BGH, Urteil vom 01.03.2012 - III ZR 213/11
Fundstelle
openJur 2012, 53511
  • Rkr:
Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 9. August 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung restlicher Provision für die Vermittlung einer am 15. April 2006 beginnenden fondsgebundenen Lebens- und Rentenversicherung der A. Lebensversicherung S.A. (L. ). Der Beklagte unterzeichnete am 22. März 2006 eine vorformulierte Vermittlungsgebührenvereinbarung, in der er sich verpflichtete, eine Vermittlungsgebühr von 2.172,60 € (Teilzahlungspreis) in sechzig Raten zu je 36,21 € zu zahlen. Außerdem heißt es darin unter anderem:

"1. Der Handelsmakler wird vom Kunden beauftragt, ihm die nebenstehende fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung mit wählbaren Zusatzversicherungen zu vermitteln. Er 1 erhält vom Kunden hierfür eine Vermittlungsgebühr. Der Handelsmakler erhält vom Versicherungsunternehmen für die Vermittlung des Versicherungsvertrages keine Abschlussprovision.

2. Die vom Handelsmakler zu erbringende Leistung ist auf die Vermittlung des Versicherungsvertrages und die hiermit im Zusammenhang stehende Beratung, Aufklärung und Betreuung beschränkt; eine darüber hinausgehende, nach der Erbringung der Vermittlungsleistung fortbestehende Beratungs-, Aufklärungs- oder Betreuungspflicht ist nicht Gegenstand dieser Vereinbarung und wird vom Handelsmakler nicht geschuldet."

Zusätzlich unterschrieb der Beklagte einen ebenfalls von der Klägerin vermittelten "Zahlungsverkehr-Treuhandauftrag" mit der F. P. S. GmbH, einem "Unternehmen der F. -Gruppe", in dem unter anderem geregelt ist:

"Die Zahlungen von Versicherungsbeitrag und Vermittlungsgebühr können ausschließlich im Wege des Lastschrifteinzugsverfahrens erfolgen. Aus diesem Grund ermächtigt hiermit der Treugeber den Treuhänder bis auf Widerruf, die jeweils fälligen Beträge vom nachstehend genannten Konto einzuziehen und an die Vertragspartner des Treugebers weiterzuleiten. Um die rechtzeitige Weiterleitung der Beträge zu gewährleisten, erfolgt der Einzug jeweils einige Tage vor Fälligkeit der Beträge."

Zwischen der F. AG, der Konzernmutter der A. Lebensversicherung S.A., und der Klägerin besteht ein Kooperationsverhältnis, wonach diese berechtigt ist, als - nach ihrer Darstellung - freier und selbständiger Handelsmakler die Versicherungsanträge zu verwenden und diese bei den Versicherern einzureichen; zudem werden die von der Versicherungsgesellschaft ausgestellten Fondspolicen (M. InvestmentPolice mit Zusatzversicherungen) nebst den angebotenen Anlagestrategien (M. Globales Wachstum, 2 M. Wert und Ertrag etc.) nach der Klägerin benannt. In Informationsbriefen der Klägerin (M. INFO, Ausgabe IV 2006, S. 8) wird darauf hingewiesen, dass die Versicherung bestimmt, welche Anteile des monatlichen Versicherungsbeitrags in die Anlagestrategie investiert werden. Der Beklagte erbrachte von April 2006 bis Februar 2007 die vereinbarten monatlichen Raten, stellte danach seine Zahlungen jedoch ein.

Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin die nach ihrer Berechnung noch offene Vermittlungsgebühr von 1.685,19 € nebst Zinsen, vorgerichtlichen Anwaltskosten und Auslagen zu zahlen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist die Klage abgewiesen worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.

Gründe

Die Revision ist zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, der geltend gemachte Anspruch auf Maklerlohn bestehe wegen einer Verflechtung der Klägerin mit der Versicherungsgesellschaft nicht. Für eine derartige (unechte) Verflechtung genüge, dass ein institutionalisierter Interessenkonflikt vorliege. Die durch das nicht offen gelegte Kooperationsverhältnis mit der Muttergesellschaft der A. Lebensversicherung S.A. begründete Interessenbindungwerde belegt durch die Benennung von Produkten des Versicherers mit der Firma der Klägerin. Daraus ergebe sich für sie ein wirtschaftlicher Vorteil, weil damit eine besonders enge Verbindung zu dem Produkt herausgestellt werden könne und dies nur den Sinn haben könne, den Absatz der Produkte der A. Lebensversicherung S.A. zu fördern. Es erscheine deshalb fernliegend, dass der als Makler Auftretende noch Alternativprodukte anzubieten bereit sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Klägerin dem Kunden aufgrund der besonderen Identifikation mit dem Versicherer vorrangig dessen Produkt vermitteln wolle. Dies sei auch der Vermittlungsgebührenvereinbarung zu entnehmen, in der sich die Klägerin ausschließlich zur Vermittlung eines Produkts der A. Lebensversicherung S.A. verpflichte. Bei der maßgebenden hypothetischen Betrachtung der Interessenlage sei auch bei dem vorliegend äußerst eingeschränkten Pflichtenfeld der Klägerin ein Interessenkonflikt möglich. Letztlich bestehe ein wirtschaftlicher Vorteil für sie auch durch die Vermittlung eines Treuhandvertrags, weil Forderungseinzug und -überwachung der F. P. S. GmbH überlassen werde und diese auch die Vermittlungsgebühren einziehe.

II.

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen lässt die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin wegen Verflechtung mit dem Versicherungskonzern ein Maklerlohnanspruch nach § 652 BGB nicht zustehe, Rechtsfehler nicht erkennen.

1. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass dem Makler kein Vergütungsanspruch zusteht, wenn durch seine Tätigkeit ein Hauptvertrag mit einer Person oder Gesellschaft zustande kommt, mit der er, der Makler, gesellschaftsrechtlich oder auf andere Weise "verflochten" ist. In Betracht kommt vorliegend nur ein Fall der so genannten unechten Verflechtung. Danach kann Makler auch derjenige nicht sein, der zum Vertragsgegner seines Kunden in einer solchen Beziehung steht, dass er sich im Falle eines Streits bei regelmäßigem Verlauf auf die Seite des Vertragsgegners stellen wird. Dass ein Interessenkonflikt allgemein besteht, reicht allerdings für den Ausschluss eines Provisionsanspruchs nicht aus. Die Interessenbindung auf Seiten des als Makler Auftretenden muss vielmehr so institutionalisiert sein, das heißt durch Übernahme einer tendenziell dauerhaften Funktion gefestigt sein, dass sie ihn - unabhängig von seinem Verhalten im Einzelfall - als ungeeignet für die dem gesetzlichen Leitbild entsprechende Tätigkeit des Maklers erscheinen lässt (vgl. z.B. BGH, Senatsurteile vom 19. Februar 2009 - III ZR 91/08, NJW 2009, 1809, Rn. 9, 12, und vom 12. März 1998 - III ZR 14/97, BGHZ 138, 170, 174; Urteil vom 1. April 1992 - IV ZR 154/91, NJW 1992, 2818, 2819; Staudinger/Reuter, BGB, Neubearb. 2010, § 652, Rn. 149 f; Ibold, Maklerrecht, 2. Aufl. 2009, Rn. 112; Schwerdtner/Hamm, Maklerrecht, 6. Aufl. 2012, Rn. 654 f; MünchKommBGB/ Roth, BGB, 5. Aufl. 2009, § 652, Rn. 121). Nach diesen Grundsätzen ist insbesondere in dem Fall, dass ein Handelsvertreter im Sinne des § 84 HGB vorgibt, Makler zu sein, ein institutionalisierter Interessenkonflikt zu bejahen. Denn der Handelsvertreter ist aufgrund seines Vertrags mit dem Unternehmen verpflichtet, die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen, und kann deshalb nicht so, wie es ein Makler müsste, die Interessen des Kunden wahren (Urteil vom 1. April 1992 aaO; vgl. auch Staub/Thiessen, HGB, 5. Aufl. 2008, § 93, Rn. 116; Heidel/Schall/Thomale, HGB, § 93 Rn. 27).

2. Ausgehend vom Zweck der Verflechtungsrechtsprechung, eine Gefährdung der dem Makler vom Auftraggeber übertragenen Wahrung seiner Interessen infolge der bei einer Verflechtung auf der Hand liegenden Interessenkollision zu verhindern (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2009, aaO, Rn. 12), ist die vorgenommene Würdigung des Berufungsgerichts aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichteten Rügen der Revision greifen nicht durch.

a) Zunächst ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass zwar die Möglichkeit der Klägerin, im Rahmen des bestehenden Kooperationsverhältnisses mit der F. AG und der A. S.A. Antragsformulare des Versicherers zu verwenden und bei diesem einzureichen, für sich genommen einen institutionalisierten Interessenkonflikt nicht begründen kann. Die Verwendung solcher Formulare dient in erster Linie der organisatorischen Abwicklung beim Zustandekommen des Versicherungsvertrags, ohne dass daraus ein Schluss auf eine Interessenbindung gezogen werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1999 - IV ZR 15/99, NJW-RR 2000, 316, 317). Indes ist Ausfluss des bestehenden Kooperationsverhältnisses nicht nur die Möglichkeit der Verwendung von Antragsformularen, die auf die A. Lebensversicherung S.A. hinweisen, und deren Weiterleitung. Entgegen der Auffassung der Revision besteht im Hinblick auf die Handhabung der Klägerin, Anlagestrategien und Fondspolicen dieses Versicherers allgemein mit ihrem Namen zu versehen und dies in ihren Informationsbriefen als eigene konzeptionelle Leistung für die private Altersversorgung herauszustellen, die gesteigerte Gefahr einer Interessenbindung zu Lasten ihres eigentlichen Auftraggebers. Im Streitfall sind sowohl die im Versicherungsantrag aufgeführten Anlagestrategien als auch die Fondspolice mit dem ehemaligen Firmenbestandteil der Klägerin "M. " gekennzeichnet. Dafür, dass, wie die Revision einwendet, Versicherungsprodukte der A. Lebensversicherung S.A. nicht nach der Kläge-

rin, sondern nach einer - den "Maklerkunden" gegenüber nie in Erscheinung getretenen - als Versicherungsvertreterin der A. Lebensversicherung S.A. agierenden Schwesterfirma (M. E. GmbH) benannt worden seien, besteht kein Anhalt.

Auf dieser Grundlage ist deshalb die Annahme gerechtfertigt, dass diese so gekennzeichneten und werblich besonders herausgestellten Produkte für die Klägerin von ganz erheblichem wirtschaftlichem Interesse sind und für sie im Vordergrund stehen. Daher ist auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, bei dieser Sachlage bestehe kein Interesse der Klägerin daran, ihren Kunden Alternativprodukte anzubieten - was im Übrigen im konkreten Streitfall auch nicht geschehen ist -, nicht zu beanstanden. Infolgedessen kann aber die Klägerin ihrer Stellung als (unabhängiger) Versicherungsmaklerin nicht mehr in hinreichendem Maße gerecht werden. Der Versicherungsmakler, der als treuhänderischer Sachwalter des von ihm betreuten Kunden bezeichnet wird, hat diesem gegenüber grundsätzlich umfassende Pflichten zu erfüllen (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 269/06, NJW-RR 2007, 1503, 1504, Rn. 9 mwN). Dazu gehört insbesondere, dem Kunden eine auf seine individuellen Wünsche und Bedürfnisse zugeschnittene "passende" Versicherung anzuempfehlen. Diese zentrale Beratungsleistung kann ein Versicherungsmakler aber nur erbringen, wenn er seine Empfehlungen auf eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern stützt beziehungsweise zu stützen vermag (so nunmehr ausdrücklich § 60 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F.). Demgegenüber kann bei der vorliegenden Konstellation nicht erwartet werden, dass die Interessen des Kunden, hier des Beklagten, denen die Klägerin in erster Linie verpflichtet ist, ausreichende Beachtung finden. Zwar ist der Revision zuzugeben, dass der Kennzeichnung der vertriebenen Produkte der A. Lebensversicherung S.A. mit dem Namen der Klägerin keine rechtlich bindende Verpflichtung zugrunde liegt, etwa nach Art eines Handelsvertreters im Interesse dieses Versicherungsunternehmens tätig zu werden. Dies ist aber auch nicht erforderlich, weil für die Annahme eines institutionalisierten Interessenkonflikts alle Arten rechtlicher oder wirtschaftlicher Bindungen von erheblichem Gewicht in Betracht kommen, die - wie hier - auf Dauer angelegt sind und von denen ein maßgeblicher Einfluss auf die Verhaltensweise der Handelnden ausgeht.

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht bei seiner Gesamtwürdigung auch berücksichtigt hat, dass ein weiterer, im Zuge der institutionalisierten Zusammenarbeit liegender wirtschaftlicher Vorteil für die Klägerin in der zusätzlichen Vermittlung eines Treuhandvertrags zwischen dem Beklagten und der F. S. GmbH zu sehen sei. Durch die Einschaltung dieses Unternehmens, das, wie die Klägerin einräumt, zur F. -Gruppe zählt, und dem der Forderungseinzug und die Forderungsüberwachung auch und gerade hinsichtlich der Provision der Klägerin obliegt, wird die Klägerin von eigener Inkassotätigkeit weitgehend entlastet. Darüber hinaus belegt der Umstand, dass die F. S. GmbH nach der (formularmäßig) getroffenen Vereinbarung neben der Versicherungsprämie über sechzig Monate die Vermittlungsgebühr einziehen und an die Klägerin weiterleiten soll, dass die Kooperation mit der "F. -Gruppe" auf Dauer angelegt und durch entsprechende Vertragsgestaltungen institutionell abgesichert wird und verfestigt ist. Die Hinzuziehung eines weiteren Konzernunternehmens verstärkt mithin die beschriebene Interessenausrichtung der Klägerin.

3. Insgesamt ist aufgrund des sich ergebenden Gesamtbildes und der vom Berufungsgericht festgestellten indiziellen Umstände nichts gegen dessen tatrichterliche Würdigung einzuwenden, dass die Klägerin im "Lager" des Versi-

cherers stehe und deshalb nach dem gesetzlichen Leitbild des Versicherungsmaklers die Interessen ihrer Auftraggeber nicht sachgemäß wahren könne. Die Verneinung eines Maklerlohnanspruchs wegen Vorliegens einer "unechten Verflechtung" ist daher von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

Schlick Herrmann Wöstmann RiBGH Hucke ist erkrankt undkann daher nicht unterschreiben Schlick Seiters Vorinstanzen:

AG München, Entscheidung vom 25.10.2010 - 231 C 16238/10 -

LG München I, Entscheidung vom 09.08.2011 - 13 S 22419/10 -