VG Oldenburg, Beschluss vom 03.05.2011 - 8 A 2967/10
Fundstelle
openJur 2012, 51908
  • Rkr:

Der Personalrat hat gem. §§ 84 Abs. 2 S. 7 SGB IX, 68 Abs. 2 BPersVG Anspruch auf Mitteilung der Namen der länger erkrankten Beschäftigten, die auf die Möglichkeit des betrieblichen Eingliederungsmanagements hingewiesen werden. Der Informationsanspruch steht dem Personalrat in seiner Gesamtheit zu. Die Mitteilungspflicht kann nicht auf den Vorsitzenden beschränkt werden.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller unverzüglich ohne vorherige Zustimmung des Betroffenen mitzuteilen, welche Beschäftigte der Dienststelle innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren sowie

2. dem Antragsteller eine Kopie des Anschreibens an den Betroffenen zur Verfügung zu stellen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Personalrat einer Agentur für Arbeit. Zwischen ihm und der Dienststelle besteht Uneinigkeit über den Umfang der Beteiligung des Personalrats bei dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen).

Nach den verwaltungsinternen Regelungen der Bundesagentur werden Personalräte in der ersten Phase des betrieblichen Eingliederungsmanagements über die Anzahl der angeschriebenen Personen unterrichtet und erhalten zudem das anonymisierte Anschreiben. Wenn der Beschäftigte seine Zustimmung erteilt, wird der Personalrat in der zweiten Phase bei der Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann, hinzugezogen. Der Antragsteller war der Ansicht, dass er weitergehend informiert werden müsse, um seiner Überwachungsaufgabe nachkommen zu können und verlangte deshalb, dass die Dienststelle ihm die Namen der betreffenden Personen mitteile, denen ein betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten wurde,.

Nach Verhandlungen hat der Antragsteller am 5. November 2010 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren zur Durchsetzung seiner Informationsansprüche eingeleitet. Seiner Ansicht nach hat er zur Erfüllung seiner Überwachungsaufgaben nach § 84 Abs. 2 SGB IX einen Anspruch auf Benennung der Personen, denen ein betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten wurde. Nur bei Kenntnis aller angeschriebenen Personen könne er vollständig überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Beschäftigte ordnungsgemäß unterrichtet worden seien. Ohne umfassende Unterrichtung sei er nicht in der Lage, etwaigen Verstößen effektiv entgegenzuwirken. Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, insbesondere der Anspruch auf Datenschutz, stünden dem nicht entgegen. Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Position der Personalräte erheblich gestärkt worden.

Der Antragsteller beantragt,

1. festzustellen, dass der Beteiligte verpflichtet ist, dem Antragsteller unverzüglich ohne vorherige Zustimmung des Betroffenen mitzuteilen, welche Beschäftigte der Dienststelle innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren und

2. dem Antragsteller eine Kopie des Anschreibens an den Betroffenen zur Verfügung zu stellen

sowie hilfsweise

1. dem Vorsitzenden des Antragstellers oder einem vom Antragsteller benannten Mitglied unverzüglich ohne vorherige Zustimmung des Betroffenen mitzuteilen, welche Beschäftigte der Dienststelle innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren und

2. dem Vorsitzenden des Antragstellers oder einem vom Antragsteller benannten Mitglied eine Kopie des Anschreibens an den Betroffenen zur Verfügung zu stellen.

Der Beteiligte beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Seiner Ansicht nach ist die bisherige Information des Antragsteller ausreichend zur Durchführung seiner Überwachungs- und Begleitungsaufgaben. Dem Antragsteller sei die Zahl der für ein betriebliches Eingliederungsmanagement in Betracht kommenden Personen bekannt. Außerdem liege ihm das Einladungsschreiben vor, so dass unzumutbare Informationsdefizite nicht bestünden. Die Mitteilung von Namen in Verbindung mit krankheitsbedingten Fehlzeiten sei eine unzulässige Weitergabe höchstpersönlicher Daten, die ohne Zustimmung des Betroffenen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzten. Diesem Recht komme ein so hoher Stellenwert zu, dass eine Preisgabe insbesondere des Gesundheitszustandes eines Beschäftigten nicht gerechtfertigt sei. Auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne der Antragsteller sich nicht berufen, weil dort gerade keine Aussage zum Umfang der Informationsrechte des Personalrats erfolgt sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich an einer Entscheidung dieser Frage gehindert gesehen, weil die Vorinstanz dazu abschließend entschieden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Verfahrensakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Anhörung war.

II.

Der Antrag ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nach § 83 BPersVG statthaft, zulässig und in vollem Umfang begründet.

Der Antragsteller kann verlangen, dass der Beteiligte ihm ohne vorherige Zustimmung die Namen der Beschäftigten mitteilt, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren. Gleichzeitig ist dem Antragsteller eine Kopie des jeweiligen Anschreibens zur Einleitung des betrieblichen Eingliederungsmanagements zur Verfügung zu stellen.

16Der Anspruch des Antragstellers leitet sich aus § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) iVm. § 68 Abs. 2 BPersVG her. Der Personalrat wacht darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach § 84 Abs. 2 SGB X obliegenden Verpflichtungen bei der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements erfüllt. Der Personalrat kann die ihm zugewiesene Überwachungsaufgabe nur erfüllen, wenn er über die erforderlichen Informationen verfügt. In § 68 Abs. 2 BPersVG ist dazu ergänzend bestimmt, dass die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten ist. Die dafür erforderlichen Unterlagen sind vorzulegen. Die vom Antragsteller beanspruchte namentliche Nennung der längerfristig Erkrankten ist eine für die Durchführung der Aufgaben der Personalvertretung erforderliche Informationen, die nicht verwehrt werden darf.

Das Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX gliedert sich in mehrere Phasen. Der Arbeitgeber setzt das betriebliche Eingliederungsmanagement in Gang, indem die Beschäftigten bestimmt, die für einen Klärungsprozess nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in Frage kommen. Diese werden gem. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX über die Ziele unterrichtet und auf die Möglichkeiten des Eingliederungsmanagements hingewiesen (Hinweisphase). Erst wenn der Beschäftigte seine Zustimmung zur Durchführung des Eingliederungsmanagements erklärt hat, beginnt in einer zweiten Phase der Klärungsprozess, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Das Hinweisschreiben nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ist somit dem Klärungsprozess nach Abs. 2 Satz 1 SGB IX zeitlich vorgelagert (BVerwG, B. v. 23.06.2010 - 6 P 8/09 -, Die Personalvertretung 2010, 454 Rdnr. 39; BayVGH, B. v. 30.04.2009 - 17 P 08.3389 -, juris, Rdnr. 24).

Die Beteiligung der zuständigen Personalvertretung ist erst in der zweiten Phase, nämlich in der Klärungsphase, im Gesetz erwähnt. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX klärt der Arbeitgeber nämlich mit der zuständigen Interessenvertretung und mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit oder zur Vorbeugung. Ob aus der Erwähnung der zuständigen Interessenvertretung, hier des Personalrats, erst in dieser zweiten Phase der Schluss gezogen werden kann, dass auch in der vorgelagerten Hinweisphase eine Beteiligung des Personalrats nicht oder nur mit Zustimmung des Betroffenen möglich ist, wird unterschiedlich beantwortet (einerseits LAG München, B. v. 24.11.2010 - 11 TaBV 48/10 - , juris; ArbG Bonn, B. v. 16.06.2010 - 5 BV 20/10 -, juris; andererseits BayVGH, B. v. 30.04.2009, - 17 P 08.3389 -, juris; VG Köln, B. v. 02.11.2009 - 34 K 181/09 -, juris; VG Ansbach, B. v. 05.04.2011 - AN 8 P 11.00347 -, juris; weitere Nachweise bei BVerwG, aaO. Rdnr. 48 und bei Baßlsperger, "Beteiligung des Personalrats beim Betrieblichen Eingliederungsmanagements, PersV 2010, 450).

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden(B. v. 23.06.2010 - 6 P 8/09 - PersV 2010, 454) , dass die Weitergabe des Hinweisschreibens der Dienststelle ohne Zustimmung des Betroffenen nicht gegen § 84 Abs. 2 SGB IX verstoße. Die Weitergabe des Hinweisschreiben mit Namensnennung steht nicht im Widerspruch zum Personalvertretungsrecht oder dem SGB IX. Zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem wiedergegebenen Meinungsstand, ob damit das Persönlichkeitsrecht der erkrankten Mitarbeiter verletzt sein kann, sah das BVerwG wegen der insoweit rechtskräftigen Entscheidung der Vorinstanz keine Veranlassung. Wenn das Bundesverwaltungsgericht gegen die Annahme des VG Bedenken gehabt hätte, hätte es über die nicht mehr streitige Nennung des Namens hinaus nicht noch die Weitergabe zusätzlicher Daten gerechtfertigt.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine deutliche Stärkung der Rechte der Interessenvertretung (Daniels, Neues zum betrieblichen Eingliederungsmanagement, Der Personalrat 2010, 428). Es ist geklärt, dass die Personalvertretung Anspruch auf Mitteilung von Namen und Anschrift der erkrankten Beschäftigten hat (Baßlsperger, aaO, 452). Gegen die Nennung des Namens der erkrankten Beschäftigten bestehen danach keine Bedenken (a. A. VG Ansbach, B v. 05.04.2011, AN 8 P 11.00347, juris).

Der Personalrat hat ein gesetzlich geschütztes Interesse, nicht nur die Zahl der erkrankten Mitarbeiter, sondern auch deren Namen zu erfahren. Insbesondere kann sich etwa ergeben, dass in bestimmten Abteilungen oder Organisationseinheiten vermehrt langfristige Krankheitsfälle auftreten. Der Personalrat kann dann im Zusammenwirken mit der Dienststelle nach Lösungsmöglichkeiten suchen oder Ursachenforschung betreiben. Die Namen der Betroffenen sind für die Durchführung der Überwachung nach § 84 Abs. 2 Satz 7 erforderlich, weil die Zahl der Betroffenen dem Personalrat lediglich eine Übersicht vermittelt, ob und in welchem Umfang ein betriebliches Eingliederungsmanagement betrieben wird. Erst durch die Benennung der Beschäftigten kann er sich ein Bild darüber verschaffen, ob alle betroffenen Beschäftigten tatsächlich informiert werden (vgl. BVerwG, a.a.O. Rdnr. 43).

Außerdem sind die Namen der Langzeitkranken für das Initiativrecht des Personalrats nach § 84 Abs. 2 Satz 6 SGB IX erforderlich. Danach kann die zuständige Interessenvertretung die Klärung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 verlangen. Das kann nur wirksam durchgesetzt werden, wenn die in Betracht kommenden erkrankten Personen namentlich bekannt sind. Eine lediglich listenmäßige anonymisierte Aufstellung reicht dazu nicht.

Unzumutbare Eingriffe in Persönlichkeitsrechte der Betroffenen hat eine auf das erforderliche Maß beschränkte Information des Personalrats nicht zur Folge. Die Dienststelle ist nämlich gehalten, den Inhalt des Anschreibens an die erkrankten Beschäftigten auf wesentliche Gesichtspunkte zu begrenzen, die für die ordnungsgemäße Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX unumgänglich sind (BVerwG, a.a.O. Rdnr. 52). Mit dieser Beschränkung des Hinweisschreibens auf das Ausreichende, aber auch Erforderliche wird der Konflikt zwischen dem Interesse des Betroffenen, dass möglichst wenige von seiner Erkrankung wissen sollen, und dem Interesse der Personalvertretung, umfassend über die Durchführung des Eingliederungsmanagements unterrichtet zu werden, aufgelöst.

24Die Kammer hat davon abgesehen, den Auskunftsanspruch in der Weise zu beschränken, dass die Namen der erkrankten Personen nur dem Vorsitzenden des Personalrats oder einem vom Personalrat beauftragten Mitglied bekannt gegeben werden dürfen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (B. v. 21. Juni 2010, - 6 P 8/09 - Rdnr. 53, PersV 2010, 454) ist die Beschränkung von Mitteilungen der Dienststelle auf einzelne Personalratsmitglieder ein anerkanntes Mittel zum Schutz von sensiblen personenbezogenen Daten. In dieser Allgemeinheit kann die Fachkammer eine solche Beschränkung aus dem BPersVG nicht entnehmen. Das BPersVG gibt - von Ausnahmen abgesehen - nichts für ein abgestuftes System zwischen umfassender Information des Vorsitzenden oder eines einzelnen Mitgliedes und der eingeschränkten Information der übrigen Mitglieder des Personalrates her (Daniels, Neues zum betrieblichen Eingliederungsmanagements, Der Personalrat 2010, 428, 430).

Eine Mitteilung nur an ausgewählte Mitglieder des Personalrats in den Fällen des § 84 Abs. 2 S. 3 und S. 7 SGB IX lässt sich insbesondere nicht aus § 68 Abs. 2 BPersVG herleiten. Diese Vorschrift gilt unmittelbar nur für die Einsichtnahme der Personalvertretung in Personalakten, die nur mit Zustimmung des Beschäftigten und nur von den von ihm bestimmten Mitgliedern der Personalvertretung eingesehen werden dürfen. Bei den Hinweisschreiben gem. § 84 Abs. 2. S. 3 SGB IX handelt es sich nicht um Personalakten oder um Bestandteile von Personalakten, die als Sammlung von Schriftstücken ein umfassendes, möglichst lückenloses Bild über Herkunft, Ausbildung, beruflichen Bildungsgang, sonstige dienstlich relevante Daten sowie über das dienstliche und außerdienstliche Verhalten des Beschäftigten geben. Die Information über erkrankte Beschäftigte vor Einleitung des Klärungsverfahrens kann ein solch vollständiges Bild, wie es die Personalakten vermitteln, über die Persönlichkeit des Beschäftigten nicht liefern (BVerwG, a.a.O. Rdnr. 45).

Wenn die Mitteilung der hier in Rede stehenden Daten "weit davon entfernt (ist), jenes vollständige Bild über die Persönlichkeit des Beschäftigten zu liefern, welches für die Personalakten typisch ist", dann scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage auch eine analoge Anwendung des § 68 Abs. 2 S. 2 BPersVG aus. Außerdem enthält die Vorschrift eine Ausnahme von der sonst uneingeschränkten Informationsübermittlung. Nur die umfassende Sammlung von Schriftstücken als Personalakte genießt den Schutz vor Einsichtnahme. Aktenbestandteile zu einzelnen abgegrenzten Bereichen haben diesen Schutz nach dem BPersVG nicht in jedem Fall.

Bei der Weitergabe von sensiblen personenbezogenen Daten an den Personalrat und bei der Benutzung dieser Daten ist zu unterscheiden zwischen der Kenntniserlangung und der Kenntnisverwertung. Die Übermittlung von personenbezogenen Daten betrifft die Kenntniserlangung. Schriftliche oder ggf auch mündliche Mitteilungen erfolgen über den Vorsitzenden des Personalrats, der den Personalrat gem. § 32 Abs. 3 BPersVG vertritt. Nur eine dem Vorsitzenden gegenüber abgegebene Erklärung ist rechtswirksam (Lorenzen u. a. BPerVG, Kommentar, Anm. 41 zu § 32 BPerVG).

Soweit es um Kenntnis von Unterlagen der Dienststelle geht, können diese dem Personalrat über seinen Vorsitzenden mit der Bitte um Rückgabe im Original zugeleitet werden oder ihm in Kopie zur Verfügung gestellt werden. Bei sensiblen personenbezogenen Daten kann die Kenntnisverschaffung aber Einschränkungen unterliegen, die sich aus Spezialgesetzen etwa aus dem Beamtenrecht oder auch aus Tarifverträgen ergeben können (vgl. Lorenzen u.a., BPersVG, Komm., § 68 Anm. 46 k). Aber auch ohne spezialrechtlichen Schutz kann es die Natur der personenbezogenen Daten erfordern, dass Unterlagen dem Personalrat weder im Original noch in Kopie zuzuleiten sind. Vielmehr kann der Personalrat bei besonders schutzbedürftigen Daten darauf beschränkt sein, Einsicht in die bei der Dienststelle verbleibenden Unterlagen zu nehmen und sich Aufzeichnungen zu machen. Nicht in jedem Fall ist eine Aushändigung von vollständigen Unterlagen oder von Kopien zur ausreichenden Information des Personalrats erforderlich (Lorenzen u.a. a.a.O. Anm. 44 a).

Die Beschränkungen bei der Informationsbeschaffung wirken sich jedoch nicht auf die Informationsverwertung, also bei der Beschlussfassung des Personalrates aus. Die den empfangsberechtigten Mitgliedern des Personalrats zugänglich gemachten Informationen sind nicht ihnen vorbehalten, sondern müssen dem gesamten Gremium vermittelt werden. Alle Mitglieder des Personalrats müssen den gleichen Informationsstand haben, wenn sie eigenverantwortlich entscheiden sollen. Das Bundespersonalvertretungsrecht gibt keine Rechtsgrundlage für unterschiedliche Informationsstände oder Informationsmonopole von einzelnen Mitgliedern der Personalvertretung. Insbesondere mit dem Amt des Personalratsvorsitzenden sind solche Kenntnisprivilegien nicht verbunden. Er ist den übrigen Mitgliedern gegenüber gleichberechtigt und hat nur in gesetzlich abschließend geregelten Fällen mehr Kompetenzen als die übrigen Mitglieder (vergl. Übersicht bei Lorenzen u. a. BPersVG, Kommentar, Anm. 40 zu § 32 BPersVG).

Die Überwachungsaufgaben nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX werden weder vom Personalratsvorsitzenden noch von Personen, denen die Namen der kranken Personen zur Verfügung gestellt werden, ausgeübt. Vielmehr ist das Gremium in seiner Gesamtheit mit dieser Aufgabe betraut. Die Beschlussfassung kann nur verantwortlich erfolgen, wenn alle Mitglieder des Gremiums den gleichen Kenntnisstand haben.

Maßstab für den Umfang der Informationen und den Anspruch auf Information ist allein die Erforderlichkeit. Erforderliche Mitteilungen sind dem Personalrat zu machen. Nicht erforderliche sind zu unterlassen (Daniels, a.a.O.). Bei der Anwendung des Begriffs der Erforderlichkeit sind dann die schutzwürdigen Belange des Betroffenen zu bestimmen und zu werten. Es kann nicht im Streit sein, dass Anspruch auf Schutz persönlicher Daten auch dem Personalrat gegenüber besteht. Allein der Hinweis auf die Schweigepflicht der Personalratsmitglieder kann einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung nicht rechtfertigen. Ohne die Schweigepflicht dürfte der Personalrat überhaupt keine personenbezogenen Angaben erhalten. Wenn nach Prüfung der Schutzbelange des Betroffenen und der gesetzlichen Aufgaben des Personalrat die Erforderlichkeit der Datenübermittlung feststeht, müssen die Informationen allen Mitglieder verfügbar sein. Ein "Informationsüberschuss" des Personalratsvorsitzenden, den er nicht weitergeben darf, kann so nicht entstehen. Was an Angaben für die Arbeit des Personalrats erforderlich ist, kann keinen Informationsüberschuss begründen. Was nicht erforderlich ist, darf gar nicht erst mitgeteilt werden.

Die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 23. Juni 2010 angeführten Entscheidungen zur Datenübermittlung nur an ausgewählte Mitglieder der Personalvertretung sind wegen ihres Ausnahmecharakters kaum geeignet, ein „in der Verwaltungsrechtsprechung anerkanntes Mittel zum Schutz besonders sensibler personenbezogener Daten" zu begründen. (s. dazu Daniels a.a.O.). Im Übrigen geben die drei angeführten Beschlüsse vom 16. Februar 2010 - 6 P 5/09 -, vom 23. Januar 2002 - 6 P 5/01 - sowie vom 22. April 1998 - 6 P 4/97 - nur wenig für Rechtfertigung und Notwendigkeit der eingeschränkten Informationserlangung her.

Die Entscheidung vom 16. Februar 2010 enthält keine revisionsgerichtlichen Erörterungen zur Einschränkung der Mitteilung auf besonders vertrauenswürdige Mitglieder des Personalrates. Die Einsichtnahme in schutzwürdige Unterlagen nur durch den Vorsitzenden war nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens, weil das Verwaltungsgericht bereits entschieden hatte, dass Einblick in die Unterlagen nur vom Vorsitzenden des Personalrats und einem weiteren Mitglied zu nehmen sei. Das BVerwG hat das als gegeben vorausgesetzt und sich dazu nicht weiter geäußert.

Auch die grundlegende Entscheidung vom 22. April 1998 kann für den hier zu entscheidenden Fall nicht herangezogen werden. Dort ist ausgeführt, dass Gehaltslisten in ihrer Schutzwürdigkeit den Personalakten gleichartig seien, deshalb sei nur die Einsichtnahme gestattet, nicht aber die Aushändigung. Außerdem dürften keine Kopien oder komplette Abschriften gemacht werden. Um derartige Einschränkungen geht es hier nicht. Es sollen ja gerade Kopien des nicht anonymisierten Hinweisschreibens an den Personalrat übermittelt werden. Da es hier nicht um die Beschränkung der Einsichtnahme in Akten oder Unterlagen geht, stellt sich die Frage nach der Zahl der für den Personalrat zur Einsichtnahme berechtigten Personen nicht.

Die in dem Beschluss vom 23. Juni 2010 ebenfalls angeführte Entscheidung vom 23. Januar 2002 ist nicht einschlägig. Sie besagt, dass Unterlagen, die der Personalrat zur Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte immer wieder benötigt, in Kopie auf Dauer zu überlassen sind. Diese Frage ist hier nicht im Streit. Dass die nichtanonymisierten Hinweisschreiben beim Personalrat verbleiben können, wird vom Beteiligten nicht in Frage gestellt, sofern er zur Herausgabe verpflichtet ist.

Eine Kostenentscheidung ergeht im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht.