VG Freiburg, Beschluss vom 27.11.2003 - 4 K 725/03
Fundstelle
openJur 2013, 13091
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.04.2003, durch welchen der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die unverzügliche Beseitigung der an ihrem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXX befindlichen Ausrüstung mit Kennleuchten für blaues Blinklicht und Einsatzhorn aufgegeben sowie für den Fall der Nichtbefolgung der Beseitigungsanordnung ein Zwangsgeld in Höhe von 150,-- EUR angedroht wurde, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG zulässig. Er ist jedoch nicht begründet. Denn das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der im angegriffenen Bescheid getroffenen Verfügungen überwiegt das private Interesse der Antragstellerin, bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung über ihren Widerspruch das genannte Fahrzeug weiterhin mit Blaulicht und Einsatzhorn ausgerüstet zu lassen (und so im öffentlichen Verkehr führen zu können). Die Beseitigungsanordnung, deren sofortige Vollziehung in einer den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise angeordnet worden ist, erweist sich nämlich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ebenso wie die Zwangsgeldandrohung als rechtmäßig, so dass der Widerspruch der Antragstellerin aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird. Sie ist aus den im angefochtenen Bescheid angeführten Gründen der Gefahrenabwehr auch hinreichend dringlich.

Rechtsgrundlage der Beseitigungsanordnung ist § 17 Abs. 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde, wenn sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig erweist, dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Behebung der Mängel setzen und nötigenfalls den Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehr untersagen oder beschränken.

1. Die tatbestandliche Voraussetzung, dass das Fahrzeug sich in einem nicht vorschriftsmäßigen Zustand befindet, liegt wegen seiner Ausstattung mit Blaulicht und Einsatzhorn vor. Es verstößt damit gegen § 52 Abs. 3 Nr. 2 und § 55 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 StVZO. Diese Vorschriften enthalten eine normative Reduzierung des Kreises der Blaulicht- bzw. Einsatzhorn-Berechtigten und damit zugleich ein (Teil-)Verbot für alle nach diesen Vorschriften nicht Berechtigten (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.02.2002 - 3 C 33/01 -, NZV 2002, 426).

Nach dem hier einschlägigen § 52 Abs. 3 Nr. 2 StVZO dürfen mit einer oder mehreren Kennleuchten für blaues Blinklicht (Rundumlicht) u.a. Einsatz- und Kommando-Fahrzeuge der Feuerwehren ausgerüstet sein. Die Antragstellerin nimmt zu Unrecht für sich in Anspruch, dass es sich bei dem von ihr betriebenen Fahrzeug um ein Feuerwehrfahrzeug im Sinne dieser Vorschrift handelt. Entgegen der Annahme der Antragstellerin kann zur Auslegung dieser bundesrechtlichen Vorschrift nicht ohne weiteres auf die landesrechtlichen Regelungen und Begriffsbestimmungen im Landesfeuerwehrgesetz abgestellt werden. Zum einen enthält § 52 Abs. 3 StVZO weder ausdrücklich noch konkludent eine Verweisung auf das Landesrecht, sodann verbietet sich ein solcher Rückgriff auf das Landesfeuerwehrrecht schon deshalb, weil in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Feuerwehrgesetze gelten, eine Auslegung des § 52 Abs. 3 StVZO nach Maßgabe des jeweiligen Landesfeuerwehrrechts also zu einem jeweils unterschiedlichen Inhalt der bundesrechtlichen Regelung führen würde (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 26.01.1998 - 12 L 4158/97 -, JURIS - zum Begriff des Rettungsdienstes im Sinne des § 52 Abs. 3 Nr. 4 StVZO). Geboten ist daher jedenfalls vorrangig eine autonome bundesrechtliche Auslegung des Begriffs der „Feuerwehren“ im Sinne des § 52 Abs. 3 Nr. 2 StVZO nach Maßgabe von Sinn und Zweck der Regelung sowie ihres gesetzessystematischen Zusammenhangs.

Hierzu ist in dem angefochtenen Bescheid, auf den insoweit Bezug genommen wird, zutreffend ausgeführt, dass nach der Straßenverkehrszulassungsordnung Kraftfahrzeuge in aller Regel nicht mit Kennleuchten für blaues Blinklicht ausgestattet und zugelassen werden können, es sich vielmehr um eine Sonderausstattung handelt, die nur ausnahmsweise für bestimmte Zwecke zugelassen ist. Die mit Kennleuchten für blaues Blinklicht versehenen Fahrzeuge, die nach § 55 Abs. 3 Satz 1 StVZO zugleich mit Einsatzhorn (Martinshorn) ausgerüstet sein müssen, werden nämlich nur deshalb so ausgestattet, weil es den Fahrzeugführern dieser Fahrzeuge in Sondersituationen gestattet sein soll, nach § 38 Abs. 1 StVO  besondere Vorrechte wahrzunehmen bzw. nach § 35 Abs. 1 StVO von der Einhaltung der durch die Straßenverkehrsordnung vorgegebenen Regelungen befreit zu sein, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Die Zusatzausrüstung mit Blaulicht und Martinshorn kann mithin nicht losgelöst von ihrem hoheitlichen Einsatz betrachtet werden, andernfalls wäre die Ausrüstung entsprechender Fahrzeuge sinnlos und nicht (ausnahmsweise) zulässig (OVG Lüneburg, Urt. v. 26.11.1988, a.a.O.). Hieraus folgt nach Sinn und Zweck des § 52 Abs. 3 Nr. 2 StVZO i.V.m. § 35 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 StVO, dass ein Fahrzeug nur dann als Feuerwehrfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn ausgerüstet werden darf, wenn auch davon auszugehen ist, dass dieses Fahrzeug im Regelfall berechtigterweise dazu eingesetzt werden kann, unter Einsatz von Sondersignalen (Blaulicht und Martinshorn) hoheitliche Aufgaben dringender Gefahrenabwehr zu erfüllen, d.h. nach § 38 Abs. 1 StVZO in Fällen höchster Eile Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, ... oder bedeutende Sachwerte zu erhalten.

Von einer derartigen Einbeziehung der Betriebsfeuerwehr der Antragstellerin in die Erfüllung hoheitlicher Gefahrenabwehraufgaben kann aber typischerweise nicht ausgegangen werden. In diesem Zusammenhang kann auf die landesrechtliche Zuordnung verschiedener Feuerwehrtypen zur hoheitlichen Aufgabenerfüllung ergänzend zurückgegriffen werden. Danach bleibt gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Feuerwehrgesetz Baden-Württemberg - FwG - die Verpflichtung der Gemeindefeuerwehr zur Hilfeleistung durch die Einrichtung einer Betriebsfeuerwehr, die - wie die Betriebsfeuerwehr der Antragstellerin - nicht als Werkfeuerwehr anerkannt ist, unberührt. Nach der gesetzlichen Aufgabenbeschreibung in § 19 FwG sind daher nur anerkannte Werkfeuerwehren typischerweise mit der Erfüllung der hoheitlichen Gefahrenabwehraufgaben in Betrieben und Verwaltungen betraut. Deshalb kann auch nur für sie eine Anwendung des § 52 Abs. 3 Nr. 2 und des § 55 Abs. 3 StVZO in Betracht gezogen werden, nicht aber für die sonstigen Betriebsfeuerwehren. Die Antragstellerin hat nach Aktenlage bislang nicht einmal einen Antrag auf Anerkennung als Werkfeuerwehr gestellt.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, als sonstige Betriebsfeuerwehr unterliege sie keiner staatlichen Aufsicht, insbesondere nicht der des Regierungspräsidiums, mag dies zutreffen, kennzeichnet aber gerade ihre typischerweise nicht in die Erfüllung hoheitlicher Gefahrenabwehraufgaben einbezogene Stellung. Dass sie ausnahmsweise auch einmal bei Katastrophenfällen, wie bei der von der Antragstellerin ins Feld geführten Flutkatastrophe in Sachsen, tätig geworden sein mag, ändert an dieser grundsätzlichen rechtlichen Beurteilung ebenso wenig etwas wie ihr Vortrag, andere Einrichtungen und Firmen führten ebenfalls unbeanstandet Fahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn. Sollte es sich dabei ebenfalls nur um sonstige Betriebsfeuerwehren handeln, wäre diese Ausstattung ebenfalls unrechtmäßig und zu beanstanden; handelt es sich dagegen um anerkannte Werkfeuerwehren oder verfügen diese über eine Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums nach § 70 Abs. 1 StVZO, so liegt kein vergleichbarer Sachverhalt vor, auf den die Antragstellerin sich berufen könnte. Eine Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums nach § 70 Abs. 1 StVZO besitzt die Antragstellerin unstreitig nicht; sie hat auch keinen diesbezüglichen Antrag gestellt. Nicht zu Gunsten der Antragstellerin weiter führt auch ihr Vortrag, in der Vergangenheit habe man zeitweise wegen belegter Leitungen nicht Kontakt zur Gemeindefeuerwehr aufnehmen können, weshalb sie zum Schutz ihrer Betriebsfiliale in XXX auf ein Fahrzeug mit der Sonderausstattung Blaulicht und Martinshorn angewiesen sei. Zum einen ist dieser Vortrag wenig substantiiert und angesichts der heute zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel auch wenig realistisch. Zum andern ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Ausrüstung des Fahrzeugs der Antragstellerin mit Blaulicht und Martinshorn für eine Selbsthilfe an Ort und Stelle unbedingt erforderlich sein soll, wenn das Fahrzeug selbst entsprechend auf oder an dem Betriebsgelände in XXX stationiert wird. Für sonstige Fahrten, etwa im Bereich des Hauptsitzes des Betriebs der Antragstellerin in Freiburg, hat sie eine Notwendigkeit weder dargetan noch ist eine solche ersichtlich.

Schließlich spricht für eine restriktive Interpretation des § 52 Abs. 3 Nr. 2 StVZO auch die Erkenntnis, dass die Zahl der Fahrzeuge, die mit einer solchen Sonderausstattung ausgerüstet werden, im Interesse der Verkehrssicherheit möglichst gering bleiben muss. Dies ist nämlich notwendig, um - erstens - die Wirkung blauer Blinklichter nicht dadurch zu beeinträchtigen, dass bei einer Inflationierung ihres Gebrauchs die Akzeptanz von Blaulichteinsätzen in der Bevölkerung vermindert wird und weil - zweitens - mit jedem genehmigten Vorhandensein einer Blaulichtanlage die Gefahr des Fehlgebrauchs und sogar des Missbrauchs und damit die Gefahr schwerster Unfälle vergrößert wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.10.1999, Buchholz 442.16 § 52 StVZO Nr. 1; Urt. v. 21.02.2002, a.a.O.).

2. Die Antragsgegnerin hat das ihr somit nach § 17 Abs. 1 StVO eröffnete Ermessen zum Einschreiten ohne Rechtsfehler ausgeübt. Die Beseitigungsanordnung entspricht dem Zweck der Ermessensermächtigung und wahrt auch die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (§§ 40 LVwVfG, 114 VwGO). Mit der Anordnung der Beseitigung der Sonderausstattung hat die Antragsgegnerin insbesondere das mildeste geeignete Mittel gewählt, um dem in § 52 Abs. 3 Nr. 2 StVZO enthaltenen (Teil-)Verbot Geltung zu verschaffen. Eine bloße Untersagung der Benutzung der Sonderausstattung scheidet, abgesehen von der faktisch nicht zu verhindernden Missbrauchsgefahr, schon aus Rechtsgründen deshalb aus, weil § 52 Abs. 3 Nr. 2 StVZO nicht erst die Benutzung einer unzulässigen Sonderausstattung als vorschriftswidrig kennzeichnet, sondern im Sinne einer vorverlagerten Gefahrenabwehr bereits die unzulässige Ausstattung selbst. Zu Recht hat die Antragsgegnerin andererseits den gegenüber der Beseitigungsanordnung schwereren Eingriff einer Betriebsuntersagung nicht verfügt bzw. diese zunächst ergriffene Maßnahme im vorangegangenen Verfahren 4 K 419/03 zurückgenommen. Der Umstand, dass § 17 Abs. 1 StVZO die Betriebsuntersagung oder -beschränkung ausdrücklich als mögliche Eingriffsmaßnahmen nennt, engt den Handlungsspielraum der Verwaltungsbehörde keineswegs nur auf diese beide Maßnahmen ein. Auf diese Maßnahmen kann die Verwaltungsbehörde nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 StVZO „nötigenfalls“ zurückgreifen. Es ist ihr aber unbenommen und im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch aufgegeben, in geeigneten Fällen zunächst die Behebung der Mängel mit Fristsetzung anzuordnen und eine solche Anordnung auch mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchzusetzen (vgl. auch dazu OVG Lüneburg, Urt. v. 26.11.1998, a.a.O.).

Die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Fahrzeug unstreitig mit der nunmehr beanstandeten Sonderausstattung zugelassen worden ist. Diese Zulassung musste nicht vor einem Einschreiten nach § 17 Abs. 1 StVZO widerrufen oder zurückgenommen werden; denn § 17 StVO stellt eine Spezialvorschrift zur Wahrung der Verkehrssicherheit dar, welche gemäß § 1 LVwVfG den allgemeinen Vorschriften der §§ 48, 49 LVwVfG vorgeht. Insoweit gilt ähnliches wie beim Entzug der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 1 StVG, die ebenfalls ohne vorgängigen Widerruf oder Rücknahme der Fahrerlaubnis verfügt werden kann (OVG Lüneburg, Urt. v. 26.11.1998, a.a.O.).

Die auf den §§ 18, 19, 20 und 23 LVwVfG beruhende Zwangsgeldandrohung begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Ihre Rechtmäßigkeit wird entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht berührt, dass der Beseitigungsanordnung keine Rechtsbehelfsbelehrung beigegeben ist. Das Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung hat gemäß § 58 VwGO nur Auswirkungen auf den Lauf der Widerspruchsfrist.

Dass über die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung hinaus wegen des Gefahrenpotentials auch ein öffentliches Interesse am Vollzug der Anordnung bereits vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache besteht, ist in dem angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 25, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.