch ausdrücklich vom Senat aufgefordert worden. Diese Aufforderung ist dem Verfahrensablauf geschuldet. Das gemeinsame Vergabenachprüfungsverfahren L 6 B 17/09 hätte angesichts der unzulässigen Streitgenossenschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt, vorzugsweise durch die Vergabekammer, getrennt werden müssen.

Es unterbleibt nicht bereits deswegen eine Nachprüfung, weil die Ast den Auflagen des Senates gemäß Beschluss vom 05. Mai 2009 nur verspätet nachgekommen ist. Neben dem GWB kennt auch das Sozialgerichtsgesetz Präklusionsregelungen (vgl. §§ 106a, 157a SGG), welche allerdings Ausnahmecharakter haben und nur maßvoll Anwendung finden. Angesichts der besonderen Natur des Vergaberechts und des Nachprüfungsverfahrens, für das aufgrund der Verweisung in § 142a Abs. 1 SGG auch Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bzw. Vorschriften der ZPO als leges speciales gelten, ist der Präklusion in Vergaberechtsstreitigkeiten eine stärkere Bedeutung als in anderen sozialgerichtlichen Verfahren beizumessen. Dies bringt bereits der Beschleunigungsgrundsatz, der eingeschränkte Amtsermittlungsgrundsatz wie auch die Tatsache mit sich, dass die Beteiligten aufgrund des Anwaltszwangs fachkundig vertreten sind. Zwar hat die Ast eine hinreichende Entschuldigung verabsäumt, gleichwohl ist es hier nach Abwägung aller Umstände nicht billig, den Vortrag wegen Verspätung zurückzuweisen. Die Verspätung ist nicht allein kausal für die Verzögerung des Rechtsstreits gewesen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 106a Rz. 16 mit Hinweis auf BVerfGE 75, 302, 316).

Der Nachprüfungsantrag ist nicht als isolierter Antrag eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft unzulässig. Bietergemeinschaften können nach allgemeiner Auffassung nur gemeinsam einen Nachprüfungsantrag stellen (vgl. Willenbruch/Bischoff, Vergaberecht, 2008, § 107 GWB Rz.9 mwN). Aufgrund der schriftlichen Klarstellung der Prozessbevollmächtigten Ast ist der Antrag als Antrag der Bietergemeinschaft zu verstehen, zu deren Vertretung die Ast auch befugt ist (vgl. zum Angebot abgegebene Anlage B 5 der Verdingungsunterlagen). Zu Recht haben die anderen Mitglieder der Bietergemeinschaft ihre Verfahren für erledigt erklärt.

Der Nachprüfungsantrag ist allerdings unbegründet. Ein Nachprüfungsverfahren dient nicht der allgemeinen Rechtswidrigkeitskontrolle, sondern es bietet dem an einem Auftrag interessiertem Unternehmen die Möglichkeit, den Auftraggeber zur Korrektur von Vergabeverstößen noch vor Abschluss des Vergabeverfahrens zu zwingen, aufgrund derer ihm ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Antragsbefugt ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB jedes Unternehmen, das ein Interesse an einem Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die Behauptung der Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Ein Interesse am Auftrag ist der Ast nicht abzusprechen, obgleich ihre Prozessbevollmächtigten weit überwiegend Argumente anführen, welche die Rechtswidrigkeit der Ausschreibung an sich begründen sollen. Der Senat geht gleichwohl zugunsten der Ast von einem Interesse am Auftrag aus, da sie ein konkretes Angebot auf mehrere Lose der Ausschreibung abgegeben hat und nicht ersichtlich ist, dass dieses Angebot nur zum Schein erfolgt ist. Zwar ist nicht zu verkennen, dass vorrangig die Ausschöpfung der Übergangsregelung durch Verhinderung des Zuschlages verfolgt wird. Gleichwohl dürfte die Ast ein Interesse daran haben, mit ihrem Angebot zum Zuge zu kommen, sei es auch erst in einer erneuten späteren Ausschreibung.

Die Ast wendet sich allerdings erfolglos gegen seinen Ausschluss aus dem Verfahren. Zum einen rügt sie die "faktische" Vertragslaufzeit von 8 Jahren als ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 (3) VOL/A. Die Rügeobliegenheiten gelten auch nach Zuweisung der vergaberechtlichen Streitigkeiten zur Sozialgerichtsbarkeit, da es sich um tragende materielle Regeln des Vergaberechts handelt. Einer ausdrücklichen Normierung im SGG bedurfte es nicht.

Gemäß § 107 Abs. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Der Antrag ist außerdem unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Ein Vergaberechtsverstoß ist unverzüglich zu rügen, wofür im Einzelnen Rügefristen von 1 bis 2 Tage bis maximal 1 bis 2 Wochen in Frage kommen. Die Frist läuft ab positiver Kenntnis im Sinne des § 107 Absatz 3 Satz 1 GWB, wobei es auf eine Kenntnis der tatsächlichen Umstände wie auf eine zumindest laienhafte rechtliche Bewertung als möglichen Vergabeverstoß ankommt bzw. dass sich der Bieter der Kenntnisnahme mutwillig verschlossen haben muss.

Die Vertragslaufzeit sowie der Versorgungszeitraum ergeben sich bereits aus der Bekanntmachung. Die Verdingungsunterlagen sind der Ast auf ihre Anforderung vom 30. April 2008 am 30. April 2008 übersandt worden. Sie hat die Rüge vormittags am 30. Mai 2008 gerade rechtzeitig vor Ablauf der verlängerten Angebotsfrist erhoben.

Jedoch liegt der geltend gemachte Vergaberechtsverstoß nicht vor.

Gemäß § 8 Nr. 1 (3) der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) Teil A soll dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einfluss auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Die Vertragsdauer ist hier nicht zu beanstanden. Sie beträgt 2 Jahre und verlängert sich bei gezogener einseitiger Option durch die Ag auf 4 Jahre, wobei die Argumentation der Ast mit einer "faktischen" Vertragslaufzeit von 8 Jahren schlicht unzutreffend ist. Es ist nicht zu beanstanden, dass bei einer Versorgung eher zum Ende der Vertragslaufzeit der Versorgungszeitraum entsprechend länger andauert, da schließlich eine Vergütung nach Pauschalen erfolgt. Eine maximal 4-jährige Vertragszeit steht mit § 3a Nr. 4 Abs. 8 VOL/A im Einklang, wonach eine Rahmenvereinbarung 4 Jahre nicht überschreiten darf, wenn nicht der Auftragsgegenstand oder andere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Auch aus § 3 Abs. 3 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) erwachsen keine Bedenken. Zu berücksichtigen ist auch, dass zwar einerseits eine regelmäßige Pflicht zur Ausschreibung zwecks Gewährleistung des Wettbewerbs nach der Rechtsprechung des BGH besteht, andererseits jedoch nach Vertragstypus, Beschaffungsgegenstand und anderen Aspekten abzuwägen ist. Die hier mögliche vierjährige Vertragsdauer ist auch unter Abwägung der Auswirkungen für die Versicherten und der Verwaltungspraktikabilität nicht zu beanstanden.

Auch die Argumentation der Ast, sie könne nicht kalkulieren, ist nicht tragfähig. Die Ast musste bisher nach alter Rechtslage längere Vertragszeiträume kalkulieren, wobei es nach dem unbestrittenen Vortrag der Beigeladenen zu 3. seit 1999 noch nicht einmal zu einer Preisanpassung gekommen ist. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass ihm die Kalkulationsgrundlagen bekannt gewesen sind. Die Argumentation mit steigenden Personalkosten bei zweifelhafter Tarifbindung der Ast vermag auch nicht zu überzeugen. Gewisse Kostensteigerungen im Bereich des Treibstoffsektors sind in der Preiskalkulation als ein Wagnis zu berücksichtigen (vergl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. September 2003, VII-VergE 26/03). Schließlich sind in jüngster Vergangenheit diese Kosten deutlich gesunken. Die Ast hat keinen Anspruch darauf, dass ihr das unternehmerische Risiko abgenommen wird. Der Verzicht der Ag auf eine Anpassungsklausel ist nicht zu beanstanden, da die Vergabe zu festen Preisen die Grundregel ist (§ 15 Abs. 1 VOL/A). Die Ag hat das ihr insoweit eröffnete Ermessen ausgeübt und sich ermessensfehlerfrei gegen eine Preiswertklausel entschieden.

Soweit die Ast rügt, das Formular hinsichtlich der Abänderung der Verdingungsunterlagen sei nicht nach Maßgabe des Transparenzgebotes und nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A in hinreichend erkennbarer Weise gefordert worden, ist ebenfalls keine fristgerechte Rüge ersichtlich. Die Argumentation steht insoweit in der Tat im Widerspruch zum früheren Vortrag der Ast, gleichwohl darf die Ast ihre Rechtsauffassung hierzu ebenso überdenken wie die Ag. Die ursprüngliche Rüge, die Nachforderung der Erklärungen sei unzulässig, ist geradezu absurd gewesen, da dies schließlich die Ast selbst nicht in ihren Rechten verletzte, die ansonsten ohnehin wegen eines unvollständigen Angebotes auszuschließen war. Die fristgerechte Rüge der Intransparenz ist jedenfalls im Ergebnis entbehrlich, da die Ag selbst ursprünglich von einer Intransparenz ausgegangen ist und gerade deswegen die Nachreichung der Erklärung zuließ. Hierin liegt aber auch kein Anerkenntnis der Ag, sondern lediglich eine Aufgabe einer fehlerhaften Rechtsauffassung.

Ein Vergabeverstoß liegt insoweit auch nicht vor. Die Tatsache, dass eine überwiegende Zahl der Bieter die geforderte Erklärung nicht mit eingereicht hat, kann kein Beweis, nur ein Indiz für mangelnde Transparenz sein. Im Ergebnis erscheint dem Senat die Nachforderung hinreichend erkennbar gewesen zu sein. Die Änderung in den Verdingungsunterlagen ist durch den Fettdruck in der Betreffzeile auf Seite 1 sowie in der Überschrift auf Seite 17 der Zusatzinformation Nr. 2 deutlich hervorgehoben worden. Es ist von einem Bieter in einem Vergabeverfahren abzuverlangen, sämtliche Unterlagen aufmerksam durchzulesen. Allein die Seitenzahl der übersandten Informationen rechtfertigt auch keine andere Beurteilung. Es ist nicht der Ag anzulasten, dass die Bieter derartig viele Fragen, teils auch Rügen erhoben haben, welche umfangreiche Zusatzinformationen erforderlich machten. Zwar wäre die Übersendung einer aktualisierten Checkliste hilfreich gewesen, gleichwohl ist sie nicht zwingend erforderlich gewesen.

Soweit die Ast im übrigen pauschal auf den bisherigen Vortrag aller Antragsteller des gemeinsamen Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer, dem OLG Rostock und dem LSG verweist, vermag dieses Vorbringen keine weitergehende Prüfung zu rechtfertigen. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung einer möglichen Verletzung in eigenen Rechten einschließlich einer möglichen Schädigung.

Schließlich vermag auch die verfassungsrechtliche Argumentation der Ast nicht die begehrte Untersagung des Zuschlages zu begründen. Eine Zulassung als Leistungserbringer führt nicht zu einer quasi ewigen Berechtigung, in welche der Gesetzgeber nicht verfassungsgemäß eingreifen könnte. Dem Vortrag mangelt es an einer substantiierten Auseinandersetzung mit den Rechtsgrundlagen der §§ 126, 127 SGB V, wonach die Krankenkassen im Wege der Ausschreibung Verträge mit Leistungserbringern zur Versorgung ihrer Versicherten schließen können. Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob nicht ohnehin aufgrund europäischer Rechtsnormen nicht nur eine Berechtigung, sondern eine Verpflichtung zur Ausschreibung bei Überschreitung der Schwellenwerte besteht. Jedenfalls hat der Senat keine Zweifel, dass die Ausschreibung zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten Versorgung zweckmäßig ist. Die Wirtschaftlichkeit liegt auf der Hand, da die Kosten für die Versorgung sogar noch deutlich unter der Schätzung der Ag (etwa 30% niedriger) liegen. Zur Wahrung der Qualität hat die Ag in den Verdingungsunterlagen konkrete Anforderungen wie Nachweise der fachlichen Eignung, Qualitätsmanagement etc. getroffen, mit welchen sich die Ast in keinster Weise auseinandersetzt. Ihre pauschale Argumentation, es sei durch eine mittelfristig zu erwartende Konzentration ein Qualitätsverlust zu befürchten, begründet keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Antragsgegnerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Da die Ast mit ihrer sofortigen Beschwerde erfolglos geblieben ist, hat sie die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Ag ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Notwendigkeit der anwaltlichen Vertretung folgt bereits aus § 142a Abs. 1 SGG i.V.m. § 120 Abs. 1 Satz 1 GWB.

Darüber hinaus sind auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. und 6. zu erstatten, weil dies der Billigkeit entspricht (§ 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwG). Danach erfolgt eine Kostenerstattung für Beigeladene, wenn diese erfolgreich Anträge gestellt haben bzw. auch ohne ausdrückliche Antragstellung, wenn der Beigeladene allein oder zusammen mit anderen Beteiligten das Verfahren wesentlich gefördert hat (vergleiche auch aktuell erste BSG-Entscheidung zum Vergaberecht vom 22.04.2009 B 3 KR 2/09 D; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 197a Rz. 29, allgemeine Auffassung). Die vorgenannten Beigeladenen haben nach Auffassung des Senates das Verfahren durch umfangreiche Schriftsatztätigkeit wie auch ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung wesentlich gefördert.

Die Beiladungen der Beigeladenen zu 1., 4, 5., 7. und 8. waren aufzuheben, weil sie nach Trennung des Ausgangsverfahrens in diesem Verfahren nicht mehr schwerwiegend in ihren Interessen durch die Entscheidung berührt werden (vergl. § 109 GWB).

Aus diesem Grunde sind auch den Beigeladenen zu 4. und 8. keine Kosten zu erstatten, da sie keinen Zuschlag für die hier streitigen Regionallose sollten. Es entspricht nach Abwägung aller Umstände nicht der Billigkeit, den bisher Beigeladenen ohne Ansehung der konkret betroffenen Lose Kosten zuzuerkennen. Mit der Trennung hat der Senat prozessual nur richtiggestellt, dass rechtlich und in zulässiger Form nur Individualbeschwerdeverfahren betrieben werden können, in dem jeder Antragsteller die Verletzung in eigenen Rechten darzulegen hat. Die teilweise Aufhebung der Beiladung unmittelbar in der mündlichen Verhandlung ist lediglich aus verfahrensökonomischen Gründen unterblieben. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass ansonsten den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen derselbe Aufwand mehrfach vergütet würde. Im übrigen verbleibt es bei der von der Vergabekammer getroffenen Kostenentscheidung.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 47, 50 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) Gemäß § 50 Abs. 2 GKG beträgt der Streitwert in Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer (§ 116 GWB) einschließlich des Verfahrens über den Antrag nach § 115 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 118 Abs. 1 Satz 3 und § 121 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen 5 % der Bruttoauftragssumme. Auftragssumme ist der Wert des sachlichrechtlichen Auftrages, wobei hilfsweise auf die Angebotssumme abgestellt werden kann.

Grundsätzlich ist der Streitwert in Verfahren vor den Sozialgerichten nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Streitwertrelevant sind die Lose 2, 4, 13, 15 und 17. Der Senat setzt den Auftragswert unter Berücksichtigung der von der Ag ermittelten Wertungssummen der auf Wertungsstufe IV gelangten Angebote (vgl. Protokoll zur Angebotsbewertung von Juni 2008) entsprechend § 3 ZPO nach freiem Ermessen fest, da der konkrete Auftragswert naturgemäß nicht ermittelbar ist. Dies folgt aus der Tatsache, dass die tatsächliche Zahl der Versorgungen ungewiss bleibt, weil lediglich eine prognostische Kalkulation basierend aus vergangenen Fallzahlen möglich ist. Hiernach sind 100.000,- €, 105.000,- €, 100.000,- €, 190.000,- € und 130.000,-€ zu berücksichtigen. Dieser ermittelte jährliche Auftragswert in Höhe von insgesamt 625.000,- ist hochzurechnen auf den Gesamtvertragszeitraum, wobei neben der zweijährigen Vertragsdauer auch die der Antragsgegnerin mögliche Verlängerungsoption zu berücksichtigen ist. Eine derartige einseitige Verlängerungsoption ist bereits nach der herrschenden zivilrechtlichen Auffassung streitwertrelevant gewesen (vergl. z.B. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 21.11.03, Verg 18/03, zitiert nach juris). Nach Auffassung des Senates kann die Streitwertrelevanz aus der Vorschrift des § 3 Abs. 6 Vergabeverordnung (VgV) hergeleitet werden, wonach bei vorgesehenen Optionsrechten der voraussichtliche Vertragswert aufgrund des größeren Auftragswertes unter Einbeziehung der Optionsrechte und Vertragsverlängerungen zu schätzen ist. Der Bieter bindet sich mit seinem Angebot im Falle einer dem Auftraggeber zustehenden Option bereits für weitere zwei Jahre. Ob die Option tatsächlich "gezogen" wird, ist für die Bewertung des wirtschaftlichen Interesses des Bieters unbeachtlich. Hieraus ergibt sich mithin ein Wert von insgesamt 2,5 Mio. € (= 4 x 625.000,-), davon 5 % betragen 125.000,- €.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).