OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13.05.2009 - 2 L 45/08
Fundstelle
openJur 2012, 54930
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald - 6. Kammer - vom 24. Januar 2008 wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 12.189,58 Euro festgesetzt.

Gründe

Der 1944 geborene Kläger begehrt die Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge nach § 14 a Abs. 1 BeamtVG im Hinblick auf Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er ist mit Wirkung zum 1. Februar 2004 wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand getreten.

Der gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil gerichtete, fristgerecht gestellte und begründete Zulassungsantrag des Beklagten hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt bzw. liegen nicht vor.

1. Dies gilt zunächst für den zur Begründung des Zulassungsantrags aufgeführten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ein auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützter Zulassungsantrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Die Begründung des Zulassungsantrags muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen weshalb sich diese aus der Sicht des Zulassungsantragstellers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Zulassungsantragsteller muss sich insofern an der Begründungsstruktur des angefochtenen Urteils orientieren. Geht er auf eine Erwägung nicht ein, kann das Oberverwaltungsgericht diese nicht von sich aus in Zweifel ziehen. Diese Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrags sind für den Zulassungsantragsteller auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Zulassungsantragsteller rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschl. des Senats v. 12.11.2008 - 2 L 138/08 -, m.w.N.).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens nicht abschließend übersehen lassen, die Begründung des Zulassungsantrags aber die Einsicht vermittelt, der beabsichtigten Berufung seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen. Die Zulassung ist dagegen zu versagen, wenn sich die vom Zulassungsantragsteller geäußerten Zweifel ohne Weiteres ausräumen lassen (vgl. Beschl. des Senats v. 12.11.2008 - 2 L 138/08 -, m.w.N.).

Gemessen an dem vorstehend erläuterten Maßstab ist die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zuzulassen.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem in § 14 Abs. 4 S. 1 BeamtVG a.F. bestimmten sogenannten amtsabhängigen Mindestruhegehaltssatz von 35 Prozent um einen gem. § 14 a Abs. 1 BeamtVG a.F. "berechneten" Ruhegehaltssatz, der vorübergehend erhöht werden kann, handelt. Die vom Beklagten vorgebrachten Zweifel an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung von § 14 a Abs. 1 BeamtVG a.F. in dessen Urteil vom 23. Juni 2005 (- 2 C 25.04 -, zit. nach juris Rn. 11 ff.) teilt der Senat nicht. Im einzelnen:

Die vom Beklagten favorisierte Rechtsauffassung, der Ruhegehaltssatz von 35 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge im Bereich der amtsabhängigen Mindestversorgung und 65 Prozent der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4 sei nicht berechnet, sondern lediglich die gesetzliche Folge einer anderweitigen - vorausgegangenen - Berechnung, überzeugt nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der zitierten Entscheidung detailliert begründet, warum keine Rechtfertigung besteht, diejenigen Beamten, die nur einen Anspruch auf das sog. amtsabhängige Mindestruhegehalt haben, von der begünstigenden Wirkung des § 14 a BeamtVG auszuschließen. Dem folgt der erkennende Senat. Dies gilt insbesondere insoweit, als das Bundesverwaltungsgericht den Begriff des "berechneten" Ruhegehaltssatzes dahingehend ausgelegt hat, dass dieser immer dann erfüllt ist, wenn ein Ruhegehalt nicht "erdient" ist, sondern sich aus einer individuellen Anwendung der versorgungsrechtlichen Vorschriften ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. Juni 2005 - 2 C 25.04 -, a.a.O. Rn. 13 ff.).

Auch die Kritik des Beklagten an der Annahme des Verwaltungsgerichts, eine Schlechterstellung der Beamten mit amtsunabhängiger Mindestversorgung sei durch die Anwendung der Berechnungsweise des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Die aufgezeigten Zweifel lassen sich ohne Weiteres mit Rücksicht auf den Alimentationsgrundsatz, nach dem sich auch der Anspruch auf amtsangemessene Versorgung aus dem verliehenen Amt ableitet, ausräumen. Zudem hat bereits das Bundesverwaltungsgericht in der maßgeblich zugrunde gelegten Entscheidung ausgeführt, dass für den erforderlichen Berechnungsvergleich das Ruhegehalt nach § 14 Abs. 1 BeamtVG auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit exakt zu berechnen ist, das "amtsbezogene Mindestruhegehalt" gemäß § 14 Abs. 4 S. 1 BeamtVG auf der Grundlage des feststehenden Ruhegehaltssatzes von 35 Prozent zu bestimmen ist und schließlich das amtsunabhängige Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG zu berechnen ist. Dabei wurde bereits durch das Bundesverwaltungsgericht erkannt, dass das Gebot, den Mindestruhegehaltssatz des § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG vorübergehend zu erhöhen, im Einzelfall aufgrund dieser vergleichenden Berechnungsmethode zu einem Ungleichgewicht insofern führen kann, als damit den Pflichtversicherungszeiten nach § 14 a BeamtVG ein höheres Gewicht als den ruhegehaltfähigen Dienstzeiten gemäß § 6 BeamtVG eingeräumt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. Juni 2005 - 2 C 25.04 - a.a.O., Rn. 21: "in der Regel").

Darüber hinaus fehlt es dem Zulassungsvorbringen insoweit an Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit in dem hier zugrunde liegenden Einzelfall. Ausgehend von dem oben Ausgeführten sind gewisse Unbilligkeiten der in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angewandten Berechnungsmethode nicht auszuschließen. Dass diese auch bezüglich der Ermittlung der Versorgungsansprüche des Klägers eintreten, ist weder ersichtlich noch erst recht glaubhaft gemacht worden.

Auch das erstinstanzliche Vorbringen des Beklagten, eine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen der Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens könne wegen der dargestellten Einwände nicht angenommen werden, vermag die Entscheidungserheblichkeit im hier entschiedenen Fall gerade nicht zu begründen, weil es sich bei dem Kläger nicht um einen Empfänger der amtsunabhängigen Mindestversorgung handelt.

Schließlich vermag auch der Einwand des Beklagten, das Verwaltungsgericht habe in seinem Urteil zu Unrecht den Anwendungsbereich der vom Wortlaut weit gefassten Vorschrift des § 14 a Abs. 1 BeamtVG nicht mit Blick auf § 14 Abs. 5 BeamtVG einschränkend ausgelegt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 16. Januar 2008 - 21 A 2098/06 -, zit. nach juris Rn. 30) dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. § 14 Abs. 5 BeamtVG ist schon von daher hier nicht einschlägig, weil sich diese Regelung auf eine Konstellation bezieht, in der die Mindestversorgung nach Abs. 4 mit einer Rente nach Anwendung des § 55 BeamtVG zusammentrifft. Demgegenüber findet die Regelung des § 14 Abs. 5 BeamtVG gerade in den Fällen der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes ersichtlich keine Anwendung. Hinzu kommt, dass die Anrechnungsvorschrift des § 14 Abs. 5 BeamtVG auch deshalb nicht einschlägig sein kann, weil der Kläger als Versorgungsempfänger gerade noch keine Rente bezieht.

2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Eine Streitsache weist besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, wenn ihre Beurteilung voraussichtlich im Verhältnis zu den Standards verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen überdurchschnittliche Anforderung stellt (vgl. Beschl. des Senats v. 25.11.1999 - 2 M 99/99 -, zit. nach juris Rn. 4; Seibert, in: Sodann/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, Rn. 117 ff.). Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert daher eine einzelfallbezogene Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils insofern, als die besonderen Schwierigkeiten als solche zu benennen sind und darüber hinaus aufzuzeigen ist, aus welchen Gründen sich diese in ihrer Bewertung von den durchschnittlichen Schwierigkeiten eines Verwaltungsrechtsstreits abheben. Auch bei diesem Zulassungsgrund ist die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Fragen rechtlicher oder tatsächlicher Art Voraussetzung (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 23. Juli 2008 - 5 LA 232/05 -, zit. nach juris Rn. 13; Seibert, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn. 125).

Der geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im oben ausgeführten Sinne liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die vom Beklagten aufgeworfenen Fragen, soweit sie entscheidungserheblich sind, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt sind.

3. Auch kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist und deren Klärung der Weiterentwicklung des Rechts förderlich ist (vgl. Beschl. des Senats v. 15. Januar 1999 - 2 L 299/98 -, zit. nach juris Rn. 4). Im Antrag auf Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Rechtsfrage, die grundsätzlich geklärt werden soll, zu bezeichnen und zu formulieren. Es ist substanziiert zu begründen, warum sie für grundsätzlich und klärungsbedürftig gehalten wird und weshalb diese Rechtsfrage - wiederum - erheblich ist und ihre Klärung in Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. Seibert, in: Sodann/Ziekow a.a.O. Rn 151). Daran fehlt es hier schon deshalb, weil die aufgeworfenen Fragen - sofern sie entscheidungserheblich sind - bereits durch die vorliegende höchstrichterliche Entscheidung, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 (- 2 C 25.04 -) beantwortet sind.

4. Schließlich scheitert auch die Divergenzrüge. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert insoweit die Darlegung, dass das Verwaltungsgericht in seinem Urteil mit einem seiner Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem Rechtssatz abweicht, der in der Rechtsprechung der in § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellt worden ist. Dabei kommt es, soweit eine Abweichung von der Rechtsprechung eines Oberverwaltungsgerichts geltend gemacht wird, nur auf die Abweichung von einer Entscheidung des dem Verwaltungsgericht übergeordneten Oberverwaltungsgerichts, also des Berufungsgerichts, an (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 124 Rn. 23; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 124 Rn. 12).

Einen derartigen Rechtssatz hat der Beklagte bereits nicht bezeichnet. Letztlich fehlt es auch insoweit an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz (vgl. Seibert, in: Sodann/Ziekow, a.a.O., Rn. 215).

5. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass, soweit nach Ablauf der Frist für die Begründung des Zulassungsantrags Art. 4 Nr. 11 a) aa) DNeuG gemäß Art. 17 Abs. 1 DNeuG mit Wirkung vom 24. Juni 2005 in Kraft gesetzt worden ist (BGBl. I 2009, 157, 230, 274), diese Rechtsänderung schon deshalb nicht zu berücksichtigen ist, weil es insofern an einer (fristgerechten) Darlegung einer bevorstehenden Änderung der Rechtslage durch den Zulassungsantragsteller fehlt und damit der Darlegungsgrundsatz (§ 124 a Abs. 4 Satz 2 VwGO) die Berücksichtigung sperrt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15. Dezember 2003 - 7 AV 2.03 -, zit. nach juris Rn. 11) .

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).