VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.1994 - 2 S 3003/93
Fundstelle
openJur 2013, 9464
  • Rkr:

1. Für im Sinne von § 133 Abs 1 BauGB erschlossene Hinterliegergrundstücke ist regelmäßig zu fordern, daß deren verkehrsmäßige Erreichbarkeit bauordnungsrechtlich durch eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt gewährleistet wird. Dafür reicht nicht aus, daß zugunsten dieses Grundstücks im Bebauungsplan ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht nach § 9 Abs 1 Nr 21 BauGB festgesetzt und die Überfahrt durch schuldrechtliche Vereinbarung mit dem Eigentümer des Vorderliegergrundstücks geregelt ist.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag.

Er ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks -Flst.Nr. 413 der Gemarkung der Beklagten, das im Geltungsbereich des am 9.1.1991 in Kraft getretenen Bebauungsplans "...", 4. Änderung und Erweiterung, liegt, der für das Grundstück des Klägers die Festsetzung Dorfgebiet enthält. Das Grundstück besitzt eine Zufahrt in westlicher Richtung über das Grundstück Flst.Nr. 413/2 zu einem weiteren, im Eigentum der Gemeinde stehenden Grundstück Flst.Nr. 412/6, das die Verlängerung des Stichwegs (Flst.Nr. 412/6) bildet, der seinerseits in die Straße "..." einmündet. Für die etwa 40 m lange asphaltierte Zufahrt ist im Bebauungsplan sowohl auf dem ca. 40 m langen Teilstück des Grundstücks Flst.Nr. 412/6 als auch auf der Auffahrt über das Grundstück Flst.Nr. 413/2 ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB zum Grundstück des Klägers festgesetzt.

Mit Erschließungsbeitragsbescheid vom 10.11.1991 des für die Beklagte handelnden Gemeindeverwaltungsverbands wurde der Kläger zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 33 387,62 DM herangezogen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt ...- -Kreis durch Widerspruchsbescheid vom 3.7.1992 insbesondere mit der Begründung zurück, daß entgegen dessen Auffassung die Zufahrt zu seinem Grundstück nunmehr öffentlich-rechtlich gesichert und deshalb das Grundstück auch erschlossen sei.

Am 5.8.1992 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und vorgetragen, daß die rein planerische Festsetzung des Geh-, Fahr- und Leitungsrechts allein nicht ausreichend sei, um eine öffentlich-rechtliche Erschließung im Sinne von § 4 Abs. 1 LBO zu sichern mit der Folge, daß sein Grundstück nach wie vor nicht von der Erschließungsanlage "..." erschlossen sei. Dem Antrag des Klägers, den Erschließungsbeitragsbescheid des Gemeindeverwaltungsverbands ... vom 19.11.1991 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ...-Kreis vom 3.7.1992 aufzuheben, ist die Beklagte entgegengetreten. Sie hat sich die Auffassung der Widerspruchsbehörde zu eigen gemacht und ergänzend darauf abgehoben, daß das Grundstück Flst.Nr. 413 jedenfalls auf Grund des Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB als erschlossen gelten müsse.

Durch Urteil vom 28.9.1993 hat das Verwaltungsgericht die genannten Bescheide aufgehoben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, daß das klägerische Grundstück, das nicht unmittelbar an die Erschließungsanlage ... angrenze, nicht im Sinne von § 133 Abs. 1 S. 1 und S. 2 BauGB erschlossen sei. Hierfür komme es allein auf das Vorliegen der Voraussetzungen der planungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften an, die aber eine öffentlich-rechtliche Sicherung forderten, wie sie im Falle des Klägers gerade fehlt. Denn das von der Beklagten festgesetzte Geh- und Fahrrecht reiche für sich allein nicht zu der im bauordnungsrechtlichen Sinne erforderlichen öffentlich-rechtlichen Sicherung des Zufahrtsrechts aus, vielmehr komme hierfür allenfalls die Bestellung einer Grunddienstbarkeit oder eine Baulast in Betracht. Zumindest von einer auf Dauer rechtlich gesicherten Zufahrt eines Grundstücks zur Erschließungsstraße, die durch die Einräumung eines dinglichen Wegerechts zu erfolgen habe, gehe auch das Bundesverwaltungsgericht seit langem aus. Das von der Beklagten angeführte Notwegrecht scheide als dingliche Sicherung einer Zufahrt schon deshalb aus, weil es nicht im Grundbuch eintragbar sei.

Gegen das ihr am 4.11.1993 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6.12.1993 Berufung eingelegt und vorgetragen, daß dem angefochtenen Urteil zwar insoweit zuzustimmen sei, als das Grundstück nach § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen sein müsse, das Merkmal des Erschlossenseins im Sinne dieser Bestimmung an das geltende Baurecht anknüpfe und damit vom Vorliegen der Voraussetzungen abhängig sei, unter denen das (bundesrechtliche) Bebauungsrecht und das (landesrechtliche) Bauordnungsrecht die zur Beitragspflicht führende Grundstücksnutzung gestatte. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei indes durch die Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB eine ausreichende öffentlich-rechtliche Sicherung im Sinne des hier maßgeblichen § 4 Abs. 1 LBO gegeben. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es, zu verhindern, daß die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Zufahrt nach der Errichtung des Gebäudes ohne behördliche Mitwirkung aufgehoben werden könne. Diesem Zweck werde durch die hier getroffene Festsetzung genügt. Insbesondere dann, wenn wie hier zwischen den Eigentümern des Anlieger- und des Hinterliegergrundstücks neben der Festsetzung im Bebauungsplan ein schuldrechtlicher Vertrag die Befahrbarkeit der Zufahrt sichere, sei dem Zweck des § 4 LBO entsprechend gewährleistet, daß der jeweilige Eigentümer des Hinterliegergrundstücks das vordere Grundstück befahren dürfe, dieses also dem Hinterliegergrundstück selbst diene. Unter diesen Voraussetzungen sei auch eine Befreiung von dem Erfordernis der dinglichen Sicherung in Betracht zu ziehen. Die Bestellung einer Baulast stelle dementsprechend nicht die einzige Möglichkeit zur Erreichung des erwähnten Zwecks dar, vielmehr sei neben der Möglichkeit der Befreiung auch eine entsprechende Festsetzung im Bebauungsplan als ausreichend anzusehen, wie dies auch in der Rechtsprechung anerkannt worden sei. Grundsätzlich werde zwar durch die Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB lediglich die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der betroffenen Flächen geschaffen. Indes hinderten diese Festsetzungen den Eigentümer, das betroffene Grundstück in einer Weise zu nutzen, die die Ausübung des festgesetzten Rechts behindere oder unmöglich mache. Somit verfüge das klägerische Grundstück über eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt, da die Festsetzung im Bebauungsplan weder eine zivilrechtliche Sicherung sei noch ihre Aufhebung ohne Beteiligung oder Zustimmung der Baurechtsbehörde möglich sei. Fürsorglich werde darauf hingewiesen, daß dann, wenn die planungsgemäße Festsetzung für eine öffentlich-rechtliche Sicherung im Sinne von § 4 LBO nicht ausreiche, sich Bedenken mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG ergäben. Denn dann bestände für die Eigentümer von Hinterliegergrundstücken zwar der durch die Erschließung eintretende Vorteil, sie müßten indes keinen Erschließungsbeitrag entrichten. Gegenüber den anderen beitragspflichtigen Eigentümern wäre dies eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Auch wegen der hier bestehenden Besonderheiten, daß für das Grundstück des Klägers zum einen die vorhandene und genehmigte Bebauung Bestandsschutz genieße und zum anderen auch künftig für jeden Eigentümer des Grundstücks zu Lasten des westlich angrenzenden Grundstücks ein Notwegrecht gelte, entspreche es dem Sinn des § 133 Abs. 1 BauGB, die Sicherung des Fahrrechts im Wege einer Festsetzung im Bebauungsplan genügen zu lassen und zum Ausgleich des in Anspruch genommenen Sondervorteils der Erschließungsanlage den veranlagten Beitrag zu erheben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 28.9.1993 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu eigen und weist ergänzend darauf hin, daß das hier maßgebliche Geh-, Fahr- und Leitungsrecht über das Grundstück Flst.Nr. 413/2 dessen nach dem Bebauungsplan zulässige Bebaubarkeit - ausgedrückt durch das eingezeichnete Baufenster - in einer unzumutbaren Art und Weise beeinträchtige. Er müsse deshalb damit rechnen, daß ihm erneut erhebliche Aufwendungen entstehen, wenn der Eigentümer des genannten Grundstücks von seinem Recht Gebrauch mache, die Bebaubarkeit entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans in vollem Umfang zu nutzen. Rein tatsächlich bedürfe es dann erheblicher Aufwendungen insbesondere der Herstellung einer Stützmauer. Von daher sei die Auffassung des Verwaltungsgerichts durchaus nachvollziehbar, daß das festgesetzte Recht keine auf Dauer erfolgte dingliche Sicherung einer Zufahrt darstellen könne.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Gemeindeverwaltungsverbands und der Widerspruchsbehörde, ferner der maßgebliche Bebauungsplan "..." und die Akten des Verwaltungsgerichts (2 Bände) vor. Auf diese Unterlagen und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Gründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht der zulässigen Anfechtungsklage des Klägers stattgegeben. Denn der angefochtene Erschließungsbeitragsbescheid vom 19.11.1991 (i.d. F. des Widerspruchsbescheids vom 3.7.1992) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Wie in der Rechtsprechung geklärt ist, ist ein im Sinne von § 131 Abs. 1 S. 1 BauGB erschlossenes Hinterliegergrundstück - und um ein solches handelt es sich bei dem Grundstück des Klägers, das tatsächlich eine Zufahrt zu der maßgeblichen Erschließungsanlage besitzt (vgl. in diesem Zusammenhang Driehaus, Erschließungs- und Erschließungsbeitragsrecht, 3. Aufl., Rdnr. 815 m.w.N.) - durch eine Anbaustraße im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen, wenn angenommen werden darf, es sei gerade wegen dieser Anbaustraße bebaubar. Dabei ist anerkannt, daß Grundstücke nur bebaut werden dürfen und erst dann der Beitragspflicht nach § 133 Abs. 1 BauGB unterliegen, wenn weder die Anforderungen des Bundesbaurechts (Bebauungsrechts) noch die des Landesbaurechts (Bauordnungsrechts) einer Bebaubarkeit entgegenstehen. Zu diesen Anforderungen gehören u.a. die verkehrliche Erreichbarkeit eines Grundstücks, die geregelt ist sowohl als bebauungsrechtliches Erfordernis hinreichender verkehrlicher Erschließung (§ 30 ff. BauGB) als auch als bauordnungsrechtliches Erfordernis hinreichender Zugänglichkeit (dazu BVerwG, Urteil vom 15.1.1988, BVerwGE 79, 1, 8 ff.). Wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat, sind die bauordnungsrechtlichen Anforderungen der Zugänglichkeit in § 4 der Landesbauordnung (LBO) festgelegt, und sind dessen Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Nach Abs. 1 der genannten Bestimmung dürfen Gebäude nur errichtet werden, wenn das Grundstück nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften bebaubar ist und wenn das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt, oder wenn das Grundstück eine befahrbare, öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat. Über eine derart gesicherte Zufahrt verfügt das Grundstück des Klägers, ein Hinterliegergrundstück, nicht.

Dem Verwaltungsgericht ist in der Auffassung zu folgen, daß die von der Beklagten im maßgeblichen Bebauungsplan festgesetzte Fläche für einen Geh-, Fahr- und Leitungsrecht nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB eine derartige öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt nicht bewirkt. Vielmehr ist diese Festsetzung erst Grundlage dafür, daß das Grundstück zur Begründung eines solchen Rechts - notfalls im Wege der Enteignung - beansprucht werden kann. Der betreffende Eigentümer hat unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 BauGB und im Verfahren nach § 41 BauGB einen Rechtsanspruch darauf, daß das Recht gegen Entschädigung begründet wird (dazu BVerwG, Urteil vom 15.2.1985f DVBl. 1985, 798). Die planerische Festsetzung hindert den betroffenen Eigentümer nur, das Grundstück in einer Weise zu nutzen, die die geplante Ausübung des noch zu begründenden Rechts behindern oder unmöglich machen würde. Daß die planerische Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB noch des Vollzugs bedarf, entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. nur Gaentzsch, Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, § 9 Rdnr. 50; Bielenberg in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Juni 1993, § 9 Rdnr. 113; ferner Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 3. Aufl., § 9 Rdnr. 74; Uechtritz, DVBl. 1986, 1125, 1128 und schließlich Sauter, LBO, Dezember 1992, § 4 Rdnr. 15). Die rechtliche Tragweite der Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB wird im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom -4.11.1985 (BWVPr 1986, 86) nicht berücksichtigt, wobei das Verwaltungsgericht zu Recht auch darauf hinweist, daß es sich um ein sog. obiter dictum handelt, wie sich aus der Formulierung ersehen läßt, auch die Festsetzung eines Geh- und Fahrrechts im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 21 BBauG dürfte als öffentlich-rechtliche Sicherung der Erschließung ausreichen (ohne weitere Auseinandersetzung mit § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauG auch Reiff, Erschließungsbeitrag nach dem Baugesetzbuch, Stand Juni 1993, Nr. 63.2.2.2).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Umsetzung der planerischen Festsetzung mit der Folge, daß die Voraussetzungen des § 4 LBO zu bejahen wären, nicht dadurch eingetreten, daß die Eigentümerin des Grundstücks Flst.Nr. 413/2 mit dem Kläger eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen hat, die jenem die Überfahrt gestattet. Mit der Gewährleistung der Zugänglichkeit ist das öffentliche Interesse an der Erreichbarkeit des Grundstücks für Feuerwehr, Krankenwagen, Post und Müllabfuhr verbunden, die auf Dauer bestehen und in Form der öffentlich-rechtlichen Sicherung der Zufahrt gewährleisten muß, daß nicht ohne behördliche Mitwirkung der Rechtsanspruch auf die Zufahrt nach der Errichtung des Gebäudes aufgehoben werden kann (dazu Sauter, aaO, RdNrn. 7 und 15 m.w.N.). Eine solche öffentlich-rechtliche Sicherung der Zufahrt tritt ein mit der Bestellung einer Baulast, und wohl auch mit der Bestellung einer Grunddienstbarkeit, bei der nach der Rechtsprechung des BGH (dazu Urteil vom 3.2.1989, NJW 1989, 1607; Urteil vom 6.10.1989, NVwZ 1990, 192) anerkannt ist, daß der Eigentümer eines durch Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks grundsätzlich verpflichtet ist, eine deckungsgleiche Baulast zu übernehmen, wenn die Grunddienstbarkeit die Sicherstellung der Bebaubarkeit des begünstigten Grundstücks bezweckt und diese von der Übernahme der Baulast abhängt. Demgegenüber entzieht die lediglich vertraglich getroffene Vereinbarung eines Überfahrtsrechts dem Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht die Verfügungsmacht derart, daß von einer der öffentlich-rechtlichen Sicherung entsprechenden Gewährleistung dieses Überfahrtsrechts ausgegangen werden könnte. Dies gilt auch in Zusammenschau dieser schuldrechtlichen Vereinbarung mit der durch den Bebauungsplan getroffenen Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB, die ihrerseits nur zu einer Festsetzung der von der Bebauung frei zu- haltenden Fläche, nicht aber zu einer Sicherung des Überfahrtsrechts selbst führt.

Es kommt im vorliegenden Fall hinzu, daß das Grundstück des Klägers nicht nur durch ein einziges, im Eigentum eines Dritten stehendes Grundstück von der Erschließungsstraße getrennt ist, es vielmehr auch eine noch weitergehende Hinterliegereigenschaft durch ein weiteres Grundstück - Flst.Nr. 412/6 - erhält, das im Eigentum der Beklagten steht. Diese geht ersichtlich davon aus, daß sie die Zufahrt zum Grundstück des Klägers auf diesem Grundstück zu dulden hat, was aber ohne auch gegenüber Dritten wirkendem Rechtstitel gleichfalls nicht zu der öffentlich-rechtlichen Sicherung der Zufahrt führen kann. Denn die Beklagte ist mit Blick auf das genannte Grundstück zivilrechtlich handelnder Eigentümer, und kann im Rahmen des § 903 BGB über das Grundstück mit der Folge verfügen, daß von einer auf Dauer gewährleisteten Sicherung der Zufahrt nicht ausgegangen werden kann.

Allerdings hängt die Frage des Erschlossenseins im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (dazu Urteil vom 26.2.1993, BVerwGE 92, 157 m.w.N.) nicht davon ab, ob ein der erforderlichen wegemäßigen Erreichbarkeit entgegenstehendes (ausräumbares) Hindernis bereits beseitigt worden ist oder nicht, sofern die Beseitigung dieses Hindernisses nur entweder allein in der Verfügungsmacht des jeweiligen Grundeigentümers steht oder ausschließlich an dessen nach Lage der Dinge gebotener, aber bisher verweigerter Mitwirkung scheitert. Eine solche Fallgestaltung steht hier jedoch nicht zur Diskussion. Denn es bedarf der Mitwirkung der Beklagten und des Eigentümers des Grundstücks Flst.Nr. 413/2 bei der jeweiligen Einräumung einer Grunddienstbarkeit oder der Übernahme einer entsprechenden Baulast.

Der Senat verkennt schließlich nicht, daß § 57 Abs. 3 und Abs. 4 LBO eine Ausnahme oder Befreiung von den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen der §§ 4 bis 40 ermöglicht. Ob dies dazu führen kann, daß von der in § 4 Abs. 1 LBO geforderten öffentlich-rechtlichen Sicherung der Zufahrt im konkreten Fall abgesehen werden kann mit der Folge, daß nunmehr auch das Erschlossenseins eines Grundstücks im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB gegeben ist, kann hier offen bleiben. Denn die bauordnungsrechtlichen Ausnahme- und Befreiungsvorschriften haben zur Voraussetzung, daß es um atypische Einzelfälle geht (vgl. dazu etwa VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 10.11.1988, - 5 S 2718/88 -; Urteil vom 3.3.1994 - 5 S 422/93 -, jeweils m.w.N.). Von einer solchen atypischen Fallgestaltung kann indes dann nicht ausgegangen werden, wenn die Gemeinde ihrerseits in einem Bebauungsplan die Grundstücksnutzung festgelegt und damit auch in Blick genommen hat, auf welche Weise die überplanten Grundstücke "erschlossen" werden sollen.

Da nicht auszuschließen ist, daß die Beklagte den Mangel der öffentlich-rechtlichen Sicherung noch heilen kann und insoweit auch eine Beitragserhebung im Falle des Klägers nicht von vornherein ausscheidet (vgl. in diesem Zusammenhang auch Driehaus, aaO, Rdnr. 715) , bedarf es keiner Erörterung, ob eine Nichtheranziehung des Klägers zu einer gegenüber anderen betroffenen Anliegern zu einem Verstoß gegen Art. 3 GG führen würde, oder ob nicht schon wegen der die Berücksichtigung des Grundstücks des Klägers in der flächenmäßigen Oberverteilung (dazu § 131 Abs. 1 S. 1 BauGB) ein solcher Verstoß ausscheidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verb. mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.