VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.08.1996 - 5 S 3300/95
Fundstelle
openJur 2013, 10162
  • Rkr:

1. Die Ermessensentscheidung der Straßenbaubehörde über einen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis in einer Fußgängerzone kann auch auf grundsätzliche städtebauliche und baugestalterische Erwägungen gestützt werden, sofern sie der Umsetzung eines Konzepts der Gemeinde zur Gestaltung der Fußgängerzone entsprechen (hier zur Aufstellung eines Imbißstandes).

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis für die Errichtung und den Betrieb eines Würstchenstandes und Glühweinstandes in der Fußgängerzone der Beklagten.

Die Klägerin ist Pächterin einer in der Fußgängerzone der Beklagten (S- Straße) gelegenen Gaststätte. Am 11.10.1994 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach § 16 StrG zur Aufstellung eines Holzstandes zum Verkauf von Glühwein und Würstchen vor ihrer Gaststätte für den Zeitraum vom 07.11. bis 31.12.1994. Unter Hinweis darauf, daß ihr in den Sommermonaten fortlaufend eine Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen von Tischen und Stühlen vor dem Anwesen in der S-Straße erteilt werde, führte sie zur Begründung ihres Antrags aus, daß die Realisierung dieses Projektes sich auch in der Herbstzeit und Vorweihnachtszeit als Förderung des kommunikativen Verkehrs darstellen würde. Außerdem sei sie aus wirtschaftlichen Gründen dringend auf die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis angewiesen, da die Innenfläche ihrer Gaststätte sehr klein bemessen sei. Als Standort sei die Nähe des Baumes mit Sitzbank gedacht; im einzelnen könne der Standort mit der Beklagten abgestimmt werden. Die Größe des Standes werde ca 6 qm nicht überschreiten.

Mit Bescheid vom 22.11.1994 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus: Die Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis stehe in ihrem Ermessen, wobei sie bei ihren Erwägungen nicht nur auf spezifisch straßenrechtliche Gesichtspunkte beschränkt sei, sondern auch städtebauliche und ästhetische Gesichtspunkte berücksichtigen dürfe, soweit sie von Bedeutung für die Allgemeinheit seien. Sie habe seit Jahren in zahlreichen Fällen Sondernutzungserlaubnisse zur Außenbewirtschaftung in der wärmeren Jahreszeit erteilt, in welcher das Publikum das Angebot, im Freien zu sitzen und Speisen zu sich zu nehmen, mit Interesse annehme. Insoweit sei sie dem Kommunikationszweck der Straßen, insbesondere der Fußgängerbereiche, entgegengekommen. Sie habe jedoch darauf geachtet, daß diese Formen der Straßennutzung nicht durch zu hohe Aufbauten, Zeltbedachungen ua örtliche Barrieren die Transparenz städtebaulich wichtiger Straßenzüge und stadtgestalterischer Beziehungen störten. Dem genannten Kommunikationszweck in der von ihr nach ihrem Ermessen gewollten Ausprägungsform - Sitzen im Freien zum Verzehr an Ort und Stelle - diene die beantragte Nutzung der Straße nicht. Darüber hinaus würde die angestrebte Form der Nutzung die städtebauliche Situation an der vorgesehenen Stelle empfindlich stören. Der untere Bereich der S-Straße zwischen L-Platz und K-Allee werde als Verbindungsstück zwischen Stadtmitte und dem Kurhaus angesehen. Die Sicht vom L-Platz zur K-Allee und zu den Kolonnaden werde im Sommer durch die in der S-Straße befindlichen Sondernutzungen in Form von Tischen und Stühlen der angrenzenden Gastronomiebetriebe nicht eingeschränkt. Ganz anders wäre dies, wenn im Bereich der Gaststätte der Klägerin im Winter eine "Holzbude mit Tannenbäumen" plaziert werden würde. Hierdurch würde die untere S- Straße visuell erheblich eingeengt. Der Charakter des Straßenzuges würde darunter leiden.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin im wesentlichen damit, daß die Beklagte ihre wirtschaftliche Situation bei der Ermessensentscheidung zu Unrecht außer acht gelassen habe. Ästhetische Gesichtspunkte müßten im Rahmen der Entscheidung über die Sondernutzungserlaubnis außer Betracht bleiben. Im übrigen füge sich das Vorhaben städtebaulich in das äußere Erscheinungsbild des Gebietes ein. Die Verhältnisse seien hier nicht anders als in der Fußgängerzone "L Straße", in der entsprechende Sondernutzungserlaubnisse bereits erteilt worden seien. So sei in der G-Straße eine Sondernutzungserlaubnis für einen Stand zum Verkauf von Glühwein und Würstchen erteilt worden. Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.1995 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung heißt es darin: Anders als in den Sommermonaten komme der Förderung des kommunikativen Verkehrs in der winterlichen Jahreszeit, für die die Aufstellung des Standes beantragt worden sei, keine so hohe Bedeutung zu. Die wirtschaftliche Situation der Klägerin sei für die Entscheidung über die Sondernutzungserlaubnis grundsätzlich ohne Belang, da die Fußgängerzone geschaffen worden sei, um den Fußgängern einen gewissen Freiraum zu schaffen, nicht aber, um den Gastronomen Verdienstmöglichkeiten zu eröffnen. Daher sei die wirtschaftliche Situation der Klägerin bei der Prüfung ihres Antrags zwar in die Erwägung mit einbezogen worden, habe jedoch keine entscheidende Rolle spielen können. Es werde davon ausgegangen, daß Sicherheitsbelange des Verkehrs in der Fußgängerzone durch den beantragten Stand nicht beeinträchtigt würden. Sie sei bei ihrer Entscheidung jedoch nicht auf diese Gesichtspunkte beschränkt. Auch die Ästhetik und die Auswirkungen des Standes auf das Stadtbild dürften von ihr im Rahmen der Entscheidung über die Sondernutzungserlaubnis berücksichtigt werden. Der Glühweinstand würde die Funktion der S-Straße als Zuführung zu Kolonnaden, Kurhaus und Theater unterbrechen und somit einen Einschnitt in das Straßenbild darstellen. Dies bedeute auch keine Verletzung des Gleichheitssatzes, da im Falle des Standes in der Lange Straße, auf den sich die Klägerin berufe, eine städtebaulich völlig andere Situation vorliege. Die Lange Straße sei die erste Straße gewesen, die in eine Fußgängerzone umgewandelt worden sei. Merkmal dieser Straße sei es, daß sich ein Geschäft an das andere angliedere und auf öffentlichen Flächen Ausstellungsstände stünden. Außenbewirtschaftung finde man erst am J-Platz, der zur G-Straße zähle. Demgegenüber bilde die S-Straße das Verbindungsstück zwischen Stadtmitte und K-Allee. So seien in der S-Straße nach ständiger Verwaltungspraxis keine Verkaufsstände erlaubt, weil diese Straße von jeher städtebaulich anders bewertet werde als die Lange Straße.

Die Klägerin hat am 01.03.1995 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und beantragt festzustellen, daß der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 22.11.1994 und deren Widerspruchsbescheid vom 27.01.1995 rechtswidrig gewesen seien.

Mit Urteil vom 11.10.1995 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs 1 S 4 VwGO zulässig, da zu befürchten sei, daß weitere Anträge der Klägerin für die Folgejahre wiederum aus den gleichen Gründen abgelehnt würden. Die Klage sei auch begründet, weil die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Da weder die Voraussetzungen für eine Sondernutzungserlaubnis gesetzlich geregelt noch Richtlinien für die Ermessensbetätigung vorhanden seien, sei hier von einem grundsätzlich weiten Ermessensspielraum der Beklagten auszugehen. Allerdings müßte sich die Ermessensbetätigung nach § 16 StrG an straßenrechtlichen Gesichtspunkten orientieren. Dabei habe die Straßenbaubehörde in erster Linie darauf zu achten, daß die Straßensubstanz geschützt und der Gemeingebrauch entsprechend dem Widmungszweck nicht unzumutbar beeinträchtigt werde. Über diese wegerechtlichen Belange im engeren Sinne hinaus dürfe die Straßenbaubehörde bei der im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 16 StrG vorzunehmenden Interessenabwägung weitere Gesichtspunkte berücksichtigen, die mit dem Widmungszweck der Straße noch in einem sachlichen Zusammenhang stünden. Seien Straßen - wie hier - ausschließlich oder überwiegend dem Fußgängerverkehr gewidmet, sollten sie nach den Grundsätzen der kommunalen Planung über die Verkehrsfunktion hinaus auch anderen Zwecken, wie Kommunikation und Erholung, dienen, auf die bei Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gleichfalls zu achten sei. Gemessen an diesen Maßstäben hätte die Beklagte die beantragte Sondernutzungserlaubnis nicht aus den von ihr geltend gemachten Gründen versagen dürfen. Eine Behinderung des Verkehrs durch den beantragten Glühweinstand habe die Beklagte selbst nicht angenommen. Nicht sachgerecht sei es gewesen, den Kommunikationszweck der Fußgängerzone auf die wärmeren Jahreszeiten zu begrenzen. Entgegen der Auffassung der Beklagten finde Kommunikation in einer Fußgängerzone auch statt, wenn Glühwein und Bratwurst in der kälteren Jahreszeit stehend getrunken bzw verzehrt würden. Diese Erwägungen stünden weder mit straßenrechtlichen oder wegerechtlichen Gesichtspunkten noch mit dem Widmungszweck der S-Straße als Fußgängerzone in einem sachlichen Zusammenhang. Auch die von der Beklagten herangezogenen städtebaulichen und ästhetischen Belange vermöchten die Versagung der Sondernutzungserlaubnis nicht zu rechtfertigen. Für rein ästhetische Belange fehle bereits der Bezug zum Wegerecht und Straßenrecht. Hierauf komme es jedoch letztlich nicht an, denn die von der Beklagten hervorgehobene städtebauliche Situation in der unteren S-Straße und der Charakter dieses Straßenzuges würden durch die Zulassung eines Glühweinstandes an dieser Stelle nicht erheblich beeinträchtigt. Das Gericht könne bereits nicht feststellen, daß die Gestaltung des Straßenbildes im unteren Bereich der S-Straße auf einem planerischen Konzept der Beklagten beruhe, das keine "Unterbrechungen und Einschnitte" sowie "Einschränkungen des Blickfeldes" in Richtung K-Allee, Theater, Kolonnaden und Kurhaus zuließe. So werde schon derzeit, insbesondere im Bereich der Gaststätte der Klägerin, das Blickfeld eingeschränkt und die Sicht Richtung K-Allee dadurch erheblich erschwert und teilweise auch ausgeschlossen, da die S-Straße hier nicht gerade, sondern abgeknickt verlaufe. Hinzu kämen insbesondere im Sommer "Sichtbehinderungen" durch den vorhandenen Baumbestand und Pflanzkübel. Vor allem aber schränkten entgegen den Ausführungen der Beklagten die im Sommer zugelassenen Außenbewirtschaftungen in Form von Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen die zur Verfügung stehenden Freiflächen für den sonstigen Fußgängerverkehr ein. Eine andersartige oder weitergehende Einschränkung durch den Glühweinstand im Winter sei nicht erkennbar, zumal da die Klägerin den genauen Standort in Abstimmung mit der Beklagten festlegen wolle. Zudem solle der Glühweinstand nur für 2 Monate aufgestellt werden. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs 1 GG durch die angegriffenen Bescheide liege hingegen nicht vor, da die Beklagte im einzelnen zutreffend die unterschiedliche Situation in der "L Straße" gegenüber der S-Straße dargelegt habe.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 26.10.1995 zugestellte Urteil am 23.11.1995 Berufung eingelegt. Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. Oktober 1995 - 7 K 648/95 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Sie habe von dem ihr nach § 16 StrG eingeräumten Ermessen bisher dahingehend Gebrauch gemacht, Außenbewirtschaftungen von Gaststätten in Form des Verzehrs im Freien mit Sitzgelegenheiten zuzulassen, wobei die zum Verzehr verabreichten Speisen und Getränke nicht im Freien, sondern im Betriebsgebäude verzehrfertig zubereitet würden. Hiervon weiche die beantragte Sondernutzung grundsätzlich ab, da sie die Zubereitung der Speisen und Getränke auf der öffentlichen Straße selbst vorsehe. Dieses sei eine völlig andere Art von Sondernutzung. Zwischen beiden Arten dürfe sie differenzieren. Wesentlich hierfür sei insbesondere, daß gerade bei der Zubereitung der Speisen auf der Straße, etwa dem Grillen von Bratwürsten, erhebliche Geruchsbelästigungen in der Umgebung erfahrungsgemäß aufträten. Auch die Herstellung und der Verzehr von Glühwein führten zu ständigen Geruchsbelästigungen bei den angrenzenden Geschäften und Anwohnern. Es müsse ihr unbenommen bleiben, Sondernutzungserlaubnisse auf die bisher praktizierten Formen des Verzehrs in der Sommerzeit zu beschränken.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Feststellungsinteresses weist sie darauf hin, daß mittlerweile auch ihr neuerlicher Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Zeit vom 06.11. bis 31.12.1995 von der Beklagten abgelehnt worden sei, ebenso der für die Weihnachtszeit 1996. In der Sache sei die Ablehnung ihres Antrags ermessensfehlerhaft erfolgt. Die Beklagte habe eindeutig zu erkennen gegeben, daß letztlich maßgebend für ihre Ablehnungsentscheidung die Erwägung gewesen sei, daß bei der Zulassung des Vorhabens eine Vielzahl von entsprechenden Erlaubnisanträgen für Glühweinstände durch andere Gastronomiebetriebe auf sie zukämen; eine individuelle Ermessensabwägung habe daher nicht stattgefunden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe verstoße die angegriffene Entscheidung auch gegen Art 3 Abs 1 GG, da in ihrem Fall kein wesentlicher Unterschied zu dem genehmigten Vorhaben in der Lange Straße bestehe. Mit der Berufung habe die Beklagte nunmehr neue, bisher von ihr noch nicht geltend gemachte Gesichtspunkte vorgetragen, die im Verwaltungsprozeß für ihre Ermessensentscheidung nachzuschieben, ihr nach § 45 Abs 2 VwVfG nicht erlaubt sei. Im übrigen sei der Verweis auf die befürchteten Geruchsbelästigungen auch in der Sache unberechtigt, da die Beklagte vergleichbare Bedenken offenbar nicht bei dem genehmigten Würstchenstand gehabt habe. Die Unterscheidung zwischen Verzehr von nicht im Freien zubereiteten Speisen und Getränken gegenüber solchen, die im Freien zubereitet worden seien, sei nicht sachgerecht. Vor allem aber tauge dieses Kriterium nicht zur Ablehnung ihres Antrags. Sie habe lediglich eine Sondernutzungserlaubnis für den Verkauf von Würstchen und Glühwein beantragt; die Zubereitung solle in der hauseigenen Küche der Gaststätte erfolgen. Zudem sei nicht der Verkauf von Bratwürsten, sondern von Hot Dogs und Frankfurter Würstchen beabsichtigt.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Straßenbereich vor dem Anwesen der Klägerin und dessen Umgebung in Augenschein genommen; auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird verwiesen. In Wahrnehmung des ihr eingeräumten Nachschubrechts hat die Beklagte ihre Berufungsbegründung dahin ergänzt, daß die Ablehnung der beantragten Sondernutzungserlaubnis in Anwendung der vom Stadtentwicklungs- und Bauausschuß am 23.03.1982 beschlossenen Richtlinien zur Sondernutzung in den Fußgängerzonen der Stadt Baden-Baden erfolgt sei. Mit der Richtlinie hat die Beklagte zugleich Schriftwechsel mit verschiedenen anderen Firmen aus den Jahren 1981 bis 1995 vorgelegt, mit dem sie die ständige Anwendung dieser Richtlinien zu belegen sucht.

Dem Senat liegen die einschlägigen Behördenakten und Gerichtsakten vor; auf deren Inhalt wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Zu Recht hatte das Verwaltungsgericht der im Hinblick auf die offenkundige Wiederholungsgefahr zulässigen Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs 1 S 4 VwGO in entsprechender Anwendung) stattgegeben und festgestellt, daß die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung der begehrten Sondernutzungserlaubnis rechtswidrig abgelehnt hat. Auch der Senat ist der Auffassung, daß der Ablehnungsbescheid der Beklagten und der ihn bestätigende Widerspruchsbescheid ermessensfehlerhaft ergangen sind.

Die von der Klägerin in der Zeit vom 07.11. bis 31.12.1994 beabsichtigte Aufstellung eines Würstchenstandes und Glühweinstandes vor ihrem Anwesen in der Fußgängerzone wäre eine Nutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus gewesen, die als Sondernutzung der Erlaubnis der Beklagten bedurft hätte (§ 16 Abs 1 StrG). Dieses steht zwischen den Beteiligten außer Streit. Über die Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis entscheidet die Beklagte als Straßenbaubehörde nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 16 Abs 2 S 1 StrG).

Welche Gesichtspunkte bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 16 Abs 2 S 1 StrG im einzelnen berücksichtigt werden dürfen, steht im Grenzbereich zum unmittelbaren Straßenbezug seit Jahren in der Diskussion. In der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs geklärt ist die Zulässigkeit der Berücksichtigung von Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (VGH Bad-Württ, Beschl v 16.12.1993 - 1 S 1957/93 -, DÖV 1994, 568) sowie auch sonstiger unmittelbar auf den Straßengrund bezogener sachlicher Erwägungen (vgl Urt des Sen v 20.01.1994 - 5 S 695/93 -, NZV 1994, 455, mit der gleichen Grundaussage vgl auch BVerwG, Urt v 13.12.1974 - VII C 42.72 -, BVerwGE 47, 280 und BVerwG, Beschl v 12.08.1990 - 7 B 155.79 -, DÖV 1981, 226 sowie mwN Lorenz, Straßengesetz für Baden- Württemberg, § 16 RdNr 27; Schmidt, NVwZ 1985, 167/168). Darüber hinaus ist in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft weitgehend anerkannt, daß - insbesondere bei Fußgängerzonen - auch bauplanerische und baupflegerische Belange sachgerechte Ermessensgesichtspunkte bei der Entscheidung über Sondernutzungserlaubnisse sein können (BVerwG, Urt v 13.12.1974, aaO: "Verschandelung und Verschmutzung des Stadtbilds" und Schutz eines wertvollen historischen Stadtkerns; Hess VGH, Urt v 10.03.1981 - II OE 123/79 -, NVwZ 1983, 48 und Beschl v 03.04.1987 - 2 TG 911/87 -, NVwZ 1987, 902; OVG Münster, Beschl v 15.05.1987 - 22 B 878/87 -, NVwZ 1988, 269; vgl ferner Lorenz, aaO § 16 RdNr 28 und Grote, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 5. Aufl 1995, Kap 26 RdNr 14). Auch der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß der Schutz des Ortsbildes bei der Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis berücksichtigt werden darf (Beschl v 13.01.1987 - 5 S 33/87 -, VBlBW 1987, 310).

Insbesondere bei der Entscheidung über Sondernutzungserlaubnisse - wie hier - im Bereich von Fußgängerzonen eröffnet § 16 Abs 2 S 1 StrG nach Auffassung des Senats der Straßenbaubehörde ein Ermessen, das die Berücksichtigung städtebaulicher, einschließlich spezifisch baugestalterischer Belange gestattet, sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Dieser erweiterte Ermessensrahmen wird durch die vielfältigen Funktionen bedingt, denen Fußgängerzonen heute in den Gemeinden regelmäßig dienen. Die Fußgängerzonen sind wesentliches Instrument der Innenstadtgestaltung in verkehrlicher wie auch in städtebaulicher Hinsicht. Auch die bauliche Ausgestaltung und Ausstattung der Fußgängerzonen im einzelnen ist vielfach Ausfluß konkreter Gestaltungskonzepte der Kommunen mit dem Ziel, der jeweiligen Fußgängerzone eine bestimmte Ausstrahlungswirkung, ein spezifisches "Flair" zu verleihen. Sofern solche konzeptionellen Vorstellungen der Gemeinde vorhanden sind, dürfen sie bei der Entscheidung der Straßenbaubehörde über eine Sondernutzungserlaubnis nach Auffassung des Senats auch Berücksichtigung finden. Damit setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 22.07.1971 (V 916/68, NJW 1972, 837/839), auf das sich die Klägerin beruft, da die dortige Aussage, daß Gesichtspunkte der Ästhetik bei der Frage, ob eine Straßenbenutzung noch gemeinverträglich ist, außer Betracht zu bleiben hätten, gerade nicht den Fall einer Fußgängerzone betraf und im übrigen auch nicht entscheidungstragend war.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt für diesen Fall, daß es der Beklagten rechtlich grundsätzlich möglich ist, bei der Entscheidung über Sondernutzungserlaubnisse im Bereich der Fußgängerzone S-Straße in der Weise zu differenzieren, daß sie zwar Straßencafes und Wirtschaften zuläßt, Imbißstände, Würstchenbuden uä Stände hingegen generell nicht erlaubt, um ihre Vorstellung vom kurstädtischen Gepräge dieser Fußgängerzone umzusetzen. Daß dies das Ziel ihrer Entscheidungspraxis sei, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - erstmals - deutlich gemacht. Voraussetzung für die rechtliche Zulässigkeit einer solchen städtebaulich und baugestalterisch orientierten Ermessenspraxis bei der Entscheidung über Sondernutzungserlaubnisse ist jedoch, daß sie auf einer entsprechenden konzeptionellen Entscheidung der Gemeinde beruht und willkürfrei umgesetzt wird. Es bedarf hier keiner Entscheidung darüber, in welcher rechtlichen Form - Satzung, sonstiger Gemeinderatsbeschluß oder soweit nicht ermessensbindend (dazu sogleich unten) Grundsatzentscheidung des Bürgermeisters oder des zuständigen Amts - ein städtebauliches Konzept dieser Art legitimiert sein muß, um rechtsverbindlich zu sein. Denn der angegriffene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 22.11.1994 und der von ihr erlassene Widerspruchsbescheid vom 27.01.1995 sind nicht unter Berufung auf ein solches Konzept ergangen; auch im übrigen nennen die angefochtenen Bescheide keine tragfähigen Sachgründe für die Ablehnung der beantragten Sondernutzung. Dies ergibt sich im einzelnen aus folgendem:

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - erstmals - geltend gemacht, die Ablehnung der beantragten Sondernutzungserlaubnis beruhe auf der Umsetzung von im Jahre 1982 beschlossenen Ermessensrichtlinien über die Sondernutzung in den Fußgängerzonen, die von ihr in ständiger Verwaltungspraxis angewandt würden. In den angegriffenen Bescheiden ist von diesen Ermessensrichtlinien weder ausdrücklich noch der Sache nach die Rede. Der Senat kann offen lassen, ob ein solches Nachschieben von Ermessenserwägungen, wie es die Beklagte mit ihrer beschriebenen Einlassung im Berufungsverfahren versucht, zulässig wäre, denn die von der Beklagten herangezogenen Richtlinien sind ohnehin keine taugliche Grundlage für ihre Ermessensbetätigung. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist der Erlaß allgemeiner Richtlinien, welche die Ermessenspraxis der Gemeinde bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen im öffentlichen Straßenraum bestimmen sollen, kein Geschäft der laufenden Verwaltung und damit dem Gemeinderat vorbehalten (Urt v 27.02.1987 - 5 S 2185/86 -, VBlBW 1987, 344/346). Die Kriterien über die Zulassung von Sondernutzungen in den Fußgängerzonen, auf die sich die Beklagte als ermessensbindende Richtlinien beruft, wurden zunächst am 25.02.1982 vom Ordnungs- und Verkehrsausschuß der Beklagten und sodann in einer gemeinsamen Sitzung am 23.03.1982 vom Stadtentwicklungs- und Bauausschuß der Beklagten beschlossen. In diesen Richtlinien ist unter anderem festgelegt, daß in den Fußgängerzonen keine Sondernutzungserlaubnis für dem Gaststättenrecht unterliegende Waren erteilt werden soll (Nr 1); ausgenommen hiervon sollen Straßencafes und Gartenwirtschaften sein (Nr 8). Nach der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Hauptsatzung der Beklagten waren weder der Ordnungs- und Verkehrsausschuß noch der Stadtentwicklungsausschuß beschließende Ausschüsse des Gemeinderats. Der Bauausschuß war nach § 7 der Hauptsatzung nur zuständig für die Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte und Entscheidungsbefugnisse der Gemeinde aufgrund der Vorschriften des Bundesbaugesetzes und damit jedenfalls nicht für den Erlaß ermessensbindender Richtlinien im Straßennutzungsrecht. Da nicht vom hierfür zuständigen Organ beschlossen, sind die Richtlinien über die Sondernutzung in den Fußgängerzonen vom 25.02./23.03.1982 unwirksam. Beruhten die angefochtenen Bescheide der Beklagten, was sie nunmehr im Berufungsverfahren vorträgt, tatsächlich auf diesen Ermessensrichtlinien in der Annahme, hieran gebunden zu sein, wären sie schon deshalb wegen Ermessensausfalls rechtsfehlerhaft (so Urt d Sen v 27.02.1987, aaO, S 346).

Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte - dafür spricht immerhin der Umstand, daß weder im Ablehnungsbescheid noch im Widerspruchsbescheid die Richtlinien aus dem Jahre 1982 genannt werden und auch in der Sache nicht geltend gemacht wird, Straßencafes und Gartenwirtschaften seien zwar durchweg, der sonstige Verkauf von Speisen und Getränken hingegen generell nicht erlaubt -, muß es bei der vom Verwaltungsgericht festgestellten Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide verbleiben; denn die von der Beklagten hierfür ausdrücklich herangezogenen Ermessenserwägungen sind ihrerseits fehlerhaft.

Dies gilt zunächst für die von der Beklagten erstmals mit der Berufung vorgebrachten Erwägungen, sie lasse in ständiger Verwaltungspraxis generell nicht die Zubereitung von Speisen im Freien zu; auch träten durch den Würstchenstand und Glühweinstand Geruchsbelästigungen in der Umgebung auf. Dem hat die Klägerin unwidersprochen entgegengehalten, daß sie weder beantragt habe noch beabsichtige, Getränke oder Speisen auf der Straße zuzubereiten; dies sei vielmehr in den Räumen ihrer Gaststätte vorgesehen. Außerdem beabsichtige sie nicht, Bratwürste, sondern Frankfurter Würstchen und Hot Dogs anzubieten. Damit wird den Bedenken der Beklagten insoweit die Grundlage entzogen. Sind diese Erwägungen schon aus den genannten Gründen sachlich nicht gerechtfertigt, bedarf es keiner Entscheidung, ob sie, was die Klägerin bestreitet, im Berufungsverfahren noch mit Wirkung für die angegriffenen Bescheide nachgeschoben werden durften und inwieweit der Gesichtspunkt der Geruchsbelästigungen ein zulässiges Kriterium bei der Entscheidung über eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis ist.

Die von der Beklagten im Ablehnungsbescheid vom 22.11.1994 und im Widerspruchsbescheid vom 27.01.1995 angeführten einzelnen Versagungsgründe sind nach den eingehenden und zutreffenden Darlegungen des Verwaltungsgerichts in sich nicht schlüssig und damit sachwidrig. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 130b VwGO). Abweichend vom rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts hält der Senat entsprechend den hier entwickelten Grundsätzen allerdings prinzipiell auch ästhetische Gesichtspunkte für zulässige Ermessenskriterien im Rahmen eines Antrags auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach § 16 Abs 2 S 1 StrG, sofern sie einen gewissen straßenrechtlichen Bezug haben und auf einem städtebaulichen Konzept der Gemeinde zur Gestaltung und Nutzung der Fußgängerzone beruhen. Wie dargestellt, fehlt dies hier. Die isolierte Berufung der Beklagten auf die nach ihrer Auffassung gegebene Unvereinbarkeit des beabsichtigten Würstchenstandes und Glühweinstandes mit dem Stadtbild an dieser Stelle der S-Straße läßt ein solches Konzept gleichfalls nicht erkennen. Es wird auch nicht aus den von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Vergleichsfällen mit dem von ihr behaupteten Inhalt deutlich. Die dort ausgesprochenen Ablehnungen beantragter Sondernutzungserlaubnisse bringen an keiner Stelle zum Ausdruck, daß zwar Straßencafes und Gartenwirtschaften, aus städtebaulichen Gründen generell jedoch nicht Würstchenbuden, Imbißstände uä Einrichtungen zugelassen werden sollten. Der Hinweis der Beklagten im Widerspruchsbescheid auf Gründe des Stadtbildes kann sich mithin auch nicht auf eine entsprechende ständige Verwaltungspraxis stützen. Ob eine solche trotz Ungültigkeit der Richtlinien der Beklagten aus dem Jahre 1982 die Ablehnung tragen könnte, braucht der Senat daher gleichfalls nicht zu entscheiden.

Dem Verwaltungsgericht ist schließlich auch insoweit zuzustimmen, als es entgegen den Einwendungen der Klägerin keinen Gleichheitsverstoß darin gesehen hat, daß die Beklagte in einem Einzelfall in der Lange Straße eine Sondernutzungserlaubnis zum Verkauf von Bratwürsten und heißen Würstchen aus einem "Schwarzwaldhäuschen" vor dem zugehörigen Metzgereigeschäft erteilt hat. Abgesehen davon, daß der Charakter der Fußgängerzone an dieser Stelle in der Lange Straße, worauf sich auch die Beklagte beruft, nicht der der S-Straße vor dem Geschäftslokal der Klägerin gleicht - hiervon konnte sich der Senat bei Einnahme des Augenscheins in der mündlichen Verhandlung überzeugen -, ist der Sachverhalt dieses "Berufungsfalls" auch deshalb nicht mit dem der Klägerin vergleichbar, weil in jenem Einzelfall Sondernutzungserlaubnisse bereits seit dem Jahre 1976 fortlaufend erteilt werden und ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Vermerks vom 18.10.1983 auch schon in den Jahren zuvor vor Einrichtung der Fußgängerzone entsprechende Erlaubnisse für die Vorweihnachtszeit erteilt wurden. Der Inhaber der Metzgerei konnte sich daher zu dem bei der Entscheidung über den Antrag der Klägerin maßgeblichen Zeitpunkt bereits auf einen gewissen Bestandsschutz berufen.