OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.02.2012 - 6 B 1562/11
Fundstelle
openJur 2012, 84943
  • Rkr:

1. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eines Lehrers, der auf die Verpflichtung des Dienstherrn zur Bereitstellung von im Unterricht zu verwendenden Lehrmitteln gerichtet ist, steht regelmäßig das Verbot der Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache entgegen.

2. Der Beamte kann darauf verwiesen werden, die erforderlichen Lehrmittel zunächst aus eigenen Mitteln anzuschaffen. Wegen der Aufwendungen kann ihm gegenüber dem Dienstherrn ein Ersatz- bzw. Erstattungsanspruch zustehen.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf bis 300 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Den Anträgen,

1. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller das Lehrbuch "Rechnungswesen für Berufsfachschulen (ISBN 978-3-8045-6476-3) "und das dazugehörige "Arbeitsbuch zum Rechnungswesen für Berufsfachschulen (ISBN 978-3-8045-6478-7)" als Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen,

2. hilfsweise, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Kostenerstattung zuzusagen,

steht das Verbot der Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache entgegen; aus denselben Gründen fehlt es an dem erforderlichen Anordnungsgrund. Der Erlass der hier begehrten einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus, dass die Regelung erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder sie aus anderen Gründen nötig erscheint. Im Streitfall gelten darüber hinausgehend strengere Anforderungen, weil der Antragsteller mit der einstweiligen Anordnung die Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens erstrebt. Bei antragsgemäßer Entscheidung würde dem Antragsteller schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Rechtsposition vermittelt, die er in der Hauptsache günstigenfalls erreichen könnte. Deshalb wäre ein Anordnungsgrund nur gegeben, wenn wirksamer Rechtsschutz durch ein Hauptsacheverfahren nicht erreichbar wäre und dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schlechthin unzumutbare Nachteile drohten.

Diesen Anforderungen ist nicht genügt. Dem Antragsteller drohen bei Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache weder wesentliche noch - erst recht - unzumutbare Nachteile. Er kann - sofern das beklagte Land bei seiner ablehnenden Haltung bleibt - darauf verwiesen werden, die erforderlichen Schulbücher zur Vermeidung von Nachteilen zunächst aus eigenen Mitteln anzuschaffen. Wegen der Aufwendungen, die sich hier mit unter 50 Euro auf einen mäßigen Betrag belaufen, kann ihm ein Ersatz- bzw. Erstattungsanspruch zustehen, den er gegenüber dem Antragsgegner geltend machen kann. Der Dienstherr, mithin hier das beklagte Land, ist verpflichtet, dem Beamten die erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Zu den erforderlichen Arbeitsmitteln zählen bei dem Antragsteller, der Lehrer ist, die Lehrmittel - insbesondere die Schulbücher -, deren Verwendung im Unterricht die Schulkonferenz beschlossen hat. Der entsprechende Anspruch findet seine Grundlage in der dem Dienstherrn obliegenden, in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Fürsorgepflicht; er setzt voraus, dass der Beamte über die Arbeitsmittel nicht anderweitig verfügt, er bei dem Dienstherrn rechtzeitig ihre Beschaffung beantragt und dieser den Antrag abgelehnt (oder nach angemessener Zeit nicht entschieden) hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: Der Antragsteller hat, nachdem die Schulkonferenz am 7. Juli 2011 die Verwendung der im Antrag genannten Lehrbücher beschlossen hat, mit Schreiben vom 13. Juli 2011 einen entsprechenden Antrag gestellt, der in der Folge - trotz Erinnerung des Antragstellers - unbeschieden geblieben ist. Bis zu welchem Zeitpunkt der Dienstherr darüber zu entscheiden hatte, kann anlässlich des vorliegenden Falles auf sich beruhen denn die ihm dafür zuzubilligende Frist ist jedenfalls seit Langem verstrichen. Beschafft der Beamte unter diesen Umständen die Arbeitsmittel selbst, kann ihm bezüglich der ihm entstehenden notwendigen Aufwendungen ein Ausgleichsanspruch zustehen, weil der Dienstherr dadurch von der Bereitstellungspflicht befreit worden ist.

Vgl. OVG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 26. Februar 2008 - 2 A 11288/07 -, DÖD 2008, 175.

Ein unzumutbarer Nachteil erwächst dem Antragsteller insbesondere nicht daraus, dass der Bereitstellungsanspruch mit der Beschaffung der Bücher untergehen und der Erstattungsanspruch voraussetzen würde, dass der Dienstherr den Beamten zur Anschaffung der Lehr- und Unterrichtsmittel auf eigene Kosten ermächtigt hat. Für eine derartige Beschränkung des Erstattungsanspruchs besteht keine Grundlage. Der Dienstherr hat es selbst in der Hand, durch eine rechtzeitige Beschaffung in Eigenregie (oder jedenfalls eine entsprechende Zusage) sein Ermessen hinsichtlich Art und Weise der Beschaffung auszuüben und etwaige Vorteile zu nutzen, die nur ihm eingeräumt werden.

Zu der Besonderheit, dass der Antragsteller hier die Bücher zunächst beschafft, sie dann nach seinem Vorbringen aber (mindestens teilweise) verloren gegangen sind, muss angesichts dessen nicht Stellung genommen werden; allerdings kann der Antragsteller die Aufwendungen für die Beschaffung bestimmter Bücher grundsätzlich nicht zweimal ersetzt verlangen.

Dass letztlich der Schulträger gemäß § 92 Abs. 3 SchulG zur Tragung des Sachkostenanteils an den Schulkosten verpflichtet sein dürfte, ist für die Verpflichtung des Dienstherrn gegenüber dem Beamten ohne Belang. Es ist Sache des Dienstherrn, einen ihm etwa zustehenden Erstattungsanspruch gegenüber dem Schulträger durchzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.