LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 03.08.2009 - L 8 B 216/09
Fundstelle
openJur 2012, 55026
  • Rkr:

Ein Sanktionsbescheid (§ 31 SGB II) und ein diesbezüglicher Umsetzungsbescheid können separat erlassen werden. Warengutscheine können während des Laufes der Sanktion durch Realakt ausgehändigt werden.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 19. Mai 2009, mit dem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 04.Mai 2009 gegen den Bescheid vom 09. April 2009 abgelehnt worden ist, wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin bezieht Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II.

Durch eine Eingliederungsvereinbarung vom 06. November 2008 verpflichtete sich die Antragstellerin, bis zum 30. April 2009 an einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) im Sozialladen "Kick in" in W teilzunehmen. Die Antragstellerin blieb der Maßnahme unstreitig des Öfteren fern und wurde schließlich gekündigt.

Nach zuvor erfolgten Gesprächen und einer ergebnislosen Anhörung erließ die Antragsgegnerin am 09. April 2007 einen Sanktionsbescheid, in welchem sie das Arbeitslosengeld II der unter 25-jährigen Antragstellerin in der Zeit vom 01. Mai 2009 bis zum 31. Juli 2009 auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkte. Die Einzelheiten dieser Sanktion regelte die Antragsgegnerin im Umsetzungsbescheid vom 24. April 2009. Aus diesem geht insbesondere hervor, dass die Leistungen für das minderjährige und mit der Antragstellerin in Bedarfsgemeinschaft lebende Kind nicht reduziert wurden.

Am 04. Mai 2009 erhob die Antragstellerin gegen beide Bescheide Widerspruch. Am gleichen Tag hat sie um die Gewährung vorläufigen sozialgerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht.

Durch Beschluss vom 19. Mai 2009 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ausgesprochen. Durch weiteren Beschluss vom 19. Mai 2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 09. April 2009 abgelehnt. Die Kammer hat im Wesentlichen dargelegt, dass sich bei summarischer Prüfung der Bescheid vom 09. April 2009 als rechtmäßig erweise. Die Antragstellerin habe die Sanktion nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II verwirkt. Das Sozialgericht hat im Einzelnen dargelegt, dass und welche Fehlzeiten der Antragstellerin bei der MAE-Maßnahme anzulasten seien. Die Antragstellerin sei in der Eingliederungsvereinbarung auch über die Rechtsfolgen belehrt worden. Die Antragsgegnerin habe das ihr nach § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II eingeräumte Ermessen gesehen und ordnungsgemäß von ihrem Ermessenspielraum Gebrauch gemacht.

Die Antragstellerin hat am 20. Mai 2009 Beschwerde erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der Antragstellerin hätten ergänzende Sachleistungen gewährt werden müssen. Über diese ergänzenden Sachleistungen hätte bereits im Sanktionsbescheid und nicht erst später entschieden werden dürfen. Das physische Existenzminimum der Antragstellerin sei somit nicht gesichert gewesen. Die Antragsgegnerin habe auch nicht hinreichend beachtet, dass die Antragstellerin mit einem minderjährigen Kind in einer Bedarfsgemeinschaft lebe. Der Sanktionsbescheid sei zu unbestimmt.

Die Antragsgegnerin tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen. Sie weist insbesondere darauf hin, dass am 11. Mai 2009, am 18. Mai 2009 und am 06. Juni 2009 der Antragstellerin Warengutscheine im Wert von jeweils 66,69 € ausgehändigt worden seien. Damit sei das physische Existenzminimum auch der Antragstellerin gesichert worden. Die Regelleistung für das minderjährige Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei im Übrigen, worauf nochmals hinzuweisen sei, nicht gekürzt worden.

Gründe

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber in der Sache unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Begründung des Sozialgerichtes in seinem Beschluss vom 19. Mai 2009 Bezug (§142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Senat folgt in diesem Zusammenhang insbesondere der Einschätzung des Sozialgerichts, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Sanktionsbescheid vom 09. April 2009 keine aufschiebende Wirkung hat (so bereits Beschluss des Senates vom 02. Juli 2009 - L 8 B 175/08).

Ferner folgt der Senat der Einschätzung des Sozialgerichts, dass der Sanktionsbescheid vom 09. April 2009 bei summarischer Prüfung rechtmäßig ist. Dies gilt nach Auffassung des Senates insbesondere in der Gesamtschau, die hier vorzunehmen ist und bei der der Umsetzungsbescheid vom 24. April 2009 mit einzubeziehen ist. Der Umsetzungsbescheid vom 24. April 2009 hat der Antragstellerin bei Antragstellung beim Sozialgericht bereits vorgelegen. Aus diesen beiden Bescheiden zusammen ergibt sich hinreichend bestimmt, in welcher Höhe Leistungen zu gewähren sind. Nach Auffassung des Senates kann der Sanktionsbescheid vom 09. April 2009 nicht isoliert gesehen werden. Erforderlich und hinreichend ist in diesem Zusammenhang, dass der Sanktionsbescheid, der das Ob einer Sanktion regelt, zusammen mit dem Ausführungsbescheid, der das Wie beinhaltet, eine dem Rechtsstaatsgebot genügende Rechtsfolgenanordnung beinhaltet. So liegt es im vorliegenden Fall. Aus den beiden bezeichneten Bescheiden ist für die Antragstellerin ersichtlich, in welcher Höhe (centgenau) die Kürzungen erfolgt sind. Zwar sieht der Senat es als für den Betroffenen verständlicher an, wenn beide Bescheide an einem Tag erlassen worden wären. Dieser zeitliche Verzug kommt im vorliegenden Fall aber deshalb nicht zum Tragen, weil die Antragstellerin gegen beide Bescheide zeitgleich Widerspruch eingelegt hat.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde sieht der Senat keine Notwendigkeit, über die ergänzenden Sachleistungen bereits pauschal und vorab, gar etwa noch im Sanktionsbescheid selbst zu entscheiden. Wesentlicher Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 31 Abs. 5 SGB II, der besonders scharfe Sanktionen für erwerbsfähige Hilfebedürftige vorsieht, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25.Lebensjahr vollendet haben, ist gerade, eine deutlich spürbare finanzielle Einbuße zu bewirken. Es ist gerade das physische Existenzminimum, was andererseits verbietet, in jedem Einzelfall die von Gesetzes wegen vorgesehene Sanktion streng formal auch durchzusetzen. Diese von Verfassungs wegen gebotene Betrachtung des Einzelfalles ist aber nur dann möglich, wenn die Sanktion bereits angelaufen ist und die besonderen Einzelfälle jedes Sachverhaltes von der Behörde mit in den Blick genommen werden. Daher erscheint es dem Senat selbstverständlich, dass über die Aushändigung von Warengutscheinen erst sukzessive und während des Laufs der Sanktion entschieden wird. Dafür reicht es aus, dass diese durch Realakt ausgehändigt werden. Einer Regelung, das heißt des Erlasses eines Verwaltungsaktes, bedarf es in solchen Fällen gerade nicht.

Abschließend verweist der Senat noch einmal darauf, dass die Antragsgegnerin zu Recht vorgetragen hat, dass die Leistungen für das minderjährige Mitglied der Bedarfsgemeinschaft keineswegs gekürzt worden sind.

Da die Rechtssache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet im Sinne des § 73a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Zitate0
Referenzen0
Schlagworte