OLG Bamberg, Beschluss vom 08.05.2009 - 7 WF 41/09
Fundstelle
openJur 2012, 100797
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Rechtsanwältin wird die an sie aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf  361,17 Euro festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

IV. Der Wert des Verfahrens der sofortigen Beschwerde beträgt 337,37 Euro.

Gründe

I.

Dem Antragsteller wurde durch Beschluss des Amtsgerichts -Familiengerichts- Coburg vom 14.5.2008 Prozesskostenhilfe zum Abschluss eines Vergleichs in einem Prozesskostenhilfeprüfverfahren wegen Getrenntlebensunterhalts bewilligt. Die Parteien schlossen im vorgenannten Termin eine Vereinbarung, die auch nicht anhängigen Kindesunterhalt umfasste. Das Amtsgericht setzte den Gegenstandswert für das Verfahren auf 2.717,-- Euro fest. Mit Antrag vom 28.5.2008 machte die Antragstellervertreterin eine Gebühr für die vorzeitige Beendigung des Auftrags und eine Einigungsgebühr in Höhe von 1,5 nach § 49 Nr. 1000 VVRVG, daneben die Pauschale für Post- und Telekommunikation und Mehrwertsteuer in Höhe von zusammen 473,62 Euro geltend. Mit Beschluss vom 23.7.2008 hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht -Familiengericht- Coburg die aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 248,71 Euro festgesetzt und im Übrigen den Vergütungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass eine 0,5 Verfahrensgebühr im vorliegenden Verfahren entstanden, jedoch nicht aus der Staatskasse zu vergüten sei. Die Beiordnung sei nur zum Abschluss eines Vergleichs erfolgt. Als Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VVRVG sei nur eine 1,0 Gebühr ansetzbar. Gemäß der vorgenannten Bestimmung verringerte sich die entstehende Einigungsgebühr von einer 1,5 Gebühr auf eine 1,0 Gebühr, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren anhängig sei. Aufgrund der Bemerkung des Gesetzgebers zu Nr. 1003 VVRVG gelte dies auch, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe - wie vorliegend - anhängig sei.

Die Ausnahme, dass sich die Beiordnung eines Rechtsanwaltes auf den Abschluss eines Vertrages erstrecke, betreffe nur die Bestimmung des § 48 Abs. 3 RVG, die vorliegend nicht einschlägig sei. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellervertreterin mit am 29.7.2008 beim Amtsgericht Coburg eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde erhoben und die Erstattung einer 1,5 Einigungsgebühr begehrt. Der Familienrichter beim Amtsgericht Coburg hat mit Beschluss vom 7.11.2008 die Erinnerung gegen den Beschluss der Rechtspflegerin zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde der Antragstellervertreterin am 30.12.2008 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 13.1.2009, eingegangen beim Amtsgericht Coburg am 14.1.2009, legte die Antragstellervertreterin gegen diesen Beschluss des Familienrichters "Erinnerung " ein. Sie hat zusätzlich zur Differenz zwischen einer 1,5 und einer 1,0 Einigungsgebühr gemäß der "überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte " eine 1,0 Verfahrensgebühr zu erstatten beantragt. Das Amtsgericht -Familiengericht- Coburg hat der als Beschwerde ausgelegten Erinnerung mit Beschluss vom 13.3.2009 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Oberlandesgericht hat eine Stellungnahme der Bezirksrevisorin bei diesem Gericht erholt. In ihrem Schriftsatz vom 8.4.2009, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, spricht sie sich für die Zubilligung einer 1,5 Einigungsgebühr  aus.

II.

Die als sofortige Beschwerde auszulegende Erinnerung ist gemäß §§ 56 Abs. 1, Abs. 2, 33 Abs. 3 -8 RVG zulässig. Die Beschwerdesumme von 200,-- Euro (§ 33 Abs. 3 S. 1 RVG) ist durch das zusätzliche Begehren einer 1,0 Verfahrensgebühr überschritten.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, soweit eine 1,0 Verfahrensgebühr erstattet verlangt wird (1). Allerdings ist aus der Staatskasse eine 1,5 Einigungsgebühr statt einer 1,0 Einigungsgebühr festzusetzen (2).

51) Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse richtet sich nach § 48 Abs. 1 RVG und damit nach dem Umfang der Bewilligung der Prozesskostenhilfe. Die Vorschrift des § 48 Abs. 3 RVG, wonach sich die Beiordnung in einer Ehesache auch auf die dort genannten Verfahrensgegenstände bezieht, ist vorliegend wegen des Verfahrensgegenstandes (keine Ehesache)  nicht einschlägig. Im vorliegenden Fall erstreckte sich die Prozesskostenhilfebewilligung (§ 48 Abs. 1 RVG) auch nur auf den Abschluss eines Vergleichs, so dass Termins- und Verfahrensgebühr vom Umfang des Bewilligungsbeschlusses nicht erfasst sind (BGH JurBüro2004, 601 ff.; OLG Koblenz, FamRZ 2006, 1693). Die von der Beschwerde ohne Angabe einer Fundstelle ins Feld geführte "überwiegende Anzahl der Oberlandesgerichte" die eine 1,0 Verfahrensgebühr für erstattungsfähig hält, ist bei einer Recherche in der Entscheidungssammlung "Juris" nicht aufzufinden. Offensichtlich wird der Sachverhalt mit der hier nicht gegebenen Variante verwechselt, in der nicht nur für den Vergleichsschluss, sondern auch für die Klage Prozesskostenhilfe bewilligt war (so z.B. OLG Koblenz, JurBüro 2006, 473). Dann ist der Umfang der Bewilligung aber ein anderer. Die Entscheidung des OLG Rostock vom 15.8.2006 11 WF 109/06 befasst sich mit dem Entstehen einer Terminsgebühr, nicht mit der  Verfahrensgebühr und klärt nicht die Frage, ob die zugestandene Gebühr aus der Staatskasse oder vom Mandanten zu erstatten ist. Gleiches gilt für die in NJW-RR 2005, 940 veröffentlichte Entscheidung des OLG Stuttgart vom 10.März 2005. Das OLG München hat sich in seiner Entscheidung vom 17.3.2009  im Verfahren 11 WF 741/09 mit einem (hier nicht vorliegenden) Fall des § 48 Abs. 3 RVG beschäftigt (zudem nur eine Verfahrensdifferenzgebühr für ansatzfähig gehalten).

2) Ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nach § 48 Abs. 1 RVG besteht aber jedenfalls insoweit, als durch den Beschluss des Familiengerichts Coburg  vom 14.5.2008 dem Antragsteller zum Abschluss eines Vergleichs Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Die Höhe der Vergütung richtet sich grundsätzlich nach Nr. 1000 VVRVG, welche Vorschrift für jede Art von gerichtlicher oder außergerichtlicher Einigung gilt (OLG Bamberg 7 WF 251/08).

Lediglich im Fall der Nr. 1003 VVRVG  wird diese Gebühr auf eine 1,0 Gebühr reduziert, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren anhängig ist. Das gilt gemäß dem Wortlaut der genannten Bestimmung auch, wenn es sich um ein Verfahren um die Prozesskostenhilfe handelt, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird oder sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 erstreckt, wobei als Ergänzung der letztgenannten Alternative im Klammerzusatz § 48 Abs. 3 RVG erwähnt wird. Vorliegend ist zwar der Ausnahmetatbestand der Nr. 1003 insoweit zunächst einschlägig, als über den Gegenstand ein Verfahren über Prozesskostenhilfe anhängig war. Allerdings greift auch die aus der komplizierten Formulierung der Bestimmung ersichtliche Ausnahme von dieser Beschränkung in Form der Beantragung der gerichtlichen Protokollierung des Vergleichs, weshalb als Ausnahme von der Ausnahme wieder die 1,5 Einigungsgebühr der Nr. 1000 VVRVG zu erstatten ist. Dass ein Anwendungsfall der genannten Alternative der Nr. 1003 VVRVG vorliegt, ergibt sich schon aus dem Wortlaut ("gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird") der genannten Bestimmung, aber auch deren Sinn und Zweck.

8Die mit dem Inkrafttreten des RVG auf 1,5 Gebühren erhöhte Einigungsgebühr soll die außergerichtliche Streitbeilegung fördern (OLG Bamberg a.a.O.; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., Nr. 1000 VVRVG Rdnr. 3) Die Befassung des Familiengerichts im Rahmen eines Prozesskostenhilfeprüfverfahrens mit einer nichtanhängigen anderen Familiensache, für die die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird, erfolgt in der Praxis regelmäßig deshalb, weil ohnehin ein gerichtlicher Termin bestimmt worden ist. Wenn die Parteien den Termin dann zur Protokollierung einer nichtanhängigen anderen Familiensache nutzen, bedeutet dies für das Gericht keinen erheblichen zusätzlichen Aufwand. Im Gegenteil ist der Aufwand nicht wesentlich höher, als wenn sich die Parteien außergerichtlich einigen. Nach Sinn und Zweck der Nr. 1003 VVRVG soll die erhöhte Gebühr also auch dann zu erstatten sein, wenn die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wird, der eine andere Familiensache umfasst, für die bisher kein Verfahren anhängig war. Da im vorliegenden Fall die zweite Ausnahme der Nr. 1003 VVRVG einschlägig ist, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch die dritte Alternative (Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 erstreckt, § 48 Abs. 3) vorliegend in Betracht kommt.

Der Vergütungsanspruch errechnet sich deshalb wie folgt:

Vergütung gemäß Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.7.2008   248,71 EuroErhöhung der Einigungsgebühr um 0,594,50 Euro19 % Mehrwertsteuer aus 94,50 Euro  17,96 EuroVergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse insgesamt361,17 EuroIII.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 S. 3, Abs. 6 i.V.m. § 56 Abs. 2 S. 1 RVG).