Niedersächsisches OVG, Urteil vom 05.07.2011 - 10 LB 162/10
Fundstelle
openJur 2012, 52097
  • Rkr:

Den Subventionsbehörden ist keine gezielte Suche nach etwaigen offensichtlichen Irrtümern eines Antragstellers abzuverlangen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Berücksichtigung eines weiteren betriebsindividuellen Betrages im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen bei der Festsetzung seiner Zahlungsansprüche.

Am 26. April 2005 stellte er bei der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Hannover in Stade seinen Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005. Die Eintragungen in dem Antragsformular und die Unterschrift des Klägers am Ende des Formblatts unterscheiden sich sowohl im Schriftbild als auch in ihrer Farbe. In dem Antragsformular (Bl. 16 ff. [20] der Beiakte - BA - A]) machte der Kläger unter Ziffer II Nrn. 4.4 bis 4.4.5 keine ergänzenden Angaben zur Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen, obwohl ihm in der Zeit vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2005 eine einzelbetriebliche Milchreferenzmenge von 223.390 kg zur Verfügung gestanden hatte. Letzteres ergibt sich aus einer von der Beklagten im Verwaltungsprozess vorgelegten Meldungsübersicht zur Milchreferenzmenge vom 4. Dezember 2007 (Bl. 54 der Gerichtsakte - GA -), die der Datenbank (HI-Tier) entstammt. Das von dem Kläger verwendete Formblatt enthält unmittelbar unter dem Kästchen, in das bei der Ziffer II Nr. 4.1 ein Kreuz gesetzt wurde, folgenden Text: "Hinweis: Sollten Sie auch betriebsindividuelle Beträge im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen beantragen wollen, ist zusätzlich Ziffer 4.4 des Antrages auszufüllen." Im Rahmen seiner Angaben zur Tierhaltung in 2005 (Ziffer I Nr. 3.1) nahm der Kläger an der Stelle, die für die Eintragung der Kopfzahl der am 1. März 2005 gehaltenen Milchkühe vorgesehen ist, keine Eintragung vor.

Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte die Zahlungsansprüche des Klägers fest, ohne bei der Berechnung des betriebsindividuellen Betrages eine Milchreferenzmenge zu berücksichtigen.

Daraufhin hat der Kläger am 4. Mai 2006 den Rechtsweg beschritten und zur Begründung seiner Klage vorgetragen:

Die Beklagte habe bei der Festsetzung der Zahlungsansprüche zu Unrecht die Milchreferenzmenge zum Stand vom 31. März 2005 von insgesamt 223.390 kg unberücksichtigt gelassen. Ihm stehe für das Jahr 2005 bei einem Satz von 0,02368 Euro/kg ein weiterer betriebsindividueller Betrag in Höhe von 5.289,88 Euro (abzüglich von 1 % zur Bildung der nationalen Reserve) zu. Seine Zahlungsansprüche seien entsprechend zu erhöhen. Der Umstand, dass er versehentlich vergessen habe, im Antrag die Milchreferenzmenge anzugeben, rechtfertige die Versagung nicht. Vielmehr sei sein fristgemäß gestellter Antrag auf Festsetzung der Zahlungsansprüche 2005 entsprechend zu "berichtigen".

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm einen zusätzlichen betriebsindividuellen Betrag für das Kalenderjahr 2005 nach Abzug von 1 % für die nationale Reserve in Höhe von 5.236,98 Euro zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Sie habe die Milchreferenzmenge des Klägers bei der Ermittlung des betriebsindividuellen Betrages nicht zu seinen Gunsten berücksichtigen können, weil er in seinem Antrag auf Agrarförderung die gemäß Art. 12 i. V. m. Art. 17 VO (EG) Nr. 796/2004 und gemäß § 11 Abs. 1 InVeKoSV erforderlichen Angaben zur Milch nicht gemacht habe. Danach werde von einem Milcherzeuger verlangt, in dem Sammelantrag die in der Anlage zu § 4 Abs. 2 Satz 1 MilchPrämV aufgeführten Angaben zu machen. Die versehentlich unterlassenen Angaben zur Milch seien auch nicht als offensichtlicher "Fehler" zu werten. Das anwendbare Arbeitsdokument AGR 49533/2002 bestimme, dass Zahlungen nicht für eine größere Fläche als beantragt gewährt werden könnten. Dementsprechend könne sie, die Beklagte, für eine nicht angegebene Milchreferenzmenge keine Zahlung bewilligen. Die Annahme eines offensichtlichen "Fehlers" setze voraus, dass ein Antragsteller im Antrag widersprüchliche Angaben mache, die bei einer Kontrolle aufgefallen wären. So liege der Fall hier nicht. Dem Antrag vom 26. April 2005 sei bereits nicht zu entnehmen, dass der Kläger zum 31. März 2005 (überhaupt) Milcherzeuger gewesen sei. Im Übrigen sei es wegen des erheblichen Umfangs der im Antrag vorgesehenen Angaben zur Milch unverständlich, weshalb der Kläger diese übersehen habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Änderung ihres Festsetzungsbescheides vom 7. April 2006 verpflichtet, dem Kläger einen zusätzlichen betriebsindividuellen Betrag für das Kalenderjahr 2005 nach Abzug von 1 % für die nationale Reserve in Höhe von 5.236,98 Euro zu gewähren. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Bei den unter Ziffer [II Nr.] 4.4 des Antrags unterlassenen Angaben handele es sich um einen offensichtlichen Irrtum des Klägers im Sinne des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004, sodass die tatsächlich vorhandene Milchreferenzmenge des Klägers bei der Festsetzung der Zahlungsansprüche zugrunde zu legen sei. Ein offensichtlicher "Fehler" könne - vorausgesetzt, der Betriebsinhaber sei nicht bösgläubig oder handele in Betrugsabsicht - auch dann vorliegen, wenn die fehlerhafte Angabe bei einem Abgleich mit unabhängigen Datenbanken auffalle, soweit es sich für einen verständigen und objektiven Beobachter aufdränge, dass es sich um ein offensichtliches Versehen handele. Der vorliegende Fall sei damit vergleichbar. Für eine Offensichtlichkeit spreche hier, dass der Kläger in dem Vorjahr die Milchprämie 2004 beantragt und ausweislich der Meldungsübersicht zur Milchreferenzmenge (HI-Tier) vom 4. Dezember 2007 auch zum 31. März 2004 bereits über eine Milchreferenzmenge von 223.390 kg (Lieferantennummer: 5410) verfügt habe, was die Beklagte den Antragsunterlagen zur Milchprämie 2004 [Bl. 3 BA A] und der HI-Tier Meldungsliste Milchreferenzmenge habe entnehmen können.

Auf einen entsprechenden Antrag hat der Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils die Berufung der Beklagten zugelassen, weil ernstliche Zweifel sowohl an der die Entscheidung tragenden Annahme der Vorinstanz bestünden, es habe ein Irrtum des Klägers vorgelegen als auch an derjenigen, dass dieser etwaige Irrtum offensichtlich gewesen sei.

Nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses am 29. Oktober 2010 hat die Beklagte ihre Berufung am 9. November 2010 im Wesentlichen begründet wie folgt:

Die VO (EG) Nr. 1782/2003 mache ihre Regelungen zur Milchprämie vom Begriff der Referenzmenge abhängig. Dem Kläger hätte eine Milchreferenzmenge von 223.390 kg zugestanden. Auch für die Zuweisung von Zahlungsansprüchen im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen seien jedoch die entsprechenden Regelungen in der InVeKos-Verordnung über das Antragsverfahren bindend, weshalb es eines entsprechenden Antrags bedürfe. Es gelte der allgemeine Rechtsgrundsatz [entsprechend], dass ohne einen Antrag keine Beihilfezahlung möglich sei, auch wenn die Nichtbeantragung noch so unvernünftig sein sollte. Gemäß Art. 12 i. V. m. Art. 17 VO (EG) Nr. 796/2004 und gemäß § 11 Abs. 1 der InVeKoSV [a. F.] seien vom Milcherzeuger in seinem "Sammelantrag" die in der Anlage zu § 4 Abs. 2 Satz 1 MilchPrämV aufgeführten Angaben zu machen. Mithin müsse eine vom Willen des Antragstellers getragene Erklärung, ihm Zahlungsansprüchen im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen zuzuweisen, eindeutig im Antrag an der dafür vorgesehenen Stelle unter Ziffer II Nrn. 4.4 bis 4.5 zum Ausdruck kommen. Nur wenn ein Antragsteller unter Ziffer II Nr. 4.4 ein Kreuz gesetzt und ergänzende Angaben gemacht habe, könne eine entsprechende Prüfung der Behörde beginnen. Dies habe der Kläger unterlassen und daher den für eine Einbeziehung der Milchprämie in die Berechnung des betriebsindividuellen Betrages erforderlichen Antrag nicht gestellt. Aus diesem Grunde sei bereits der Anwendungsbereich des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 nicht eröffnet. Denn diese Vorschrift komme nur im Rahmen einer Antragsbearbeitung zur Anwendung und erfasse eine versäumte Antragstellung nicht. Das ergebe sich aus ihrem Wortlaut, in dem es heiße, dass ein Beihilfeantrag "nach seiner Einreichung" berichtigt werden könne. Da der Sammelantrag mehrere einzelne Beihilfeanträge bzw. Anträge auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen zusammenfasse, sei für die Bearbeitung auf jeden einzelnen Antrag abzustellen. Dies decke sich auch mit dem allgemeinen deutschen Rechtsverständnis, nach dem offensichtliche Unrichtigkeiten im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren der jederzeitigen Berichtigung unterlägen. Der Begriff der Unrichtigkeit impliziere, dass es bereits eine Erklärung geben müsse, die falsch sei und korrigiert werden könne. Was die fehlenden Voraussetzungen für das Vorliegen eines Irrtums im Sinne des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 anbetreffe, werde auf die Ausführungen des Senats im hiesigen Zulassungsbeschluss vom 27. Oktober 2010 - 10 LA 36/08 - verwiesen. Im subjektiven Tatbestand bleibe das Vorliegen von Gutgläubigkeit zweifelhaft. Denn von Gutgläubigkeit könne nur ausgegangen werden, wenn der Antragsteller den Antrag anhand verlässlicher Grundlagen gestellt habe. Liege eine erhebliche Verletzung seiner Überprüfungs- und Sorgfaltspflichten vor, sei dagegen ein Irrtum nicht anzuerkennen. Dem Kläger hätte auffallen müssen, dass er im Antragsformular die Nr. 4.4 nicht angekreuzt hatte. Ihres Wissens sei der Fall des Klägers der einzige, in dem es bei der Milchreferenzmenge zu einer derartigen Fehlerhaftigkeit der Antragstellung gekommen sei. Eine Offensichtlichkeit des vermeintlichen Irrtums liege ebenfalls nicht vor. Auch insoweit werde auf die Ausführungen des Senats im hiesigen Zulassungsbeschluss vom 27. Oktober 2010 - 10 LA 36/08 - verwiesen. In einem Massenverfahren von 30.000 bis 42.000 Anträgen habe für sie keine Pflicht bestanden, die Angaben des Klägers unter dem Blickwinkel eines möglichen Irrtums zu überprüfen oder nachzuprüfen. Die Beantragung der Milchprämie 2004 oder das Vorliegen von Angaben zur Referenzmenge in der HI-Tierdatenbank seien von daher nicht maßgeblich. Lege man die Betrachtung des Verwaltungsgerichts zugrunde, so müsste bei fehlenden Angaben im Antragsformular im jeweiligen Einzelfall mittels eines Abgleichs anderer Daten ermittelt werden, ob womöglich ein Irrtum des Antragstellers vorliege. Dies sei jedoch schon in Ermangelung eines Antrags aus rechtlichen Gründen nicht erforderlich. Im Übrigen heiße es in dem einschlägigen Arbeitsdokument der Europäischen Kommission, AGR 49533/2002, dass Fehler, die im Rahmen von Gegenkontrollen mit unabhängigen Datenbanken ermittelt würden, nicht automatisch oder systematisch als offensichtlicher Irrtum qualifiziert und ferner Fehler nicht bereits deshalb als offensichtlicher Irrtum behandelt werden dürften, weil ein Mitgliedstaat ein effizientes System zum Aufspüren von Unregelmäßigkeiten aufgebaut habe. Die Kommission unterscheide hier offenbar zwischen Datenbanken und Kontrollen, die regulär beim Bearbeiten des Antrags heranzuziehen bzw. vorzunehmen seien, und solchen, die regulär nicht berücksichtigt würden. Ein Mitgliedstaat solle nicht verpflichtet sein, dem Antragsteller das sorgfältige Ausfüllen eines Antrags[-formulars] abzunehmen, weil der Staat entsprechende Mittel dazu habe, deren systematische Anwendung jedoch das Verfahren der Beihilfegewährung erheblich verzögern würde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 6 A 1139/06 - vom 11. Dezember 2007 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Er macht im Wesentlichen geltend: Die Beklagte räume selbst ein, dass ihm eine Milchreferenzmenge von 223.390 kg und [die vollständige Ausfüllung seines Antrages unterstellt] dementsprechend erhöhte Zahlungsansprüche zugestanden hätten. Zwar habe er die Angabe der Milchreferenzmenge im Antragsformular schlicht unterlassen, im Grunde aber alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine zusätzliche "Prämiengewährung" erfüllt. Er würde daher in absolut unangemessener Weise geschädigt, wenn in seinem Falle ein solch gravierender Fehler wie das Fehlen der Milchreferenzmenge nicht korrigierbar wäre. Die Beklagte ignoriere dies, indem sie vortrage, dass der Betriebsinhaber die Zuweisung von Zahlungsansprüchen nur durch die ausdrückliche Beantragung im dafür vorgesehenen "Sammelantrag" erreichen könne. Obwohl er gemäß der InVeKoS-Verordnung eine Formvorschrift missachtet habe und das Verfahren einer strengen Förmlichkeit unterliege, sei es nicht ausgeschlossen, dass einem Antragsteller ein Irrtum unterlaufe. Er habe natürlich gewollt, dass auch die Milchprämie bzw. die zugrunde liegende Milchreferenzmenge in die Festsetzung seiner Zahlungsansprüche einbezogen werde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 15.09 -) und des nunmehr erkennenden Gerichts stelle der ihm unterlaufene Fehler sowohl hinsichtlich der objektiven als auch der subjektiven Komponente einen offensichtlichen Irrtum dar. Ein offensichtlicher Irrtum sei nicht nur bei sofort erkennbaren Schreibfehlern, sondern auch bei Widersprüchen zwischen den Angaben im Antragsformular und den Belegen zu bejahen. Er sei zum Zeitpunkt seiner Antragstellung bereits 75 Jahre alt gewesen und habe für das Ausfüllen des Antragsformulars eine Hilfsperson des Landvolks in Anspruch genommen, die er - wie andere Landwirte - zu einem bestimmten Termin in einer Gaststätte aufgesucht habe. Er habe sich in Vorbereitung dieses Zusammentreffens alle Fakten zu seinem Betrieb auf einem Zettel notiert, darunter auch die Zahl der von ihm gehaltenen Milchkühe. Es sei dann jedoch aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände zwischen ihm und seiner Hilfsperson zu einem "Kommunikationsfehler" gekommen, der dazu geführt habe, dass die vorhandenen 32 Milchkühe im Rahmen der Antragsangaben zur Tierhaltung in 2005 unter Ziffer I Nr. 3.1 des Antragsformulars (Bl. 18 BA A) nicht in der Zeile "Milchkühe", sondern in derjenigen "Rinder über 2 Jahre" eingetragen worden seien. Diese Verwechselung der Zeilen sei offenbar für die weitere Ausfüllung des Antragsformulars dergestalt bestimmend geworden, dass er, der Kläger, im Folgenden von seiner Hilfsperson nicht als Milcherzeuger betrachtet worden sei. Daher seien auch die Eintragungen unter Ziffer II Nr. 4.4 bis 4.4.5 des Antragsformulars unterblieben. Ihm könne allenfalls eine unbewusste leichte bis mittlere Fahrlässigkeit unterstellt werden. Es sei ihm somit lediglich infolge einer Fahrlässigkeit, die nicht rechtserheblich sei, nicht aufgefallen, dass er im Antragsformular die Nr. 4.4 hätte ankreuzen müssen. Die Beklagte könne sich deshalb nicht allein darauf berufen, dass er beim Ausfüllen der Antragsunterlagen nachlässig gehandelt habe. Schon wegen seines Alters sei er gutgläubig gewesen. Seine Gutgläubigkeit werde von der Beklagten nicht annähernd in Frage gestellt. Sein Irrtum sei für die Beklagte auch offensichtlich gewesen. Entscheidend sei hier, dass die fehlende Angabe der Milchreferenzmenge bei einem Abgleich mit unabhängigen Datenbanken hätte auffallen müssen, sodass sich das Versehen einem verständigen und objektiven Beobachter als offensichtlich aufgedrängt hätte. Erst seit 2004 habe es betriebsindividuelle Beträge im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen gegeben. Auch habe er im Vorjahr die Milchprämie 2004 beantragt und bereits zum 31. März 2004 über eine Milchreferenzmenge von 223.390 kg verfügt. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen oder hätte zumindest bei sorgfältiger Prüfung erkannt werden müssen, da es ohne Weiteres der HI-Tier Meldungsliste Milchreferenzmenge hätte entnommen werden können. Die Beklagte habe hier Veranlassung gehabt, diese Liste einzusehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten (BA A) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Berufungsverhandlung gewesen sind.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und die Klage abzuweisen, da ihr das Verwaltungsgericht nach § 113 Abs. 5 VwGO nicht hätte stattgeben dürfen. Denn dem Kläger wurde mit dem Bescheid vom 7. April 2006 zu Recht eine Festsetzung von Zahlungsansprüchen unter Berücksichtigung des begehrten, weiteren betriebsindividuellen Betrages versagt, der nach seiner Rechtsauffassung aus dem Betrag der Milchprämie zu bilden gewesen wäre.

Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass Angaben unter Ziffer II. Nr. 4.4 bis 4.4.5 des Formulars "Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005" grundsätzlich Voraussetzung für die Berücksichtigung der Milchprämie bei der Bestimmung des Referenzbetrages der einheitlichen Betriebsprämie (§ 5 BetrPrämDurchfG a. F.) sind.

Dies ergibt sich allerdings entgegen ihrem zumindest bis in die mündliche Verhandlung vertretenen Rechtsstandpunkt nicht daraus, dass einer der Anträge, die den "Sammelantrag" bilden, ein gesonderter Antrag auf Einbeziehung der Milchprämie in die Berechnung des betriebsindividuellen Betrages wäre und der Kläger bereits diesen erforderlichen, gesonderten Antrag nicht gestellt hätte. Denn die unter Ziffer II. Nr. 4.4 bis 4.4.5 des Vordrucks vorgesehenen Angaben stellen keinen verselbständigten Antrag dar. Vielmehr entspricht insoweit das Formblatt in seinen Überschriften und seiner Gliederung der materiellen Rechtslage. Der Begriff des Sammelantrags wird durch seine Definition in Art. 2 Abs. 11 VO (EG) 796/2004 bestimmt. Hiernach bezieht er sich nur auf bestimmte Direktzahlungen und übergreift daher nicht unterschiedslos alle Anträge unter den Ziffern II bis V des Antragsformulars. Vielmehr schließt er gerade den hier maßgeblichen "Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen 2005" nicht ein; denn die Festsetzung von Zahlungsansprüchen ist gemäß Art. 2 Buchst. d VO (EG) 1782/2003 keine Direktzahlung (Nds. OVG, Beschl. v. 21. 12. 2010 - 10 LA 66/2008 -, Seite 6, vorletzter Satz des Beschlussabdrucks). Es mag nun dahinstehen, ob alle unter der Überschrift "II. Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen in 2005" aufgeführten Unterpunkte (Nrn. 4. bis 6.1) nur Elemente oder unselbständige Unteranträge des Antrags auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen enthalten, obwohl sie teilweise selbst als Antragstellung formuliert sind. Jedenfalls für die hier fehlenden Eintragungen unter Ziffer II Nr. 4.4 bis 4.4.5 des Formblatts ist davon auszugehen, dass sie keinen Antrag, sondern - entsprechend ihrer Überschrift - lediglich "ergänzende Angaben" darstellen, deren es zur Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen bedarf. Denn die Festsetzung betriebsindividueller Beträge ist ihrerseits entsprechend Ziffer II Nr. 4.1 des Antragsformulars als unselbständiger Bestandteil der Festsetzung von Zahlungsansprüchen zu betrachten, sodass sie der Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen einschließt. Diese Einordnung entspricht der sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 InVeKoSV a. F. (d. h. der zur Zeit der Antragstellung des Klägers noch maßgeblichen Erstfassung vom 3. 12. 2004, BGBl. I S. 3194 [3197 f.]) ergebenden Rechtslage. Denn dort heißt es ausdrücklich: "Die Festsetzung der Zahlungsansprüche für die einheitliche Betriebsprämie … ist bis zum 15. Mai 2005 schriftlich bei der Landesstelle zu beantragen. … Soweit der Betriebsinhaber während des gesamten oder eines Teils des Zwölfmonatszeitraums vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2005 Milcherzeuger gewesen ist und in diesem Zeitraum über eine Milchreferenzmenge verfügt hat, sind in dem Antrag die in der Anlage zu § 4 Abs. 2 Satz 1 der Milchprämienverordnung … aufgeführten Angaben zu machen."

Der Umstand, dass die unter Ziffer II Nr. 4.4 bis 4.4.5 des Formulars vorgesehenen Angaben keinen selbständigen Antrag darstellen, rechtfertigt indessen nicht die Schlussfolgerung, dass sie entbehrliche Förmlichkeiten seien. Denn sie bestimmen Richtung und Umfang des Verwaltungsverfahrens (§§1 Abs. 1 NVwVfG, 9 VwVfG), also derjenigen behördlichen Tätigkeit, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass des Verwaltungsaktes gerichtet ist, durch den die Zahlungsansprüche eines Betriebsinhabers festgesetzt werden. Das ergibt sich aus Art. 12 Abs. 4 VO (EG) 795/2004, wonach die endgültige Festsetzung der im ersten Anwendungsjahr der Betriebsprämienregelung zuzuweisenden Zahlungsansprüche auf der Basis des Antrags auf Teilnahme an der Betriebsprämienregelung gemäß Art. 34 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 - und d. h. hier des Antrags gemäß § 11 Abs. 1 InVeKosV a. F. - erfolgt. Sofern die unter Ziffer II Nr. 4.4 bis 4.4.5 des Antragsformulars vorgesehenen ergänzenden Angaben fehlen, bietet dieser Antrag keine Basis für eine Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen und damit für die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes, der Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung eines solchen betriebsindividuellen Betrages festsetzt. Einem Betriebsinhaber, der es unterlässt, die unter Ziffer II. Nr. 4.4 bis 4.4.5 des Antragsformulars vorgesehenen ergänzenden Angaben zu machen, wird daher eine Festsetzung von Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung eines betriebsindividuellen Betrages im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen zu Recht versagt, wenn er seinen Antrag nicht in entsprechender Anwendung des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 berichtigen kann.

Auch wenn man mit dem Kläger grundsätzlich von der entsprechender Anwendbarkeit des Art. 19 der VO (EG) Nr. 796/2004 auf Anträge auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen ausgeht, sind im vorliegenden Falle die Voraussetzungen für eine solche Berichtigung nicht erfüllt.

Dies ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 die Nachholung der hier fehlenden Angaben schon begrifflich nicht zuließe, weil diese Angaben einen eigenen verselbständigten Antrag darstellten. Denn Letzteres trifft - wie ausgeführt - nicht zu.

Die Berichtigung des Antrages des Klägers auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen scheitert vielmehr aus zwei selbständig tragenden Gründen. Weder liegt ein Irrtum des Klägers im Sinne des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 vor noch wäre ein solcher Irrtum offensichtlich.

Die Vorschrift des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 steht in einem Spannungsfeld. Sie trägt der Einsicht Rechnung, dass Menschen nicht perfekt sind, und soll verhindern, dass ein Beihilfebegehren allein an einer erkennbar auflösbaren Fehlerhaftigkeit seiner Geltendmachung scheitert. Wie die Worte "Unbeschadet der Art. 11 bis 18 …" zu Beginn des Normtextes belegen, ist damit jedoch keine Abkehr von dem nicht unbilligen Verlangen des europäischen Rechts nach einem sorgfältig ausgefüllten Antrag verbunden, ohne den sich der mit der Agrarförderung verbundene Verwaltungsaufwand nicht hinreichend begrenzen ließe. Deshalb darf die Auslegung und Anwendung des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 weder einen unübersehbaren, zusätzlichen Verwaltungsaufwand der Subventionsverwaltung bewirken noch zu einer nachhaltigen Schmälerung der präventiven Wirksamkeit derjenigen ungünstigen Rechtsfolgen und Sanktionen führen, die Unregelmäßigkeiten im Sinne des Art. 2 Abs. 10 VO (EG) Nr. 796/2004 nach sich ziehen und die diesen daher entgegenwirken. Aus der erstgenannten dieser beiden Anforderungen lassen sich für die Ermittlungspflichten der Behörden Grenzen herleiten, die das Tatbestandmerkmal der Offensichtlichkeit des Irrtums konkretisieren. Der an zweiter Stelle genannten Anforderung ist dagegen bereits im Rahmen der Auslegung des Irrtumsbegriffs Rechnung zu tragen. Davon geht auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 15.08 - (RdL 2010, 162 ff., hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 21) aus, indem es fordert, den Tatbestand des offensichtlichen Irrtums von demjenigen der - regelmäßig Sanktionen nach sich ziehenden - Unregelmäßigkeit abzugrenzen, und hierzu auf das Kriterium der Gutgläubigkeit abhebt, welches es bereits dem Wortsinn des Begriffs "Irrtum" entnimmt.

Wie der Senat im Wesentlichen schon in seinem hiesigen Zulassungsbeschluss vom 27. Oktober 2010 - 10 LA 36/08 - (RdL 2011, 25 f.) ausgeführt hat, ist aus dem Wortlaut des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 12 VO (EG) Nr. 2419/2001, die auf Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 übertragen werden kann, Folgendes herzuleiten: Der Irrtumsbegriff des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 enthält eine objektive Komponente, die in der Abweichung des irrtümlich "Falschen" (unter Einschluss des [nur] Unvollständigen) von einem "Richtigen" besteht, und eine subjektive Komponente, die sich auf die Kenntnis und die Vorwerfbarkeit dieser Abweichung bezieht. Der genannten subjektiven Komponente ist das Erfordernis der "Gutgläubigkeit" im Sinne des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 15.08 - (RdL 2010, 162 ff., hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 21) zuzuordnen, über dessen Erfüllung anhand einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden ist und das die Annahme eines Irrtums für bestimmte Fallgestaltungen ausschließt. Schon aufgrund des Wortsinns des Begriffs "Irrtum" in Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 gilt dieser Ausschluss ohne weiteres für den Vorsatz: Wer die fehlerhafte Abweichung des "Falschen" vom "Richtigen" als solche erkennt und will (etwa in Betrugsabsicht) oder wer sie doch zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, der ist nicht gutgläubig und irrt sich nicht. Denn man kann sich nicht vorsätzlich irren.

Darin erschöpft sich indessen die Bedeutung des Kriteriums der Gutgläubigkeit nicht. Vielmehr erläutert Ziffer 4 Satz 2 Halbsatz 1 des Arbeitsdokuments AGR 49533/2002-DE der Kommission das Erfordernis, "dass der Betriebsinhaber in gutem Glauben gehandelt hat" zutreffend mit der Ergänzung, Betrug und Unredlichkeit solle kein Raum geboten werden. Redlichkeit bezeichnet die Eigenschaft, seine Pflicht unter allen Umständen treu zu erfüllen (vgl. Wikipedia, Schlagwort: "Redlichkeit"). Sie bezieht sich hier auf die Pflichten, die ein Betriebsinhaber im Zuge der Antragstellung zu erfüllen hat. Weil es sich bei der Durchführung der gemäß dem integrierten System gewährten Beihilfen um Verfahren handelt, die eine Vielzahl von Anträgen betreffen, setzt das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs voraus, dass die Beihilfeempfänger aktiv an der korrekten Durchführung der Verfahren mitwirken und die beizubringenden Informationen von vornherein vollständig und richtig sind (vgl. EuGH, Urt. v. 16. 5. 2002 - C-63/00 - [Schilling und Nehring] , Slg. 2002, I-04483, hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 33 f.; Urt. v. 28. 11. 2002 - C-417/00 - [Agrargenossenschaft Pretzsch], Slg. 2002, I-11053, hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 45, und Urt. v. 4. 10. 2007 - C-375/05 - [Geuting], Slg. 2007, I-7983, Rn. 30). Da auch die Zahlungsansprüche in das Kontrollsystem einbezogen werden (vgl. Art. 23 Abs. 1 VO [EG] Nr. 1782/2003), sind diese Anforderungen auf den Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen übertragbar. Ihnen genügt ein Betriebsinhaber nicht bereits dann, wenn er vorsätzliche Falschangaben unterlässt. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Begriff der Unredlichkeit, den das Arbeitsdokument AGR 49533/2002-DE der Europäischen Kommission für die Umschreibung der Voraussetzungen einer Anerkennung offensichtlicher Irrtümer verwendet, neben dem Vorsatz auch bestimmte Formen fahrlässiger Unkenntnis der fehlerhaften Abweichung des "Falschen" vom "Richtigen" erfasst und diese Formen der Unkenntnis dem guten Glauben eines Antragstellers ebenfalls entgegenstehen.

Eine Bestätigung findet dieses Rechtsverständnis darin, dass nicht nur im nationalen deutschen Recht (§ 932 Abs. 2 BGB) neben dem Vorsatz bestimmte Formen fahrlässiger Unkenntnis dem guten Glauben schaden und von einer Vergünstigung ausschließen. Vielmehr findet sich der Begriff des Handels in gutem Glauben mit einer ähnlichen Bedeutung in Art. 49 Abs. 5 UAbs. 2 VO (EG) Nr. 2419/2001 sowie in Art. 73 Abs. 5 UAbs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004. In diesen beiden Vorschriften bezieht sich der gute Glaube auf die eigenen Handlungen des Begünstigten im Falle zu Unrecht gezahlter Beträge. Er betrifft wie schon der Rechtsprechung (Bay. VGH, Urt. v. 2. 5. 2005 - 19 B 03.1726 -, RdL 2006, 25 ff., hier zitiert nach juris, Langtext Rn.33) zu einer Vorgängervorschrift (Art. 14 Abs. 4 UAbs. 1 VO [EWG] Nr. 3887/92) entnommen werden kann, auch dort die Redlichkeit des Betriebsinhabers bei der Antragstellung (vgl. insoweit die Bedeutung der in der englischen Textfassung verwendeten Wendung "acted in good faith" = in guter Absicht handeln, wobei die Worte "in good faith" auch als "redlich" übersetzt werden können [Pons, Fachwörterbuch Recht, Englisch-Deutsch/Deutsch-Englisch, 2. Aufl. 1998, Schlagwort: "good faith"]).

Für den vorliegenden Zusammenhang ist der dem geschriebenen europäischen Verordnungsrecht entlehnte Begriff des "Handelns in gutem Glauben" nicht darauf zu beschränken, weder überhöhten Festsetzungen oder Überzahlungen anzustreben noch grob schuldhaft zu verkennen, dass die eigenen Angaben zu derartigen unberechtigten Leistungen führen könnten (fehlendes subjektives Unrechtsbewusstsein, trotz objektiver Unberechtigtheit). Denn eine solche Auslegung wäre einseitig an der nationalrechtlichen Bedeutung des deutsche Rechtsbegriffs "guter Glaube" orientiert, der zwar die wörtliche Übersetzung des lateinischen Terminus "bona fides" darstellt, im Verhältnis zu diesem Terminus aber eine begriffliche Verengung beinhaltet, da der lateinische Begriff allgemein redliches und zuverlässiges Handeln im Rechtsverkehr bezeichnet (wikipedia, Schlagwort: "Guter Glaube"; Köbler, Juristisches Wörterbuch, 4. Aufl. 1986, und Köbler/Pohl, Deutsch-Deutsches Rechtswörterbuch, München 1991, jeweils Schlagwort: "bona fides"). Der Begriff "guter Glaube" wird in den nationalen Rechtsordnungen der Europäischen Union sehr unterschiedlich verstanden (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 13. 4. 2004 in der Rechtssache C- 454/98, Slg. 2000, I-06973, hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 36). Rechtsordnungen des romanischen und verschiedener verwandter Rechtskreise verwenden den Begriff der bona fides beziehungsweise die entsprechenden landessprachlichen Ausdrücke (bonne foi, buena fe bzw. buona fede) zumeist im ursprünglichen, allgemeinen Sinne des römischen Rechts (wikipedia, Schlagwort: "Guter Glaube"). Zumal die französische, die spanische und die italienische Textfassung des Art. 73 Abs. 5 UAbs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 die vorgenannten landessprachlichen Ausdrücke beinhalten und sich der Begriff des guten Glaubens in dieser Vorschrift allgemein auf das Handeln des Antragstellers bezieht, ist davon auszugehen, dass er in seiner erweiterten römisch-rechtlich geprägten Bedeutung Eingang in das Recht der Europäischen Union gefunden hat. In diesem Sinne muss er deshalb auch für den hiesigen Zusammenhang gedeutet werden.

Im Übrigen spräche gegen sein einengendes Verständnis gerade im Zuge einer Konkretisierung des Irrtumsbegriffs, dass es nicht mittelbar von den möglichen Folgen (Erhalt eine unberechtigten Leistung, oder nicht) eines Irrtums abhängig gemacht werden darf, nach welchen Kriterien sich bestimmt, ob ein Irrtum vorliegt. Unrichtig wäre insbesondere die These, dass ein einseitig zu eigenen Lasten begangener Fehler ohne weiteres als Irrtum zu qualifizieren sei. Hingegen liege ein Irrtum im Hinblick auf die von Sanktionen befreiende Wirkung einer Berichtigung begrifflich nur unter verschärften Voraussetzungen vor, wenn es im Verhältnis zu der falschen Angabe kein rechtmäßiges Alternativverhalten gebe, welches die Gewährung einer Leistung in (zumindest) derselben Höhe ermöglicht hätte, in der sie auf die fehlerhafte Angabe hätte gewährt werden dürfen, träfe diese Angabe zu. Denn für einen ergebnisorientiert "gespaltenen" Irrtumsbegriff bietet der Wortlaut des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 keine Anhaltspunkte.

Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet Redlichkeit somit die innerer Bereitschaft, sich im Zuge der Antragstellung pflichtgemäß zu verhalten, insbesondere nach bestem Wissen und Gewissen vollständige und korrekte Angaben zu machen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 19. 1. 2010 - 10 LC 148/09 -, juris, Langtext Rn. 62; siehe insoweit auch die Bedeutung der in der französischen Textfassung verwendeten Worte "de bonne foi" = nach bestem Wissen und Gewissen [Weiss/Mattutat, Pons-Globalwörterbuch, Teil 1, Französisch-Deutsch, 2. Aufl. 1985, Schlagwort: "foi"). Diese Redlichkeit eines Antragstellers kann bereits durch ein nur fahrlässiges Verhalten in Frage gestellt werden; denn auch Fahrlässigkeit ist pflichtwidrig. Das Unionsrecht steht insbesondere nicht schlechthin der Annahme entgegen, dass sich auf guten Glauben nicht berufen kann, wer die Fehlerhaftigkeit seiner Angaben durch Kontrollen hätte vermeiden können. Es darf einem Antragsteller insoweit nur kein unverhältnismäßiger Aufwand zugemutet werden (vgl. EuGH, Urt. v. 12. 5. 1998 - C-366/95 -, Slg. 1998, I-02661, hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 21 bis Rn. 25).

Soll jedoch der Tatbestand des offensichtlichen Irrtums nicht auf unvermeidliche Irrtümer reduziert, und damit der Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts in einer seinem Sinn und Zweck nicht mehr entsprechenden Weise eingeschränkt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. 8. 2009 - BVerwG 3 C 15.08 -, a. a. O., Langtext Rn. 21), kann nicht jede Fahrlässigkeit mit Unredlichkeit gleichgesetzt werden. Es ist deshalb eine Fallgruppenbildung vorzunehmen, die auf einer Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen der Fahrlässigkeit beruht und daran anknüpft, in welchem Maße ein Mangel an Bereitschaft zu pflichtgemäß sorgfältigem Verhalten erkennbar wird. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 24. April 2008 - 10 LB 179/07 - (RdL 2008, 346 ff. = AUR 2009, 31 ff., hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 34), welche u. a. die Anforderungen an einen offensichtlichen Irrtum im Sinne des Art. 12 VO (EG) Nr. 2419/2001 betraf, ausgeführt, dass die Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls einer Fallgruppenbildung nicht entgegensteht. Daran ist für die Auslegung des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 festzuhalten. Denn ob ein Antragsteller in gutem Glauben gehandelt hat, unterliegt zwar der Würdigung im Einzelfall. Dies bedeutet aber lediglich, dass insoweit keine zwingenden Beweisregeln bestehen (BVerwG, Urt. v. 26. 8. 2009 - BVerwG 3 C 15.08 -, RdL 2010, 162 ff., hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 22). Es heißt nicht, dass es sich verbietet, abstrakte Kriterien zu entwickeln, die eine Einordnung der Einzelfälle erleichtern können.

Hiernach handelt zum einen derjenige in der Regel nicht redlich, ist also regelmäßig nicht als gutgläubig anzusehen und irrt sich deshalb in der Regel nicht, der die Abweichung des "Falschen" vom "Richtigen" dadurch herbeiführt, dass er die im Zuge der Antragsstellung zu beachtenden Sorgfaltspflichten in grob fahrlässiger Weise verletzt. Denn grob fahrlässig verhält sich, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und dasjenige nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 277 Rn. 5). Wer derart nachlässig an seine Antragstellung herangeht, negiert innerlich das nicht unbillige Verlangen des europäischen Rechts nach einem sorgfältig ausgefüllten Antrag. Er verdient daher in der Regel die mit der Anerkennung eines offensichtlichen Irrtums verbundene Nachsicht nicht und seine privaten Interessen können den etwaigen mit der Anerkennung offensichtlicher Irrtümer verbundenen Verwaltungsaufwand nicht rechtfertigen. Vielmehr würde es die präventive Wirkung, die nicht erst von Sanktionen, sondern bereits von dem schlichten Verlust nicht ordnungsgemäß geltend gemachter Ansprüche ausgeht, zu sehr schmälern, wenn selbst grob fahrlässig falsche (und d. h. auch unvollständige) Angaben nach Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 regelmäßig berichtigt werden dürften. Es mag offen bleiben, ob Ausnahmen für solche Fälle anzunehmen sind, in denen die Falschangabe auf einem Rechenfehler beruht, mit dem ohnehin amtlich zu prüfende Einzelangaben lediglich mathematisch unrichtig in einem Ergebnis zusammengeführt werden, sodass die Behörde auf die Rechenleistung des Antragstellers für die Bearbeitung des ansonsten sorgfältig ausgefüllten Antrags im Grunde nicht angewiesen ist.

Zum anderen handelt derjenige in der Regel nicht redlich, ist also regelmäßig nicht als gutgläubig anzusehen und irrt sich deshalb in der Regel nicht, der die Abweichung des "Falschen" vom "Richtigen" herbeiführt, indem er die im Zuge der Antragstellung zu beachtenden Sorgfaltspflichten durch eine bewusste Fahrlässigkeit verletzt. Bei bewusster Fahrlässigkeit hat der Antragsteller mit dem möglichen Eintritt einer Fehlerhaftigkeit des Antrages zwar bereits [konkret] gerechnet, aber fahrlässig darauf vertraut, sie werde nicht eintreten (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 276 Rn. 13). In Konstellationen bewusster Fahrlässigkeit liegt zwar oftmals auch die Annahme einer groben Fahrlässigkeit nahe; dies muss aber nicht der Fall sein (vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 19. Aufl. 2007, Schlagwort: "Verschulden" unter 2. a. bb). Wer für die Ausfüllung seines Antrags eine Vorgehensweise wählt, mit der er wissentlich ein merklich erhöhtes Risiko eingeht, dass es zu Fehlern kommt, negiert ebenfalls innerlich das nicht unbillige Verlangen des europäischen Rechts nach einem sorgfältig ausgefüllten Antrag (vgl. Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung, Erlass v. 12. 4. 2010 - 301.2-60150/1-23 -, Ziffer 2.1 Sätze 5 bis 8). Redlichkeit erfordert die innere Bereitschaft, sich im Zuge der Antragstellung (vollständig) pflichtgemäß zu verhalten. Dafür reicht es in der Regel nicht aus, nur eine ablehnende Haltung gegenüber dem pflichtwidrigen Erfolg eines pflichtwidrig erhöhten, sodann aber allzu optimistisch abgetanen Risikos einzunehmen. Wer also aufgrund bewusster Fahrlässigkeit (nur) die Hoffnung hegt, es werde trotz seiner selbst erkannten Nachlässigkeit "schon gut gehen", d. h. seine Angaben würden "schon richtig" sein, ist zwar weniger schuldig als derjenige der vorsätzlich falsche Angaben macht, gleichwohl aber regelmäßig nicht redlich. Ihm ist somit in der Regel ebenfalls die Möglichkeit zu versagen, sich den Folgen seines pflichtwidrigen Verhaltens nach Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 zu entziehen. Ausnahmen kommen etwa für solche Einzelfälle in Betracht, in denen der Antragsteller lediglich eine leichte, also weder mittlere (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 276 Rn. 14) noch gar grobe, bewusste Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Das Ausmaß der in Rede stehenden Fahrlässigkeit ist dabei unter Berücksichtigung der nach den Umständen des Einzelfalls gegebenen Größe des eingegangenen Risikos einer Fehlerhaftigkeit des Antrags zu bestimmen.

Auch im Zuge eines Rechtsvergleichs unter teleologischem Blickwinkel spricht gegen die soeben umrissene Fallgruppenbildung nicht, dass nach deutschen Recht (§ 932 Abs. 2 BGB) nur eine grobe Fahrlässigkeit den guten Glauben ausschließt. Denn den Erwerber einer beweglichen Sache (vgl. § 932 Abs. 2 BGB) treffen - anders als einen Subventionsantragsteller - keine besonderen Sorgfaltspflichten, die ihn dazu anhalten, dasjenige zu erkennen, hinsichtlich dessen eine - daher (nur) grobe - Fahrlässigkeit seinem guten Glauben schadet.

Schließlich stützen Gründe der Gesetzessystematik und der Praktikabilität die von dem deutschen Recht abweichende Interpretation des Begriffs jener Gutgläubigkeit, die ein Irrtum im Sinne des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 voraussetzt: Die bewusste Fahrlässigkeit unterscheidet sich von dem bedingten Vorsatz [nur] dadurch, dass der Handelnde den pflichtwidrigen Erfolg nicht billigend in Kauf nimmt (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 276 Rn. 13). Die Auffassung, auch bewusste Fahrlässigkeit stehe der Anerkennung eines offensichtlichen Irrtums in der Regel nicht entgegen, würde deshalb dazu führen, dass die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 in vielen Fällen allein von der inneren Einstellung des Antragstellers zu einem selbst gesetzten und erkannten, merklich erhöhten, konkreten Risiko einer fehlerhafter Antragstellung abhinge. Damit geriete diese Abgrenzung jedoch in ein Spannungsverhältnis zu dem weiteren gesetzlichen Erfordernis der Offensichtlichkeit des Irrtums. Denn es besteht keine Vermutung zugunsten des Vorliegens einer lediglich bewussten Fahrlässigkeit anstelle eines bedingten Vorsatzes. Eine solche Vermutung wäre insbesondere nicht mit der These zu begründen, bedingt vorsätzliches Handeln sei die Ausnahme, da wer sich so verhalte, auch einen Verlust seiner Ansprüche billigend in Kauf nehmen müsste, wozu indessen in der Regel keine Bereitschaft bestehe. Diese Argumentation ließe sowohl außer Acht, dass gerade ein bedingt vorsätzlich agierender Betriebsinhaber hoffen mag, man werde ihm seine innere Einstellung nachweisen müssen, aber nicht können, als auch dass sich ein Betriebsinhaber - in rechtlich unerheblicher Weise - über die Rechtsfolgen seiner bedingt vorsätzlich, fehlerhafter Antragstellung irren kann, indem er annimmt, diese lasse sich förderungsunschädlich berichtigen. Die Schwierigkeit, ohne eine hilfreiche Regelvermutung die Fälle bewusster Fahrlässigkeit von denen des bedingten Vorsatzes zu scheiden, liegt indessen auf der Hand. Denn auf die innere Einstellung eines Menschen zum möglichen pflichtwidrigen Erfolg des eigenen risikobehafteten Verhaltens lässt sich in aller Regel nicht aufgrund derjenigen, vornehmlich äußeren Umstände schließen, über die bei der behördlichen Antragsbearbeitung allein Erkenntnisse vorliegen werden. Die in Rede stehende innere Einstellung hängt dafür in zu hohem Maße von den individuellen Charaktereigenschaften und der konkreten persönlichen Situation des jeweiligen Antragstellers zum Zeitpunkt der Ausfüllung des Antrags ab. Die Bewertung dieser inneren Einstellung macht somit ein Wissen um innere Tatsachen und entsprechende Hilfstatsachen notwendig, an denen ansonsten im Recht der Agrarförderung kein Erkenntnisinteresse besteht, sodass sie im Allgemeinen nicht aktenkundig sein werden. Wie sich aus dem Erfordernis der Offensichtlichkeit des Irrtums ergibt, ist die Behörde aber gerade nicht gehalten, aufwändig zu ermitteln, ob sich ein Antragsteller geirrt hat. Es wäre daher weder gesetzessystematisch stimmig noch hinreichend praktikabel, zur Abgrenzung des subjektiven Tatbestands eines offensichtlichen Irrtums auf Kriterien abzuheben, für deren Anwendung sich in der Regel im Akteninhalt ausreichende Indiztatsachen nicht finden lassen werden.

Nach alledem kann daher die Gutgläubigkeit eines Antragstellers in der Regel nur bejaht werden, wenn der ihm unterlaufene Fehler auf einer unbewussten und nicht groben Fahrlässigkeit beruht (a. A. wohl: Bay. VGH, Beschl. v. 1. 9. 2010 - 19 ZB 08.3085 -, juris, Langtext Rn. 11 ff., OVG LSA, Urt. v. 17. 12. 2009 - 2 L 222/08 -, juris, Langtext Rn. 48 ff., sowie VG Neustadt, Urt. v. 17. 2. 2011 - 2 K 742/10.NW -, juris, Langtext Rn. 34). Die unbewusste Fahrlässigkeit ist hierbei dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsteller den möglichen Eintritt einer Fehlerhaftigkeit des Antrages nicht erkannte, ihn aber bei gehöriger Sorgfalt hätte voraussehen und verhindern können (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 276 Rn. 13). Sie liegt beispielsweise besonders deutlich in den Fällen eines reinen Schreibfehlers vor.

Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt, dass eine Gutgläubigkeit des Klägers nicht bejaht werden kann, weil er ein für die Fehlerhaftigkeit seines Antrages ursächlich gewordenes Verschulden zu vertreten hat, das zumindest in einer mittleren, bewussten Fahrlässigkeit besteht.

Einem Betriebsinhaber bleibt es zwar unbenommen, sich zur Ausfüllung seiner Anträge einer Hilfsperson zu bedienen. Der Senat geht aber davon aus, dass dies grundsätzlich weder zu einer Erleichterung noch zu einer Verschärfung der Voraussetzungen führen kann, unter denen ein offensichtlicher Irrtum anzuerkennen ist. Das Verschulden einer Hilfsperson hat der Kläger daher wie eigenes Verschulden zu vertreten.

Der Kläger macht geltend, es sei zwischen ihm und seiner Hilfsperson zu einem "Kommunikationsfehler" gekommen, ohne dass er im Einzelnen vollständig erläutert, worin genau dieser Fehler und das Verschulden an ihm bestand. Von daher sind zwar im Detail verschiedene Fallgestaltungen denkbar. Auf die insoweit möglichen Unterschiede kommt es hier aber nicht an.

Hatte der Kläger seinerseits der Hilfsperson mitgeteilt, dass er 32 Milchkühe hielt und über eine Milchreferenzmenge verfügte, so hätte die Hilfsperson, selbst wenn sie bei der Eintragung der Anzahl der Tiere unter Ziffer I Nr. 3.1 des Antragsformulars die Zeilen verwechselte, diese Mitteilung des Klägers doch für die weitere Bearbeitung des Formulars im Gedächtnis behalten müssen. Es war dann zum einen wegen des Hinweises, der sich unmittelbar unter dem Kästchen findet, in das bei der Ziffer II Nr. 4.1 ein Kreuz gesetzt wurde, und zum anderen infolge des Umfanges, in dem unter Ziffer II Nr. 4.4 bis 4.4.5 einschlägige Angaben vorgesehen sind, von der Hilfsperson grob fahrlässig, dort entsprechende Eintragungen nicht vorzunehmen. Denn die Hilfsperson muss für diesen Fall im Zuge der Kommunikation mit dem Kläger dessen Mitteilungen nur allzu oberflächlich zur Kenntnis genommen und/oder das Antragsformular so oberflächlich gelesen und bearbeitet haben, dass sie dasjenige nicht beachtete, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste.

Hatte der Kläger seiner Hilfsperson indessen im Rahmen der wechselseitigen Kommunikation gar nicht mitgeteilt, dass er 32 Milchkühe hielt und ihm eine Milchreferenzmenge zur Verfügung gestanden hatte, so hätte er selbst anlässlich der Unterzeichnung des Formulars besonders auf die Ausfüllung insoweit etwa einschlägiger Passagen achten müssen. Wenn er dies unterlassen hat oder im Zuge einer hierauf auszurichtenden Endkontrolle des ausgefüllten Formulars dennoch das Fehlen einschlägiger Angaben auf einer ganzen Seite nicht bemerkte, so ist ihm selbst eine grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen.

Schließlich kommt es in Betracht, dass der Kläger seine Hilfsperson nur unvollständig davon unterrichtete, dass er 32 Milchkühe hielt und ihm eine Milchreferenzmenge zur Verfügung gestanden hatte. Dies könnte z. B. mit Ablenkungen und Umgebungslärm in der Gaststätte oder etwa mit einem Zeitmangel der Hilfsperson in Zusammenhang stehen, auf den das Schriftbild der Eintragungen in dem Formular hindeutet. Dann mag zwar weder die Hilfsperson noch den Kläger selbst der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit treffen. Überwiegendes spricht aber dafür, dass dem Kläger in diesem Fall zumindest das deutlich erhöhte Risiko von "Kommunikationsfehlern" bewusst war, welches in der gegebenen Situation mit seiner Vorgehensweise verbunden war. Deshalb beruht die eingetretene Fehlerhaftigkeit des Antrages für diese Geschehensvariante auf einer zumindest mittleren, bewussten Fahrlässigkeit. Denn vor der Unterzeichnung des Formulars durfte der Kläger nicht gänzlich auf eine Endkontrolle des ausgefüllten Formulars verzichten. Angesichts der Ausdehnung der Unvollständigkeiten über eine ganze Formularseite hätte ihm aber im Zuge einer tatsächlich durchgeführten Endkontrolle das völlige Fehlen der hier erforderlichen, aber unterlassenen Eintragungen keineswegs entgehen dürfen; denn dieses drängte sich optisch geradezu auf.

Der Kläger hat daher für die nach der Lebenserfahrung in Betracht kommenden Varianten des Geschehens, wenn nicht sogar eine grobe Fahrlässigkeit so doch zumindest eine mittlere, bewusste Fahrlässigkeit zu vertreten. Jedenfalls ist hieran anknüpfend seine Gutgläubigkeit zu verneinen, sodass die Anerkennung eines Irrtums ausscheidet.

Ein etwaiger Irrtum des Klägers wäre zudem nicht offensichtlich.

Wie der Senat bereits in seinem hiesigen Zulassungsbeschluss vom 27. Oktober 2010 - 10 LA 36/08 - (RdL 2011, 25 f.) ausgeführt hat, setzt die Offensichtlichkeit eines Irrtums im Sinne des Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004 nach der auch insoweit übertragbaren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 12 VO (EG) Nr. 2419/2001 (BVerwG, Urt. v. 26. 8. 2009 - BVerwG 3 C 15.08 -, juris, Langtext Rn. 20 und Rn. 23) Folgendes voraus: Die Irrtümlichkeit des zu berichtigenden Antragsinhalts muss sich für jeden Dritten zweifelsfrei ergeben, und zwar aus dem Zusammenhang der in dem Antrag abgegebenen Erklärungen, aus den Vorgängen bei der Abgabe dieser Erklärungen oder aus solchen Umständen der Antragstellung, auf die bei der Antragsbearbeitung zurückgegangen werden muss.

Hiernach scheitert die Offensichtlichkeit eines Irrtums des Klägers bereits daran, dass die Beklagte - selbst wenn sie im Zuge der Antragsbearbeitung positive Kenntnis davon erlangt hätte, dass der Kläger zum 31. März 2005 über eine Milchreferenzmenge verfügte - doch für die nach der Lebenserfahrung in Betracht zu ziehenden Geschehensvarianten davon auszugehen hatte, dass der Kläger ein Verschulden an der Unterlassung der gebotenen Angaben im Antragsformular zu vertreten hat, das es seiner Ausprägung nach nicht zulässt, ihn als gutgläubig zu betrachten. Denn dem Kläger war zumindest eine mittlere, bewusste Fahrlässigkeit zur Last zu legen, wenn er im Zuge der Unterzeichnung des Antragsformulars vollständig auf eine Endkontrolle verzichtet haben sollte. Angesichts der Ausdehnung der Unvollständigkeiten über eine ganze Formularseite hätte ihm aber im Zuge einer solchen Endkontrolle das völlige Fehlen der erforderlichen Eintragungen keineswegs entgehen dürfen; denn dieses drängte sich optisch geradezu auf.

51Davon abgesehen ist aus den soeben genannten Anforderungen an die Offensichtlichkeit eines Irrtums zu folgern, dass es an dieser Offensichtlichkeit auch dann fehlt, wenn auf das Vorliegen der objektiven Komponente des Irrtums nur anhand eines Datenabgleichs geschlossen werden kann, der der zuständigen Behörde zwar möglich gewesen wäre, der aber in dem Verwaltungsverfahren (§§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 9 VwVfG) über den Antrag, dessen Berichtigung erstrebt wird, weder erfolgt ist noch im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Halbsatz 1 sowie Abs. 2 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) geboten war, der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urt. 21. 9. 1983 - C-205/82 - [Deutsche Milchkontor], Slg. 1983, 02633, hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 35 f.) grundsätzlich auch für die Durchführung des Unionsrechts durch mitgliedstaatliche Behörden anzuwenden ist (Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2011, § 24 Rn. 3b; Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 24 Rn. 6). Im vorliegenden Falle ergeben sich die Informationen, aus denen auf einen etwaigen Irrtum des Klägers hätte geschlossen werden können, nicht bereits aus dem Antragsformular selbst und seinen Anlagen. Allein der Umstand, dass die Beklagte im Zuge des Gerichtsverfahren die "Antragsunterlagen (Milchprämie 2004)" als Bestandteil der potentiell relevanten Verwaltungsvorgänge vorgelegt hat, lassen nicht den Schluss zu, dass diese Antragsunterlagen bereits im Zuge der Antragsbearbeitung eingesehen wurden. Es ist auch nicht erkennbar, dass hierzu im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz Veranlassung bestanden hätte. Denn ungeachtet seiner grundsätzlichen Anwendbarkeit sind die nationalen Behörden nicht verpflichtet, durch Kontrollen sämtliche Angaben in den eingereichten Anträgen der Betriebsinhaber auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und die Antragsteller auf mögliche Unregelmäßigkeiten hinzuweisen (vgl. EuGH, Urt. v. 16. 5. 2002 - C-63/00 - [Schilling und Nehring], Slg. 2002, I-04483, hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 37, und Urt. v. 28. 11. 2002 - C-417/00 - [Agrargenossenschaft Pretzsch], Slg. 2002, I-11053, hier zitiert nach juris, Langtext Rn. 52). Der Beklagten ist dementsprechend keine gezielte Suche nach etwaigen offensichtlichen Irrtümern eines Antragstellers abzuverlangen. Nach den Umständen des Falles bestand für sie auch keine Veranlassung, die "HI-Tier Meldungsliste Milchreferenzmenge" einzusehen. Dies gilt umso mehr, als die Angaben des Klägers im Antragsformular zu seiner Tierhaltung in 2005 (Ziffer I Nr. 3.1) ihn eindeutig nicht als Milcherzeuger erscheinen ließen.