OLG Celle, Beschluss vom 25.05.2011 - 4 W 66/11
Fundstelle
openJur 2012, 51873
  • Rkr:

Die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle anstelle des Rechtspflegers mit einer Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung eines Urteils, welches eine Zug um Zug-Leistung gem. § 726 Abs. 2 ZPO beinhaltet, ist unwirksam.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 11. April 2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Langen vom 5. April 2011 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.300 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt die Eintragung einer beurkundeten Auflassung auf der Grundlage eines zu ihren Gunsten ergangenen Versäumnisurteils.

I.

Mit dem Versäumnisurteil vom 10. November 2010 (Landgericht Bremen, Az: 6 O 1296/10) wurde der Eigentümer verurteilt, mehrere Grundstücke an die Antragstellerin aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen, Zug um Zug gegen Zahlung eines restlichen Kaufpreises durch die Antragstellerin an den Eigentümer. Am 29. Dezember 2010 beurkundete der Verfahrensbevollmächtigte die dort näher bezeichnete Auflassung (UR-Nr. 2…/2010), dem das Versäumnisurteil lt. Urkunde in Ausfertigung beilag. Zu den Grundbuchakten gelangt ist die Kopie einer Ausfertigung. Aus dieser Kopie ergibt sich, dass die Ausfertigung von dem Urkundsbeamten der Geschäftstelle des Landgerichts erteilt wurde. Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Eintragung der Auflassung mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Urteilsausfertigung mit einer unwirksamen Vollstreckungsklausel versehen sei; diese sei wegen der Zug um Zug-Verurteilung nicht vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern vom Rechtspfleger zu erteilen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 5. April 2011 Bezug genommen. Hiergegen haben die Antragsteller Beschwerde eingelegt. Auf die Begründung der Beschwerde vom 11. Februar 2011 wird verwiesen. Zwischenzeitlich hat das Landgericht um Rücksendung der vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils gebeten, da die Ausfertigung versehentlich erteilt worden und unwirksam sei.

II.

Die gemäß den §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Grundbuchamt hat die begehrte Eintragung zu Recht durch Beschluss zurückgewiesen.

1. Das Amtsgericht hat zutreffend nicht mittels einer Zwischenverfügung, sondern durch Beschluss entschieden. Eine Zwischenverfügung ist nicht zulässig, wenn der Mangel des Antrags nicht mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann; andernfalls erhielte die beantragte Eintragung einen Rang, der ihr nicht gebühre (Demharter, GBO, 27. Aufl., § 18 Rn. 8 m. w. N.). Dies ist vorliegend der Fall. Mangels Vorliegen einer wirksamen vollstreckbaren Ausfertigung (s. II. 2.) konnte am 29. Dezember 2010 keine Entgegennahme der Auflassung wirksam beurkundet werden. Mit einer Zwischenverfügung kann nicht aufgegeben werden, eine Auflassung noch einmal wirksam vorzunehmen bzw. deren Entgegennahme zu beurkunden; sie ist entweder wirksam oder unwirksam.

2. Die der Antragstellerin erteilte vollstreckbare Ausfertigung ist unwirksam. Die Ausfertigung ist vom funktionell unzuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und nicht vom eigentlich zuständigen Rechtspfleger vorgenommen worden; dies führt nach Auffassung des Senats zur Unwirksamkeit der erteilten Vollstreckungsklausel.

Gemäß § 20 Nr. 12 RPflG ist dem Rechtspfleger die Erteilung der Klausel nach § 726 Abs. 1 ZPO übertragen worden. Vorliegend bedarf die vollstreckbare Ausfertigung einer sog. qualifizierten Klausel nach § 726 ZPO, weil der Beklagte und Eigentümer zur Abgabe einer Willenserklärung Zug um Zug gegen Zahlung eines Kaufpreises an ihn verurteilt worden ist. Die funktionelle Unzuständigkeit des Urkundsbeamten in der Geschäftsstelle führt zur Unwirksamkeit der Vollstreckungsklausel, nicht lediglich zu ihrer Anfechtbarkeit (OLG Dresden MDR 2010, 1491; KGR 1999, 354 ff.; OLG Hamm NJW-RR 1987, 957; Schuschke/Walker-Schuschke, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 726 Rn 18 für den Fall - wie hier - einer Klausel nach § 726 Abs. 2 ZPO; Zöller-Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 726 Rn 7 m. w. N.; wohl auch OLG Frankfurt MDR 1991, 162; a. A. OLG Zweibrücken NJW-RR 1997, 882 f.; Nichtigkeit nur bei bewusster Erteilung einer qualifizierten Klausel durch den Urkundsbeamten anstelle des Rechtspflegers: Musielak-Lackmann, ZPO,7. Aufl., § 726 Rn 4). Für diese Ansicht spricht, dass die Entscheidung eines funktionell unzuständigen Rechtspflegeorgans ein schwerwiegender Mangel ist. Ein solcher Mangel führt zur Unwirksamkeit einer von diesem getroffenen Entscheidung. Die auf § 8 RPflG gründenden Einwendungen des OLG Zweibrücken, die gegen die Unwirksamkeit der vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle im Verfahren nach § 726 ZPO gefertigten Vollstreckungsklausel sprechen sollen, überzeugen nicht. Denn aus § 8 RPflG ergibt sich, dass der Gesetzgeber an sich davon ausgeht, dass eine Unwirksamkeit eines funktionell unzuständigen Rechtspflegeorgans angenommen wird. Andernfalls hätte es der besonderen Regelungen in § 8 Abs. 1 und 5 RPflG nicht bedurft. Zwar ist eine ausdrückliche Regelung gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG erfolgt, wonach das Geschäft wirksam ist, wenn der Rechtspfleger ein Geschäft des Richters wahrgenommen hat, das ihm weder übertragen worden ist noch übertragen werden kann. Dies erklärt sich aber unter dem Gesichtspunkt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz, dass "die Ansicht des Gesetzgebers, die Zuständigkeiten zu verteilen, nicht durch die fehlsame Entschließung eines Organs, das nur aufgrund einer besonderen Ermächtigung tätig werden kann, durchkreuzt werden" soll (so Amtl. Begründung bei Arnold/Meyer-Stolte/Herrmann/Hintzen/Rellermeyer, RPflG, 7. Aufl., § 8 Rn 18). Mangels eines entgegenstehenden Grundsatzes bedurfte es deshalb keiner ausdrücklichen Regelung zur Unwirksamkeit eines Geschäfts, das der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in Verkennung seiner Zuständigkeit vorgenommen hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich gemäß § 30 Abs. 1 KostO aus dem Gesamtkaufpreis für die vom Eigentümer zu übertragenden Grundstücke; dieser Gesamtkaufpreis lässt sich der in der Grundbuchakte befindlichen Veräußerungsanzeige an das zuständige Finanzamt entnehmen.

IV.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 78 GBO war nicht erforderlich. Zeitlich nach der Entscheidung des OLG Zweibrücken hat der Bundesgerichtshof (NJW 2006, 776) in einem Verfahren gemäß § 732 ZPO über die Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel ausgeführt, dass die Zwangsvollstreckung unzulässig sei, da die Vollstreckungsklausel von der nicht zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilt worden sei. Dem entnimmt der Senat, dass der Bundesgerichtshof gleichfalls von der Unwirksamkeit einer Vollstreckungsklausel ausgeht, die durch das funktionell unzuständige Rechtspflegeorgan erteilt wurde.