VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.1993 - 1 S 570/92
Fundstelle
openJur 2013, 8580
  • Rkr:

1. Ein Gemeinderat darf wegen Befangenheit bei einer Gemeinderatssitzung nicht mitwirken, wenn er oder die unter die Befangenheitsregelung fallende Person (§ 18 Abs 1 Nr 1-4, Abs 2 GemO (GemO BW)) aufgrund persönlicher Beziehungen zu dem Gegenstand der Beratung oder Beschlußfassung ein individuelles Sonderinteresse hat, das zu einer Interessenkollision führen kann und die Besorgnis rechtfertigt, daß der Betreffende nicht mehr uneigennützig und nur zum Wohl der Gemeinde handelt (st Rechtspr).

2. Die Frage, ob ein die Mitwirkung ausschließendes individuelles Sonderinteresse vorliegt, kann nicht allgemein, sondern nur aufgrund einer wertenden Betrachtungsweise der Verhältnisse des Einzelfalls entschieden werden. Dabei kann grundsätzlich jeder individualisierbare materielle oder immaterielle Vorteil oder Nachteil zu einer die Mitwirkung ausschließenden Interessenkollision führen. Dabei ist erforderlich, aber auch ausreichend, daß der Eintritt des Sondervorteils oder -nachteils aufgrund der Entscheidung des Gemeinderats konkret möglich, dh hinreichend wahrscheinlich ist.

3. Gemeinderäte, die im Geltungsbereich eines geplanten Landschaftsschutzgebietes Grundeigentum besitzen, dürfen wegen Befangenheit bei der Beratung und Beschlußfassung über die von der Gemeinde vor Erlaß der Landschaftsschutzverordnung gegenüber der unteren Naturschutzbehörde abzugebende Stellungnahme nicht mitwirken.

Tatbestand

Die klagende Gemeinde wendet sich gegen die Beanstandung eines Beschlusses ihres Gemeinderats durch das Landratsamt K

Das Landratsamt beabsichtigt als untere Naturschutzbehörde den größten Teil der unbebauten und nicht als Baufläche ausgewiesenen Teil der Gemarkung der Klägerin als Landschaftsschutzgebiet "W A" auszuweisen. Den Entwurf der Landschaftsschutzverordnung leitete das Landratsamt der Klägerin zur Stellungnahme gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 LNatSchG zu. In der Beschlußvorlage zur Gemeinderatssitzung am 21.6.1989 teilte die Verwaltung der Klägerin den Gemeinderatsmitgliedern mit, daß bei der Beratung und Beschlußfassung über die Stellungnahme im Verfahren zur Festlegung von Landschaftsschutzgebieten die allgemeinen Befangenheitsvorschriften anwendbar seien und bat die Gemeinderäte zu prüfen, ob ein Befangenheitsgrund vorliege. 14 der 25 Mitglieder des Gemeinderats sind Eigentümer eines Grundstücks im vorgesehenen Schutzgebiet oder stehen zu einem solchen in einer von § 18 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 -- 4, Abs. 2 GemO erfaßten Beziehung.

In der öffentlichen Sitzung vom 14.3.1990 beschloß der Gemeinderat ohne die betroffenen Mitglieder, daß diese nicht wegen Befangenheit von der Mitwirkung ausgeschlossen seien. Der Bürgermeister der Klägerin widersprach dem Beschluß, weil er ihn für rechtswidrig hielt. In der Folgesitzung vom 28.3.1990 bestätigte der Gemeinderat seinen Beschluß vom 14.3.1990. Der Bürgermeister widersprach wiederum und führte die Entscheidung des Landratsamts K als Rechtsaufsichtsbehörde herbei.

Mit Verfügung vom 20.6.1990 beanstandete das Landratsamt K den Beschluß des Gemeinderats der Klägerin vom 28.3.1990 und gab dem Gemeinderat auf, den Beschluß innerhalb einer Frist von 4 Wochen nach Bestandskraft der Beanstandungsverfügung aufzuheben.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium K mit Bescheid vom 20.3.1991 als unbegründet zurück. Das Regierungspräsidium führte aus: Die Stellungnahme der Gemeinde in dem Verfahren zur Ausweisung der unbebauten und unbeplanten Gemarkungsfläche als Landschaftsschutzgebiet eröffne denjenigen Gemeinderäten, die selbst in der betroffenen Gemarkungsfläche über Grundeigentum verfügen oder deren nach § 18 GemO abzugrenzenden Verwandtschaft in dieser Fläche Grundeigentum haben, die Möglichkeit des unmittelbaren Vor- oder Nachteils, weil das geplante Landschaftsschutzgebiet zu erheblichen Einschränkungen in der Nutzung und Verwertbarkeit der Grundstücke führe. Sie seien daher befangen.

Gegen den am 25.3.1991 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 22.4.1991 Klage erhoben und beantragt, die Beanstandungsverfügung des Landratsamts K vom 20.6.1990 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums K vom 20.3.1991 aufzuheben. Zur Begründung wird vorgetragen: Den Gemeinderäten, die selbst oder deren nach § 18 GemO abzugrenzende Verwandtschaft in dem geplanten Landschaftsschutzgebiet Eigentum besäßen, entstehe kein unmittelbarer Vor- oder Nachteil. Zumindest greife der Ausnahmetatbestand des § 18 Abs. 3 GemO und im übrigen verstoße die Anwendung der Befangenheitsvorschriften gegen übergeordnete Rechtsgrundsätze.

Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt und auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen sowie ergänzend vorgebracht, das Innenministerium des Landes vertrete ebenfalls die Auffassung, daß bei Gemeinderatsbeschlüssen im Zusammenhang mit gemeindlichen Stellungnahmen bei Flurbereinigungsverfahren, bei der Ausweisung von Wasserschutzgebieten und bei der Ausweisung von Landschaftsschutzgebieten die Befangenheitsvorschriften gelten.

Mit Urteil vom 22.1.1992 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt: Der Beschluß des Gemeinderats vom 28.3.1990 sei rechtmäßig, denn diejenigen Ratsmitglieder, die selbst Eigentümer eines nach dem Entwurf der Landschaftsverordnung im Schutzgebiet gelegenen Grundstücks seien oder zu einem Eigentümer eines solchen Grundstücks in einem von § 18 Abs. 1, 2 GemO erfaßten Verhältnis stehen, seien nicht wegen Befangenheit von der Beratung und Entscheidung über die von der Klägerin abzugebende Stellungnahme gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 LNatSchG ausgeschlossen. Die Stellungnahme bringe den genannten Gemeinderatsmitgliedern keinen unmittelbaren Vor- oder Nachteil. Sie sei zwar dazu bestimmt, den Erlaß und die konkreten Festsetzungen der Landschaftsschutzverordnung zu beeinflussen. Ungeachtet ihres Inhalts sei sie aber nicht das maßgebliche Ereignis, von dem der Eintritt des Vor- oder Nachteils, das heiße der Eintritt der Beschränkung der Grundstücksnutzung ausschlaggebend abhänge. Ihr komme weder die notwendige rechtliche Bindungswirkung noch die erforderliche tatsächliche Ausstrahlungswirkung zu.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 2.2.1992 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus: Der Zweck der Befangenheitsvorschriften sei, bereits den bösen Schein der Befangenheit eines Gemeinderatsmitglieds bei einer Entscheidung zu vermeiden. Um eine "saubere" Kommunalpolitik zu gewährleisten, solle bereits der Anschein vermieden werden, ein Gemeinderatsmitglied sei durch die Teilnahme an entscheidungsfindenden Prozessen einer Kollision widerstreitenden Interessen ausgesetzt, die aus seiner Funktion als kommunaler Entscheidungsträger einerseits und aus seiner durch persönliche oder wirtschaftliche Interessen geprägten Stellung als Privatperson andererseits resultiere. Inwieweit Befangenheit vorliege, sei aus der Sicht der Bürger zu beurteilen, weil die Vorschrift das Vertrauen der Bürger in die Entscheidung der Gemeindeverwaltung schützen solle. Aus Bürgersicht sei es unerheblich, wer letztendlich unter welchen rechtlichen Bindungen entscheidungsbefugt zum Erlaß einer Landschaftsschutzverordnung sei. Für den Bürger sei entscheidend, daß der Gemeinderat, also die Gesamtheit der Gemeindebürger, eine endgültige Stellungnahme zum Landschaftsschutzvorhaben abgebe. Nicht maßgeblich sei, ob die Entscheidung der Gemeinde den weiteren Geschehensablauf richtungsweisend vorgebe, sondern daß die Stellungnahme der Gemeinde den letzten Akt im innergemeindlichen Entscheidungsprozeß darstelle.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 22.1.1992 -- 4 K 570/91 -- zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt unter Hinweis auf ihr bisheriges Vorbringen und das Urteil des Verwaltungsgerichts,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Klägerin, des Landratsamts K, des Regierungspräsidiums K und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Gründe

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die zulässige Klage abweisen müssen. Denn die Beanstandungsverfügung des Landratsamts K ist rechtmäßig.

Das Landratsamt kann als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde (§ 119 GemO) Beschlüsse des Gemeinderates, die das Gesetz verletzen, beanstanden und verlangen, daß der Beschluß aufgehoben wird (§ 121 Abs. 1 Satz 1 GemO). Der Beschluß des Gemeinderats vom 28.3.1990, daß keine Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern bei der Beschlußfassung über die Stellungnahme zum Entwurf der Landschaftsschutzverordnung "W A" vorliegt, verletzt das Gesetz.

Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung -- GemO -- darf der ehrenamtlich tätige Bürger weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm selbst oder bestimmten Personen (§ 18 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4, Abs. 2 GemO) einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs (Normenkontrollbeschl. v. 31.8.1964 -- II 146/62 --, ESVGH 14, 162; Normenkontrollurteil v. 25.10.1983 -- 3 S 1221/83 --, VBlBW 1985, 21; Urteil v. 10.11.1987 -- 1 S 2885/86 --, ESVGH 38, 51; Normenkontrollurteil v. 5.12.1991 -- 5 S 976/91 --, NuR 1992, 335) setzt das Merkmal der Unmittelbarkeit eines Vorteils oder Nachteils nicht voraus, daß die fragliche Entscheidung Wirkungen dieser Art ohne Hinzutreten eines weiteren Umstandes auslöst; eine direkte Kausalität ist nicht zu fordern. Ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil im Sinne des § 18 Abs. 1 GemO ist (bereits) dann gegeben, wenn ein Gemeinderat oder die unter die Befangenheitsregelung fallende Person aufgrund persönlicher Beziehungen zu dem Gegenstand der Beratung oder Beschlußfassung ein individuelles Sonderinteresse hat, das zu einer Interessenkollision führen kann und die Besorgnis rechtfertigt, daß der Betreffende nicht mehr uneigennützig und nur zum Wohl der Gemeinde handelt. Nur die so verstandene Befangenheitsvorschrift kann ihren Zweck erfüllen, das Vertrauen der Bürger in eine am Wohl der Allgemeinheit orientierte und unvoreingenommene Kommunalverwaltung zu stärken. Es soll bereits der "böse Schein" einer Interessenkollision zwischen dem vom Gemeinderatsmitglied uneigennützig zu verfolgenden Wohl der Allgemeinheit (§ 17 Abs. 1, § 32 Abs. 3 GemO) und der Verfolgung von Sonderinteressen vermieden werden (vgl. auch RdErlGemO § 18 Nr. 1).

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und der Klägerin rechtfertigt weder die systematische Stellung des § 18 Abs. 1, 2 GemO, noch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und das Demokratieprinzip eine einengende Auslegung des Merkmals der Unmittelbarkeit (vgl. auch Hassel, Die Bedeutung des Unmittelbarkeitskriteriums für eine interessengerechte Anwendung der kommunalen Befangenheitsvorschrift, DVBl. 1988, 711). Richtig ist, daß ein Gemeinderat an der Wahrnehmung seines Mitwirkungsauftrags als demokratisch legitimierter Vertreter aller Bürger der Gemeinde gehindert ist, wenn er befangen ist. Dies kann, je nach Zahl der befangenen Gemeinderatsmitglieder, zu einer Veränderung der durch Wahlen begründeten Kräfteverhältnisse im Gemeinderat führen. Diese Auswirkungen der Befangenheitsvorschriften hat der Landesgesetzgeber jedoch gesehen und sich für den Vorrang der Unparteilichkeit der Entscheidungsfindung und der Sauberkeit der Kommunalverwaltung entschieden. Dies wird durch die Regelungen in § 37 Abs. 2 bis 4 GemO deutlich. Dort wird unter anderem der Fall erfaßt, daß mehr als die Hälfte der Mitglieder des Gemeinderats befangen sein können (§ 37 Abs. 2 Satz 2 GemO), und es wird unter bestimmten Voraussetzungen eine Beschlußfähigkeit bereits bei mindestens drei anwesenden und stimmberechtigten Gemeinderatsmitgliedern zugelassen (§ 37 Abs. 3 Satz 1 GemO). Diese mit dem Demokratieprinzip vereinbare Regelung rechtfertigt sich ebenso wie die Befangenheitsvorschriften unter anderem aus der Verpflichtung der ehrenamtlich tätigen Bürger, die ihnen übertragenen Geschäfte uneigennützig und verantwortungsbewußt zu führen (§ 17 Abs. 1 GemO) sowie aus dem freien Mandat der Gemeinderäte, nach dem sie im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung entscheiden und an Verpflichtungen und Aufträge, durch die diese Freiheit beschränkt wird, nicht gebunden sind (§ 32 Abs. 3 GemO).

Die Frage, ob ein die Mitwirkung ausschließendes individuelles Sonderinteresse vorliegt, kann nicht allgemein, sondern nur aufgrund einer wertenden Betrachtungsweise der Verhältnisse des Einzelfalls entschieden werden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urt. v. 20.1.1986 -- 1 S 2009/85 --, VBlBW 1987, 24) ist dabei davon auszugehen, daß -- erstens -- jeder individualisierbare materielle oder immaterielle Vorteil oder Nachteil zu einer Interessenkollision in dem hier maßgeblichen Sinn führen kann, daß es -- zweitens -- nicht darauf ankommt, daß die Interessenkollision tatsächlich besteht und schließlich daß -- drittens -- der Eintritt eines Sondervorteils oder --nachteils aufgrund der Entscheidung konkret möglich, d.h. hinreichend wahrscheinlich ist. Daß die unter erstens genannte Voraussetzung bei den Gemeinderatsmitgliedern vorliegt, die Eigentümer von Grundstücken im Geltungsbereich des geplanten Landschaftsschutzgebiets sind oder zu einem solchen in einem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 -- 4 GemO genannten Verhältnis stehen, ist angesichts der sich aus der Unterschutzstellung folgenden Nutzungsbeschränkungen für Grundstücke im Landschaftsschutzgebiet (§ 22 Abs. 2, 3 NatSchG) offenkundig. Aber auch die dritte Voraussetzung, die konkrete Möglichkeit des Eintritts eines Sondervorteils- oder --nachteils ist gegeben.

Will die untere Naturschutzbehörde ein Gebiet durch Rechtsverordnung zu einem Landschaftsschutzgebiet erklären (§§ 58 Abs. 3, 22 Abs. 1 LNatSchG), so hat sie zwingend vor dem Erlaß der Rechtsverordnung den Behörden, öffentlichen Planungsträgern und Gemeinden Entwürfe der Verordnung zur Stellungnahme zuzuleiten (§ 59 Abs. 1 Satz 1 LNatSchG, vgl. auch Künkele/Heiderich, Naturschutzgesetz für Baden-Württemberg, § 59 RdNr. 3). Die Stellungnahme der Gemeinde ist für die untere Naturschutzbehörde nicht bindend. Sie ist jedoch bei der zu treffenden Abwägung zu berücksichtigen. Hierbei kommt der Stellungnahme der Gemeinde besonderes Gewicht zu. Die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes kann -- zumal wenn wie hier sehr große Flächen des Gemeindegebiets betroffen sind -- die gemeindliche Planungshoheit berühren. Diese ist Teil des kommunalen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 71 Abs. 1 LVerf) und darf, jedenfalls in ihrem Kernbereich, nicht angetastet werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.10.1980, BVerfGE 56, 298 <312>). Dies schließt nicht aus, daß die Gemeinde Einschränkungen der Planungshoheit durch Gesetze, auch durch Rechtsverordnungen, die auf einer mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG übereinstimmenden Ermächtigung beruhen, hinnehmen muß. Das Landratsamt als untere Naturschutzbehörde hat jedoch im einzelnen zu prüfen, ob und inwieweit bei der vorzunehmenden Güterabwägung das schutzwürdige überörtliche Interesse die sich aus der Landschaftsschutzverordnung ergebenden Einschränkungen erfordert (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.6.1984 -- 5 S 2397/83 --, BWGZ 1984, 735). Auch wenn die von der Gemeinde vorgebrachten Belange bei der Abwägung durch die untere Naturschutzbehörde überwunden werden können, schmälert dies nicht die Bedeutung der gemeindlichen Stellungnahme. Wegen dieses herausgehobenen Gewichts der Stellungnahme der von der Landschaftsschutzverordnung betroffenen Gemeinde ist es nicht nur möglich, sondern hinreichend wahrscheinlich, daß sie sich auf den Erlaß der Landschaftsschutzverordnung, ihren Geltungsbereich oder ihren Inhalt (§ 22 Abs. 3 LNatSchG) auswirkt. Wegen dieser hinreichend wahrscheinlichen Auswirkung auf die Landschaftsschutzverordnung sind die Gemeinderatsmitglieder, die in dem vorgesehenen Geltungsbereich Eigentümer von Grundstücken sind oder zu einem solchen in einem durch § 18 Abs. 1 Nr. 1 -- 4, Abs. 2 GemO bezeichneten Verhältnis stehen, in ihrem Sonderinteresse betroffen. Sie sind deshalb befangen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die Befangenheitsvorschriften nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beschlußfassung des Gemeinderats über die abzugebende Stellungnahme die genannten Gemeinderatsmitglieder lediglich als Angehörige einer Berufs- oder einer Bevölkerungsgruppe berührt. Von einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe kann in der Regel nach der Bedeutung dieses Begriffes nicht gesprochen werden, wenn nur eine kleine Gruppe persönlich bekannter und aufzählbarer Einzelpersonen in Frage stehen (vgl. Kunze/Bronner/Katz/von Rotberg, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 18 RdNr. 18). Im übrigen bilden die von einem Landschaftsschutzgebiet betroffenen Grundstückseigentümer auch keine Berufs- oder Bevölkerungsgruppe mit gemeinsamen Interessen. Die Interessen der einzelnen Personen sind jeweils auf ihre persönlichen Verhältnisse und die Verhältnisse ihrer Grundstücke abgestellt. Soweit teilweise die Interessen übereinstimmen, ist dies nicht entscheidend (VGH Bad.-Württ., Normenkontrollbeschl. v. 31.8.1964, a.a.O.).