OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.02.1997 - 25 A 546/95
Fundstelle
openJur 2012, 76168
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. November 1994 geändert.

Die verkehrsregelnde Anordnung des Beklagten vom 16. Mai 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises N. vom 1. April 1993 und der Änderungsanordnung des Beklagten vom 8. November 1993 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt auf der N. -Q. -Straße in

F. die Produktion und den Vertrieb von Getränken.

Die ca. 2,5 km lange N. -Q. -Straße verläuft etwa

300 m nördlich der A 46. Die N. -Q. -Straße zweigt im

Westen von der H. Straße ab, die westlich des

Autobahnkreuzes I. an die A angebunden ist, und mündet

im Osten nach Unterquerung der A in die

I. Straße/L. straße, die östlich des

I. L. zur A führt. Die N. -Q. -Straße

verbindet die F. Ortsteile V. und I. .

Zwischen November 1983 und Mitte 1985 wurde die N. -Q. -

Straße ausgebaut und durch Unterquerung der A bis zur

I. Straße/L. straße durchgeführt.

In der Folgezeit wandten die Bewohner des zwischen dem

Gewerbegebiet V. und der A gelegenen Baugebiets

sich nachdrücklich gegen die von der N. -Q. -Straße

ausgehenden Verkehrsbelästigungen. Nachdem das sogenannte

Bürgervotum N. -Q. -Straße sich mit Schreiben vom

25. März 1987 an den Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und

Verkehr (MSWV) gewandt hatte, bat dieser den Beklagten mit

Schreiben vom 8. Mai 1987 unter anderem um Beantwortung der

Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden könnten, um den Lkw-

Verkehr aus dem Gebiet herauszuhalten. In einer daraufhin vom

Straßenverkehrsamt der Stadt F. abgegebenen internen

Stellungnahme heißt es dazu, ein generelles Lkw-Verbot für das

in Rede stehende Teilstück der N. -Q. -Straße sei

straßenverkehrsrechtlich nicht zu vertreten und auch nicht in

den Griff zu bekommen. Aufgrund der Vielzahl der dortigen

Anwohner müsse der Anliegerverkehr von dieser Maßnahme

ausgeschlossen werden. Aus Richtung I. führe dies

gleichzeitig zu einer Verlagerung dieser Verkehrsgruppe auf

die Straße Am N. über den N. Weg zur N. -

Q. -Straße. Eine solche, dem Prinzip der Sicherheit und

Leichtigkeit der Verkehrsführung widersprechende Maßnahme

könne nicht vertreten werden, zumal der Einmündungsbereich von

der Straße Am N. in die Straße N. Weg sehr

unübersichtlich sei und von den Kindern als Schulweg genutzt

werde. Entsprechend führte der Beklagte gegenüber dem MSWV mit

Schreiben vom 13. Juli 1987 aus, eine Möglichkeit, den Lkw-

Verkehr aus dem Baugebiet herauszuhalten, werde nicht

gesehen.

Unter dem 16. November 1987 teilte der MSWV dem

"Bürgervotum N. -Q. -Straße" unter entsprechender

Information des Beklagten mit, er werde dem Beklagten

empfehlen, die N. -Q. -Straße probeweise für den schweren

Lkw-Verkehr durch das Zeichen 262 der Straßenverkehrsordnung

zu sperren. In dem Antwortschreiben an den MSWV führte der

Beklagte unter Bezugnahme auf seinen Bericht vom 13. Juli 1987

aus, er sehe keine Möglichkeit, ein Teilstück der N. -

Q. -Straße dem allgemeinen öffentlichen Verkehr zu

entziehen. Aufgabenstellung und Bedeutung dieser

Verkehrsverbindung schlössen auch die probeweise Sperrung

mangels Alternativen aus. Demnächst werde im Rahmen der

35. Änderung des Flächennutzungsplanes eine gutachterliche

Stellungnahme des Büros für Stadt- und Verkehrsplanung

Dr. Ing. C. erstellt. Deren Ergebnis möge abgewartet

werden.

Am 6. September 1988 unterrichteten Mitarbeiter der

Straßenverkehrsbehörde des Kreises N. als

Aufsichtsbehörde den Beklagten darüber, daß der MSWV

wahrscheinlich die Aufsichtsbehörde anweisen werde, ein

Teilstück der N. -Q. -Straße zwischen der Einmündung

I. -I. -Straße und der Einmündung G. Straße

für den Lkw-Verkehr mit mehr als 5,5 Tonnen zulässigem

Gesamtgewicht zu sperren. Es werde deshalb empfohlen, vorab

tätig zu werden. Daraufhin berichtete das Straßenverkehrsamt

der Stadt F. in einem internen Schreiben vom

13. September 1988 wie folgt: Die N. -Q. -Straße bilde

entsprechend den Darstellungen des genehmigten

Flächennutzungsplanes wie auch den Abstimmungen der Gemeinde

F. und der früheren Gemeinde I. die

innerstädtische südliche Ost-West-Verbindung der

Siedlungsbereiche I. und V. und sei

planerisch eine der Voraussetzungen für die Besiedlung in

diesem Raum gewesen. Sie ersetze ältere vorhandene

Ortsverbindungen und erfülle darüber hinaus die Funktion einer

Hauptaufschließung der von ihr berührten Siedlungsbereiche.

Aus verkehrsplanerischer Sicht sei die Notwendigkeit der

uneingeschränkten Widmung unerläßlich. Eine Änderung der

bestehenden Planung zum Ausbau der N. -Q. -Straße in dem

vom Bürgervotum geforderten Umfang könne nicht mitgetragen

werden. Die Abwägung der städtebaulichen, verkehrlichen und

finanziellen Belange auf der einen und der privaten Interessen

einer Gruppe auf der anderen Seite lasse keinen anderen Schluß

zu. Die Rechtsgrundlage zum Bau der Häuser, deren Eigentümer

sich mit dem Bürgervotum identifizierten, sei in der

3. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 15 D am 30. April 1977

bekanntgemacht worden. Das Bauleitplanverfahren zum Bau der

N. -Q. -Straße in diesem Bereich sei aber bereits 1972

abgeschlossen worden. Aus der Sicht der Straßenverkehrsbehörde

seien keine weiteren verkehrlichen Maßnahmen im Bereich der

N. -Q. -Straße erforderlich. Nach dem Gutachten des

Dr. Ing. C. zur 35. Änderung des Flächennutzungsplanes sei

auf der N. -Q. -Straße nach einer Verkehrszählung vom

28. April 1988 an der Zählstelle O. weg ein Lkw-Anteil

von insgesamt 5,5 % und an der Zählstelle Am N. in

Höhe von 2,5 % festgestellt worden. Diese Werte rechtfertigten

in keiner Weise ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde.

Weiterhin sei zu berücksichtigen, daß zum Ausbau der N. -

Q. -Straße Landeszuschüsse gewährt worden seien, die

voraussetzten, daß es sich um eine "städtische

Hauptverkehrsstraße" handele. Dementsprechend sei bei einer

Sperrung der Straße für den Lkw-Verkehr mit einem Verlust der

Landesmittel zu rechnen.

Mit Schreiben vom 4. Oktober 1988 teilte der

Oberkreisdirektor N. dem MSWV mit, der Beklagte habe

dem Vorschlag, die N. -Q. -Straße für den

Durchgangsverkehr mit einem tatsächlichen Gesamtgewicht von

über 7,5 Tonnen - von der H. Straße kommend - zu

sperren, mit dem Vorbehalt mündlich zugestimmt, daß die beim

Ausbau der N. -Q. -Straße als Zuschuß gewährten

Landesmittel nicht erstattet werden müßten.

Der Beklagte unterbreitete daraufhin dem Planungs- und

Verkehrsausschuß der Stadt F. zu dessen Sitzung vom

8. Juni 1989 den Vorschlag, dem Rat die Beschlußfassung zu

empfehlen, den Durchgangsverkehr der N. -Q. -Straße in

F. -V. sowohl von der H. Straße

bis zur L 403 N als auch von der L 403 N bis zur H.

Straße auf Fahrzeuge aller Art bis zu einem Gesamtgewicht von

2,8 Tonnen zu beschränken und die Absicht der Teileinziehung

gemäß § 7 Abs. 4 StRWG öffentlich bekannt zu machen. In der

Begründung der Beschlußvorlage heißt es: Die Sperrung der

N. -Q. -Straße komme sowohl durch die

Straßenverkehrsbehörde durch Aufstellen von Verkehrszeichen

als auch durch den Straßenbaulastträger durch Teileinziehung

gemäß § 7 StRWG durch Beschränkung der Nutzungsart in

Betracht. Die Verwaltung halte den letztgenannten

Lösungsvorschlag für den vertretbarsten, weil in einem

Teileinziehungsverfahren die Absicht der Beschränkung der

Benutzungsart auf Fahrzeuge bis zu einem Gesamtgewicht von

2,8 Tonnen gemäß § 7 Abs. 4 StRWG mindestens drei Monate

vorher ortsüblich bekannt zu machen sei, um Gelegenheit zu

Einwendungen zu geben. Daraus könnten Schlüsse gezogen werden,

ob die in § 7 Abs. 3 StRWG geforderten überwiegenden Gründe

des allgemeinen Wohls vorlägen oder nicht.

Nach entsprechender Beschlußfassung im Planungs- und

Verkehrsausschuß beschloß der Rat der Stadt F. in seinen

Sitzungen vom 8. August 1989 und 21. September 1989 ebenfalls

die vorgesehene Maßnahme.

Im Hinblick auf die ungeklärten förderungsrechtlichen

Auswirkungen dieses Beschlusses schlug der Beklagte dem Rat

der Stadt F. mit Vorlage vom 19. Dezember 1989 vor, den

Beschluß vom 21. September 1989 dahingehend zu ändern, daß

eine Teileinziehung der N. -Q. -Straße nicht erfolgt. Zur

Begründung hieß es: Es seien allerdings Zweifel angemeldet

worden, ob eine rein verkehrsrechtliche Lösung zulässig sei,

da nach dem Gutachten des Dr. Ing. C. der Ziel- und

Quellverkehr den überwiegenden Teil des Lkw-Verkehrs ausmache

und lediglich wenige Lkw die N. -Q. -Straße als

Durchgangsstraße benutzten. Der Teil der N. -Q. -Straße,

der für den Durchgangsverkehr gesperrt werden solle, weise

lediglich einen Lkw-Anteil von 2,5 % am Gesamtverkehr und

damit den niedrigsten aller Hauptverkehrsstraßen in F.

auf. Der Wille des Rates könne nur so umgesetzt und begründet

werden, daß nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO eine Sperrung

für Fahrzeuge aller Art über 2,8 Tonnen zulässiges

Gesamtgewicht nötig sei, weil die Anwohner anders nicht vor

Abgas und Lärm geschützt werden könnten.

Nach der entsprechenden Beschlußfassung durch den Rat der

Stadt F. erließ der Beklagte unter dem 16. Mai 1990 die

verkehrsregelnden Anordnungen zur Aufstellung des

Verkehrszeichens Nr. 253 für das Durchfahrtverbot für Lkw über

2,8 t zulässiges Gesamtgewicht zwischen den Einmündungen

I. -I. -Straße und G. Straße. Nachdem die

Beschilderung im August 1990 angebracht worden war, erhob die

Klägerin, deren Zufahrt zum Firmengelände unmittelbar vor der

Einmündung I. -I. -Straße - außerhalb des von dem

Durchfahrtverbot betroffenen Straßenstücks - gelegen ist,

unter dem 14. Januar 1991 Widerspruch gegen die

Verkehrsbeschränkung. Zu dessen Begründung führte sie aus, es

fehle an der nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StVO

erforderlichen Ermessensausübung. Nicht einmal die

tatsächlichen Umstände seien zutreffend ermittelt worden. Die

Sperrung sei nur deshalb auf straßenverkehrsrechtliche Gründe

gestützt worden, weil der Beklagte im Falle einer

Teileinziehung der Straße den Verlust der Fördermittel

gefürchtet habe. Eine Prüfung unter verkehrsrechtlichen

Gesichtspunkten sei nicht festzustellen. Im übrigen fehle es

an konkreten Lärmmessungen sowie an der erforderlichen

Feststellung zur Immissionsvorbelastung im fraglichen Gebiet.

Die Lärmschutzrichtlinien seien nicht herangezogen worden.

Aussagen über Nachtzeitbeeinträchtigungen lägen nicht vor.

Prüfungen, in welchem Umfang die Sicherheit und Leichtigkeit

des Verkehrs beeinträchtigt sei, fehlten ebenso wie

Feststellungen dazu, in welchem Maße Anlieger und

Gewerbetreibende der Gewerbegebiete V. und

L. betroffen seien. Dabei sei zu berücksichtigen, daß das

gesperrte Straßenstück den niedrigsten Lkw-Anteil am

Gesamtverkehr aller Hauptverkehrsstraßen in F. aufweise.

Der gegenwärtige Zustand sei für sie - die Klägerin - nicht

hinnehmbar, im übrigen führten die erforderlichen Umwege zu

und von den Kunden in I. zu vermeidbaren

Umweltbelastungen. Schließlich sei eine Ungleichbehandlung

gegenüber anderen Gewerbetreibenden innerhalb der für den Lkw-

Verkehr gesperrten Zone gegeben, weil diese durch die

"Anlieger frei"-Regelung privilegiert würden.

Den am 7. Januar 1991 gestellten Antrag auf Anordnung der

aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (6 L 52/91 VG

Düsseldorf) nahm die Klägerin in dem Erörterungstermin vom

14. März 1991 zurück.

Der Oberkreisdirektor des Kreises N. wies den

Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. April 1993,

zugestellt am 16. April 1993, zurück und führte zu dessen

Begründung aus, eine Verletzung von Rechten der Klägerin sei

nicht gegeben.

Durch verkehrsregelnde Anordnung vom 8. November 1993

änderte der Beklagte das Durchfahrtverbot für Lkw über 2,8 t

zulässiges Gesamtgewicht insoweit ab, als dieses nunmehr von

der Einmündung I. -I. -Straße nur noch bis zur

Einmündung H. straße gilt.

Mit ihrer am 14. Mai 1993 eingegangenen Klage hat die

Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und zur Begründung

ausgeführt: Ausweislich der Verwaltungsvorgänge sei

offensichtlich, daß es sich bei der angeordneten Sperrung um

eine politische Entscheidung des Rates ohne jegliche Prüfung

der straßenverkehrsrechtlichen Belange gehandelt habe.

Soweit der Beklagte auf eine Lärmmessung vor Ort über

16 Stunden vom 21. Juli 1987 abhebe, sei nicht erkennbar, wer

die Messung durchgeführt oder in Auftrag gegeben habe. Ferner

sei der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag von falschen

Erwägungen ausgegangen, wenn er annehme, daß eine Zunahme um

1 db (A) eine Verdoppelung des Lärmpegels darstelle. Eine

Verdoppelung des Lärmpegels sei erst bei 10 db (A)

gegeben.

Die Verkehrsbeschränkung treffe sie erheblich. Sie habe

derzeit rund 420 Kunden, von denen 120 ihre Waren selbst

abholten, während 300 Kunden von ihr - der Klägerin -

beliefert würden. Die letztgenannte Kundengruppe erhalte im

Durchschnitt einmal pro Woche eine Lieferung, während pro

Abholkunden und Woche etwa zwei Abholvorgänge zu verzeichnen

seien. Von den 120 Abholkunden seien etwa 75 durch die

angegriffene Verkehrsbeschränkung zu einem Umweg gezwungen.

Entsprechend sei ihr auch schon mehrfach und von mehreren

Kunden die Einschränkung oder Einstellung von Warenbezügen

angedroht worden, sobald die Sperrung mit Sanktionen belegt

und damit der Umweg über die A notwendig werde. Es sei

deshalb zu befürchten, daß im Hinblick auf die bekannten

Verkehrsstörungen auf der A an der Abfahrt F. -

Unterbach und auf der H. Straße zahlreiche Kunden

den störungsfreieren Weg zu ihrer Hauptkonkurrenz, der

"I. G. " in I. suchen würden, die hinsichtlich

der Mineralisation ein ihrem Produkt entsprechendes

Mineralwasser vertreibe. Eine Verlagerung ihres - der

Klägerin - Betriebes sei nicht möglich, da sich die

Mineralquellen auf dem Betriebsgelände an der N. -Q. -

Straße befänden und die Abfüllung gemäß § 7 Mineral- und

Tafelwasserverordnung am Quellort zu erfolgen habe.

Soweit sie - die Klägerin - die Kunden beliefere,

entstünden durch die erforderlichen Umwege jährliche

Mehrkosten von ca. 20.000,-- DM bis 30.000,-- DM.

Unberücksichtigt blieben hierbei die Mehrkosten für

Transporte, die sie zur eigenen Beschaffung von Waren

durchzuführen habe. Entscheidender noch als die Umwege seien

indes die mit der Umwegstrecke über die A verbundenen

Zeitverluste. Der Verlust einer verkehrsmäßig weitgehend

unbelasteten überörtlichen Anbindung über die N. -Q. -

Straße an das I. Kreuz sei durch die Auffahrmöglichkeit

über die H. Straße in F. -Unterbach nicht als

hinreichend kompensiert anzusehen.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

das aufgrund des Ratsbeschlusses der Stadt

F. vom 9. Januar 1990 angeordnete

Durchfahrverbot der N. -Q. -Straße in F. für

Kraftfahrzeuge mit über 2,8 Tonnen zulässigem

Gesamtgewicht und den Widerspruchsbescheid des

Oberkreisdirektors des Kreises N. vom 1. April

1993 aufzuheben.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, die Klage sei mangels

Rechtsbeeinträchtigung der Klägerin bereits unzulässig. Im

übrigen sei die angegriffene Maßnahme rechtmäßig, insbesondere

frei von Ermessensfehlern. Den Ratsbeschlüssen sei lediglich

Votumscharakter zugekommen. Die verkehrsregelnde Anordnung sei

von der Straßenverkehrsbehörde zuständigkeitshalber erlassen

worden. Verkehrsbeschränkungen zum Schutz der Wohnbevölkerung

seien zu jeder Zeit zulässig. Óberschreitungen bestimmter

Grenzwerte seien insoweit nicht erforderlich. Vielmehr reiche

es aus, wenn Lärm und Abgase das ortsüblich akzeptable Maß

überschritten. Davon sei nach den Anliegerbeschwerden

auszugehen gewesen, zumal das Verkehrsgutachten des Dr. Ing.

C. ebenfalls zu einer Empfehlung im Sinne der getroffenen

Anordnung gelangt sei. Darüber hinaus sei eine Lärmmessung vor

Ort über 16 Stunden vom 21. Mai 1987 Entscheidungsgrundlage

gewesen. Dabei hätten sich Spitzenwerte von 82 bis 83 db (A)

über mehrere Stunden ergeben. Die Durchschnittslärmbelastung

sei mit 70 db (A) ermittelt worden. Ferner habe man

festgestellt, daß der Durchschnittslärmpegel sich durch

Ausschluß des Schwerlastverkehrs um rund 2 db (A) absenken

lasse. Dies sei ein nicht unbeachtliches Ergebnis, wenn man

bedenke, daß die Zunahme um 1 db (A) eine Verdoppelung des

Lärmpegels darstelle. Schließlich sei nicht nachvollziehbar,

welche erheblichen Nachteile die verkehrsregelnde Anordnung

für die Klägerin mit sich brächte, zumal diese die nunmehr für

Lkw über 2,8 Tonnen gesperrte Strecke vor deren Ausbau im

Jahre 1985 auch nicht habe benutzen können.

Durch den angefochtenen Gerichtsbescheid vom 30. November

1994, auf den Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht

die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat gegen den am 16. Dezember 1994

zugestellten Gerichtsbescheid am 16. Januar 1995 Berufung

eingelegt und ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen

vorgetragen: Nach aktuellen Ermittlungen beliefen sich die

durch die angegriffene Maßnahme verursachten Mehrkosten auf

ca. 100.000,-- DM jährlich. Beobachtungen an der N. -Q. -

Straße in der beruhigten Zone hätten ergeben, daß die

Spitzenwerte der Lärmpegelmessung insbesondere durch

Motorräder und Mofas verursacht würden. Lkws seien hingegen

durch die zwischenzeitlich angelegten Verkehrsinseln

gezwungen, die Geschwindigkeit so stark zu drosseln, daß die

Lärmimmissionen erheblich reduziert seien und in jedem Fall

unter denen der Motorräder und der Pkw lägen. Die

uneingeschränkte Verkehrsbeschränkung stelle eine

unangemessene und damit ermessensfehlerhafte Benachteiligung

ihrer Anliegerinteressen dar. Weniger einschneidende Maßnahmen

- etwa eine zeitliche Beschränkung des Durchfahrtverbots -

und/oder eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h würden

den Wohnbedürfnissen der Anlieger gleichermaßen genügen.

Die Klägerin beantragt,

den angegriffenen Gerichtsbescheid zu ändern

und die verkehrsregelnde Anordnung des Beklagten

vom 16. Mai 1990 in der Gestalt des

Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des

Kreises N. vom 1. April 1993 und der

Änderungsanordnung des Beklagten vom

8. November 1993 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, aufgrund der angegriffenen Sperrung ergebe

sich allenfalls eine zusätzliche Fahrstrecke von ca 2 km. In

Anbetracht der Entfernungen, die Güter heutzutage bis zu ihrer

Endbestimmung zurückzulegen hätten, sei dies im Hinblick auf

den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm ein der Klägerin

zuzumutender Nachteil. Wenn zur Zeit der Verkehrslärm auf der

N. -Q. -Straße nicht in erster Linie durch Lastkraftwagen

verursacht werde, so liege das gerade daran, daß diese für den

Durchfahrverkehr von Lastwagen mit einem zulässigen

Gesamtgewicht von über 2,8 Tonnen gesperrt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes

wird auf die Gerichtsakte und die Akte des Eilverfahren 6 L

140/91 (VG Düsseldorf) sowie auf die Akte des Klageverfahrens

6 K 4575/93 (VG Düsseldorf) und die Akte des dem zugehörigen

Eilverfahrens 6 L 52/91 (VG Düsseldorf) sowie auf die jeweils

beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung, über die mit Einverständnis der

Beteiligten an der Stelle des Senats der Berichterstatter als

Einzelrichter entscheidet (§ 87 a Absätze 2 und 3, § 125

Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist begründet.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO

statthaft und auch im übrigen zulässig.

Die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis ist

gegeben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist

die Klagebefugnis dann zu bejahen, wenn das Klagevorbringen es

zumindest als möglich erscheinen läßt, daß die angefochtene

Maßnahme eigene Rechte des Klägers verletzt,

BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 - 11 C

35.92 -, BVerwGE 92, 32, 35 m. w. Nachweisen.

Ein Verkehrsteilnehmer kann dabei als eine Verletzung

seiner Rechte geltend machen, die rechtssatzmäßigen

Voraussetzungen für eine auch ihn treffende

Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 StVO seien nicht

gegeben. Was die behördliche Ermessensausübung betrifft, kann

er allerdings nur verlangen, daß seine eigenen Interessen ohne

Rechtsfehler abgewogen werden mit den Interessen der

Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Einführung

der Verkehrsbeschränkung sprechen,

BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 - 11 C

35.92 -, BVerwGE 92, 32, 35.

Abwägungserheblich auf der Ermessensebene sind dabei nur

qualifizierte Interessen des Klägers, also solche, die über

das Interesse jedes Verkehrsteilnehmers, in seiner Freiheit

möglichst wenig beschränkt zu werden, hinausgehen,

BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 - 11 C

35.92 -, BVerwGE 92, 32, 40, unter Hinweis auf

Manssen, Öffentlichrechtlich geschützte Interessen

bei der Anfechtung von Verkehrszeichen, NZV 1992,

465, 469 f.

Danach müssen solche Interessen in die Abwägung eingestellt

werden, die einigermaßen erheblich, schützwürdig und für die

anordnende Stelle erkennbar sind,

Manssen, Öffentlichrechtlich geschützte

Interessen bei der Anfechtung von Verkehrszeichen,

NZV 1992, 465, 469 f.

Insoweit hat die anordnende Stelle etwa auch außerhalb des

geschützten Kernbereichs von Art. 12 GG und Art. 14 GG

anzusiedelnde Belange des Klägers zu beachten und

ordnungsgemäß zu gewichten,

Urteil des Senats vom 9. Dezember 1996 - 25 A

4206/95 -, Bl. 46 des Urteilsabdrucks; OVG Koblenz,

Beschluß vom 24. Februar 1994 - 7 B 10034/94 -,

NVwZ-RR 1995, 357 f.

Davon ausgehend ist die Klägerin klagebefugt, weil sie als

Verkehrsteilnehmerin im Hinblick auf die von ihr zuvor

benutzten Verkehrswege von der angegriffenen Maßnahme

betroffen wird und deshalb als eine Verletzung ihrer Rechte

geltend machen kann, die tatbestandlichen Voraussetzungen für

die getroffene Maßnahme seien nicht gegeben. Weiterhin kann

sie als Gewerbetreibende und Anliegerin der für den

Durchfahrtverkehr von Lkw über 2,8 t zulässiges Gesamtgewicht

gesperrten Straße verlangen, daß ihre qualifizierten

Interessen hinreichend berücksichtigt werden. Nach den

örtlichen Gegebenheiten liegt es nämlich auf der Hand, daß das

angegriffene Verkehrsverbot für die Klägerin mit nicht

unerheblichen wirtschaftlichen Folgen - die Klägerin beziffert

die Mehrkosten auf über 100.000,-- DM jährlich - verbunden

ist.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Die angefochtene

verkehrsregelnde Anordnung in der Gestalt des

Widerspruchsbescheides des Oberkreisdirektors des Kreises

N. vom 1. April 1993 und der Änderungsanordnung des

Beklagten vom 8. November 1993 ist rechtswidrig und verletzt

die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die als Rechtsgrundlage für die angefochtene Anordnung

einschlägige Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO

setzt tatbestandlich voraus, daß der Lärm - um den es hier

geht - Beeinträchtigungen mit sich bringt, die jenseits dessen

liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im

konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet

werden muß,

BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -,

BVerwGE 74, 234, 239.

Ferner muß die getroffene Anordnung zum Schutz der

Wohnbevölkerung vor dem gegebenen Lärm geeignet und

erforderlich sein,

vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 - 11 C

35.92 -, BVerwGE 92, 32, 36; Hess. VGH, Urteil vom

7. März 1989 - 2 UE 319/84 -, NJW 1989, 2767,

2769.

Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben, so liegt

es im Ermessen des Beklagten, ob und welche Maßnahmen er zur

Lärmbekämpfung ergreift. Die Ermessensentscheidung des

Beklagten kann das Gericht nur eingeschränkt daraufhin

überprüfen, ob dieser die gesetzlichen Grenzen seines

Ermessens überschritten hat und ob er von seinem Ermessen in

einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch

gemacht hat (vgl. § 114 VwGO).

Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, ob der

Beklagte das Vorliegen von Lärmbeeinträchtigungen im Sinne von

§ 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO und die Geeignetheit und

Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahmen zum Schutz der

Wohnbevölkerung vor diesen Lärmbeeinträchtigungen zutreffend

bejaht hat, denn sowohl der Beklagte als auch der

Oberkreisdirektor des Kreises N. haben im vorliegenden

Fall jedenfalls das ihnen eingeräumte pflichtgemäße Ermessen

fehlerhaft ausgeübt, weil sie die Belange der Klägerin nicht

mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die vorzunehmende

Abwägung eingestellt haben.

Der Vollständigkeit halber weist der Senat hinsichtlich der

Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO

auf folgendes hin:

Bei der Bewertung der Zumutbarkeit der gegebenen

Lärmbelastung sind die vom Bundesminister für Verkehr zu § 45

Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO erlassenen "Vorläufigen Richtlinien

für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der

Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV)" vom

6. November 1981 (Verkehrsblatt 1981, S. 428) sowie die

allgemein zum Verkehrslärmschutz veröffentlichten "Richtlinien

für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast

des Bundes" vom 6. Juli 1983 (Verkehrsblatt 1983, S. 306) in

der Fassung der Änderung vom 15. Januar 1986 (Verkehrsblatt

1986, S. 101) zu berücksichtigen. Diese hier einschlägigen

Verwaltungsvorschriften sind verwaltungsintern verbindlich;

ihre Regelungen stimmen im Ausgangspunkt mit den hier

zugrundezulegenden Maßstäben überein,

vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C

76.84 -, BVerwGE 74, 234, 239 f.; Urteil des Senats

vom 12. Januar 1996 - 25 A 2475/93 -, NJW 1996,

3024, 3026; Hess. VGH, Urteil vom 7. März 1989

- 2 UE 319/84 -, NJW 1989, 2767, 2768.

Nach Nr. 2.2 der Lärmschutz-Richtlinien-StV kommen

straßenverkehrsrechtliche Lärmschutzmaßnahmen "insbesondere in

Betracht", wenn der vom Straßenverkehr herrührende

Mittelungspegel am Immissionsort in allgemeinen Wohngebieten

tagsüber 70 dB (A) und nachts 60 dB (A) überschreitet. Bereits

die Formulierung "insbesondere" verdeutlicht, daß die

angegebenen Werte ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten

bei Verkehrsgeräuschen unterhalb der genannten Werte nicht

ausschließen,

BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -,

BVerwGE 74, 234, 237; Hess. VGH, Urteil vom

7. März 1989 - 2 UE 319/84 -, NJW 1989, 2767,

2768.

Maßgeblich für die grundsätzlich erforderliche Berechnung

des Mittelungspegels sind nach Nr. 2.3 der Lärmschutz-

Richtlinien-StV die "Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen

- RLS - 90", die an die Stelle der "Richtlinien für den

Lärmschutz an Straßen - RLS - 81" getreten sind. Nach Nr. 2.5

der Lärmschutz-Richtlinien-StV sind die notwendigen

Lärmberechnungen vom Straßenbaulastträger durchzuführen.

An derartigen Berechnungen fehlt es hier. Vielmehr ist dem

Beklagten lediglich eine von Anwohnern der N. -Q. -Straße

veranlaßte Lärmmessung und Lärmberechnung zur Verfügung

gestellt worden. Ungeachtet der Frage, inwieweit diese

Berechnung überhaupt den Maßgaben der Lärmschutz-Richtlinien-

StV und der - seinerzeit noch gültigen - "Richtlinien für den

Lärmschutz an Straße - RLS - 81" genügte, basiert sie

jedenfalls nach Aktenlage nicht auf insoweit erforderlichen

repräsentativen Berechnungsgrundlagen. Die Ergebnisse der der

Lärmberechnung zugrundeliegenden Verkehrszählung vom 21. Mai

1987 differieren nämlich - insbesondere auch hinsichtlich des

Lkw-Anteils am Verkehr - erheblich von denen der

Verkehrszählung, die das Büro für Stadt- und Verkehrsplanung

Dr.-Ing.-C. GmbH, B. , im Rahmen der gutachterlichen

Stellungnahme zur 35. Änderung des Flächennutzungsplanes der

Stadt F. in deren Auftrag am 28. April 1988 durchgeführt

hat.

Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der getroffenen

Anordnung zum Lärmschutz kann nach den bisherigen Erhebungen

des Beklagten ebenfalls nicht festgestellt werden.

Nach Nr. 4.1 der Lärmschutz-Richtlinien-StV soll der

Mittelungspegel unter den Richtwert abgesenkt werden,

mindestens jedoch eine Pegelminderung von 3 dB (A) bewirkt

werden. Diese Vorgabe ist indes schon nach deren Wortlaut

nicht dahin zu verstehen, daß eine geringere Lärmminderung

grundsätzlich nicht mehr als zum Schutz der Wohnbevölkerung

vor Lärm geeignet anzusehen wäre,

Urteil des Senats vom 12. Januar 1996 - 25 A

2475/93 -, NJW 1996, 3024, 3027.

Wenn die Rechtsprechung Schallpegelminderungen von nur

2 dB (A) als nach den allgemeinen Erkenntnissen der Akustik

für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar bezeichnet hat,

BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C

33 - 35.83 -, BVerwGE 77, 285, 293; Urteil vom

19. August 1988 - 8 C 51.87 -, BVerwGE 80, 99,

101 f.; Hess. VGH, Urteil vom 7. März 1989 - 2 UE

319/84 -, NJW 1989, 2767, 2770,

so mag dies in den entschiedenen Fällen, in denen als

Vorbelastung, soweit mitgeteilt, mittlere und niedrige

Schallpegel errechnet worden waren, gerechtfertigt gewesen

seien,

vgl. aber Bohny u.a. Lärmschutz in der Praxis,

1986, S. 23, die einen Pegelunterschied von 3 dB als

sehr gut hörbaren Unterschied im Laut-

heitsempfinden bezeichnen.

Anderes gilt jedoch möglicherweise dann, wenn die

Lärmvorbelastungen erheblich höher liegen und möglicherweise

sogar die für einen Anspruch auf Lärmsanierung nach Nr. II.10

Abs. 1 der "Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an

Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes" maßgebenden

Regelgrenzwerte von 70/60 dB (A) tags/nachts bzw. 72/62 dB (A)

tags/nachts erreichen oder überschreiten. Besteht eine derart

hohe Lärmvorbelastung, so ist nicht auszuschließen, daß den

Anwohnern auch eine Mehrbelastung von weniger als 3 dB (A)

nicht zugemutet werden kann. Für die Beurteilung der Frage, ob

dies der Fall ist, darf nach dem oben Ausgeführten nämlich

nicht nur auf die Vorbelastung in der Gestalt einer reinen

Rechengröße abgestellt werden. Diese bildet vielmehr nur den

Ausgangspunkt für die wertende Beantwortung der

Zumutbarkeitsfrage. Gerade bei hoher Vorbelastung gewinnt

zusätzlich auch die für das subjektive Empfinden des

Betroffenen wichtige, aber im Berechnungsverfahren nach den

Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen - RLS - 90 nur

einschränkt berücksichtigungsfähige Lärmcharakteristik

zunehmende Bedeutung, bei der beachtet werden muß, daß die

Zumutbarkeitsschwelle um so eher überschritten werden kann, je

höher der Anteil der in die Mittelung einfließenden

Spitzenpegel ist, die beispielsweise durch schwere

Lastkraftwagen verursacht werden können und durch die

insbesondere zur Nachtzeit für die Bewohner eines in

unmittelbarer Nähe der Straße liegenden Hauses nicht

unerhebliche Schlafstörungen hervorgerufen werden können. In

diesen Fällen besitzt der rechnerische Mittelungspegel nur

eingeschränkte Aussagekraft und kann dementsprechend der

Wegfall bzw. das Unterbleiben einzelner Spitzenpegel einen für

das akustische Empfinden des Betroffenen durchaus bemerkbaren

Unterschied auch dann ergeben, wenn sich dieser im

Mittelungspegel nur unterhalb der Schwelle von 3 dB (A)

auswirkt,

vgl. zum Vorstehenden: Urteil des Senats vom

12. Januar 1996 - 25 A 2475/93 -, NJW 1996, 3024,

3027; Bohny u.a., Lärmschutz in der Praxis, 1986,

S. 29.

Der Erforderlichkeit eines Durchfahrtverbots für Lkw stünde

es entgegen, wenn eine vergleichbare Lärmreduzierung durch

Maßnahmen erzielt werden könnte, die mit geringeren

Verkehrsbeschränkungen verbunden wären. Dabei ist als

Alternativmaßnahme etwa eine zeitliche Beschränkung des

Durchfahrtverbots und/oder eine Geschwindigkeitsbeschränkung

für Lkw in den Blick zu nehmen und auf ihre Tauglichkeit zu

überprüfen.

Das nach alledem nicht feststellbare Vorliegen der

Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO

erfordert hier nicht eine darauf bezogene weitere

Sachverhaltsermittlung durch den Senat, denn die angegriffene

Maßnahme ist jedenfalls ermessensfehlerhaft, weil die

qualifizierten Interessen der Klägerin nicht mit dem ihnen

zukommenden Gewicht bei der Entscheidung des Beklagten

berücksichtigt worden sind.

Ungeachtet der Frage, ob der Beklagte die Belange der

Klägerin überhaupt in den Blick genommen hat und unabhängig

von sonstigen Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der

Ermessensentscheidung fehlt es jedenfalls an einer

hinreichenden und vollständigen Ermittlung der Belange, die

mit den Interessen der Klägerin abzuwägen sind und deren

Zurückstellung rechtfertigen könnten.

Bei der Entscheidung über eine verkehrsregelnde Anordnung

nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO hat die zuständige

Straßenverkehrsbehörde in Anknüpfung an Nr. 1.1 der

Lärmschutz-Richtlinien-StV die Vor- und Nachteile der Maßnahme

gegeneinander abzuwägen. In die Abwägung sind insbesondere der

Grad der Beeinträchtigungen, die Leichtigkeit der Realisierung

von Maßnahmen, die Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes

und eventuelle Einflüsse auf die Verkehrssicherheit, auf den

Energieverbrauch der Fahrzeuge, auf Erschwernisse bei der

Versorgung der Bevölkerung und die Einschränkung der

Freizügigkeit des Verkehrs einzubeziehen. Auch die Funktionen

der Straße, z.B. Autobahnen, sind zu berücksichtigen. Ferner

ist bei der zu treffenden Ermessensentscheidung auf das

Vorhandensein bzw. Fehlen einer bereits gegebenen

Lärmvorbelastung abzustellen. Maßgeblich sind auch andere

Besonderheiten des Einzelfalles, so etwa der Umstand, daß eine

Ortserschließungsstraße entgegen ihrer eigentlichen Funktion

zunehmend vom überörtlichen Verkehr als Schleichweg in

Anspruch genommen wird und damit Lärmbelästigungen auslöst,

die von den Anliegern reiner Wohnstraßen üblicherweise nicht

hingenommen werden müssen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979

- 7 C 46.78 -, BVerwGE 59, 221, 230; Urteil vom

4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234, 239 f.;

Hess. VGH, Urteil vom 7. März 1989 - 2 UE 319/84 -,

NJW 1989, 2767, 2768 f.

An einer solchen ordnungsgemäßen Abwägung fehlt es bereits

deshalb, weil sowohl der Beklagte als auch die

Widerspruchsbehörde weder die Lärmvorbelastung der

Wohnbevölkerung des für den Lkw-Verkehr gesperrten Teilstücks

der N. -Q. -Straße noch eine sich durch den betroffenen

Lkw-Verkehr etwa ergebende Lärmerhöhung ordnungsgemäß

ermittelt haben. Es versteht sich von selbst, daß die von

einer verkehrsregelnden Anordnung betroffenen qualifizierten

Belange von Verkehrsteilnehmern und Anliegern nur dann

sachgerecht mit den für die Anordnung sprechende Interessen

abgewogen werden können, wenn der Grad der

Lärmbeeinträchtigung, um deren Verminderung es geht, von der

Behörde positiv ermittelt worden ist.

Vgl. Urteil des Senats vom 12. Januar 1996

- 25 A 2475/93 -, NJW 1996, 3024, 3026.

An dieser Ermittlung fehlt es aus den bereits oben

dargestellten Gründen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die

Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf

§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen

nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.