VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.11.1995 - 6 S 3171/94
Fundstelle
openJur 2013, 9876
  • Rkr:

1. Zulässiger Streitgegenstand der Untätigkeitsklage ist ein Begehren auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nur hinsichtlich der Zeiträume, für welche die Behörde im Zeitpunkt der Klageerhebung im Sinne des § 75 VwGO untätig war, die also im Regelfalle länger als drei Monate zurückliegen. Dieser zulässige Streitgegenstand wird hinsichtlich späterer Zeiträume auch durch weiteren Zeitablauf nicht - sukzessive - erweitert (im Anschluß an BVerwGE 66, 342).

2. Allerdings können solche späteren Zeiträume im Wege der Klageerweiterung in den anhängigen Rechtsstreit einbezogen werden. Dafür müssen die Voraussetzungen des § 91 VwGO vorliegen; und die Klage muß auch hinsichtlich des weiteren Zeitraums zulässig sein.

3. Es ist im Regelfalle nicht im Sinne des § 91 VwGO sachdienlich, wenn das Gericht die nachgängige Überprüfung der Verwaltungstätigkeit der Behörde verläßt und den Sozialhilfefall erstmals selbst zu regeln sucht.

4. Der Anwendung von § 122 S 1 BSHG steht nicht entgegen, daß ein Partner der eheähnlichen Lebensgemeinschaft noch anderweitig verheiratet ist.

Gründe

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluß zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zuvor gehört worden (§ 130a VwGO).

Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen (§ 113 Abs. 5 VwGO).

I. 1. Wie schon in der ersten Instanz, so hat der Kläger auch im Berufungsrechtszug einen in zeitlicher Hinsicht unbestimmten Antrag gestellt: Er begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt "ab Februar 1993", aber ohne einen Endzeitpunkt zu benennen. Das Verwaltungsgericht hat dieses Begehren hinsichtlich des Zeitraums zwischen dem 01.02.1993 und dem Tag seiner eigenen mündlichen Verhandlung am 01.09.1994 als zulässig, hinsichtlich des späteren Zeitraums hingegen als unzulässig angesehen. Da der Kläger sich gegen die letztere Würdigung nicht wendet, nimmt der Senat an, der Kläger verfolge das vom Verwaltungsgericht als unzulässig angesehene Begehren nicht weiter. Dafür spricht auch, daß die in erster Instanz noch benutzte Wendung "bis auf weiteres" im Berufungsantrag fehlt. Eine andere - gegenständlich weitere - Fassung des Berufungsantrags wäre zudem nicht sachdienlich (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO), da die Klage insoweit tatsächlich unzulässig wäre, wie sich aus dem Nachstehenden ergibt.

2. Die zeitlich so umgrenzte Klage ist nur hinsichtlich des Zeitraums vom 01.02.1993 bis zum 20.07.1993 zulässig, im übrigen aber unzulässig.

a) Der Kläger hat die vorliegende Klage am 09.07.1993 erhoben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte den Antrag auf weitere Hilfegewährung vom 03.02.1993 noch nicht beschieden, der Kläger demzufolge auch noch kein Vorverfahren durchgeführt (§ 68 Abs. 2 VwGO, § 114 Abs. 2 BSHG). Die Klage war gleichwohl nach § 75 VwGO zulässig, soweit sie den Zeitraum vom 01.02.1993 bis zum 09.04.1993 (drei Monate vor Klageerhebung) betrifft; denn hinsichtlich dieses Zeitraums war der Beklagte bei Klageerhebung länger als die dreimonatige Regelfrist des § 75 Satz 2 VwGO untätig geblieben, ohne dem Verwaltungsgericht hierfür zureichende Gründe zu nennen. An der Zulässigkeit der Klage als Untätigkeitsklage für diesen Zeitraum änderte auch der spätere Erlaß des Bescheides vom 20.07.1993 nichts; da das Verwaltungsgericht nicht nach § 75 Satz 3 VwGO verfahren war, brauchte der Kläger - bevor er seinen Klagantrag auch auf Aufhebung dieses Bescheides richten durfte - nicht noch ein Vorverfahren durchzuführen (BVerwG, Urt. vom 13.01.1983 - 5 C 114.81 -, BVerwGE 66, 342 (344)). Daß er gleichwohl Widerspruch einlegte, ist hierfür unschädlich.

Für die Zeit nach dem 09.04.1993 war die Klage ursprünglich - als "Klage auf Vorrat" - unzulässig (BVerwG a.a.O. (344 f.)). Sie wurde auch nicht durch Zeitablauf späterhin - etwa sukzessive um immer weitere Zeitabschnitte - zulässig. Die Hilfe zum Lebensunterhalt ist keine rentengleiche Dauerleistung mit Versorgungscharakter, sondern Hilfe in einer gegenwärtigen Notlage. Daher kommt nur eine zeitabschnittsweise Hilfegewährung in Betracht, bei laufender Hilfe zum Lebensunterhalt im Regelfalle in Zeitabschnitten von jeweils einem Monat. Die Voraussetzungen hierfür sind stets neu zu prüfen. Das obliegt den Sozialhilfebehörden. Das Gericht ist zwar imstande, die Rechtskontrolle über die Tätigkeit des Sozialhilfeträgers auszuüben, kann aber nicht den Sozialhilfefall selbst weiter unter Kontrolle halten. Daraus folgt, daß das Gericht die Entwicklung des Sozialhilfefalls nach Erlaß des letzten behördlichen Bescheids grundsätzlich außer acht zu lassen hat (vgl. BVerwG, Urt. vom 30.11.1966 - V C 29.66 -, BVerwGE 25, 307 (309); st. Rspr.). Diese Grundsätze gelten nicht nur für den Regelfall, in dem das Hilfebegehren von der Behörde verbeschieden und ein Vorverfahren durchgeführt wurde, ehe Klage erhoben wird. Sie finden vielmehr auch in den besonderen Fällen Anwendung, in denen § 75 VwGO die Klage abweichend von § 68 VwGO für zulässig erklärt. Zulässiger Streitgegenstand der Untätigkeitsklage ist ein Begehren auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt damit nur hinsichtlich der Zeiträume, für welche die Behörde im Zeitpunkt der Klageerhebung im Sinne des § 75 VwGO untätig war, die also im Regelfalle länger als drei Monate zurückliegen (BVerwGE 66, 342 a.a.O.; vgl. - für die Untätigkeitsklage auf einmalige Hilfen - OVG Münster, Urt. vom 26.10.1987 - 8 A 2385/86 -, FEVS 37, 458 (459 f.), sowie LPK-BSHG, 4. Aufl. 1994, Anh. Rdnr. 91). Dieser zulässige Streitgegenstand wird hinsichtlich späterer Zeiträume auch durch weiteren Zeitablauf nicht - sukzessive - erweitert.

b) Allerdings können im Wege der Klageerweiterung während des anhängigen Rechtsstreits auch solche späteren Zeiträume in den Prozeß einbezogen werden. Dafür müssen freilich zum einen die Voraussetzungen des § 91 VwGO vorliegen; das läßt sich auch nicht dadurch umgehen, daß der Kläger von vornherein eine - wie gezeigt: unzulässige - "Klage auf Vorrat" erhebt. Zum anderen muß die Klage auch hinsichtlich des weiteren Zeitraums zulässig sein (vgl. BVerwG, Urt. vom 16.01.1986 - 5 C 36/84 -, NDV 1986, 291 (292)).

Das ist für die Zeit vom 10.04.1993 bis zum 20.07.1993 anzunehmen. Am 20.07.1993 hat der Beklagte den Sozialhilfefall des Klägers bis zu diesem Tage geregelt. Diesen Zeitraum in den bereits anhängigen Rechtsstreit im Wege der Klageerweiterung einzubeziehen, war - schon wegen der zeitlichen Nähe zur Klageerhebung - sachdienlich. Die Klage war im Zeitpunkt der Einbeziehung - welche erst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 01.09.1994 erfolgte - auch zulässig, obwohl der Beklagte den vom Kläger rechtzeitig eingelegten Widerspruch nicht beschieden hatte (§ 75 VwGO).

Die vorbeschriebenen Voraussetzungen sind jedoch hinsichtlich der nach dem 20.07.1993 gelegenen Zeit nicht erfüllt. Insoweit hat der Beklagte keine Verwaltungsentscheidung getroffen, den Sozialhilfefall also nicht geregelt. Es ist aber regelmäßig nicht im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich, wenn das Gericht die nachgängige Überprüfung der Verwaltungstätigkeit der Behörde verläßt und den Sozialhilfefall erstmals selbst zu regeln sucht (vgl. ebenso Rotter, ZfSH/SGB 1983, 209). Der Beklagte hat sich auch nicht im Sinne des § 91 Abs. 2 VwGO widerspruchslos auf die erweiterte Klage eingelassen. Er hat vielmehr noch im Schriftsatz vom 01.08.1994 darauf hingewiesen, daß er - wie schon im Bescheid vom 20.07.1993 - auch in der Klageerwiderung vom 27.01.1994 den Kläger zur Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert, jedoch keine hinreichende Antwort erhalten habe, so daß ihm unmöglich sei, "irgend eine Berechnung der Hilfebedürftigkeit vorzunehmen oder Hilfebedürftigkeit festzustellen". Damit hat er es abgelehnt, auf die Frage der Berechtigung des klägerischen Sozialhilfebegehrens für die Zeit nach dem 20.07.1993 sachlich einzugehen. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 01.09.1994 ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte diese Haltung geändert hätte. Dann aber ist § 91 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt gewesen; die Klageerweiterung war insoweit unzulässig. Im übrigen lägen insoweit auch die Voraussetzungen des § 75 VwGO für eine Klageerhebung ohne Bescheid und Vorverfahren nicht vor; denn der Beklagte hatte infolge der unzureichenden Mitwirkung des Klägers für seine Untätigkeit guten Grund.

c) Soweit die Klage nach dem Vorstehenden unzulässig ist, mußte sie schon deswegen abgewiesen werden. Dem Kläger entstehen daraus keine unbilligen Nachteile. Insbesondere braucht er nicht zu befürchten, mit seinem Hilfebegehren für die hiernach nicht zulässigerweise streitbefangenen Zeiträume vom Beklagten allein deswegen abgewiesen zu werden. Ein Sozialhilfeträger hat nämlich eine gerichtliche Entscheidung, die einen bestimmten zurückliegenden Zeitraum betrifft, nicht nur hinsichtlich dieses Zeitraums, sondern - sofern sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände nicht ändern - auch für nachfolgende Zeitabschnitte zu beachten (vgl. BVerwG, Urt. vom 29.09.1971 - V C 110.70 -, BVerwGE 38, 299 (301 f.); st. Rspr.).

II. Soweit die Klage nach dem Vorstehenden zulässig ist, ist sie unbegründet. Dem Kläger steht der behauptete Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt - einschließlich der Kosten der Unterkunft - für die Zeit vom 01.02.1993 bis zum 20.07.1993 nicht zu.

Der Senat läßt dabei dahinstehen, ob der Kläger - stellt man allein auf ihn ab - in dieser Zeit im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG bedürftig war; anders als offenbar das Verwaltungsgericht vermag sich der Senat aus den vom Kläger bislang im Verfahren vorgelegten Unterlagen sowie aus dem Ergebnis der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme - die freilich vornehmlich auf anderes zielte - hiervon nicht zu überzeugen (vgl. auch den in dieser Sache ergangenen Eilbeschluß des Senats vom 15.10.1993 - 6 S 2174/93 -). Ebenso läßt der Senat offen, ob der Beklagte zur Versagung der begehrten Hilfe schon nach § 66 SGB I berechtigt war, weil der Kläger - trotz Aufforderung und Belehrung - seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten bei der Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich seiner Bedürftigkeit, nicht hinreichend nachgekommen war.

Zur Abweisung der Klage führt jedenfalls die Anwendung von § 122 Satz 1 BSHG. Nach dieser Vorschrift dürfen Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfanges der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden als Ehegatten.

1. Der Kläger hat eingeräumt, mit Frau Z. in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Er hat dies freilich erst auf die Zeit nach Januar, Februar 1994 bezogen. Ebenso wie das Verwaltungsgericht ist der Senat jedoch davon überzeugt, daß die eheähnliche Lebensgemeinschaft bereits seit Herbst 1992 bestand. Der Kläger ist spätestens im November 1992 zu Frau Z. gezogen und hat dort nur pro forma eine abgeschlossene Wohnung angemietet, tatsächlich jedoch die Wohnräume von Frau Z. mitbenutzt. Er hat mit Frau Z. auch eine Wirtschaftsgemeinschaft gebildet; die 500 DM, die er allmonatlich über sie erhalten haben will, stellten ersichtlich nur eine Art Taschengeld zur eigenen Verwendung dar, während man im übrigen gemeinsam wirtschaftete. Schließlich sahen sich beide auch - im Sinne der neueren Rechtsprechung (BVerfG, Urt. vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 -, BVerfGE 87, 234 (263 ff.); BVerwG, Urt. vom 17.05.1995 - 5 C 16.93 -, DÖV 1995, 865; vgl. auch schon Senat, Beschl. vom 14.03.1995 - 6 S 37/95 -, sowie vom 05.10.1995 - 6 S 2359/95 -) - in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft füreinander. Das zeigt sich nicht nur darin, daß Frau Z. - und ihr Vater - den Kläger finanziell unterstützten, was bei einem bloßen Mietverhältnis - selbst wenn man sich "gut verstand" - keineswegs üblich ist. Daß die Unterstützung nur darlehensweise erfolgt sei, nimmt der Senat dem Kläger und den Zeugen Frau Z. und deren Vater ebensowenig ab wie das Verwaltungsgericht. Es zeigt sich auch darin, daß beide sich in ihren wirtschaftlichen und beruflichen Ambitionen wechselseitig nicht nur jeweils außenstehend-beratend unterstützt haben. Es wird schließlich darin deutlich, daß sie geschlechtliche Beziehungen unterhalten haben, die im Februar 1994 zur Geburt eines gemeinsamen Kindes führten. All das hat das Verwaltungsgericht - in Würdigung der vorliegenden Beweismittel - im einzelnen dargelegt; der Senat macht sich dies zu eigen und sieht daher von eigenen weiteren Ausführungen ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

2. Haben der Kläger und Frau Z. aber schon während des hier streitbefangenen Zeitraums eine eheähnliche Lebensgemeinschaft unterhalten, so führt dies zur Anwendung von § 122 Satz 1 BSHG. Dem steht nicht entgegen, daß Frau Z. zu dieser Zeit noch anderweit - mit Herrn Dr. Z. - verheiratet war.

Allerdings kommt eine Anwendung von § 122 Satz 1 BSHG nur auf Personen in Betracht, die miteinander auch verheiratet sein könnten. Hierfür kommt es jedoch nur auf die grundsätzliche rechtliche Möglichkeit der Eheschließung an; ausgeschlossen werden damit Partnerschaften zwischen Personen gleichen Geschlechts oder zwischen Verwandten, die von Rechts wegen nicht heiraten dürfen (vgl. § 4 EheG). Ob eine Eheschließung, die hiernach grundsätzlich möglich wäre, dem einen Partner - oder beiden - derzeit (noch) wegen des Bigamieverbots (§ 5 EheG) verwehrt ist, wird hierdurch nicht ausgeschlossen (vgl. BSG, Urt. vom 24.03.1988 - 7 RAr 81/86 -, FEVS 38, 334 (337); ungenau zitiert von OVG Hamburg, Beschluß vom 22.03.1990 - Bs IV 92/90 -, ZfSH/SGB 1990, 428 (428 f.), sowie Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Stand Okt. 1993, Rdnr. 6 zu § 122).

Eheähnliche Lebensgemeinschaften auch (noch) anderweit verheirateter Personen einzubeziehen, wird vom Zweck des § 122 Satz 1 BSHG gefordert. Dieser Zweck ist mit dem Hinweis, eheähnliche Lebensgemeinschaften sollten gegenüber Ehen nicht besser gestellt werden (Oestreicher/Schelter/Kunz a.a.O., Rdnr. 2 zu § 122; Mergler/Zink/Dahlinger, BSHG, Stand Juli 1995, Rdnr. 2 zu § 122), nur unvollständig bezeichnet. Der Vergleich mit Ehen erfolgt vielmehr mit Blick auf den sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz (§ 2 Abs. 1 BSHG; vgl. LPK-BSHG, 4. Aufl. 1994, Rdnr. 1 zu § 122). Es widerspräche dem Gedanken des sozialen Rechtsstaats, wenn Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, in Fällen in Anspruch genommen werden könnten, in denen wirkliche Bedürftigkeit nicht vorliegt (BVerwG, Urt. vom 27.02.1963 - V C 105.61 -, BVerwGE 15, 306 (313); vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 14. Aufl. 1993, Rdnr. 2 zu § 122). Hierfür kommt es aber nicht auf das formale Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe, sondern allein auf das Vorliegen einer tatsächlichen Einstandsgemeinschaft zusammenlebender Partner an. Dementsprechend werden Eheleute nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG auch nur als eine Bedarfsgemeinschaft angesehen, solange sie nicht getrennt leben.

An das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auch dann Rechtswirkungen zu knüpfen, wenn der eine der Partner anderweitig verheiratet ist, stellt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG nicht dar. Allerdings genießt die Ehe auch getrennt lebender Ehegatten verfassungsrechtlichen Schutz. In die bestehende Ehe des einen Partners der eheähnlichen Lebensgemeinschaft wird durch die Anwendung von § 122 BSHG jedoch nicht eingegriffen. Richtig ist, daß die eheähnliche Lebensgemeinschaft als solche die anderweit bestehende Ehe des verheirateten Partners stört; es wäre rechtlich unzulässig, würde der Staat diese Störung herbeiführen oder begünstigen und damit die Trennung der Eheleute bestärken oder vertiefen. Durch die Anwendung des § 122 BSHG wird die eheähnliche Lebensgemeinschaft des Verheirateten jedoch weder herbeigeführt noch begünstigt. Diese Anwendung ist nicht die Ursache, sondern eine rechtliche Folge des eheähnlichen Zusammenlebens. Seine Fortsetzung unterliegt unverändert allein der freien Entscheidung der Partner.

Auch in die Ehewirkungen wird nicht eingegriffen. Richtig ist, daß der dritte Ehegatte dem mit ihm verheirateten Partner der eheähnlichen Lebensgemeinschaft ehelichen Unterhalt (Getrenntlebendenunterhalt) schuldet (§ 1361 BGB) und daß die Anwendung von § 122 BSHG dazu führen kann, daß der andere Partner der eheähnlichen Lebensgemeinschaft daran partizipiert. Soweit dies im Einzelfall als unbillig erscheinen sollte, kann der Unterhaltspflichtige seine Zahlungen jedoch herabsetzen (§ 1361 Abs. 3, § 1579 Nr. 7 BGB), ohne daß der Sozialhilfeträger dies verhindern könnte. Daraus wird ersichtlich, daß § 122 BSHG auch insoweit nur an gegebene Umstände anknüpft, diese aber selbst nicht erst herbeiführt. Ein weitergehender Schutz des unterhaltspflichtigen Ehegatten ist von Art. 6 Abs. 1 GG nicht geboten.

3. Die Anwendung von § 122 Satz 1 BSHG führt im vorliegenden Fall zur Abweisung der Klage. Für die Ermittlung der Bedürftigkeit des Klägers muß nämlich Frau Z. mit ihrem gesamten Einkommen und Vermögen im Sinne einer Bedarfsgemeinschaft nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG einbezogen werden (Senat, Beschluß vom 05.10.1995 - 6 S 2359/95 - m.w.N.). Das aber führt dazu, daß auch der Kläger seinen Bedarf ohne Inanspruchnahme von Mitteln der Sozialhilfe decken kann. Dabei geht der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht davon aus, daß Frau Z. zwar über erhebliches Vermögen verfügt, dieses aber über seinen wirtschaftlichen Wert hinaus belastet ist und der eigenen Verwertung durch Frau Z. auch deshalb nicht unterliegt, weil darüber die Zwangsversteigerung angeordnet ist. Frau Z. verfügte jedoch im hier maßgeblichen Zeitraum über hinreichende Einkünfte, um sowohl sich und ihre (damals) drei Kinder als auch den Kläger zu ernähren. Hierfür ist gleichgültig, daß diese Einkünfte nicht aus eigener Erwerbstätigkeit der Frau Z. stammten, sondern - hinsichtlich der Kinder - aus den Unterhaltszahlungen des Dr. Z. und im übrigen aus freiwilligen Zuwendungen ihres Vaters, des Zeugen K., der seiner Tochter nach eigenem Bekunden im Jahre 1993 (wenigstens) 50.000 DM zur Verfügung stellte. Daß dieser Betrag den Bedarf der Frau Z. und des Klägers sowie den durch den Kindesunterhalt nicht gedeckten Bedarf der Kinder ausreichend befriedigte, hat auch der Kläger nicht in Zweifel gezogen.

Er hat im Berufungsverfahren allerdings vorgetragen, die erwähnte Zahlung des Zeugen K. hätte nicht der Befriedigung des Lebensbedarfs seiner Tochter gedient, sondern sei zur Begleichung erheblicher Prozeßkosten bestimmt gewesen. Das hat der Kläger indes nicht nachzuweisen vermocht; der Senat ist vielmehr vom Gegenteil überzeugt. Richtig scheint zu sein, daß Frau Z. bei ihren früheren Prozeßbevollmächtigten, den Rechtsanwälten M. und Partner, erhebliche Schulden aus diversen Rechtsstreitigkeiten hat. Mit diesen Anwälten ist indes vereinbart, daß von den über deren Konten erfolgenden Unterhaltszahlungen des Dr. Z. nur der Kindesunterhalt an Frau Z. ausbezahlt wird, während der Getrenntlebendenunterhalt in Höhe von 3.000 DM monatlich zur Rückführung der genannten Schulden einbehalten wird. Ergänzend heißt es, der Lebensunterhalt der Frau Z. sei durch dieses Verfahren nicht gefährdet, weil sie ja von ihrem Vater großzügig unterstützt werde (vgl. Schreiben der Rechtsanwälte M. u.a. an Frau Z. vom 22.12.1992, AS 915 der Sozialhilfeakte des Beklagten). In diesem Sinne wurden die verschiedenen Zahlungsbewegungen auch von den Zeugen Frau Z. Herr Dr. Z. und Herr K. vor dem Verwaltungsgericht geschildert.

Nach allem mußte die Berufung zurückgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 VwGO. Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 4, § 132 Abs. 2 VwGO), bestand nicht.