Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24.03.2011 - 1 LA 2/09
Fundstelle
openJur 2012, 51707
  • Rkr:

1. Zur Bedeutung des ungeschriebenen Belangs des Planungserfordernisses für Außenbereichsvorhaben in Nachbarstreitfällen.2. Zur Überzeugungskraft eines Lärmgutachtens, wenn der Gutachter die Lärmmessung unter Bereitstellung eines "Messkoffers" dem betroffenen Nachbarn selbst überlassen hat.

Gründe

Die Kläger wenden sich gegen der beigeladenen Gemeinde erteilte Baugenehmigungen des Beklagten für Gebäude einer "Paddel- und Pedalstation" im Winkel zwischen West D. Kanal und Burlager-Langholter Tief in D..

Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil nachbarschützende Vorschriften nicht verletzt würden. Insoweit hat es auf seinen Beschluss vom 7. August 2007 (- 4 B 2005/07 -) und auf den Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007 (- 1 ME 269/07 -) Bezug genommen.

Mit ihrem dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Kläger in erster Linie ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehe ein Rechtsanspruch des Eigentümers eines bestandsgeschützt bebauten Außenbereichsgrundstücks darauf, dass in seiner Nachbarschaft

- sonstige Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB nicht errichtet würden, wenn sie öffentliche Belange überhaupt beeinträchtigten, jedenfalls aber, wenn sie vom Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB erfasste Belange des Nachbarn beeinträchtigten,

- dass außenbereichsprivilegierte Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 oder teilaußenbereichsprivilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 4 BauGB nicht genehmigt würden, wenn die vorgenannten Belange entweder entgegenstünden oder bestimmte Belange nicht entgegengehalten werden könnten.

Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 1. August 2002 (- 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25) entschieden, dass die Zulassung eines Außenbereichsvorhabens am öffentlichen Belang des Planungserfordernisses scheitern könne. Darüber hinaus habe es mit Urteil vom 17. September 2003 (- 4 C 14.01 -, BVerwGE 119, 255) den Rechtssatz aufgestellt, dass § 1 Abs. 3 BauGB zu einer Erstplanung verpflichten könne, wenn § 34 BauGB als Konfliktbewältigungsinstrument versage. Zwar beruhten diese Entscheidungen auf § 2 Abs. 2 BauGB; diese Vorschrift stelle letztlich aber nur eine Ausprägung des allgemeinen Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB dar. Dieses dürfe durch die Erteilung rechtswidriger Baugenehmigungen nicht umgangen werden. Hier könne von der Außenbereichsprivilegierung der "Paddel- und Pedalstation" keine Rede sein; insbesondere sei dieses Vorhaben nicht ortsgebunden. Es beeinträchtige eine Reihe von öffentlichen Belangen; insbesondere fehle es an einer Trennung unterschiedlicher Nutzungen im Sinne des § 50 BImSchG.

Der Nachbar müsse schon aus rechtsstaatlichen Gründen (Art. 19 Abs. 4 GG) das Umgehen des Planungserfordernisses rügen könne, da andernfalls sein aus § 1 Abs. 7 BauGB resultierende Abwägungsanspruch leer liefe. In diesem Sinne entfalte das Planungserfordernis Nachbarschutz.

Die vom Verwaltungsgericht angestellte Hilfserwägung, das Vorhaben sei möglicherweise nach § 35 Abs. 2 BauGB zulässig, sei weder begründet worden noch nachvollziehbar.

Unzutreffend sei die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das drittschützende Gebot, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden, sei schon deshalb nicht betroffen, weil die Lärmbeeinträchtigungen unterhalb des Dorfgebietsrichtwerts lägen. Nach dem Urteilsausspruch habe sich ein anderer Sachverhalt ergeben. Der Kläger habe einen "Messkoffer" eingesetzt; mit Gutachten vom 27. November 2008 sei auf dieser Grundlage eine Überschreitung der Richtwerte festgestellt worden.

Das Urteil sei verfahrensfehlerhaft im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ergangen, soweit es ohne jegliche Begründung auf Seite 7 oben annehme, das Vorhaben könne auch nach § 35 Abs. 2 BauGB zulässig sein.

Schließlich sei die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), und zwar im Hinblick auf die Frage, ob ein ebenfalls im Außenbereich situierter Nachbar die Erteilung von gegen § 35 BauGB objektiv verstoßenden Baugenehmigungen dann rügen könne, wenn das Vorhaben wegen eines Verstoßes gegen § 35 BauGB ohne förmliche Bauleitplanung nicht zugelassen werden könne und im Rahmen dieser Bauleitplanung die Belange des Nachbarn zwingend in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einzustellen und infolgedessen auch abzuwägen wären. Insoweit habe das Bundesverwaltungsgericht mit der eingangs genannten Entscheidung eine neue Denkrichtung eröffnet. Seitdem sei diese Frage in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht wieder entschieden worden.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht erst vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg, sondern bereits dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, NVwZ 2010, 634). Das ist den Klägern nicht gelungen.

Zu den sich hier stellenden Fragen hat der Senat im vorangegangenen Beschwerdeverfahren (- 1 ME 269/07 -) ausgeführt:

"Der von den Beschwerdeführern für richtig gehaltenen Erweiterung des Anspruchs auf Nachbarschutz im Außenbereich folgt der Senat nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Rücksichtnahmegebot - bezogen auf Außenbereichsvorhaben - ein unbenannter öffentlicher Belang i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der sich über die gesetzliche Ausprägung in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hinaus auch auf sonstige nachteilige Auswirkungen eines Vorhabens erstreckt (Beschl. v. 11.12.2006 - 4 B 72.06 -, NVwZ 2007, 336). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch geklärt, dass das Rücksichtnahmegebot kein außergesetzlicher Topos ist und auch nicht generell aus Art. 14 Abs. 1 GG hergeleitet werden kann, sondern einfachrechtlicher Verankerung bedarf (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, NVwZ 1987, 409; Urt. v. 26.9.1991 - 4 C 5.87 -, BVerwGE 89, 69).

Schon der Inhaber eines im Außenbereich privilegiert ansässigen Betriebes hat weder einen - allgemeinen - Abwehranspruch gegen im Außenbereich unzulässige Nachbarvorhaben noch einen Anspruch auf Bewahrung der Außenbereichsqualität seines Betriebsgrundstücks (BVerwG, Beschl. v. 28.7.1999 - 4 B 38.99 -, NVwZ 2000, 552). Das Bundesverwaltungsgericht hat in der genannten Entscheidung einen Anspruch auf Bewahrung des Gebietscharakters für den Außenbereich verneint, weil ihm wegen der unterschiedlichen Privilegierungstatbestände des § 35 Abs. 1 BauGB ein bestimmter Gebietscharakter fehle, dessen Erhaltung gerade das Ziel des Nachbarschutzes in den Baugebieten der Baunutzungsverordnung sei. Erst recht ist diese Rechtsprechung auf Fälle anzuwenden, in denen der betroffene Nachbar selbst keinen Privilegierungstatbestand für sich geltend machen kann. Es gibt auch keinen Rechtssatz des Inhalts, Nachbarschutz komme desto eher in Betracht, "je rechtswidriger" die angegriffene Genehmigung ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, NVwZ 1994, 686).

Die von den Beschwerdeführern für richtig gehaltene Zusammenschau von § 15 BauNVO, § 50 BImSchG und § 1 Abs. 7 BauGB führt zu keinem ihnen günstigeren Ergebnis. Eine sinngemäße Anwendung des § 15 BauNVO kommt schon aus dem zuletzt genannten Grund nicht in Betracht, weil es dem Außenbereich an einem Gebietscharakter fehlt. § 50 BImSchG und § 1 Abs. 7 BauGB setzen eine Planung voraus, nicht nur Planungsbedürftigkeit. Im Übrigen kann zwar die Zulassung eines Außenbereichsvorhabens am öffentlichen Belang des Planungserfordernisses scheitern. Das setzt aber voraus, dass das Vorhaben einen Koordinierungsbedarf auslöst, dem nicht das Konditionalprogramm des § 35 BauGB, sondern nur eine Abwägung im Rahmen einer förmlichen Planung angemessen Rechnung zu tragen vermag (BVerwG, Urt. v. 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, DVBl. 2003, 62). Das Konditionalprogramm des § 35 BauGB reicht aber durchaus aus, um die Zulässigkeit des Nebeneinanders eines Wohnhauses und einer Paddel- und Pedalstation im Außenbereich beurteilen und entscheiden zu können. Ob die Baugenehmigungsbehörde insoweit die richtige Entscheidung getroffen hat, ist unerheblich; von einer - wie hier geltend gemacht wird - fehlerhaften Entscheidung kann nicht der Schluss auf eine Planbedürftigkeit gezogen werden."

Hiervon ist der Senat später auch in seinen Beschlüssen vom 22. Oktober 2010 (- 1 ME 145/10 -, BauR 2011, 245) und vom 8. Februar 2011 (- 1 LA 109/08 -, juris und www.dbovg.niedersachsen.de) ausgegangen.

20Soweit die Kläger demgegenüber meinen, sie hätten einen Anspruch auf (fehlerfreie) Abwägung, der ihnen durch eine fehlerhaft erteilte Baugenehmigung genommen werde, lässt sich ein solcher Anspruch aus dem anzuwendenden Recht nicht herleiten. Er besteht zwar, wenn die Gemeinde eine Bauleitplanung durchführt. Tut sie dies nicht, unterliegen jedoch grundsätzlich weder sie selbst noch eine organisatorisch getrennte Baugenehmigungsbehörde einem derartigen Anspruch. In Betracht kommt zwar in besonderen Fällen, dass die Genehmigungsbehörde ein objektiv bestehendes Planungserfordernis als öffentlichen Belang zu werten hat, der durch ein "planlos" genehmigtes Vorhaben beeinträchtigt würde. Das ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einem voraussetzungslos bestehenden Anspruch auf Abwägung. Erst recht führt nicht bereits die objektive Rechtswidrigkeit eines Vorhabens zu der Annahme, dass gegen ein Planungserfordernis verstoßen wird. Es hat vielmehr sein Bewenden dabei, dass sich auf das Planungserfordernis nur berufen kann, wer in spezifischer Weise durch das Unterbleiben einer erforderlichen Planung berührt wird. Eine solche Rechtsstellung ist Nachbargemeinden auf Grund des § 2 Abs. 2 BauGB zuerkannt worden. Diese Vorschrift mag zwar eine besondere Ausprägung des allgemeinen Abwägungsgebots sein, geht aber inhaltlich deutlich über dieses hinaus. Soweit das Bundesverwaltungsgericht damit Planungspflichten begründet hat, hat es damit nicht zugleich für alle Konkurrenzsituationen einen Zwang zur Planung gesehen. Bezogen hat es seine Folgerungen vielmehr nur auf bestimmte Konstellationen, d.h. für Gebietskörperschaften, denen die - auch vorsorgende - Ortsplanung obliegt. Vergleichbares gilt für sonstige Nutzungen, die im Außenbereich miteinander konkurrieren, gerade nicht; diese werden nur nach Gesichtspunkten der Gefahrenabwehr voneinander geschieden. Eine darüber hinaus gehende "Banalisierung" des ungeschriebenen Belangs des Planungserfordernisses, insbesondere der Rückschluss von der objektiv-rechtlichen Unzulässigkeit eines Vorhabens auf das Bestehen eines Planungserfordernisses, würde in Nachbarstreitigkeiten im Ergebnis regelmäßig zur "Vollprüfung" führen. Dass das Bundesverwaltungsgericht diese weitreichende Konsequenz gewollt hat, lässt sich den angeführten Entscheidungen nicht entnehmen.

Auch der Gesetzgeber hat diese Konsequenz nicht gezogen, sondern - ohne ausdrückliche Aufwertung des ungeschriebenen Belangs des Planungserfordernisses - im Jahr 2004 lediglich in § 2 Abs. 2 und § 34 Abs. 3 BauGB die Rechtsstellung von Nachbargemeinden gestärkt. Auch das zeigt, dass eine generelle Änderung der Abwehrposition benachbarter Grundstückseigentümer nicht in Rede stand. Für diese greifen vergleichbare Norm nicht ein, so dass es für sie vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB bei dem Grundsatz verbleibt, dass das Unterbleiben der Planaufstellung, selbst wenn diese objektivrechtlich geboten sein sollte, den Einzelnen nicht im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen subjektiven Rechten verletzt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.8.1982 - 4 B 145.82 -, DVBl 1982, 1096).

Auch der Umstand, dass die Kläger bei nachträglichen Messungen unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen meinen ermittelt zu haben, führt zu keinen ernstlichen Zweifeln an dem angegriffenen Urteil.

Streitig ist zunächst, ob und unter welchen Umständen neue Tatsachen und Beweismittel im Zulassungsverfahren Berücksichtigung finden können (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rdnrn. 86 ff.). Gegenstand einer Aufklärungsrüge könnte die Behandlung der Lärmproblematik durch das Verwaltungsgericht nicht mehr sein, weil die Kläger in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt haben (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 2.9.2009 - 4 BN 23.09 -, juris). Vor diesem Hintergrund müssen auch im Zusammenhang mit dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedenfalls nicht geringe Anforderungen an die Überzeugungskraft des neuen Vortrags und des dafür vorgebrachten Beweismittels gestellt werden, wenn es sich - wie hier - aufgedrängt hätte, in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag zu stellen, zumal ihre eigenen Messungen schon am 7. Juni 2008, 20. Juni 2008 und 6. September 2008 stattgefunden hatten, also deutlich vor der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2008.

24Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Das vorgelegte Gutachten des Ingenieurbüros Wittstock vom 27. November 2008 weist die Besonderheit auf, dass wesentliche Teile der Sachverhaltsermittlung gerade nicht vom Sachverständigen selbst durchgeführt worden sind, womit ihr Beweiswert gering ist. Dass darin nicht nur eine theoretische Möglichkeit der Mangelhaftigkeit des Gutachtens liegt, zeigt schon der Umstand, dass auf dessen Seite 5 - "Lageplan und Satellitenfoto" - gerade nicht der hier in Rede stehende Standort gezeigt wird, sondern derjenige einer weiter nördlich gelegenen Kläranlage. Entscheidend kommt es hier allerdings darauf an, ob die Messung selbst nach anerkannten Regeln durchgeführt worden ist; gerade hierfür hat der Sachverständige einzustehen. Nach dem eigenen Internetauftritt des Ingenieurbüros Wittstock übersendet dieses dem Kunden mit dem Messkoffer nur eine "leicht verständliche Bedienungsanleitung". Damit ist nicht sichergestellt, dass die Messung sachkundig durchgeführt wird. Woher das Gutachten die Sicherheit nimmt, dass auf seiner Seite 2 die Messumgebung und die Aufnahmebedingungen richtig wiedergegeben sind, ergibt sich aus ihm nicht.

Darüber hinaus nimmt das Gutachten keine systematische Auswertung der Messungen vor. Es greift bestimmte Ereignisse heraus, um die Deutlichkeit der Geräusche hervorzuheben, und unternimmt für den 6. September 2008 eine Berechnung hinsichtlich der Überschreitung des Nachtrichtwerts. Diese ist jedoch anhand der dabei angegebenen Daten und der dem Gutachten beigefügten Unterlagen nicht nachvollziehbar.

Schließlich ergibt sich aus dem Gutachten nicht, dass die aufgezeichneten Vorgänge typisch für die Geräuschsituation sind. Rechtlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung einer Baugenehmigung ist die regelmäßig zu erwartende, typische Nutzung, nicht aber eine exzessive Nutzung, welche ihre Ursache in individuellen Verhaltensauffälligkeiten hat. Die typischen Geräusche bestimmter Arten von Vorhaben sind von der Fachwissenschaft empirisch erforscht worden (z.B. Bayerische Parkplatzlärmstudie). Entsprechende Erfahrungssätze für "Paddel- und Pedalstationen" dürfte es schon angesichts der geringen Anzahl solcher Stationen kaum geben. Das von der Gemeinde in Auftrag gegebene Gutachten aus dem Jahr 2006 hat sich deshalb mit einem Merkblatt und einer VDI-Richtlinie beholfen. Die Berechtigung dieses Vorgehens wird von dem jetzt vorgelegten Gutachten der Kläger nicht in Zweifel gezogen. Es vertritt nicht einmal selbst die These, dass Richtwertüberschreitungen häufiger zu erwarten sind.

Unabhängig hiervon lässt die streitige Baugenehmigung Veranstaltungen nach 22:00 Uhr überhaupt nicht zu; vielmehr gilt ein Nachtruhegebot. Wird hiergegen verstoßen, besteht u.U. ein Anspruch auf Einschreiten, nicht auf Aufhebung der Baugenehmigung. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 17. Oktober 2007 dargelegt hat, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die fraglichen Nebenbestimmungen nur eine Konfliktbewältigung auf dem Papier darstellen und damit hier ein "Etikettenschwindel" vorliegt. Ob der Beklagte und die Beigeladene das Geschehen hinreichend überwachen, ist hier deshalb nicht zu klären. Auch der Umstand, dass der Senat eine solche Überwachung schon in dem genannten Beschluss deutlich angemahnt hat, ändert daran nichts.

Ein Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht darin, dass das Verwaltungsgericht auf Seite 7 oben beiläufig eine Zulässigkeit des streitigen Vorhabens nach § 35 Abs. 2 BauGB in Betracht gezogen hat. Der Zulassungsantrag legt nicht dar, dass sich diese Bemerkung auf das Entscheidungsergebnis ausgewirkt hat oder haben könnte.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO besteht nicht hinsichtlich der Frage, ob ein ebenfalls im Außenbereich situierter Nachbar die Erteilung von gegen § 35 BauGB objektiv verstoßenden Baugenehmigungen dann rügen könne, wenn das Vorhaben wegen eines Verstoßes gegen § 35 BauGB ohne förmliche Bauleitplanung nicht zugelassen werden könne und im Rahmen dieser Bauleitplanung die Belange des Nachbarn zwingend in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einzustellen und infolgedessen auch abzuwägen wären. Die Sicht des Senats zu dieser Frage ist bereits oben dargelegt. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. August 2002 (- 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25) mag zwar in Bezug auf das Planungserfordernis noch Fragen offen lassen (vgl. Senatsbeschl. v. 18.2.2011 - 1 ME 252/10 -, juris und www.dbovg.niedersachsen.de), jedoch nicht zu vorgenanntem Punkt. Auch in Rechtsprechung und Literatur im Übrigen ist ein Klärungsbedürfnis in dem von den Klägern angeführten Sinne bislang nicht angesprochen worden.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).