VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.01.2005 - 13 S 2549/03
Fundstelle
openJur 2013, 13684
  • Rkr:

1. § 11 Satz 1 Nr 1 StAG (RuStAG) verlangt bei der Anspruchseinbürgerung von dem Einbürgerungsbewerber nicht nur mündliche, sondern auch schriftliche Sprachkenntnisse.

2. Im Rahmen der Ermessenseinbürgerung sind grundsätzlich ebenfalls schriftliche Kenntnisse erforderlich; die Behörde hat hier aber die Möglichkeit, bei der Ermessenausübung den Besonderheiten des Einzelfalls - etwa Kompensationsmöglichkeiten oder einer familiären Sondersituation - Rechnung zu tragen.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2003 - 7 K 10/03 - wird zurückgewiesen, soweit es den Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung betrifft.

Hinsichtlich des Einbürgerungsanspruchs des Klägers wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2003 - 7 K 10/003 - dahingehend geändert, dass unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 15. Mai 2002 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28. November 2002 die Beklagte verpflichtet wird, über den Einbürgerungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im übrigen wird die Klage des Klägers abgewiesen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte zu 3/4 der Kläger zu ¼. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen dieser und die Beklagte je zur Hälfte.

Die Revision wird im Verfahren des Klägers zugelassen.

Tatbestand

Der am 1.5.1963 in der Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und Vater der im Jahr 1992 in der Bundesrepublik geborenen Klägerin; die Ehe des Klägers ist geschieden, und die elterliche Sorge für die Klägerin ist auf den Kläger übertragen. Der Kläger lebt seit 1978 in Stuttgart und ist seit 1986 im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung; die Klägerin hat eine bis zum 26.8.2008 befristete Aufenthaltserlaubnis. Ein Strafbefehl des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt gegen den Kläger wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen - Eternitplatten - vom 22.6.1999 (30 Tagessätze zu je 100,-- DM) ist inzwischen getilgt.

Am 23.11.1999 stellte der Kläger für sich und die Klägerin einen Antrag auf Einbürgerung. Im Verwaltungsverfahren wurden die Deutschkenntnisse des Klägers durch die Beklagte am 23.11.2000 überprüft; am 27.4.2001 erreichte der Kläger bei einer Sprachprüfung vor der Volkshochschule nach dem dort zugrunde gelegten Berechnungsmodell ein Ergebnis von 55%. Bei einer weiteren Sprachprüfung am 21.9.2001 erzielte der Kläger 70 Punkte; der Testteil „schriftlicher Ausdruck” wurde mit 0 Punkten bewertet. Das Angebot einer weiteren Sprachprüfung lehnte der Kläger in der Folgezeit mit der Begründung ab, er lebe schon lange in Deutschland, betreibe erfolgreich sein Geschäft als selbständiger Gastwirt und Hotelbesitzer und begleite als allein erziehender Vater seine in Deutschland schulpflichtige Tochter ohne weiteres in ihrer schulischen Laufbahn. Er habe durch praktische Anwendung seine Deutschkenntnisse ausreichend nachgewiesen; lediglich in der Schriftform hätten sich kleinere Mängel gezeigt. Im Übrigen erlebe er, wie um ihn herum zahlreiche türkische Staatsangehörige eingebürgert würden, die weitaus schlechter Deutsch sprächen als er; oft helfe er diesen Landsleuten und übernehme noch die Dolmetscherrolle.

Mit Bescheid vom 15.5.2002 lehnte die Beklagte die Einbürgerung des Klägers und der Klägerin ab. Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger habe zwei Sprachtests bei der Volkshochschule nicht bestanden und sei zu zwei weiteren Terminen nicht erschienen. Eine alleinige Einbürgerung der Klägerin als des Kindes des Klägers sei aus Rechtsgründen nicht möglich, zumal sie aus der türkischen Staatsangehörigkeit nur entlassen werden könne, wenn der allein sorgeberechtigte Kläger ebenfalls die Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit beantrage.

Der Widerspruch der Kläger vom 21.6.2002 wurde durch Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28.11.2002 - zugestellt am 9.12.2002 - zurückgewiesen; die Widerspruchsbehörde bezieht sich auf die Verwaltungsvorschriften des Innenministeriums zur Überprüfung der Kenntnisse der deutschen Sprache von Einbürgerungsbewerbern vom Dezember 2000/Oktober 2001, wonach über 70 Punkte zum Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse erforderlich seien.

In dem am 2.1.2003 durch Klageerhebung eingeleiteten Klageverfahren haben die Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15.5.2002 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28.11.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen Einbürgerungszusicherungen zu erteilen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Zeitungsbericht vorgelegt und den Kläger danach Fragen zu diesem Text beantworten lassen; in der mündlichen Verhandlung hat sich der Kläger außerdem zu seinem Werdegang in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere zu seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, geäußert (zunächst unselbständige Arbeit, danach Übernahme eines Lebensmittelladens, danach eines Imbisses und einer Gaststätte; 1988 Kauf eines Hauses in Stuttgart/Zuffenhausen mit einem Restaurant im Erdgeschoss und - ab 1992 - mehreren Hotelzimmern in den oberen Stockwerken). Außerdem hat der Kläger vorgetragen, er habe in seinem Restaurant zwei Leute eingestellt und inzwischen ein Hotelzimmerangebot von 29 Zimmern; er beschäftige auch gelegentlich Aushilfen. Außerdem mache er mit der Tochter die Hausaufgaben. Sein eigener Vater habe 32 Jahre beim Tiefbauamt der Beklagten gearbeitet, und seine Mutter kümmere sich auch um die Enkelin (die Klägerin). Er selbst habe einen über das türkische Konsulat vermittelten Deutschkurs von drei Monaten absolviert und spreche mit seinen Gästen deutsch.

Mit Urteil vom 22.7.2003 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Bescheid der Beklagten vom 15.5.2002 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 28.11.2002 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Klägern jeweils Einbürgerungszusicherungen zu erteilen; der Beklagten wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Das am 22.10.2003 zugestellte Urteil hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Die Entscheidungsgründe führen aus, der Einbürgerungsantrag sei nach dem Ausländergesetz i.d.F. des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom Juli 1999 zu beurteilen; die Übergangsregelung für ältere Fälle sei hier nicht einschlägig. Der Einbürgerung des Klägers stehe der Ausschlussgrund des § 86 Nr. 1 AuslG (keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache) nicht entgegen. Der Kläger könne sich im täglichen Umgang sowohl mündlich als auch schriftlich ohne die Hilfe eines Dolmetschers oder Übersetzers verständigen; die Kenntnisse der Schriftsprache umfassten dabei das Lesen, das Verstehen und das Verfassen eines Textes. Ein deutschsprachiger Text müsse von dem Einbürgerungsbewerber allerdings nicht geschrieben werden können, wie sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes und seinem Zusammenhang mit § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AuslG ergebe. Ein einheitlicher Maßstab zur Frage ausreichender Deutschkenntnisse sei zwar zu dieser Vorschrift in Rechtsprechung und Literatur nicht entwickelt worden; es müsse aber ausreichen, wenn sich ein Einbürgerungsbewerber im täglichen Leben einschließlich der üblichen Kontakte mit Behörden ohne besondere Schwierigkeiten verständlich machen könne, während nicht erforderlich sei, dass er die Fähigkeit besitze, einen Text in deutscher Sprache verständlich zu schreiben. Mit dem Kläger könne ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch in deutscher Sprache geführt werden, er könne einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und den wesentlichen Inhalt mündlich wiedergeben. Das Gericht könne selbst diese Frage beurteilen; der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfe es nicht. Dass die mündlichen Kenntnisse des Klägers in der deutschen Sprache ausreichend seien, sei angesichts seiner wirtschaftlichen Aktivitäten und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung anzunehmen. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die Einbürgerungsbehörde selbst die Entscheidung über das Vorliegen ausreichender deutscher Sprachkenntnisse zu treffen habe. Den Bewertungsbögen der Volkshochschule sei nicht konkret zu entnehmen, welche Aufgaben dem Kläger im einzelnen gestellt worden seien; selbst die Beklagte habe über die bei der Volkshochschule durchgeführten Sprachprüfung keine umfassenden Informationen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30.10.2003 beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.7.2003 - 7 K 10/03 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, das Verwaltungsgericht verzichte zu Unrecht auf dem Bestehen eines schriftlichen Sprachtests. Trotz des negativen Ergebnisses im schriftlichen Teil (zwei Mal 0 Punkte) habe sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung damit begnügt, mit dem Kläger mündlich zu kommunizieren, ihn einen Zeitungsartikel vorlesen zu lassen und ihm Fragen zu stellen; entsprechend einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom August 2002 sei jedoch das Bestehen eines schriftlichen Tests für die Einbürgerung unabdingbar. Damit sei die Überprüfung der Sprachkenntnisse des Klägers durch das Gericht nicht vollständig gewesen. Im Übrigen gehe es zu weit, von der Behörde selbst eine Sprachprüfung zu fordern; der Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg schreibe hierzu vor, für den Nachweis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache müssten nach dem Gesamtergebnis des Tests die gestellten Anforderungen zu über 70% erfüllt sein. Der Kläger habe bereits zwei Mal diese Hürde nicht überspringen können. Damit komme auch die Einbürgerung der Klägerin nicht in Betracht.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor, in den Verwaltungsvorschriften zu § 86 AuslG sei vom Bestehen eines schriftlichen Sprachtests nicht die Rede; das gelte auch für die Verwaltungsvorschriften zu § 8 StAG. Auch vielen deutschen Staatsangehörigen fehle die Fähigkeit, sich schriftlich auszudrücken. Vor allem dürfe aber die Einbürgerungsbehörde das Ergebnis der von ihr angeordneten Prüfung bei der Volkshochschule nicht schematisch verwerten; es fehle an einer Einzelfallentscheidung. Der Kläger habe in allen Bereichen gute Noten erzielt; lediglich bei dem Test „schriftlicher Ausdruck“ seien ihm 0 Punkte gegeben worden. Die dazu vorliegenden Schriftproben rechtfertigten diese Beurteilung nicht. Selbst wenn der schriftliche Ausdruck zum Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse gehöre, sei diese Anforderung erfüllt. Im Übrigen obliege es der Behörde, im konkreten Einzelfall eine Würdigung vorzunehmen, die den Aktivitäten, dem Alter und dem Bildungsstand des Klägers gerecht werde. Da der Kläger den zweiten Sprachtest mir genau 70 Punkten abgeschlossen habe, hätte er den Test bereits dann bestanden, wenn seine schriftliche Leistung mit wenigstens 1 Punkt bewertet worden wäre. Ein Beispiel für die Sprachkenntnisse des Klägers sei, dass er vor einiger Zeit wegen der Errichtung eines Funkstation auf seinem Gebäude ein zehnseitiges Vertragswerk mit Vodafone D 2 durchgearbeitet habe; er sei dazu ohne weiteres in der Lage gewesen. Im übrigen verfolge die Klägerin, die zur Zeit in der siebten Klasse der Realschule sei, ihren Einbürgerungsanspruch nicht nur als Miteinbürgerung (abhängig vom Kläger), sondern auch als eigenen Einbürgerungsanspruch weiter.

In der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2005 hat der Senat mit den Klägern über den Einbürgerungsantrag und seine Vorgeschichte sowie über ihre persönlichen Umstände in Stuttgart-Zuffenhausen gesprochen (ohne Dolmetscher); dem Kläger ist auch eine schriftliche Aufgabe gestellt worden (schriftliche Antwort auf den Brief einer Freundin, die den Kläger in Stuttgart besuchen will). Der Kläger hat in der ihm gestellten Zeit (1/2 Stunde) ohne fremde Hilfe ein Antwortschreiben entworfen.

Dem Senat liegen die den Kläger und die Klägerin betreffenden Einbürgerungsakten der Beklagten vor; sie waren Gegenstand der Verhandlung und Beratung.

Gründe

Die bereits vom Verwaltungsgericht nach § 124a VwGO zugelassene Berufung begegnet keinen prozessualen Bedenken; der Schriftsatz vom 30.10.2003 wahrt die Einlegungsfrist (§ 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO) und bezeichnet auch das angefochtene Urteil ausreichend. Die Beklagte hat zwar in diesem verfahrenseinleitenden Schriftsatz nicht ausdrücklich und wörtlich „Berufung eingelegt“; sie hat allerdings mit entsprechender Begründung (siehe § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO) beantragt, das verwaltungsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. In dieser Formulierung kommt - auch ohne ausdrücklichen Bezeichnung des Rechtsmittels als „Berufung” - (noch) ausreichend zum Ausdruck, dass die Beklagte die berufungsgerichtliche Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils begehrt (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 19.10.1998 - 2 StR 484/98 -, NStZ-RR 1999, 262). Da das Verwaltungsgericht bereits selbst die Berufung zugelassen hat und der Schriftsatz vom 30.10.2003 das gewählte Rechtsmittel jedenfalls nicht fehlerhaft (etwa als Antrag auf Zulassung der Berufung) bezeichnet, liegt insofern kein Fall der (unzulässigen, siehe BVerwG, Beschluss vom 23.8.1999 - 8 B 152.99 -, Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 23) Umdeutung von Prozesserklärungen vor. Der Schriftsatz vom 30.10.2003 ist vielmehr (noch) einer Auslegung als Berufungseinlegungsschrift zugänglich.

Auch sonstige Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht (vgl. dazu § 124a Abs. 3VwGO); insbesondere enthält die rechtzeitig eingegangene Begründung einen bestimmten Antrag, und auch die einzelnen Berufungsgründe werden aufgeführt, wenn die Beklagte darauf hinweist, das Verwaltungsgericht verzichte zu Unrecht im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens auf schriftliche Deutschkenntnisse. Soweit die Berufungsbegründung allerdings weiter ausführt, das Verwaltungsgericht fordere von der Behörde zu Unrecht, selbst eine Sprachprüfung durchzuführen oder erneut eine andere sachverständige Stelle damit zu beauftragen, greift die Beklagte eine die (positive) Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht tragende Erwägung an; da das Verwaltungsgericht selbst die Spruchreife herbeigeführt und positiv „durchentschieden” hat (siehe § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), handelt es sich insofern um ein dem Berufungsverfahren als Prüfungsgegenstand nicht zugängliches „obiter dictum” (vgl. dazu Hess. VGH, Beschluss vom 9.7.1998 - 8 TZ 2348/98 -juris; BVerwG, Beschluss vom 14.3.2001 - 1 B 204/00 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 43 und OVG Münster, Beschluss vom 29.3.2004 - 11 A 1223/03 A -, AuAS 2004, 115).

Die Berufung der Beklagten kann sachlich keinen Erfolg haben, was das Begehren der Klägerin auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung angeht (1.). Im Verfahren des Klägers hat die Berufung der Beklagten teilweise Erfolg, weil der Kläger keinen Anspruch auf die ihm durch das Verwaltungsgericht zugesprochene Einbürgerungszusicherung hat (2.). Insofern war die Beklagte allerdings zur (erneuten) Entscheidung über den Einbürgerungsantrag des Klägers zu verpflichten; es fehlt bisher noch an einer behördlichen Ermessensausübung (3.).

1. Die Berufung der Beklagten im Verfahren der Klägerin ist bereits deswegen unbegründet, weil der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bereits aus eigenem Recht ein Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung zusteht; insoweit erweist sich damit das erstinstanzliche Urteil als im Ergebnis zutreffend. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Klägerin auch aus (von dem Kläger abgeleitetem) Recht eine Einbürgerungszusicherung im Rahmen der Miteinbürgerung beanspruchen kann.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin klargestellt, dass ihr Einbürgerungsantrag vom 23.11.1999 nicht auf ihre „Miteinbürgerung” als Tochter des Klägers (siehe § 85 Abs. 2 AuslG a.F.) beschränkt, sondern (hilfsweise) auch als Einbürgerungsanspruch aus eigenem Recht aufzufassen ist; dementsprechend hat die Behörde in der angefochtenen Verfügung vom 15.5.2002 auch beide Anspruchsgrundlagen sowie (zusätzlich) die Voraussetzungen einer eigenständigen Ermessenseinbürgerung der Klägerin nach § 8 StAG geprüft und verbeschieden. Der Senat kann offenlassen,ob zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung, also noch unter Geltung der Vorschriften des Ausländergesetzes über die sog. Anspruchseinbürgerung (§§ 85, 86), die Voraussetzungen einer eigenständigen Einbürgerung der Klägerin vorlagen oder nicht; jedenfalls zu dem für solche Anspruchseinbürgerungen maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (siehe dazu BVerwG, Beschluss vom 28.6.1985 - 1 B 48.85 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 151; BVerwG, Beschluss vom 19.8.1996 - 1 B 82.95 -, InfAuslR 1996, 399; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.7.2002 - 13 S 1111/01 -, als Leitsatz abgedruckt in DVBl. 2003, 84; Beschluss vom 13.12.2004 - 13 S 1276/04 -und BayVGH, Urteil vom 27.5.2003 - 5 B 00.1819 - juris) liegen die Voraussetzungen der durch die Beklagte mit der Berufung angegriffenen Einbürgerungszusicherung vor (zum Verwaltungsaktcharakter und zu den grundsätzlichen Voraussetzungen einer Einbürgerungszusicherung siehe BVerwG, Urteil vom 17.3.2004 - 1 C 5.03 -, AuAS 04, 187 und Hailbronner/Renner, StAR, 2001, RdNrn. 85 und 122 zu § 8 und 14 zu § 9 StAG). Zwischenzeitlich - mit Wirkung zum 1. Januar 2005 - sind nämlich die bis dahin maßgeblichen Regelungen der §§ 85, 86 AuslG durch die im Zuwanderungsgesetz enthaltene Neufassung des Staatsangehörigkeitsgesetzes abgelöst worden (siehe Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I S. 1950). Da die Neuregelung keine Übergangsvorschrift enthält, die - etwa entsprechend § 40c StAG n.F. bzw. § 102a AuslG a.F. - für die im hier interessierenden Zeitraum gestellten Einbürgerungsanträge die Geltung des früheren Rechts vorschreibt, lässt sich der gesetzlichen Neuregelung der Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass auch für bereits eingeleitete Einbürgerungsverfahren bzw. Anträge auf Einbürgerungszusicherung das neu geltende materielle Recht - hier also §§ 10 und 11 StAG - anzuwenden ist. Diese neuen Rechtsvorschriften haben - in für die Klägerin ergebnisrelevanter Weise - die Rechtsstellung minderjähriger Einbürgerungsbewerber verbessert; es kommt nämlich für die Anspruchseinbürgerung bei Antragstellern vor Vollendung des 16. bzw. 23. Lebensjahres nicht mehr auf das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 StAG, entspricht § 85 Abs. 1 Nr. 1 AuslG a.F.) und das Bestreitenkönnen des Lebensunterhalts (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG bzw. § 85 Abs. 1 Nr. 3 AuslG a.F.) an (siehe einerseits § 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 StAG, andererseits § 85 Abs. 2 Satz 1 AuslG a.F. und Hailbronner/Renner, a.a.O., RdNr. 14 zu § 85 AuslG).

Die Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 AuslG sind für die Klägerin, die seit mehr als acht Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt rechtmäßig im Inland hat und im Besitz der nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 StAG erforderlichen Aufenthaltserlaubnis ist, unter Berücksichtigung der in § 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 StAG vorgesehenen Erleichterungen gegeben; es fehlt lediglich an der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG. Dem hat allerdings bereits das von der Beklagten angefochtene erstinstanzliche Urteil dadurch Rechnung getragen, dass es - auf den entsprechenden Antrag der Klägerin hin - die Beklagte nicht zur Einbürgerung selbst, sondern lediglich zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung verurteilt hat; gerade für derartige Fälle - der Einbürgerungsbewerber ist noch im Besitz der ausländischen Staatsangehörigkeit - ist die Einbürgerungszusicherung vorgesehen (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 17.3.2004 a.a.O. und Hailbronner/Renner a.a.O. RdNr. 122 zu § 8 StAG). Dem Einwand der Beklagten, die Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit durch die Klägerin setze nach türkischem Staatsangehörigkeitsrecht die Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit durch den personensorgeberechtigten Kläger selbst voraus, ist damit ausreichend Rechnung getragen. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, er schließe eine solche Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit im Interesse seiner Tochter jedenfalls nicht aus, wenn er auch in erster Linie in diesem Zusammenhang an seine eigene Einbürgerung denke.

In der Person der Klägerin ist auch kein Ausschlussgrund im Sinne von § 11 StAG gegeben. Anhaltspunkte für die Annahme eines Ausschlussgrundes nach § 11 Satz 1 Nr. 2 oder 3 StAG (Verfolgung von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG) liegen offensichtlich nicht vor. Die Klägerin verfügt aber auch über "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG, so dass dieser weitere Ausschlussgrund ihrem Einbürgerungsbegehren nicht entgegengehalten werden kann. Die im Jahre 1992 in der Bundesrepublik geborene und hier auch aufgewachsene Klägerin spricht - wovon sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen konnte -fließend Deutsch; ihr mündliches Sprachvermögen ist weit besser als dasjenige des Klägers. Keinen Zweifel hat der Senat auch daran, dass die Klägerin über die erforderlichen (siehe dazu unten 2.) schriftlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt; sie ist zur Zeit in der 7. Klasse der Realschule und hat im Fach „Deutsch” die Note „befriedigend”. Sowohl wegen des umfangreichen Stundenangebots im Fach „Deutsch” bereits in der von der Klägerin durchlaufenen Grundschule als auch in der Realschule (5. und 6. Klasse: jeweils 5 Stunden; 7. Klasse 4 Stunden wöchentlich, zu den einzelnen Lehrplänen siehe „die Realschule in Baden-Württemberg”, www.realschule-Bw.de) und auch nach den konkreten Schilderungen der Klägerin und ihres Vaters zum schulischen Werdegang der Klägerin steht für den Senat außer Frage, dass auch die erforderlichen schriftlichen Kenntnisse der Klägerin gegeben sind. Dem entspricht auch die bisherigen Verwaltungspraxis, die bei erfolgreichem Besuch einer deutschsprachigen Schule über vier Jahre hinweg die erforderlichen Sprachkenntnisse als „in der Regel nachgewiesen” ansieht (siehe dazu Ziff. 8.1.2.1.2 StAR-VwV vom 13.12.2000, BAnz. 2001, 1418; ebenso Ziff. 1. 2 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 5.12.2000 - 5-1012.4/11 -und Nr. 86.1.2 der VwV des Innenministeriums Baden-Württemberg zum StAR vom 5.1.2001 - 5-1010/15 - und Nr. 11.1.1. der Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI zum StAG).

2. Was den Kläger angeht, so steht ihm im entscheidungsmaßgeblichen Zeitpunkt ein Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung - unter dem Vorbehalt der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG - allerdings noch nicht zu; dem Einbürgerungsanspruch aus § 10 StAG steht der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen.

Mit Ausnahme der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) erfüllt der Kläger sämtliche Einbürgerungsvoraussetzungen der Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG; insbesondere sind der erforderliche rechtmäßige gewöhnliche Aufenthalt seit acht Jahren, das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG), der Besitz einer unspezifischen Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG i.V.m. § 101 Abs. 1 AufenthG), die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG und das Fehlen einer im Sinne des § 12a Abs. 1 StAG relevanten Verurteilung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG gegeben. Dem danach grundsätzlich vorliegenden Einbürgerungsanspruch des Klägers steht allerdings als einziger hier in Betracht kommender Ausschlussgrund entgegen, dass der Kläger „nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt” (siehe § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Das Gericht hat die Frage, ob ein solcher Ausschlussgrund vorliegt, zum Zeitpunkt seiner Entscheidung selbst zu überprüfen (2.1.), und im vorliegenden Fall hat die Überprüfung ergeben, dass jedenfalls die erforderlichen schriftlichen Sprachkenntnisse (2.2.) beim Kläger noch nicht ausreichend gegeben sind (2.3.).

2.1. Die Frage, ob ein Ausschlussgrund im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt, hat das Gericht - ohne dass der Behörde ein entsprechender Beurteilungsspielraum zustünde - nach der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltenden Sach- und Rechtslage in eigener Verantwortung zu entscheiden; insofern gilt - was den Entscheidungszeitpunkt angeht - nichts von den allgemeinen Grundsätzen (siehe dazu die Nachweise oben 1.) Abweichendes. Eine Verlagerung des für die Frage ausreichender Sprachkenntnisse maßgebenden Zeitpunkts auf denjenigen der Verwaltungsentscheidung ist auch nicht aus dem Gedanken eines entsprechenden behördlichen Beurteilungsspielraums (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.5.200 - 13 S 916/00 -, VBIBW 2001, 492 m.w.N. aus der Rechtsprechung zur Verfassungstreue) gerechtfertigt (siehe dazu auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vorn 13.12.2004 - 13 S 1276/04 - und Urteil vom 11.7.2002 - 13 S 1111/01 -a.a.O.). Wo - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG erfüllt sind, besteht grundsätzlich ein Einbürgerungsanspruch, der lediglich in den gesetzlich bestimmten Fällen (hier: § 11 StAG, früher: § 86 AuslG a.F.) ausgeschlossen ist, ohne dass insofern für ein Einbürgerungsermessen wie bei der allgemeinen Einbürgerungsvorschrift des § 8 StAG oder eine Vorverlagerung des entscheidungserheblichen Zeitpunkts auf denjenigen der Behördenentscheidung Raum wäre (s. Berlit, GK-StAR, § 85 AuslG, RdNrn. 29, 30 und Hailbronner/Renner. a.a.O., RdNr. 36 zu § 85). Die Tatsache, dass der Begriff der „ausreichenden” Sprachkenntnisse wertende und in gewissem Sinn auch prognostische Elemente enthält, ändert hieran nichts. Dementsprechend ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass in Einbürgerungsverfahren der - vom Gericht selbst zu ermittelnde - Kenntnisstand des Einbürgerungsbewerbers im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend ist (siehe insbesondere Hess. VGH, Urteil vom 19.8.2002 - 12 UE 1473/02 -, InfAuslR 2002, 484, 490; Berlit a.a.O., RdNr. 18 zu § 86; siehe auch Renner, Nachtrag zu „Staatsangehörigkeitsrecht” 2000, RdNr. 19 zu § 86). Auch für vergleichbare ausländerrechtliche Vorschriften (§ 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AuslG, entspricht § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG.; § 20 Abs. 4 Nr. 1 AuslG, entspricht § 32 Abs. 2 AufenthG.; s. auch § 24 Abs. 1 Nr. 4 AuslG., verschärft durch § 9 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG), war bzw. ist entsprechende unbeschränkte Gerichtskontrolle anerkannt; dasselbe galt bereits für diejenigen Fälle, in denen Sprachkenntnisse im Rahmen der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG geprüft wurden (siehe etwa BVerwG, Urteil vom 8.3.1988 - 1 C 55/86 -, BVerwGE 79, 94 f.) oder in denen es um die Qualität von Deutschkenntnissen von Vertriebenenausweisbewerbern geht (BVerwG, Beschluss vom 19.2.1997 - 9 B 590/96 - juris). Die Tatsache, dass die Prüfung der Sprachkenntnisse in Verwaltungsvorschriften des Bundes und auch der Länder detailliert behandelt wird (siehe dazu insbesondere Hess. VGH, Urteil vom 9.8.2002 a.a.O. S. 485 und Ziff. 8.1.2.1.2. StAR-VwV) ändert hieran nichts; im Zusammenhang mit § 11 StAG geht es um Ausschlussgründe bei einer Anspruchseinbürgerung, nicht um behördliche Ermessensausübung, so dass Verwaltungsvorschriften hier allenfalls Hilfsmittel der Norminterpretation sein können (siehe dazu auch Gutmann, InfAuslR 2002, 491). Wegen der dem Gericht obliegenden eigenen Prüfungs- und Aufklärungspflicht zur Frage der ausreichenden Sprachkenntnisse ist der Senat auch gehindert, den von dem Kläger im Verwaltungsverfahren zweimal vorgelegten schriftlichen Test, in dem er jeweils 0 Punkte bekommen hat, unter Aufrechterhaltung der übrigen Testergebnisse neu „nachzubewerten”; dies scheitert bereits daran, dass dem Senat die für die damals prüfende Volkshochschule maßgebliche Punkte- und Bewertungsskala nicht vorliegt. In diesem Zusammenhang bemerkt der Senat zur Vermeidung weiteren Rechtsstreits, dass es der Behörde in Verfahren der hier vorliegenden Art nicht verwehrt ist, sich zur Vorbereitung ihrer Entscheidung Tests oder Prüfungen bei Dritten zu bedienen; eine solche Entscheidungshilfe ändert aber nichts daran, dass die Verantwortung für die am Ende des Verwaltungsverfahrens stehende Behördenentscheidung jeweils bei der Behörde selbst liegt und dass diese in Zweifelsfällen berechtigt und u.U. sogar verpflichtet ist, sich ein eigenes Urteil über die Sprachkenntnisse des Einbürgerungsbewerbers zu bilden (vgl. dazu auch Berlit, a.a.O., RdNr. 55 zu § 86).

2.2. Was die Frage angeht, wie das in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG enthaltene Erfordernis „ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache” - insbesondere im hier interessierenden Bereich der Schriftsprache - zu verstehen ist, so hat das Verwaltungsgericht (jedenfalls nach der nunmehr maßgebenden Rechtslage) im Ergebnis zu Unrecht auf sprachliche Kenntnisse auch im schriftlichen Bereich verzichtet; mindestens seit Inkrafttreten der zuwanderungsrechtlichen Neuregelungen ist davon auszugehen, dass eine Einbürgerung nicht nur (ausreichende) mündliche, sondern auch im schriftlichen Bereich ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache voraussetzt.

Es kann offen bleiben, inwieweit auf der Grundlage der früher geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des § 86 Nr. 1 AuslG, bereits schriftliche deutsche Sprachkenntnisse zu fordern waren. Die Entstehungsgeschichte der durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 - BGBl. I S. 1618, 1620 - neu eingeführten Vorschrift gibt für die Auslegung des Begriffs ausreichender Sprachkenntnisse wenig her; sie bezieht sich auf die entsprechende Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des damals geltenden Ausländergesetzes, dessen Auslegung zum damaligen Zeitpunkt bereits uneinheitlich war. Allerdings deutete der Wortlaut des § 26 Abs. 1 Nr. 2 AuslG im Unterschied zu § 24 Abs. 1 Nr. 4 AuslG (mündliche Verständigung auf einfache Art in deutscher Sprache) schon damals darauf hin, dass ein strengerer und damit über das Mündliche wohl hinausgehender Maßstab anzulegen war. Andererseits war die „Beherrschung der deutschen Sprache” wohl nicht verlangt (siehe dazu § 20 Abs. 4 Nr. 1 AuslG). In der Literatur scheint die Auffassung überwogen zu haben, dass sich die sprachlichen Anforderungen im Rahmen der Einbürgerung zwischen den beiden, in § 24 Abs. 1 Nr. 4 AuslG einerseits und § 20 Abs. 4 Nr. 1 AuslG andererseits bezeichneten Polen bewegen (so eingehend Renner, a.a.O., RdNr. 17 zu § 86; siehe auch Berlit, a.a.O., RdNr. 33 zu § 86, aber auch RdNr. 23 zu § 86 und Hailbronner, AuslG, RdNr. 3 zu § 86 sowie Hailbronner/Renner, a.a.O., RdNr. 3 zu § 86). In der Rechtsprechung hat sich der Hess. VGH (Urteil vom 19.8.2002, a.a.O.) entschieden für das Erfordernis ausgesprochen, der Einbürgerungsbewerber müsse „eigene oder fremde Gedanken schriftlich in deutscher Sprache wiedergeben”; hierfür sprechen (als Auslegungshilfe) auch die Verwaltungsvorschriften, die das Bundesinnenministerium nicht nur zur Ermessenseinbürgerung, sondern gleichlautend auch zur Anspruchseinbürgerung nach § 86 AuslG erlassen hat (zu deren Formulierung und zur Abgrenzung von den Verwaltungsvorschriften der Länder siehe insbesondere Hess. VGH a.a.O. S. 485 f.). Von Bedeutung scheint dem Senat in diesem Zusammenhang, dass die Verwendung des Begriffs „ausreichend” jeweils die Annahme eines relativen Maßstabes nahe legt (so auch Renner, a.a.O., RdNr. 15 zu § 86); es kommt bei der Auslegung der verschiedenen Vorschriften zur erforderlichen Sprachkompetenz entscheidend darauf an, zu welchem Zweck und in welchem ausländerrechtlichen oder Integrationszusammenhang Sprachkenntnisse gefordert werden. Dass die Fähigkeit, deutsche Texte lesen, aber auch schreiben zu können, ein wesentliches und gerade für Einbürgerungen relevantes Integrationsmerkmal darstellt, dürfte unbestreitbar sein (im einzelnen siehe dazu Berlit, a.a.O. RdNr. 21 zu § 86 und die dort zitierten Nachweise). Während für die Ermessenseinbürgerung, bei der ausreichende deutsche Sprachkenntnisse gesetzlich nicht verlangt waren und die Fähigkeit zum schriftlichen Ausdruck jedenfalls für bestimmte Fallgestaltungen (deutsche Familienangehörige; Schreiben kein Bestandteil des „Alltagslebens” des Einbürgerungsbewerbers) nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine „von grundsätzlich allen Einbürgerungsbewerbern zu erfüllende Mindestvoraussetzung darstellte (so BVerwG, Urteil vom 8.3.1988 - 1 C 55/86 -, BVerwGE 79, 94 f.), hat § 86 AuslG die Einbürgerungsmöglichkeiten durch die Schaffung eines Einbürgerungsanspruchs in bestimmten Fällen einerseits verbessert, andererseits aber durch (erstmalige) gesetzliche Formulierung von sprachlichen Mindestvoraussetzungen auch dadurch erschwert, dass Ausschlussgründe geschaffen wurden, die der Behörde keinen Ermessensspielraum lassen (siehe dazu Renner, a.a.O. RdNr. 13 zu § 86 und Hess.VGH, a.a.O. S. 486).

Das Inkrafttreten der zuwanderungsrechtlichen Vorschriften zum 1.1.2005 hat nach Auffassung des Senats zur vorher noch eher strittigen Frage mündlicher oder (auch) schriftlicher sprachlicher Fähigkeiten von Einbürgerungsbewerbern neue Akzente gesetzt. Die früher geltende Regelung des § 86 Nr. 1 AuslG ist unmittelbar in das Staatsangehörigkeitsrecht übernommen worden (§ 11 Satz 1 Nr. 1 StAG), und zum gleichen Zeitpunkt sind neue ausländerrechtliche Vorschriften in Kraft getreten, die dazu dienen sollen, die Integration von rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländern in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben in Deutschland künftig verstärkt zu fördern und zu stützen. Insbesondere sind inzwischen Integrationskurse vorgesehen, die die Ausländer (u.a.) an die Sprache in Deutschland heranführen sollen (s. § 43 AufenthG). Ziel der Integrationskurse ist es u.a., die Ausländer dadurch mit den Lebensverhältnissen im Bundesgebiet soweit vertraut zu machen, „dass sie ohne die Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbständig handeln können” (§ 43 Abs. 2 Satz 3 AufenthG), und der Integrationskurs umfasst auch einen Basis- und einen Aufbausprachkurs von jeweils gleicher Dauer, der der Erlangung „ausreichender Sprachkenntnisse” dient (§ 43 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). In Ausfüllung der - in verfassungsrechtlicher Hinsicht ausreichend bestimmten - Ermächtigungsgrundlage (siehe Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG), die u.a. die Grundstruktur, die Dauer, die Lerninhalte und die Durchführung der Kurse anspricht, hat die Bundesregierung inzwischen die Integrationskursverordnung (IntV) vom 13.12.2004 (BGBl. I S. 3370) erlassen. Nach dieser Verordnung ist das Kursziel, ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache im Sinn von § 43 Abs. 3 AufenthG und § 9 Abs. 1 Satz 1 Bundesvertriebenengesetz zu erreichen, erreicht, „wenn sich ein Kursteilnehmer im täglichen Leben in seiner Umgebung selbständig sprachlich zurechtfinden und entsprechend seinem Alter und Bildungsstand ein Gespräch führen und sich schriftlich ausdrücken kann”.

Schriftliche Ausdrucksfähigkeit in deutscher Sprache wird damit bereits von denjenigen Ausländergruppen verlangt, die der Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen unterliegen (s. § 44 a AufenthG). Wenn es sich insofern auch um die Integrationsvorstellung des - gesetzlich allerdings dazu ermächtigten - Verordnungsgebers handelt, so kann dieser Regelung des § 3 Abs. 2 InfV doch jedenfalls die grundsätzliche Annahme entnommen werden, dass Erfolg versprechende Integration von Ausländern auch entsprechende schriftliche Ausdrucksfähigkeit voraussetzt. Dass die Regelung der Integrationskursverordnung nicht die Einbürgerung betrifft, sondern im systematischen Zusammenhang zum Aufenthaltsrecht (und zum Vertriebenenrecht) steht, macht die in ihr zum Ausdruck kommende Integrationsvorstellung für die Auslegung staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften nicht wertlos. Vor diesem Hintergrund spricht alles dafür, jedenfalls nach Inkrafttreten der neuen zuwanderungsrechtlichen Regelungen bei Einbürgerungsbewerbern im Zusammenhang mit der Prüfung der von ihnen zu verlangenden deutschen Sprachkenntnisse nicht unter dem Niveau zu bleiben, das die Integrationskursverordnung für sonstige Ausländergruppen vorsieht - wenn die früheren Vorschriften nicht sogar schon in gleichen Sinn auszulegen waren (so Hess. VGH, a.a.O.). Auf ein solches Ergebnis scheinen auch die „Vorläufigen Anwendungshinweise” des BMI zum Staatsangehörigkeitsrecht hinzuweisen (Nr. 11.1.1.1, wonach „die Fähigkeit, sich auf einfache Art mündlich verständigen zu können”, nicht ausreicht; anders ist es lediglich bei der Miteinbürgerung von Ehegatten und Kindern (siehe Nr. 10.2.1.2.3. der Vorl. Anwendungshinweise). Entsprechendes gilt aufenthaltsrechtlich bereits für neu einreisende Ausländer (siehe auch Ziff. 9.2.8 der Vorläufigen Anwendungshinweise zum AufenthG). Eine für schon länger im Bundesgebiet lebende Ausländer günstige Übergangsregelung zur Frage der Sprachkenntnisse, wie sie § 104 Abs. 2 Satz 1 AufenthG für die Niederlassungserlaubnis enthält, ist für das Staatsangehörigkeitsgesetz nicht vorgesehen, obwohl in Einbürgerungsfällen jeweils ein längerer Aufenthalt des Bewerbers die Regel sein dürfte (siehe etwa § 85 Abs. 1 AuslG, § 10 Abs. 1 StAG und Hailbronner/Renner, a.a.O., RdNr. 55 zu § 8 StAG). Hieraus ist zu schließen, dass im Einbürgerungsrecht keine Differenzierung der sprachlichen Voraussetzungen nach der jeweiligen Aufenthaltsdauer oder - von § 40 c StAG abgesehen - nach dem Antragszeitpunkt stattfindet. Damit sind die sprachlichen Integrationsziele und -vorstellungen des Gesetzgebers, wie sie im Zuwanderungsrecht, insbesondere in § 3 Abs. 2 InfV, zum Ausdruck kommen, auch auf die bereits seit langem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Einbürgerungsbewerber anzuwenden.

2.3. Bei der konkreten, dem Senat selbst obliegenden Überprüfung der Sprachkenntnisse des Klägers hat sich zur Überzeugung des Senats ergeben, dass der Kläger zwar im mündlichen Bereich zu ausreichender Kommunikation in deutscher Sprache fähig ist; die mehr als einstündige mündliche Verhandlung, in der der Kläger bereitwillig auf Fragen eingegangen ist und seinen bisherigen Werdegang in der Bundesrepublik Deutschland dargestellt hat, hat dem Senat durchaus den Eindruck vermittelt, dass der Kläger sich im täglichen Leben, aber auch im Rahmen der üblichen Kontakte mit Behörden in seiner deutschen Umgebung sprachlich zurechtfinden und dass mit ihm ein seinem Alter und Bildungsstand entsprechendes Gespräch geführt werden kann (zu dieser Formulierung siehe die Vorläufigen Anwendungshinweise, a.a.O., die insoweit durchaus als Auslegungshilfe verwertbar sind). Mit gewissen Einschränkungen ist auch anzunehmen, dass der Kläger einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens lesen, verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiedergeben kann (zur Lesefähigkeit siehe auch Berlit a.a.O., RdNr. 38 f.). Allerdings sind insofern bereits gewisse Zweifel angebracht, die sich daraus ergeben, dass der Kläger die ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Aufgabe (Antwort auf den Brief einer fiktiven Freundin, die den Kläger besuchen will) bereits von der Fragestellung her nur unvollständig gelöst hat. Dass es in dem von ihm zu entwerfenden Antwortschreiben nicht nur um die Antwort auf die in dem Brief aufgeworfenen (einfachen) Fragen der Absenderin ging, sondern dass der Kläger auch schreiben sollte, welche Ausflüge er machen wolle oder was er seinem Besuch in Stuttgart zeigen wolle, hat der Kläger in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit (eine halbe Stunde) nicht realisiert; jedenfalls hat er zu diesem Punkt nichts geschrieben. Es ist denkbar, dass er trotz der auch mündlich in der Verhandlung gegebenen Hinweise die zu lösende Aufgabenstellung nur unvollständig erfasst hat.

Was die Schreibfähigkeiten des Klägers angeht, so hat sich zwar gezeigt, dass der Kläger einfache Informationen wie seine Anschrift oder Telefonnummer relativ fehlerfrei und verständlich schriftlich wiedergeben kann; allerdings war der restliche Teil des Schreibens nur sehr schwer verständlich. Der Kläger schrieb als Antwort auf die Fragen, wann die beste Zeit sei, ihn zu besuchen, ob es besser sei, nach Stuttgart mit dem Zug zu fahren oder ob man dort ein Auto brauche und was man sonst noch wissen müsse, bevor man die Reise mache:

„Herr M. (Name)

Ich framich sehr mich besuchen .. in stuttgart.

Ich wohnen in Stuttgart. (es folgen Anschrift und TeINr )

beste Zeit ist Agust .Schönne Zeit .. Ich habe meche seit.Agust -Bese mit dem Zug. kommen. In Stuttgart Bitte vonn .Sttuttgart banhof komnen

bitte - anrufen? Bis balt ... Ich fremich Schrr -

Herzliche Grüße

M.“ (Name)

Der Kläger hat damit nach Auffassung des Senats nicht gezeigt, dass er (ohne fremde Hilfe) ausreichend in der Lage ist, auch einfache Sachverhalte in eigenen Worten wiederzugeben bzw. auf schriftlich gestellte Fragen im erforderlichen Umfang verständlich zu antworten. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass der Kläger die ihm gestellte Aufgabe nicht ausgeschöpft hat (er hat das Thema Ausflüge, Ziele in Stuttgart usw. überhaupt nicht erwähnt), sondern auch aus der von ihm formulierten Mitteilung selbst.

Die von dem Kläger innerhalb der ihm vorgegebenen (durchaus großzügig bemessenen) Zeit verfasste Antwort ist nur hinsichtlich der mitgeteilten Personalien und der Telefonnummer fehlerfrei und ohne weiteres verständlich; die übrigen Informationen erschließen sich dem Leser - von den zahlreichen Schreibfehlern, auf die es in diesem Zusammenhang nicht ankommt, abgesehen - nur sehr schwer. Letztlich reduziert sich die schriftliche Antwort darauf, dass die Empfängerin am besten im August mit dem Zug nach Stuttgart fahren solle; im übrigen ist der Leser eher auf Vermutungen angewiesen. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass das Erfordernis „ausreichender“ Sprachkenntnisse nicht nur einen objektiven Bezug hat (allgemeine Kommunikationserfordernisse), sondern auch von den Einzelumständen und den sich daraus ergebenden Anforderungen abhängt; allerdings tritt der Kläger seit vielen Jahren in Deutschland im Geschäftsleben als Selbständiger auf, so dass die an ihn zu stellenden Anforderungen nicht von vornherein besonders niedrig anzusetzen sind. Der Senat orientiert sich auch in diesem Zusammenhang als Mindeststandard an der Formulierung des § 3 Abs. 2 InfV, wonach sich ein Ausländer im täglichen Leben in seiner Umgebung selbständig sprachlich zurechtfinden und entsprechend seinem Alter und Bildungsstand ein Gespräch führen und sich schriftlich ausdrücken können muss. Die Berücksichtigung der Faktoren „Alter und Bildungsstand“ ist nach Auffassung des Senats nicht nur für die Integration im allgemeinen Ausländerrecht von Bedeutung, sondern auch für das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 11 StAG; insofern liegt aber bei dem Kläger kein Sonderfall vor, der - jedenfalls im Rahmen der Prüfung von Ausschlussgründen - eine besonders großzügige Betrachtung und damit ein Ergebnis zu seinen Gunsten rechtfertigt. Es ist immerhin auch daran zu denken, dass im Schriftverkehr mit Behörden die Amtssprache deutsch ist (§ 23 Abs. 1 VwVfG); Deutschkenntnisse sind damit in diesem durchaus bedeutsamen Bereich unverzichtbar. Der Senat kann im Ergebnis offenlassen, ob die in der bisherigen Einbürgerungspraxis gängige Bezugnahme auf (insbesondere) den Bildungsstand die allgemeinen Anforderungen an ausreichende Sprachkenntnisse u.U. sogar verschärfen kann (so wohl die VwV des IM BW vom 5.12.2000, AZ 5-1012.4/11, Ziff. IV). Jedenfalls stellt der Umstand, dass der Kläger nach seinen lebhaften Schilderungen in der mündlichen Verhandlung als Restaurant- und Hotelbetreiber praktisch nicht über Freizeit verfügt, in diesem Zusammenhang kein entscheidend entlastendes Argument dar; offenbar hat der Kläger dem Bereich der schriftlichen Kommunikation seit langem keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Die Argumentation seiner Prozessbevollmächtigten, auch vielen Deutschen fehle die Fähigkeit, sich schriftlich auszudrücken, so dass man im Einbürgerungsverfahren keine strengeren Anforderungen stellen dürfe (siehe dazu auch Berlit, a.a.O., RdNr. 28 zu § 86), hält der Senat für nicht überzeugend; der Gesetzgeber muss sich bei den Anforderungen an den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht an einer - wenn auch zahlenmäßig beträchtlichen - Minderheit orientieren.

3. Die Tatsache, dass der Kläger jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wegen Eingreifens des Ausschlussgrundes des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG keinen Anspruch auf Einbürgerungszusicherung hat, bedeutet jedoch nicht, dass die Berufung der Beklagten in vollem Umfang Erfolg hat; dem Kläger steht nämlich jedenfalls ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung zu, so dass die Beklagte nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidungen zur erneuten Bescheidung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten war. Es sind die Voraussetzungen einer sog. Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG (n.F.) gegeben (3.1), und es fehlt bisher an einer nach dieser Vorschrift erforderlichen (fehlerfreien) Ermessensausübung (3.2).

3.1. Nach § 8 Abs. 1 StAG (n.F.) kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er (Nr. 1) handlungsfähig nach Maßgabe von § 80 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes oder gesetzlich vertreten ist, zusätzlich (2) keinen Ausweisungsgrund nach §§ 53, 54 oder § 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 des AufenthaltsG erfüllt, eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat (Nr. 3) und (Nr. 4) sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist. Von diesen Voraussetzungen ist im Fall des Klägers allenfalls Nr. 2 (Ausweisungsgrund) problematisch, da der Kläger durch den Strafbefehl vom 22.6.1999 (30 Tagessätze zu 100,--DM) einen Ausweisungsgrund im Sinn des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthaltG erfüllt hatte. Allerdings ist die in diesem Zusammenhang entscheidende Tilgungsfrist (siehe BVerwG, Urteil vom 17.3.2004, 1 C 5.03, NVwZ 2004, S. 997) inzwischen nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 a BZRG abgelaufen (siehe auch § 51 BZRG), so dass der Strafbefehl dem Einbürgerungsbegehren des Klägers nicht mehr entgegengehalten werden kann und damit die Einbürgerung jedenfalls rechtlich im Ermessensweg möglich ist. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass auf den entsprechenden Einbürgerungsantrag hin neben der Anspruchseinbürgerung behördlich und gerichtlich auch der Frage nachzugehen war bzw. ist, ob die Einbürgerung des Klägers im Ermessensweg erfolgen kann (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 2.4.2004 a.a.O.). Ausgangs- und Widerspruchsbescheid führen zu dieser Frage lediglich aus, die Sprachkenntnisse des Klägers reichten auch für eine Ermessenseinbürgerung nicht aus; sie beziehen sich dabei jeweils auf die Verwaltungsvorschriften zur Ermessenseinbürgerung. Dies wird der Problematik des hier zu entscheidenden Einzelfalls jedoch aus mehreren Gründen nicht gerecht, so dass die Beklagte insofern zur erneuten Entscheidung gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten war:

Bereits die zum früheren Recht erlassenen Einbürgerungsrichtlinien des Bundes zu § 8 StAG sahen vor, dass in Zweifelsfällen das persönliche Erscheinen des Einbürgerungsbewerbers zur Überprüfung der Sprachkenntnisse angeordnet werden soll (s. Nr. 8.1.2.1.2 StAR-VwV). Dass es sich im Fall des Klägers um einen Grenzfall handelt, ergibt sich bereits daraus, dass er bei dem letzten von ihm im Verwaltungsverfahren absolvierten Test 70 Punkte erreicht hatte, dass also nur ein Punkt fehlte, um von einem auch den Verwaltungsvorschriften entsprechenden „Nachweis“ auszugehen (siehe dazu im einzelnen auch die Verwaltungsvorschriften des Innenministeriums Baden-Württemberg zur Überprüfung der Kenntnisse der deutschen Sprache von Einbürgerungsbewerbern vom 5.12.2000 und vom 8.10.2001, jeweils AZ 5-1012.4/11, Ziffern IV bzw. 1). Eine solche individuelle Anhörung des Klägers im Verwaltungsverfahren ist unterblieben. Abgesehen von der hierin liegenden unzureichenden Entscheidungsgrundlage im Verwaltungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass auch die genannten Verwaltungsvorschriften durchaus Raum für Einzelfallentscheidungen in atypischen Situationen lassen. So sind etwa geringere Kenntnisse der deutschen Sprache nicht nur dann ausreichend, wenn der Einbürgerungsbewerber in bestimmter Weise behindert ist, wenn es sich um Kinder zwischen dem 10. und 16. Lebensjahr oder um Personen über 60 Lebensjahre handelt, sondern auch dann, wenn der Einbürgerungsbewerber deutsch verheiratet ist, lediglich über geringe Schulbildung verfügt und keine Berufsausbildung besitzt, die schriftliche Arbeiten erfordert, oder wenn ein Bewerber im Alltagsleben keinerlei Schreibarbeiten fertigen muss (siehe Nr. 4 der Richtlinien vom 5.12.2000, die in diesem Punkt ausdrücklich auf Nr. 9.1.2.1 Abs. 3 VwV-StAR und das dort erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8.3.1988, 1 C 55.86, BVerwGE 79, 94 f., Bezug nehmen). Diese Ausnahmemöglichkeit betrifft insbesondere „mangelnde schriftliche Deutschkenntnisse“; wendet man sie an, so ergibt sich, dass das Testergebnis in der Sprachdisziplin „schriftlicher Ausdruck“ unberücksichtigt bleiben kann (VwV vom 5.12.2000, a.a.O.). Im übrigen können nach der in den Verwaltungsvorschriften zum Ausdruck kommenden Verwaltungspraxis - ausdrücklich allerdings nur im Rahmen der Miteinbürgerung - die Sprachkenntnisse der übrigen Familienangehörigen berücksichtigt werden (VwV vom 5.12.2000 und Nrn. 8.1.3.9.1 und 85.2.1.2.3 Abs. 2 VwV-StAR). Dem liegt möglicherweise - neben dem Ziel der einheitlichen Staatsangehörigkeit innerhalb einer Familie - der Gedanke zugrunde, dass bei unzureichenden Sprachkenntnissen auch Kompensationsmöglichkeiten von Bedeutung sein können. Diesen in der Verwaltungspraxis bereits anerkannten Fallgruppen nähert sich der hier zu entscheidende Fall so stark an, dass auch hier Anlass bestand, bei der erforderlichen Ermessensentscheidung über die Einbürgerung des Klägers eine über die bloße Bezugnahme auf die Verwaltungsvorschriften hinausgehende einzelfallbezogene Abwägung zu treffen. Der Kläger ist zwar nicht im Sinn der genannten Fallgruppe „deutsch verheiratet“, und es geht bei ihm auch nicht um eine „Miteinbürgerung; er lebt jedoch seit vielen Jahren mit seiner in der Bundesrepublik geborenen Tochter - der Klägerin - zusammen, die einen Anspruch auf Einbürgerungszusicherung nicht nur besitzt, sondern im vorliegenden Verfahren auch prozessual geltend macht. Hinzu kommt, dass sie dem Kläger offensichtlich bei Erledigung der anfallenden schriftlichen Verpflichtungen - womöglich zusammen mit anderen Mitarbeitern des Klägers - so tatkräftig zur Seite steht, dass dem Kläger seit Jahren intensive wirtschaftliche Betätigung beanstandungsfrei möglich war und nach wie vor wohl auch ist. Damit ist im Fall des Klägers nicht nur davon auszugehen, dass seine Sprachkenntnisse das erforderliche Niveau bei der letzten maßgebenden Sprachprüfung nur sehr knapp verfehlt haben, sondern auch davon, dass hier ernstzunehmende und auf Jahre hinaus angelegte familiäre Kompensationsmöglichkeiten bestehen. Da anders als in den Fällen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG bei der Ermessenseinbürgerung Sprachkenntnisse nicht ausdrücklich als gesetzliches Erfordernis aufgeführt sind, sondern lediglich mittelbar über den Grundsatz der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse einfließen (siehe dazu auch Hailbronner/Renner, a.a.O., RdNrn. 52 bis 54 zu § 8 StAG, und Marx in GK-StAR, RdNrn. 132 und 137 zu § 8), hat die Behörde insofern auch die Kompetenz zu flexibleren Einzelfallentscheidungen. Das bedeutet, dass auch im vorliegenden Fall die staatsangehörigkeitsrechtliche Situation von Familienangehörigen, der Umfang der bisherigen wirtschaftlichen Betätigung des Klägers und auch bestehende Kompensationsmöglichkeiten mit einbezogen werden können. Auch die Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs geht offenbar davon aus, dass die Behörde bei Prüfung der Sprachkenntnisse im Rahmen der Ermessenseinbürgerung mehr Entscheidungsspielraum hat als wenn es um einen Ausschlussgrund nach § 86 Nr. 1 AuslG bzw. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG (siehe Hess. VGH a.a.O. S. 489 betr. politisch Verfolgte). Da bei Beachtung dieser Grundsätze die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung auch an den Kläger nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, war die Beklagte zur Nachholung einer entsprechenden individualisierten Ermessensentscheidung zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Zulassung der Revision im Verfahren des Klägers beruht auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, da die Rechtssache im Hinblick auf das Erfordernis auf schriftlicher Sprachkenntnisse bei Einbürgerungsbewerbern grundsätzliche Bedeutung hat.