Der Beschluß wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 6. Juli 1993 in der Fassung der Nachtragsbaugenehmigungen vom 6. Dezember 1994 und 25. April 1995 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 DM festgesetzt
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den
Antrag zu Unrecht abgelehnt. Die Wiederherstellung der aufgrund der Anordnung der
sofortigen Vollziehung vom 14. Juni 1995 entfallenen aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs der Antragsteller ist geboten, da das Interesse der Antragsteller, einstweilen zu
verhindern, daß von der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung mit den
Nachtragsbaugenehmigungen Gebrauch gemacht wird, das öffentliche Interesse und das
Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzbarkeit der Baugenehmigung - auch
wenn die derzeitige Witterungslage einen Außenbetrieb faktisch nicht zuläßt - überwiegt.
Nach der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung sprechen
gewichtige Gründe dafür, daß die Nutzung der rückwärtigen Fläche des Grundstücks B.
Straße 37 in P. -S. als Biergarten zu Lasten der Antragsteller gegen Nachbarschutz
vermittelnde Vorschriften des öffentlichen Baurechts verstößt.
Es bestehen schon erhebliche Bedenken, ob das Vorhaben den Festsetzungen des
Bebauungsplans Nr. 47 hinsichtlich der Art der Nutzung entspricht und insofern
planungsrechtlich zulässig ist. Verstößt es hiergegen, verletzt es zugleich nachbarschützende
Vorschriften, denn die Festsetzungen von Baugebieten durch Bebauungspläne haben
grundsätzlich nachbarschützende Wirkung,
vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.
September 1993 - 4 C 28.91 -, BRS 55 Nr. 110.
Sowohl das Grundstück der Antragsteller als auch das Grundstück B. Straße 37
liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 47 S. , der für die streitigen
Grundstücke allgemeines Wohngebiet festsetzt. In allgemeinen Wohngebieten sind zwar
gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 der Versorgung des Gebietes dienende Schank- und
Speisewirtschaften zulässig. Es spricht vieles dafür, daß jedenfalls der Biergarten die
einschränkende Voraussetzung nicht erfüllt. Der Anforderung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO
wird genügt, wenn der betreffende gastronomischen Betrieb dem maßgeblichen Gebiet
funktional zuzuordnen ist. Diese Zuordnung ist anhand der objektiven Gegebenheiten und
Betriebsmerkmale - Standort, Größe, Raumaufteilung, Ausstattung und betriebliche
Konzeption - zu bestimmen. Die Größe des Biergartens allein mag noch nicht das im
allgemeinen Wohngebiet zulässige Maß überschreiten. Jedoch bestehen Bedenken, ob die
Konzeption des Biergartens den Anforderungen des § 4 Abs. 2. Nr. 2 BauNVO noch gerecht
wird. Nicht ausreichend ist insofern, wenn die vorwiegend von Gebietsfremden besuchte
Gaststätte in geringem Umfang auch von Bewohnern des Gebietes aufgesucht wird,
vgl. OVG NW, Urteil vom 1. August 1972 -VII A
805/70 -, BRS 25 Nr. 6.
Nach den für den Erhalt des Biergartens im Rahmen des Verwaltungsverfahrens
eingereichten Unterschriftenlisten spricht viel für eine über die Versorgung des Gebietes
hinausgehende Bedeutung des Biergartens. Mit der Unterschriftenaktion wurde geltend
gemacht, daß viele Spaziergänger und Radfahrer über die Schließung enttäuscht wären und
dem Wirt hierdurch erheblich Umsatzeinbußen entstünden. Der Besuch eines Biergartens
durch den vorgenannten Personenkreis spricht gegen ein dienen im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2
BauNVO, denn mit Spaziergängern und Radfahrern werden regelmäßig nicht Bewohner der
näheren Umgebung gemeint sein, sondern Ausflügler, die die ländlich gelegene Ortschaft
S. in der Freizeit aufsuchen. Diese Einschätzung wird auch dadurch untermauert, daß die
Unterzeichner der Erklärung zum überwiegenden Teil nicht Bewohner der Ortschaft S.
waren, sondern aus anderen zur Stadt P. gehörenden Ortschaften sowie Städten aus der
näheren Umgebung stammten.
Doch selbst wenn es sich bei dem Biergarten noch um eine Schank- und Speisewirtschaft im
Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO handeln sollte, wäre die Baugenehmigung zu Lasten der
Antragsteller rechtswidrig, denn das Vorhaben verstieße insoweit wegen der Außennutzung
gegen das in § 15 BauNVO enthaltene Gebot der Rücksichtnahme. Sie enthält nur untaugliche
Nebenbestimmungen zum Immissionsschutz, denn diese sind nicht geeignet den
nachbarlichen Interessen gerecht zu werden.
Das Gebot der Rücksichtnahme soll die bei der Verwirklichung von Bauvorhaben
aufeinanderstoßenden Interessen angemessen ausgleichen; ob eine Baugenehmigung das
Gebot der Rücksichtnahme verletzt, hängt wesentlich von den jeweiligen konkreten
Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist,
denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann
an Rücksichtnahme verlangt werden; umgekehrt braucht derjenige, der ein Vorhaben
verwirklichen will, um so weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer
die von ihm verfolgten Interessen sind. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles
kommt es demnach wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem
Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage
der Dinge zuzumuten ist. Dementsprechend ist das Rücksichtnahmegebot verletzt, wenn unter
Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch
zumutbar ist, überschritten wird
vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.
Februar 1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122 (126).
Schutzwürdige Interessen der Antragsteller bestehen darin, nicht durch Reden, Rufen,
mehr oder minder lautes oder schrilles Lachen o.ä. anläßlich des Biergartenbetriebes in der
Wohnruhe, insbesondere in den Abendstunden und an Wochenenden, gestört zu werden.
Diesem Interesse trägt die Baugenehmigung nicht ausreichend Rechnung.
Zwar enthalten nicht nur die ursprüngliche Baugenehmigung, sondern auch die
Nachtragsgenehmigungen durch Bezugnahme, die Auflage, den Biergarten schalltechnisch so
zu betreiben, daß der Luftschall den max. zulässigen Immissionsrichtwert von tagsüber 55
dB(A) und nachts von 40 dB(A) gemessen 0,5 m vor dem geöffneten, am stärksten
betroffenen Fenster der umliegenden Wohnhäuser - gemessen nach der TA-Lärm - nicht
überschreitet.
Die Auflage führt nicht dazu, daß schon deshalb von dem täglich bis 22.00 Uhr im Freien
zulässigen Betrieb keine unzumutbaren Beeinträchtigungen ausgehen können. Die
Belastbarkeit von Menschen mit Lärm hängt von einem Bündel von Faktoren ab, die vielfach
nur unvollkommen in einem einheitlichen Meßwert aggregierend erfaßt werden können. Die
Regelwerke sind ein Mittel, quantitative Grenzen für Lärm festzulegen, jedoch untauglich,
qualitative Grenzen für Lärm festzulegen. Lästige und wegen ihrer Qualität unzumutbare
Komponenten des Lärms können in der Regel nicht durch Lärmvorgaben, sondern nur durch
konkrete Nutzungsregeln verhindert werden. Zudem ist der Mittlungspegel bei nicht
gewerblichen Geräuschen - wie hier - die sich nicht konstant über den für die Mittlung
maßgeblichen Zeitraum wiederholen, für deren Lästigkeit nur eingeschränkt
aussagekräftig,
vgl. Urteil des Senates vom 9. Juli 1992 -7 A 158/91-,
BRS 54 Nr. 190 und Beschluß des Senates vom 16.
November 1995 -7 B 2482/95-.
Vorliegend werden die in die Beurteilung einzustellenden Geräusche vornehmlich durch
menschliches Verhalten verursacht, das von den Beigeladenen bzw. den jeweiligen Pächtern -
anders als bei gewerblichem Lärm im herkömmlichen Sinne - nicht gesteuert werden kann,
wenn auch mannigfaltige Hinweistafeln aufgestellt werden mögen. Ob die Geräusche laut,
leise, schrill oder dumpf sind, hängt vom Naturell des einzelnen Biergartenbesuchers ab und
läßt sich damit weder steuern noch hochrechnen. Die Betriebszeit soll nach dem Bauantrag
von 10.00 bis 22.00 Uhr geben, der Mittlungspegel wird aber über eine Zeit von 6.00 bis
22.00 Uhr ermittelt, es fallen also Zeiten, in denen kein oder nur geringer Betrieb ist mit in die
Mittlung, was dazu führt, daß in den Abendstunden, wenn im Rahmen der allgemeinen
Wohnnutzung ein besonderes Ruhebedürfnis besteht, noch ein über dem Mittlungspegel
liegender Lärm möglich ist, ohne das der Mittelwert überschritten würde. Dies wird den
nachbarlichen Interessen nicht gerecht. Hierbei ist auch ohne Bedeutung, daß einzelne
Geräusche möglicherweise den zulässigen Spitzenpegel nicht überschreiten werden.
Auch die im Rahmen der Nebenbestimmungen geforderte Lärmschutzwand ist nicht
geeignet, einen hinreichenden Schutz der Nachbarschaft zu gewährleisten, da sie nach dem
Konzept allein der Einhaltung von Lärmrichtwerten dienen sollte. Deren Einhaltung nach dem
zuvor ausgeführten aber gerade nicht ausreichend ist.
Die Unzumutbarkeit der genehmigten Nutzung beruht darauf, daß mit einer Nutzung des
Biergartens hauptsächlich in den späten Nachmittagsstunden und den Abendstunden sowie an
Samstagen und Sonntagen ganztägig zu rechnen ist. Der Betrieb wird also gerade zu Zeiten
stattfinden, wenn für die benachbarte, nur ca. 20 m entfernte Wohnnutzung der Antragsteller
mit ihrer rückwärtigen zum Biergarten ausgerichteten Ruhezone ein gesteigertes Bedürfnis
nach Ruhe besteht. Auch wenn man berücksichtigt, daß die Nutzung witterungsbedingt nicht
ganzjährig erfolgen wird, sondern nur an schönen Tagen, ist die Nutzung eines Biergartens -
seine allgemeine Zulässigkeit nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO unterstellt- ohne weitere
Schallschutzmaßnahmen - höhere Wand oder andere Nutzungszeiten - unzumutbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung
des Streitwertes beruht auf § 20 Abs. 2, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.