OLG Rostock, Beschluss vom 09.06.2009 - 3 W 37/09
Fundstelle
openJur 2012, 54961
  • Rkr:

1. In den Fällen der Unrichtigkeit des Grundbuches besteht infolge des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs die Gefahr, dass der (materiellrechtlich) wahre Berechtige Nachteile erleidet.2. Die Unrichtigkeit des Grundbuchs kann sowohl eine ursprüngliche oder nachträgliche sein, je nachdem, ob das Recht von Anfang an unrichtig eingetragen worden ist oder ob es nachträglich eine außerhalb des Grundbuchs wirksam gewordene Veränderung erfahren hat. In beiden Fällen ist § 22 GBO grundsätzlich anwendbar.

Tenor

1. Die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 05.02.2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde der Antragstellerin vom 02.12.2008 gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Stralsund vom 01.09.2008 als unzulässig verworfen wird.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 150.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die weitere Beschwerde ist unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts, die offensichtlich vom 05.02.2009 und nicht 05.02.2008 stammt, beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 78 GBO, 546 ZPO).

1. Weder der Inhalt des Schreibens der Antragstellerin vom 21.08.2008 noch die Beschwerde vom 07.10.2008 in der Gestalt des Schriftsatzes vom 02.12.2008 geben Anlass zu einer von der Rechtsauffassung des Landgerichts in der Sache abweichenden Beurteilung. Die Entscheidung des Landgerichts ist lediglich dahin abzuändern, dass die Erstbeschwerde bereits unzulässig ist.

a. Darin liegt keine Schlechterstellung des Rechtsmittelführers. Vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn das Landgericht eine unzulässige Beschwerde aus sachlichen Gründen zurückgewiesen hat, die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers mit der Maßgabe zurückzuweisen ist, dass die erste Beschwerde als unzulässig verworfen wird (BGH, Beschluss v. 03.02.2005, V ZB 44/04, NJW 2005, 1430-1431).

b. Gemäß § 71 Abs. 2, Satz 1 GBO ist die Zulässigkeit der an sich statthaften Beschwerde im Sinne des § 71 Abs. 1 GBO beschränkt, soweit sie sich gegen eine Eintragung im Grundbuch richtet.

Dies ist hier der Fall:

Mit ihrem Schreiben vom 21.08.2008 begehrte die Antragstellerin eine Berichtigung des Grundbuchs mit der Begründung, Herr I. (der frühere Verwaltungsrat) sei nicht mehr berechtigt gewesen, im Namen der Antragstellerin die Grundschuld abzutreten. Die Eintragung des Abtretungsempfängers G. W. als Inhaber der vorbezeichneten Grundschuld stehe in Widerspruch mit der materiellen Rechtslage.

In den Fällen der Unrichtigkeit des Grundbuches besteht infolge des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs die Gefahr, dass der (materiell rechtlich) wahre Berechtige Nachteile erleidet. Um dieser Gefahr zu begegnen, hat der Berechtigte folgende Möglichkeiten: Er kann in einem Prozess seinen materiell rechtlichen Berichtigungsanspruch (§ 894 BGB) durchsetzen, einen Widerspruch gegen die Eintragung (§ 899 BGB) erwirken, eine formellrechtliche Grundbuchberichtigung (§ 22 GBO) beantragen bzw. die Eintragung eines Amtswiderspruches oder eine Amtslöschung (jeweils gemäß § 53 GBO) anregen.

Der Antrag vom 21.08.2008 ist auf eine Berichtigung im Sinne des § 22 GBO gerichtet.

Die Unrichtigkeit des Grundbuchs kann sowohl eine ursprüngliche oder nachträgliche sein, je nachdem, ob das Recht von Anfang an unrichtig eingetragen worden ist oder ob es nachträglich eine außerhalb des Grundbuchs wirksam gewordene Veränderung erfahren hat. In beiden Fällen ist § 22 GBO grundsätzlich anwendbar (vgl. auch Böttcher in Meikel, Grundbuchordnung, 10. Aufl., 2009, § 22, Rn 8). Die beanstandete Eintragung nimmt auch am Schutz des guten Glaubens (gemäß der §§ 892, 893 BGB) teil. Denn das Amtsgericht hat einen anderen Inhaber des dinglichen Rechts eingetragen.

Da die Antragstellerin mit ihrem Berichtigungsantrag vor dem Amtsgericht erfolglos eine "ursprüngliche Unrichtigkeit" geltend gemacht hat, richtet sich ihr Rechtsmittel in Wahrheit gegen die Vornahme der Eintragung selbst, worin eine unstatthafte Umgehung des § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO liegt. Hierbei ist es gleichgültig, ob das Vorbringen, die Eintragung sei von Anfang an unrichtig gewesen, auf die ursprünglichen Eintragungsunterlagen oder auf neue Tatsachen oder Beweise gestützt wird. Zulässig ist nur eine auf den Amtswiderspruch oder die Amtslöschung beschränkte Beschwerde (Böttcher in Meikel, Grundbuchordnung, § 71, Rn. 76 m.w.N.; Demharter, Grundbuchordnung, 26. Auflage, 2008, § 71, Rn 30 m.w.N.).

Auf den ersten Blick erscheint die weitergehende Entscheidungsbefugnis des Amtsgerichts (Grundbuchamt) gegenüber der des Beschwerdegerichts zu einem systemwidrigen Ergebnis zu führen. Zwar sind § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO und § 22 GBO in den Fällen der ursprünglichen Unrichtigkeit nicht vollständig aufeinander abgestimmt. Jedoch sollte - nach der Absicht des Gesetzgebers - verhindert werden, dass eine bereits vollzogene Eintragung durch ein Beschwerdegericht beseitigt wird, obgleich aufgrund dieser Eintragung ein gutgläubiger Erwerb durch einen Dritten stattgefunden oder sonst die Eintragung gegenüber einem Gutgläubigen Wirksamkeit erlangt hat (vgl. Böttcher in Meikel, Grundbuchordnung, § 71, Rn. 2). Im Übrigen ist das formalisierte Grundbuchverfahren nicht dafür bestimmt, abschließend und endgültig die materielle Richtigkeit von Eintragungen zu klären, die unter dem öffentlichen Glauben stehen. Dies obliegt allein den Prozessgerichten. Letztlich muss die Antragstellerin diese gesetzliche Regelung hinnehmen und ihre etwaigen Ansprüche in einem Rechtsstreit verfolgen.

c. Das Landgericht war auch nicht gehalten, die Beschwerde dahin auszulegen, dass die Antragstellerin die Anordnung begehrt, das Grundbuchamt möge einen Amtswiderspruch eintragen oder die beanstandete Eintragung von Amts wegen löschen.

Das Beschwerdegericht darf regelmäßig annehmen, dass ein Beschwerdeführer das Rechtsmittel mit dem zulässigen Inhalt einlegen und sein Ziel auf jede rechtlich mögliche Weise erreichen will.

Eine solche Auslegung hätte im konkreten Fall aber nicht zu dem von der Antragstellerin erstrebten Erfolg geführt.

Ein Amtswiderspruch gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO setzt voraus, dass das Grundbuchamt die Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen hat. Dies ist hier weder ersichtlich noch hinreichend dargetan.

Im Übrigen ist eine Eintragung nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO nur dann zu löschen, wenn sie sich nach ihrem Inhalt bereits als unzulässig erweist. Demnach hätte das Recht mit dem Inhalt oder in der Ausgestaltung, wie es eingetragen ist, aus Rechtsgründen nicht bestanden haben dürfen. Die inhaltliche Unzulässigkeit muss sich allerdings aus dem Eintragungsvermerk und den dort in zulässiger Weise in Bezug genommenen Eintragungsunterlagen selbst ergeben; auf die rechtlichen Vorgänge, die der Eintragung im Übrigen zugrunde liegen, und andere Beweismittel darf nicht zurückgegriffen werden (BayObLG, Beschluss v. 10.11.1987, BReg 2 Z 75/86, Rpfleger 1988, 102-104; OLG Hamm, Beschluss v. 22.06.1992, 15 W 252/91, OLGZ 1993, 43). Im Hinblick auf die eingereichten Unterlagen konnte der Rechtspfleger ohne Rechtsverletzung davon ausgehen, dass Herr I. berechtigt gewesen ist, im Namen der Antragstellerin die Abtretung zu erklären.

2. Die Erstbeschwerde wäre aber auch unbegründet gewesen.

Die Überprüfung des Senats hat sich darauf zu beschränken, ob das Vordergericht von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat.

Rechtsfehler in diesem Sinne sind weder ersichtlich noch von der Antragstellerin aufgezeigt worden.

Auf die materiell rechtliche "Gutglaubenswirkung nach Schweizer Recht" kommt es nicht an.

Da eine Bewilligung des Betroffenen zur Berichtigung des Grundbuchs (§ 19 GBO) nicht vorliegt, hätte die Antragstellerin die Unrichtigkeit des Grundbuchs gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO nachweisen müssen.

Dies ist nicht geschehen. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Stralsund Bezug. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin nicht einmal einen beglaubigten, mit einer Apostille versehenen aussagekräftigen Handelsregisterauszug vorgelegt hat. In den Akten befinden sich lediglich Register-Ausdrucke, die sich unschwer von jedermann über die Homepage "www.....ch" beziehen lassen. Diese sind mit folgendem Zusatz versehen:

"... obenstehende Informationen erfolgen ohne Gewähr und haben keinerlei Rechtswirkung. Verbindlich sind einzig der vom kantonalen Handelsregisteramt ausgestellte, beglaubigte Handelsregisterauszug ..."

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 KostO. Die Anordnung einer Kostenerstattung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ist nicht veranlasst. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde entspricht dem vom Landgericht für das Beschwerdeverfahren festgesetzten Wert und wird auf 150.000 Euro festgesetzt (§ 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 KostO).