Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 28.02.2012 - 1 PA 143/11
Fundstelle
openJur 2012, 52612
  • Rkr:

Der Umstand, dass die Behörde ihren aus der Ersatzvornahme resultierenden Erstattungsanspruch ggfs. nicht wird gegen den Antragsteller durchsetzen können, macht die Ersatzmaßnahme nicht unverhältnismäßig. Andernfalls müsste sie die Einhaltung der Rechtsordnung alleinig davon abhängig machen, ob die Verpflichteten zahlungsfähig bzw. -bereit sind.

Gründe

Das Verwaltungsgericht hat eine für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers, soweit es die (erneute) Androhung der Beseitigung des Wochenendhauses einschließlich seiner Einzäunung im Wege der Ersatzvorname und die sofortige Vollziehung der Räumungsanordnung betrifft, im Sinne des § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO zu Recht verneint. Der Senat macht sich gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses zu Eigen und verweist auf sie. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist das Folgende zu ergänzen:

Das Vorbringen,

das Verwaltungsgericht hätte die vom Antragsgegner im Rahmen des § 89 Abs. 1 NBauO zu treffende Ermessensentscheidung nicht in ausreichendem Maße gewürdigt (Beschwerdebegründung vom 9. September 2011, Seite 1),

ist bereits nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung in Frage zu stellen. Denn für die Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Androhung der Ersatzvornahme bezüglich des Wochenendhauses und der Einzäunung ist es ohne Belang, ob der Antragsgegner die Beseitigung mit Bescheid vom 14. März 2002 zu Recht angeordnet hat. Nach §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 1, 66 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) kann die Verwaltungsbehörde, wenn die in einem bestandskräftigen geregelte Verpflichtung, eine vertretbare Handlung vorzunehmen, nicht erfüllt wird, im Wege der Ersatzvornahme die Handlung selbst ausführen oder eine andere Person mit der Ausführung beauftragen. Die Vollstreckungsvoraussetzungen sind hier erfüllt, insbesondere ist die Beseitigungsanordnung vom 14. März 2002 bestandskräftig geworden, weil der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid Klage nicht erhoben hat. Einer gesonderten Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Beseitigungsanordnung bedarf es daher nicht.

Ungeachtet dessen trifft das Vorbringen des Antragstellers auch in der Sache nicht zu. Die von dem Verwaltungsgericht zum Ermessen auf den Seiten 5 und 6 des Urteilabdrucks angestellten Erwägungen stehen im Einklang mit den Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht an die von der Behörde gemäß § 89 NBauO vorzunehmende Ermessensentscheidung stellt. Danach "[ist] die gerichtlich zu überprüfende Ermessensentscheidung nicht fehlerhaft, wenn es wie bei der Bauaufsicht um die Einhaltung der Rechtsordnung geht und es gilt, das Ausnutzen von Rechtsmitteln in aussichtslosen Fällen als Verzögerungstaktik zu verhindern. Baurechtswidrige Anlagen sind grundsätzlich zu beseitigen (BVerwG, Beschl. v. 28. August 1980 - 4 B 67.80 -, BRS 36 Nr. 93 = juris Rn. 6; Nds. OVG, Beschl. v. 31. August 1993 - 6 M 3482/93 -, BRS 55 Nr. 206 = NdsRpfl 1993, 303 = juris Rn. 7)". Die Bauaufsichtsbehörde hat in Fällen dieser Art daher auch bei grundsätzlicher Eröffnung von Ermessen praktisch ausnahmslos die Beseitigung der unzulässigen Werbeanlagen anzuordnen (Nds. OVG, Beschl. v. 19. Mai 2010 - 1 ME 81/10 -, BRS 76 Nr. 141 = NdsVBl 2010, 302 = juris Rn. 8). Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde bei baurechtswidrigen Zuständen in der Regel im Sinne eines Einschreitens reduziert sei. Auch hat es zu Recht festgestellt, dass die Ermessensentscheidung nicht fehlerhaft ist, weil die Anordnung der Beseitigung eines baurechtswidrigen Zustandes diene.

Auch soweit der Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der bestandskräftigen Beseitigungsanordnung vom 14. März 2002 sinngemäß anführt,

es müsse hier abweichend von dem Grundsatz, dass baurechtswidrig errichtete Gebäude zu entfernen seien, ausnahmsweise eine "Einzelfallbetrachtung" vorgenommen werden (Beschwerdebegründungen vom 9. September 2011, Seite 2, und vom 7. November 2011, Seite 2),

trifft dies in der Sache nicht zu. Der Antragsgegner hätte bei Erlass seiner Beseitigungsanordnung vom 14. März 2002 nur dann besondere Umstände des Einzelfalls würdigen müssen, wenn ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte dafür sprächen, hier ausnahmsweise eine Duldung des rechtswidrigen Zustandes in Kauf zu nehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28. August 1980 - 4 B 67.80 -, a.a.O.; Nds. OVG, Urt. v. 8. September 2010 - 1 KN 129/07 -, BauR 2011, 1131-1138 = DVBl 2010, 1381-1385 = juris Rn. 309; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl. 2006, § 89 Rdnr. 51). Derartige Anhaltspunkte liegen jedoch nicht vor. Das pauschale Vorbringen des Antragstellers,

das Verwaltungsgericht hätte "Ausführungen" zur "konkreten Lage des Wochenendhauses" und die "insoweit […] gegebenen besonderen Umstände an[zu]stellen müssen (Beschwerdebegründung vom 9. September 2011, Seite 2)",

ist bereits nicht derart konkretisiert, dass es eine ausnahmsweise in Kauf zu nehmende Duldung eines rechtswidrigen Zustandes hätte rechtfertigen können.

Ferner dringt der Antragsteller mit seiner Rüge,

es "wirkt […] mehr als unverständlich, wenn der Landkreis Kosten für die Ersatzvornahme in Höhe von ca. 30.000,00 € aufwenden will […] (Beschwerdebegründung vom 7. November 2011, Seite 2)",

13nicht durch. Denn der Antragsteller kann diesen Kostenaspekt nicht als eigenen, privaten Belang gegen die Verhältnismäßigkeit der Ersatzvornahme ins Feld führen. Die Androhung der Ersatzvornahme war insbesondere geeignet und erforderlich, weil sich die mit Bescheiden vom 14. März 2002 und 18. November 2008 erfolgte Festsetzung von Zwangsgeldern als untunlich erwiesen haben. Der Umstand, dass der Antragsgegner seinen aus der Ersatzvornahme resultierenden Erstattungsanspruch ggfs. nicht wird gegen den Antragsteller durchsetzen können, macht die Ersatzmaßnahme nicht unverhältnismäßig. Andernfalls müsste der Antragsgegner die Einhaltung der Rechtsordnung allein davon abhängig machen, ob die Verpflichteten zahlungsfähig bzw. -bereit sind.

Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der Räumung des Wochenendhauses besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse. Es liegt im besonderen öffentlichen Interesse, dass offensichtlich illegal errichtete Baulichkeiten im Außenbereich, von denen - wie von Wochenendhäusern - typischerweise die Gefahr einer Breiten- und Nachahmungswirkung ausgeht, unverzüglich beseitigt werden (Nds. OVG, Beschl. v. 31. August 1993 - 6 M 3482/93 -, BRS 55 Nr. 206; OVG Lüneburg, Beschl. v. 5. April 1965 - I B 83/64 -, BRS 16 Nr. 120; Hessischer VGH, Beschl. v. 29. Mai 1985 - 3 TH 815/85 -, BRS 44 Nr. 206 = DÖV 1986, 79). Ob hier eine Gefahr der Breiten- und Nachahmungswirkung ausgeschlossen ist, weil das Wochenendhaus des Antragstellers im Wald steht, bedarf keiner Entscheidung. Denn der Antragsgegner hätte jedenfalls ein für sofort vollziehbares Nutzungsverbot aus besonderen öffentlichen Interessen aussprechen dürfen, weil die Errichtung des Wochenendhauses zumindest formell offensichtlich rechtswidrig ist (vgl. OVG des Saarlandes, Beschl. v. 6. Januar 2012 - 2 B 400/11 -, juris Leitsatz). Da das Vorhalten von Wohnungseinrichtungsgegenständen Teil der Nutzung des Wochenendhauses ist, ist auch die Anordnung, bewegliche Sachen aus dem Wochenendhaus zu entfernen, rechtmäßig (Bayerischer VGH, Urt. v. 19. November 2007 - 25 B 05.12 -, BRS 71 Nr. 189 = BauR 2008, 1598 = juris Rn. 23, 24). Die Rüge des Antragstellers,

der Antragsgegner hätte eine von seinem Wochenendhaus ausgehende "Gefahr", den "Vorbildcharakter" bzw. "die Vorbildwirkung konkret und im Einzelfall darlegen müssen (Beschwerdebegründung vom 7. November 2011, Seite 2)",

greift daher nicht durch.

Der Antragsteller kann das öffentliche Interesse an der Räumung des Gebäudes auch nicht mit seinem Vorbringen,

"die Beseitigung des Wochenendhauses liegt nicht im öffentlichen Interesse ("Beschwerdebegründungen vom 9. September 2011, Seite 2, und vom 7. November 2011, Seite 1)", weil der Antragsgegner den baurechtswidrigen Zustand "über Jahrzehnte hinweg geduldet hat" und das Wochenendhaus "zudem (nur) noch einige Jahre nutzbar" sei (Beschwerdebegründung vom 7. November 2011, Seite 1),

in Frage stellen. Denn der Antragsgegner darf dem Recht selbst dann Geltung verschaffen, wenn er zunächst nicht gegen den illegalen Bau des Antragstellers vorgegangen ist. Etwas anderes gilt nur, sofern der Antragsteller darauf vertrauen durfte, von der Beseitigung seines baurechtswidrig errichteten Wochenendhauses verschont zu bleiben. Einen das Ermessen bindenden Vertrauenstatbestand hat der Antragsgegner jedoch nicht geschaffen. Der Beklagte hat ein derartiges Vertrauen nicht bereits durch den Ablauf eines Zeitraumes von 37 Jahren zwischen der Eigentumsbegründung durch den Antragsteller im Jahr 1960 und dem Zeitpunkt des Einschreitens im Jahr 1997 begründet (vgl. OVG des Saarlandes, Beschl. v. 6. Januar 2012 - 2 B 400/11 -, a.a.O.). Auch ist durch eine Auskunft der Gemeinde C., dass das Wochenendhaus baurechtlich geduldet werde, ein schutzwürdiges Vertrauen nicht entstanden. Denn diese "Duldung" der Gemeinde ist - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat (UA, Seite 6) - dem Antragsgegner als der zuständigen Bauordnungsbehörde nicht zuzurechnen (vgl. Hessischer VGH, Urt. v. 7. Juni 2001 - 9 UE 3983/96 -, BRS 64 Nr. 152 = juris Rn. 51). Des Weiteren kommt es für die Rechtmäßigkeit der Beseitigung des illegal errichteten Wochenendhauses nicht darauf an, ob bzw. wie lange es noch nutzbar ist. Im Übrigen geht der Antragsteller ausweislich seiner Beschwerdeschrift vom 7. November 2011 (Seite 2) selbst davon aus, dass das Gebäude noch "in den nächsten Jahren" Bestand haben wird.

Da der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits mangels hinreichender Erfolgsaussichten unbegründet ist, kommt es darauf, ob der Antragsteller bedürftig ist, nicht mehr an.