LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.02.2011 - L 13 AS 155/08
Fundstelle
openJur 2012, 51510
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger - der 1964 geborene Kläger zu 1., seine vormalige Lebensgefährtin, die 1968 geborene Klägerin zu 2., sowie ihre gemeinsame Tochter, die 2004 geborene Klägerin zu 3. - begehren vom Beklagten die Bewilligung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 1. August 2006.

Hintergrund des Rechtsstreits ist die Anrechnung von Vermögen der Klägerin zu 2., insbesondere eines Depotkontos bei der Sparkasse L., das auf den Namen der Klägerin zu 2. lautet und das zum 31. Dezember 2005 einen Gesamtkurswert in Höhe von 21.687,16 € aufwies.

Die Kläger hatten erstmals am 18. April 2005 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II beantragt und hatten seinerzeit im Zusatzblatt 3 zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens allein ein Kraftfahrzeug, Baujahr 1988, angegeben. Jedoch hatten sie zugleich eine notarielle Urkunde und einen Mietvertrag vorgelegt, wonach das von ihnen bis zum 30. Juni 2008 gemeinsam und seither vom Kläger zu 1. allein bewohnte Haus im Eigentum des Klägers zu 1. steht; in diesem Haus war zunächst - ab 01. April 2004 - eine Wohnung an einen Herrn M. vermietet. Im Rahmen einer Datenabfrage über das Finanzamt wurden im Dezember 2005 zudem zwei Freistellungsaufträge der Klägerin zu 2. bekannt, zu denen die Kläger mit Schreiben ihrer Verfahrens- und späteren Prozessbevollmächtigten vom 14. März 2006 Stellung nahmen. Sie gaben an, einerseits habe die Mutter der Klägerin zu 2. einen Betrag in Höhe von 6.000,00 DM auf einem Sparbuch bei der Sparkasse N. im Namen der Klägerin zu 2. zur Absicherung ihrer - der Mutter - eigenen Beerdigungskosten festgelegt. Dieses Geld sei im Namen der Klägerin zu 2. angelegt worden, damit es im Erbfall auch ohne Erteilung eines Erbscheins und Durchführung eines formellen Verfahrens sofort verfügbar sei. Zum anderen handele es sich um ein Depotkonto bei der Sparkasse L., das auf den Namen der Klägerin zu 2. laufe und das zum 31. Dezember 2005 einen Gesamtkurswert in Höhe von 21.687,16 € aufwies. Dieses Konto sei von Herrn O., dem langjährigen Lebensgefährten der Mutter der Klägerin zu 2., eingerichtet worden. Zwischen diesem und der Klägerin zu 2. bestehe ein Verhältnis wie zwischen Vater und Tochter. Ein gleiches Konto existiere für die Schwester der Klägerin zu 2.). Herr P. sei allein im Besitz der beiden Zertifikate für die Depots, er allein sei verfügungsberechtigt. Es sei beabsichtigt, dass im Todesfall des Herrn P. die Klägerin zu 2. und ihre Schwester das dann vorhandene Guthaben erwerben sollten. Ferner – so die Kläger weiter – existierten ein Sparbuch auf den Namen der Klägerin zu 3., das von den Großeltern angelegt worden sei, ein weiteres Sparbuch, das die Klägerin zu 2. für ihr Patenkind Q., den Sohn ihrer Schwester, angelegt habe und dessen derzeitiger Stand rund 260,00 € sei, sowie ein drittes Sparbuch der Klägerin zu 2., auf dem sie monatliche Beträge von 50,00 € für die Zahlung der Kfz-Versicherung anspare. Die Kläger fügten entsprechende Unterlagen bei, wobei als Depotinhaberin des Depots bei der Sparkasse L. die Klägerin zu 2. ausgewiesen war. Aus dem Depotkontovertrag vom 8. Februar 2001 ergibt sich eine Zeichnungsberechtigung der Klägerin zu 2. sowie von Herrn P., jeweils allein handelnd. Mit Bezug auf die Verfügungsberechtigung der Klägerin zu 2. – die zudem auch Rechtsinhaberin und Verfügungsberechtigte der anderen genannten Sparvermögen war – über dieses Depot hörte der Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 24. Mai 2006 - zunächst nur den Kläger zu 1., mit Schreiben vom 27. Januar 2006 stellte der Beklagte aber klar, dass sich die Anhörung auf alle Kläger beziehen sollte - zu einer möglichen Erstattungsforderung in Höhe von 14.434,54 € wegen unrechtmäßigem Bezugs von Arbeitslosengeld II im Zeitraum vom 18. April 2005 bis zum 31. Mai 2006 an. Der Beklagte erbrachte zunächst weiterhin die laufenden Leistungen, und zwar bis einschließlich Juli 2006.

Am 26. Juli 2006 stellten die Kläger einen Fortzahlungsantrag. Hinsichtlich des Depotguthabens vertraten die Kläger die Auffassung, das Guthaben aus den Wertpapieren stehe allein im Eigentum des Herrn P., es handele sich um einen von ihm mit der Sparkasse geschlossenen Vertrag zugunsten der Klägerin zu 2., die erst im Todesfall des Herrn P. dieses Guthaben außerhalb des Erbganges direkt als vertragliche Leistung erhalten würde. Mit Bescheid vom 9. August 2006 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, das zu berücksichtigende Vermögen in Höhe von insgesamt mindestens 27.254,91 € übersteige die Grundfreibeträge in Höhe von insgesamt 17.050,00 €. Die Kläger legten am 21. August 2006 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2006 als unbegründet zurückwies. Zur tragenden Begründung verwies der Beklagte darauf, aus den Unterlagen ergebe sich hinsichtlich der genannten Guthaben eine Inhaberschaft sowie eine unbeschränkte Verfügungsberechtigung der Klägerin zu 2., eine Nutzungsbeschränkung bestehe nicht, auch sei für eine Zweckbestimmung nach der Aktenlage nichts ersichtlich. Eine etwaige andere interne Zweckbestimmung (Absicherung der Beerdigungskosten etc.) vermöge daran nichts zu ändern.

Die Kläger haben am 27. Oktober 2006 Klage erhoben. Sie haben ergänzend vorgetragen, Herr P. habe für die Klägerin zu 2. - und zugleich auch auf einem anderen Depot für deren Schwester - auf den Namen der beiden Geschwister Geld angelegt. Tatsächlich verfüge er allein über die Dispositionen dieser Konten. Er habe selbst Eigentümer der Depots bleiben wollen, durch die nominelle Eintragung der Schwestern als Depotinhaberinnen jedoch beabsichtigt, dass diese im Falle seines Todes direkt außerhalb des Erbganges verfügungsberechtigt würden. Entsprechend hätten die Geschwister mit Herrn P. eine Vereinbarung vor der Einrichtung der Depots getroffen. Im Innenverhältnis sei Herr P. zu seinen Lebzeiten allein verfügungsberechtigt. Insbesondere für Fälle der Not, die er allerdings nicht erwarte, könne er über die Konten selbst verfügen, sie auflösen und die auf den Konten vorhandenen Guthaben verbrauchen. Eine - faktisch - mögliche Verfügung der Klägerin zu 2. über die Depotwerte stelle nach den internen Absprachen einen Vertragsbruch dar. Aufgrund der internen Vereinbarungen dürfe zu Lebzeiten des Zeugen P. nur dieser über die Depotwerte verfügen.

Bei der Vermögensanlage der Mutter der Klägerin zu 2. als Vorsorge für ihren Todesfall handele es sich um eine Zweckzuwendung, welche die Klägerin zu 2. daran binde, beim Tod der Mutter hiervon deren Erbfallkosten zu bezahlen.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat insbesondere auf die uneingeschränkte tatsächliche Verfügungsbefugnis der Klägerin zu 2. über die Vermögensanlagen bei der Sparkasse N. und bei der Sparkasse L. verwiesen. Gleiches gelte für die weiteren Sparbücher. Die Behauptungen der Kläger seien bloße Behauptungen, die durch nichts belegt und die auch anhand der vorliegenden Urkunden auch nicht nachvollziehbar seien. Der gesamte klägerische Sachvortrag müsse als reine Schutzbehauptung gewertet werden. Die formelle Überlassung erheblicher Geldbeträge an einen anderen bei gleichzeitig lediglich mündlicher Vereinbarung der hiermit verbundenen Auflagen und Verfügungsbeschränkungen widerspreche zudem jeglicher Lebenserfahrung. Die Banken seien bei alledem weder berechtigt noch verpflichtet, die behaupteten Verfügungsbeschränkungen zu berücksichtigen.

In der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts (SG) Oldenburg vom 26. Juni 2008 hat die Klägerin zu 2. den Wert des Depotkontos zum Februar 2008 mit 32.396,95 € angegeben. Sie habe das Depot während der letzten 1 1/2 Jahre, in denen sie keine Leistungen vom Beklagten bekommen habe, nicht angetastet. Herr P. habe das Depot angelegt und regle den An- und Verkauf von Wertpapieren, für gewöhnlich bespreche er aber mit ihr, was er vorhabe. Herr P. ist vom SG Oldenburg in diesem Termin als Zeuge vernommen worden. Im Termin ist zudem die Schwester der Klägerin, die Zeugin R., vernommen worden. Wegen der Einzelheiten der Zeugenaussagen wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 26. Juni 2008 verwiesen.

Mit Urteil vom 26. Juni 2008 hat das SG Oldenburg die Klage abgewiesen und als tragende Begründung angeführt, den Klägern habe im Zeitpunkt der Antragstellung Vermögen, das nach § 12 SGB II zu berücksichtigen sei, in einer die Summe der Freibeträge übersteigender Höhe zur Verfügung gestanden. Eine wesentliche Änderung sei seither nicht erfolgt. Die Depotwerte bei der Sparkasse L. seien wirtschaftlich der Klägerin zu 2. zuzuordnen. Der Zeuge P. habe nach Auffassung der Kammer diese Werte im Moment der Einzahlung der jeweiligen Beträge der Klägerin ohne eine Gegenleistung zugewandt, mithin geschenkt. Er habe in seiner Zeugenaussage immer wieder erkennen lassen, dass er diese Beträge nicht mehr als sein Vermögen ansehe. Er taste das Geld auch bei Bedarf nicht an, halte bei Anlageentscheidungen Rücksprache mit der Klägerin zu 2., auch habe er angegeben, bei anvisierten Aktienkäufen etwaige anderweitige Bedarfe der Klägerin zu 2. zu berücksichtigen. All diese Angaben machten deutlich, dass der Zeuge die angelegten Beträge bereits zum Vermögen der Klägerin zu 2. zähle und sich selbst nur als Verwalter des Vermögens sehe. Sein Besitz des Sparbuchs diene nach Überzeugung der Kammer vor allem der Praktikabilität, nicht der rechtlichen Kontrolle der Klägerin zu 2.). Die Vereinbarung eines Vermögensüberganges erst mit dem Ableben des Zeugen P. habe sich durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Dagegen spreche zudem der Umstand, dass für den Fall des Vorversterbens der Klägerin zu 2. vereinbart sei, dass das Geld dann deren Tochter oder deren Schwester zufließen solle. Einer Verwertbarkeit des Vermögens stünden auch keine vertraglich vereinbarten Verfügungsbeschränkungen entgegen. Eine Altersabsicherung der Klägerin zu 2. sei allein das persönliche Motiv des Zeugen P. und finde sich in der Schilderung der Klägerin nicht wieder. Der Zeuge P. habe zudem eine Verbindung zwischen seinem Tod und der Verfügung über das Vermögen nicht hergestellt. Dass für die Klägerin nach ihren Angaben klar gewesen sei, dass das Geld unangetastet bleiben solle, solange der Zeuge P. lebe, beruhe nicht auf einer tatsächlichen Vereinbarung, zumal ihre Schilderungen über die Gespräche hinsichtlich der Einrichtung des Wertpapierdepots sehr vage seien. Der Umstand, dass der Zeuge selbst das Sparbuch besitze und der tatsächliche Zugang der Klägerin zu 2. zum Vermögen so praktisch erschwert werde, drücke lediglich eine fürsorglich-moralische, nicht aber rechtliche Kontrolle aus. Das sich dieser Schutz auch auf Verfügungen zur Abdeckung des Lebensnotwendigen beziehe, sei weder ersichtlich, noch angesichts der Aussagen zu notwendigen Neuanschaffungen plausibel.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 4. Juli 2008 zugestellte Urteil haben die Kläger am 10. Juli 2008 Berufung eingelegt. Zunächst haben sie darauf hingewiesen, dass die Beziehung der Kläger zerbrochen sei und die Klägerinnen zu 2. und 3. zum 1. Juli 2008 aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen seien. Ergänzend haben die Kläger - im Wesentlichen zu ihren Prozesskostenhilfeunterlagen - vorgetragen, dass der Kläger zu 1. das Haus inzwischen alleine bewohne, ferner, dass die Klägerin zu 2. von dem Zeugen P. - abgezweigt von seiner Rente - mittlerweile monatlich rund 450,00 € in bar erhalte.

Die Kläger meinen, zutreffend sei das SG Oldenburg davon ausgegangen, dass es im Ergebnis ausschließlich auf das Aktiendepotkonto bei der Sparkasse L. ankomme. Das Protokoll gebe die Aussagen der Zeugen jedoch zum Teil nur unvollständig wieder. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei eine Großmutter, die Geld auf einem Sparbuch auf den Namen eines Enkels anlege, sich aber selbst im Besitz des Sparbuches halte, nach wie vor Eigentümerin des Kontoguthabens. Da hier das Sparbuch als Inhaberpapier beim Zeugen P. verblieben sei, und da nach interner Absprache ausschließlich über das Guthaben verfügen dürfe, seien die Beträge weiterhin seinem Vermögen zuzuordnen. Er allein habe die Entscheidung über die Verwendung des Geldes auf dem Bezugskonto gehabt. Die Anlage auf den Namen der Klägerin zu 2. sei nur deshalb erfolgt, damit sie mit dem Tod des Zeugen P. das Guthaben auf den Todesfall ohne weiteres erwerbe. Die anderslautende Darstellung im Urteil sei falsch. Die Klägerin könne über das Guthaben nicht direkt verfügen, auch hänge es allein von der Willensentscheidung des Zeugen P. ab, ob er gegebenenfalls der Klägerin zu 2. etwas zuwende oder nicht.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. Juni 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. August 2006 (in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25. September 2006) aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen auf ihren Fortzahlungsantrag vom 26. Juli 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ohne Berücksichtigung eines die Summe der nach § 12 SGB II maßgeblichen Vermögensfreibeträge der Kläger übersteigenden Vermögens zu gewähren, und zwar für den Kläger zu 1. in der Zeitspanne 1. August 2006 bis 31. Januar 2009 und für die Klägerinnen zu 2. und 3. in dem Zeitraum 1. August 2006 bis 30. Juni 2008.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er beruft sich zur Begründung im Wesentlichen auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Senat hat in seiner öffentlichen Sitzung vom 23. Februar 2011 die Klägerin zu 2. persönlich angehört und den Zeugen P. nochmals vernommen. Wegen der Einzelheiten der Aussagen wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 23. Februar 2011 verwiesen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Gründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG). Sie ist nicht begründet.

Das SG Oldenburg hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 9. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Kläger haben für den Zeitraum vom 1. August 2006 bis zum 31. Januar 2009 – den Kläger zu 1. betreffend – bzw. vom 1. August 2006 bis zum 30. Juni 2008 – die Klägerinnen zu 2. und 3. betreffend – gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist die Hilfebedürftigkeit Anspruchsvoraussetzung für Leistungen nach dem SGB II. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften oder Mitteln, u. a. aus dem zu berücksichtigenden Vermögen, sichern kann. Als Vermögen sind nach § 12 Abs. 1 SGB II im Ausgangspunkt alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.

Die Kläger waren während des streitgegenständlichen Zeitraums bis zum 30. Juni 2008 in der Lage, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften oder Mitteln, nämlich aus dem zu berücksichtigenden Vermögen der Klägerin zu 2., zu sichern. Nach dem 30. Juni 2008 war der Kläger zu 1. in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigenem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen zu sichern. Letzteres ergibt sich aus den von ihm zum Prozesskostenhilfeantrag eingereichten Unterlagen, nach welchen er in diesem Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Januar 2009, und zwar aufgrund eines seit dem 14. Juli 2008 bestehenden Beschäftigungsverhältnisses, über Einkommen in seinen Bedarf übersteigender Höhe verfügte (aus diesem erzielte er regelmäßige monatliche Einkünfte, die sich etwa gemäß Abrechnung vom 2. Oktober 2008 für den Monat September 2008 auf 1.581,75 € brutto beliefen); sowie – als selbständig tragende Erwägung – aus dem Umstand, dass er Eigentümer einer selbst bewohnten Wohnimmobilie war, die aufgrund ihrer Größe (u. a. verfügte sie über eine Einliegerwohnung) nicht mehr als angemessen i. S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II angesehen werden konnte, also nicht mehr zum sog. Schonvermögen gehörte.

Maßgeblich für die Entscheidung des Rechtsstreits sind darüber hinaus – soweit nämlich Zeiträume bis zum 30. Juni 2008 betroffen sind – allein die bei der Sparkasse L. auf den Namen der Klägerin zu 2. angelegten Vermögenswerte. Auf die übrigen Vermögensanlagen kommt es aufgrund ihres Wertes im Ergebnis nicht an, da der Wert des Depots bei der Sparkasse L. die maßgeblichen Freibeträge der Kläger zu 1. und 2. nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 4 SGB II – der Freibetrag der Klägerin zu 3. nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a, 4 SGB II ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteile vom 13. Mai 2009 – B 4 AS 58/08 R und B 4 AS 79/08 R –), welcher sich der Senat anschließt, insoweit unerheblich – für sich allein genommen übersteigt, während die anderen Geldanlagen diese Freibeträge nicht erreichen. Die Vermögensanlagen auf dem Depot bei der Sparkasse L. sind dem Vermögen der Klägerin zu 2. zuzuordnen. Dieses Vermögen ist im Sinne des § 12 Abs. 3 SGB II auch zu berücksichtigen, und dessen sofortiger Verbrauch bedeutet für die Klägerin zu 2. auch keine besondere Härte i. S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II oder des § 9 Abs. 4 SGB II, so dass Leistungen auch nicht als Darlehen zu erbringen sind (§ 23 Abs. 5 SGB II).

1. Die Klägerin zu 2. ist bei Eröffnung des Wertpapierdepots am 8. Februar 2001 Inhaberin des dort auf ihren Namen angelegten Vermögens geworden.

a) Die Zuordnung von Vermögen richtet sich nach den insoweit maßgeblichen zivilrechtlichen Grundsätzen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 – B 11a AL 7/05 R – juris Rn. 25; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 4. September 2008 – 5 C 12/08 = BVerwGE 132, 21, juris Rn. 12). Inhaber eines Sparkontos ist dabei regelmäßig derjenige, der gemäß der Vereinbarung mit der Bank oder Sparkasse Kontoinhaber werden sollte (BVerwG, Urteil vom 4. September 2008, a. a. O. – juris Rn. 12 – m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH); Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Mai 2010 – 12 S 1112/09 – juris Rn. 2).

b) Zwar ist grundsätzlich in der Rechtsprechung anerkannt, dass in Fällen, in denen Eltern, Großeltern oder familiär besonders verbundene Personen Vermögen auf den Namen minderjähriger Kinder auf einem Sparbuch anlegen, die jeweils handelnden Volljährigen selbst Inhaber dieser Vermögenswerte bleiben. Wenn ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, ist aus diesem Verhalten in der Regel zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will (BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 – X ZR 264/02 = NJW 2005, 980 - juris Rn. 10, mit Verweis auf BGH, Urteil vom 9. November 1966 – VIII ZR 73/64 = BGHZ 46, 198), er damit also bei zivilrechtlicher Betrachtungsweise alleiniger Inhaber der in dem Sparbuch verbrieften Forderung bleibt (dem BGH folgend u. a.: Oberlandesgericht (OLG) Bremen, Urteil vom 10. Mai 2007 – 2 U 27/07 – juris Rn. 3; Sächs. Oberverwaltungsgericht (OVG), Urteil vom 28. Juli 2010 – 4 A 303/08 – juris Rn. 28; VGH Baden-Württemberg, a. a. O.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Oktober 2009 – 6 M 20.09 – juris Rn. 2). In diesem Fall kann nur der tatsächliche Besitzer des Sparbuches, nicht aber derjenige, auf dessen Namen das Sparguthaben angelegt wurde, über den Sparbetrag verfügen (Sächs. OVG, a. a. O., zur Vorschrift des § 88 Bundessozialhilfegesetz a. F.). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Diese Auslegung entspricht bei Sparbuchanlagen zugunsten Minderjähriger der typischen, für die Mitarbeiter des Geldinstituts erkennbaren Interessenlage der handelnden Person(en), die beim Sparbuch durch die Legitimationswirkung zugunsten des Inhabers (vgl. Sprau, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 70. Aufl. 2011, § 808 Rn. 6) weiter abgesichert wird.

27c) Diese in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze lassen sich indes nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn die Klägerin zu 2. war bei Einrichtung des Wertpapierdepots nicht mehr minderjährig, auch hat sie das Depot selbst handelnd und in ihrem eigenen Namen angelegt. Zwar hat der Zeuge P. die Depoteröffnung aktiv betrieben. Die volljährige Klägerin zu 2. hat jedoch als Depotinhaberin den Depotkontovertrag vom 8. Februar 2001 unterschrieben, der ihr zudem – ebenso wie dem Zeugen P. – eine volle eigenständige Handlungsfreiheit einräumte. Unter der Rubrik „wirtschaftlich Berechtigte“ bestätigte die Klägerin, sie handle „für Rechnung des Depotinhabers“, also für eigene Rechnung. Demnach ist die Klägerin im Außenverhältnis Forderungsinhaberin in Bezug auf den Wertpapierbestand des Depots geworden. Eigentümer des über eine Spareinlage ausgestellten Sparbuchs ist nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung derjenige, der Gläubiger der Forderung gegen das Geldinstitut ist (BGH, Urteil vom 25. April 2005 – II ZR 103/03 – juris Rn. 7). Für die Frage der Gläubigerstellung kommt es darauf an, wer nach dem erkennbaren Willen des die Kontoeröffnung beantragenden Kunden Gläubiger der Bank werden soll (BGH, a. a. O. – juris Rn. 9, m. w. Nachw.). Das ist u. a. derjenige, der selbst mit der Sparkasse den Kontoeröffnungsvertrag geschlossen und das Konto auf seinen Namen eröffnet hat. Die Einzahlung eines Verwandten (im Fall des Urteils des BGH vom 25. April 2005: des Vaters) ohne jeden Vorbehalt dahingehend, dass es sich um „sein Geld" handele oder dass er über die Verwendung des Geldes bestimmen wolle, darf und muss die Sparkasse dahin verstehen, dass der Kontoinhaber auch nach dem Willen des Einzahlers ihr Gläubiger sein soll (BGH, Urteil vom 25. April 2005, a. a. O. – juris Rn. 10). Die Klägerin zu 2. war somit Gläubigerin der Sparkasse und damit auch Eigentümerin des Sparbuchs.

28Wenn der Einzahler – hier der Zeuge P. – das Sparbuch an sich nimmt, so gibt dies zu einer anderen rechtlichen Würdigung keine Veranlassung und muss auch nicht dahin verstanden werden, dass dieser sich die Entscheidung über die Verwendung des auf das Konto gezahlten Geldes vorbehalten wollte (BGH, Urteil vom 25. April 2005, a. a. O. – juris Rn. 11). Da die Klägerin somit die Verfügungsgewalt über die Vermögenswerte hatte – sie war nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, und auch nach Aussage des Zeugen W., als Depotinhaberin jederzeit rechtlich in der Lage, die Bestimmung über das in Verwahrung des Zeugen P. befindliche Sparbuch als alleiniges Verrechnungskonto des Depots zu ändern und alsdann über die Depotwerte zu verfügen – war ihr das Vermögen im Ausgangspunkt grundsätzlich auch zuzuordnen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2009 – 12 S 2493/06 – juris Rn. 29).

2. Das Vermögen auf dem Wertpapierdepot bei der Sparkasse L. ist der Klägerin zu 2. auch wirtschaftlich zuzurechnen.

Ist grundsätzlich von einer Forderungsinhaberschaft der Klägerin zu 2. gegenüber der Sparkasse L. auszugehen, so ist – unter Heranziehung der allgemeinen zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätze – in Bezug auf den konkreten Einzelfall weiterhin zu prüfen, welche Vereinbarungen mit welchem Inhalt zwischen den Beteiligten getroffen worden sind und wie sich diese auf die Vermögensinhaberschaft bzw. die Verwertbarkeit des Vermögens auswirken (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2007 – B 7/7a AL 10/06 R - juris Rn. 9). Die Vermögensinhaberschaft hängt im Rahmen eines bestehenden Sozialrechtsverhältnisses nicht von dem gesetzten Rechtsschein ab (BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 – B 11a AL 49/05 R – juris Rn. 22; Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Juli 2008 – L 20 B 42/08 AS, L 20 B 32/08 AS ER – juris Rn. 25). Sie kann im Falle einer – hier offenkundig nicht einschlägigen – Abtretung, aber auch im Fall eines „verdeckten Treuhandverhältnisses“, hinsichtlich eines Sparguthabens durchaus anderen Personen als dem Kontoinhaber zustehen (BSG, Urteil vom 28. August 2007, a. a. O. – juris Rn. 16, m. w. Nachw.).

a) Ein Treuhandverhältnis liegt im Falle der Klägerin nicht vor.

Ein Treuhandvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensrechte überträgt, ihn aber in der Ausübung der sich daraus im Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R, Rn. 25; BVerwG, Urteil vom 4. September 2008 – a. a. O., Rn. 18, m. w. Nachw.). Es kommt insoweit nicht darauf an, dass die Treuhand offengelegt wird (BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 – B 11a AL 49/05 R – juris Rn. 23), einem Missbrauch kann dadurch begegnet werden, dass an einen Nachweis der Aussonderung von Vermögen strenge Anforderungen gestellt werden (BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 – B 11a AL 7/05 R – juris Rn. 24, m. w. N.; zu den weiteren Anforderungen im Hinblick auf die Maßstäbe zur Überprüfung des Vorliegens eines verdeckten Treuhandverhältnisses LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Juni 2006 – L 1 AS 31/08 – juris Rn. 19, m. w. Nachw.; zu den vielfältigen Möglichkeiten der Ausgestaltung LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Juli 2008 – a. a. O. – juris Rn. 32). Der hilfebedürftige Treuhänder ist Inhaber eines Vermögensrechts, aber er ist zugleich mit einer schuldrechtlichen (Herausgabe-)Verpflichtung belastet, die, wenn sie nicht unmittelbar auf einem Vermögensgegenstand lastet, grundsätzlich erst bei der Frage der Verwertbarkeit oder Zumutbarkeit Berücksichtigung finden kann (BSG, Urteil vom 28. August 2007 – a. a. O. - juris Rn. 16, m. w. Nachw.).

Hierbei kommt es auf alle Umstände des Einzelfalles an. Da die relevanten Umstände oft in familiären Beziehungen wurzeln oder sich als innere Tatsachen darstellen, sind ergänzend äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien) heranzuziehen (umfangreich hierzu BVerwG, Urteil vom 4. September 2008, a. a. O. – juris Rn. 19 ff.), und die zivilrechtliche Wirksamkeit ist ggf. zu überprüfen (BVerwG, a. a. O., juris Rn. 23). Eine Treuhandvereinbarung muss ein entsprechendes Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis einschließen, und es muss eine konkrete, mit rechtsgeschäftlichem Bindungswillen zustande gekommene Absprache nachgewiesen werden (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2009 – 12 S 2493/06 – juris Rn. 36 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG, m. w. Nachw.).

Eine entsprechende Treuhandabrede ist im Falle der Kläger indes nach den gesamten Umständen des Einzelfalles nicht erfolgt, da weder von der Klägerin zu 2. noch vom Zeugen P. auch nur behauptet worden ist, die Klägerin zu 2. führe ein Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis – welcher Art auch immer – für den Zeugen P. aus. Stattdessen bestand Einigkeit darüber, dass die Klägerin zu 2. das angelegte Vermögen letztlich für sich selbst verbrauchen sollte, allein über den Zeitpunkt, zu dem dies zulässig sein sollte, besteht zwischen den Beteiligten, d. h. zwischen der Klägerin zu 2. und dem Zeugen, keine Einigkeit.

b) Auch haben die Klägerin zu 2. und der Zeuge P. zur Überzeugung des Gerichts keine Vereinbarung des Inhalts dargelegt, der Zeuge P. behalte sich die alleinige Verfügungsbefugnis über das Depot bis zu seinem Tode vor (vgl. hierzu etwa OVG Bremen, Beschluss vom 13. Januar 2009 – S 2 B 576/08 – juris Rn. 16). Das Bestehen einer solchen Abrede hat die Beweisaufnahme vor dem Senat nicht ergeben. Die entsprechende Aussage der Klägerin zu 2. in ihrer Anhörung durch den Senat ist vor dem Hintergrund ihres Wissens um die daraus zu ziehenden rechtlichen Schlussfolgerungen sowie insbesondere aufgrund des Umstandes, dass der Zeuge P. eine derartige Vereinbarung nicht bestätigt hat, für den Senat nicht überzeugend. Zwar hat der Zeuge P. bekundet, die Klägerin zu 2. habe das Depot „haben“ sollen, wenn er einmal sterbe. Die entsprechenden Darlegungen sind indes zu vage, um einen vom gesetzten Rechtsschein abweichenden, späteren Vermögensübergang anzunehmen. Der Zeuge P. hat hingegen ausgesagt, was mit dem Geld später geschehen solle, sei ursprünglich nicht besprochen worden. Dies erachtet der Senat auch für glaubhaft. Somit fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, entgegen der - vor dem Hintergrund einer letztlich von allen Beteiligten bestätigten Absicht des Zeugen P., der Klägerin zu 2. im Ergebnis etwas zuwenden zu wollen - bestehenden Interessenlage und entgegen dem durch die Ausgestaltung der Anlageform hervorgerufenen Rechtsschein einen zwischen den Beteiligten rechtswirksam vereinbarten Vorbehalt anzunehmen. Gegen einen derartigen Vorbehalt spricht schließlich auch, dass die Klägerin zu 2. nach der im Jahre 2001 geltenden Rechtslage in erheblichem Umfang erbschaftssteuerpflichtig gewesen wäre, und dass der Zeuge P. nach seiner Aussage die angefallenen Erträge nicht in seiner eigenen Steuererklärung angegeben hat.

Vielmehr stellt sich der Sachverhalt für den Senat bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme so dar, dass aus Sicht des Zeugen P. die dem Depot zugeschriebenen Vermögensgegenstände zu diesem Zeitpunkt aus seinem Vermögen ausschieden. Derartige Verfügungen sind nach dem bürgerlichen Recht als Schenkungen i. S. des § 516 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einzuordnen, ungeachtet des Umstandes, dass die Klägerin zu 2. – was nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus plausibel ist – davon ausgegangen sein mag, gegenüber dem Zeugen P. – jedenfalls moralisch – dazu verpflichtet zu sein, über die Depotwerte bis auf Weiteres nicht zu verfügen.

Fortan handelte es sich aus der Sichtweise des Zeugen P. – in Übereinstimmung mit der formalen Rechtsinhaberschaft – um Vermögen der Klägerin zu 2., welches er lediglich noch verwaltete und auf das er nicht mehr zugriff. Diese Zuordnung war von ihm auch gewollt. Dies belegt auch die von ihm frei gewählte rechtliche Konstruktion, wonach das Vermögen auf den Namen der Klägerin zu 2. angelegt wurde, indem er keinerlei Auflagen oder Rückforderungsvorbehalte festlegte, derartige Vorbehalte auch nicht äußerte oder indem er insoweit auch nur – soweit für den Senat nach seiner Aussage erkennbar – geheime Vorbehalte gehegt hätte. Bei ihm - dem Zeugen - bestand allenfalls die Erwartungshaltung, die Klägerin zu 2. werde dieses Vermögen zunächst nicht antasten, ohne dass hieran allerdings irgendwelche Rechtsfolgen geknüpft worden wären. Der Zeuge P. hat bereits vor dem Sozialgericht ausgesagt, selbstverständlich könnte die Klägerin zu 2. das Verrechnungskonto ändern; allerdings bestehe eine interne Absprache, dass solche Dinge nicht passieren. Eine weitere Rechtsfolge war hieran offenbar aber nicht geknüpft.

38Bei einer Gesamtbetrachtung der persönlichen Beziehungen und der Begleitumstände der Rechtsbeziehung zwischen dem Zeugen P. und der Klägerin zu 2. handelte es sich hierbei um eine lediglich moralische, nicht aber um eine rechtlich bindende und zwischen dem Beteiligten rechtswirksam vereinbarte Verpflichtung der Klägerin zu 2., das Vermögen (zunächst) nicht anzutasten.

Hieran ändert es auch nichts, dass die Klägerin zu 2. sich an diese moralische Verpflichtung auch in Notzeiten gehalten hat. Dass der Zeuge P. das Vermögen nicht mehr als sein eigenes betrachtete, wird auch durch den Umstand gestützt, dass er die zwischenzeitlich zugunsten der Klägerin zu 2. geleistete finanzielle Hilfe aus seinem sonstigen Vermögen bestritten hat, ohne auf die Depotwerte zurückzugreifen – dies, obwohl er sich nach seinen Darlegungen nach der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung mit dem Gedanken trug, das Depot aufzulösen, was er im Dezember 2010 schließlich auch getan hat.

Auch der Umstand, dass der Zeuge P. das Depot im Dezember 2010 aufgelöst hat, ändert die Einschätzung des Senats hinsichtlich der rechtlichen Zuordnung der Depotwerte ebenfalls nicht. Zunächst ist zu bedenken, dass auch die Auflösung des Depots der Zeuge P. zuvor mit der Klägerin zu 2. besprochen hat. Weiter kommt der Auflösung und ihren Umständen vor dem Hintergrund des hier anhängigen Rechtsstreits ohnehin allenfalls eine sehr eingeschränkte Indizwirkung zu. Dafür, dass der Zeuge P. bereit war, sich auch insoweit nach den Wünschen und ggf. auch Weisungen der Klägerin zu 2. zu richten, sprechen die von ihm mit der Klägerin zu 2. gehaltene Rücksprache sowie zudem seine Aussage, mit dem Depot der Schwester der Klägerin zu 2. anders verfahren zu sein, in Verbindung mit seinem Entschluss, dieses Depot im Gegensatz zu dem der Klägerin nicht aufzulösen. Gegen eine Differenzierung in der Weise, dass er die Wünsche der Klägerin zu 2. nicht in derselben Form wie diejenigen ihrer Schwester berücksichtigt hätte, spricht seine Bekundung, er liebe beide Stieftöchter in gleicher Weise. Hinzu kommt, dass er den Erlös zunächst auf seinem Girokonto verwahrt, während er in Bezug auf die Anlage des Sparbuches auf die anfallenden Zinsen verwiesen hatte; zudem beabsichtigt er nach eigener Aussage, das Geld wieder in Aktien anzulegen. Nach dem gesamten Bild, das der Senat von der Person und der Aussage des Zeugen P. gewonnen hat, hält er sich ggf. die Option offen, den Betrag nach Abschluss des hier anhängigen Rechtsstreits der Klägerin zu 2. wieder zuzuwenden, der er auch eine Aufstellung über die vorgenommenen Verkäufe zukommen ließ. All dies ist für die Entscheidung des Rechtsstreits indes allenfalls am Rande relevant, da den Umständen einer im Jahr 2010 – unter, auch durch den hier anhängigen Rechtsstreit, veränderten Rahmenbedingungen – erfolgten Depotauflösung nicht unmittelbar entnommen werden kann, welche Abreden zuvor zwischen den Beteiligten bestanden oder eben nicht bestanden haben. Es entspricht allgemeinen Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, die Ausgestaltung der gegenseitigen vertraglichen Beziehungen ggf. veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Selbst wenn der Zeuge P. - zudem nach, wie hier, erfolgter Rücksprache mit der Klägerin zu 2. - das Depot im Dezember 2010 aufgelöst und den Erlös glaubhaft und endgültig wieder seinem eigenen Vermögen zugeführt hätte, würde sich hieraus nach Überzeugung des Senats nicht ableiten lassen, dass die Vermögenswerte auch im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. August 2006 bis zum 30. Juni 2008 seinem Vermögen - und nicht demjenigen der Klägerin zu 2. - zuzuordnen waren.

3. Die Verwertung ist der Klägerin zu 2. schließlich auch zumutbar.

a) Es handelte sich bei den Zuwendungen nicht um Schenkungen unter Auflage i. S. des § 525 Abs. 1 BGB. Die Schenkung unter Auflage ist von einem bloßen Wunsch, einem Rat oder einer Empfehlung des Zuwendenden abzugrenzen, welche nicht mit Rechtsfolgen verbunden sind (Weidenkaff, in: Palandt, a. a. O., § 525 Rn. 6). So lag der Fall hier, da eine erkennbare Auflage – eine Bestimmung, wonach der Empfänger - also die Klägerin zu 2. - mit der Entgegennahme zu einer Leistung (einem Tun oder Unterlassen) verpflichtet sein sollte, ebenso wenig bestimmbar ist wie eine rechtswirksam vereinbarte Beschränkung in der freien Verfügung über den Gegenstand (Weidenkaff, in: Palandt, a. a. O., § 525 Rn. 1).

b) Eine Zweckschenkung (vgl. den Fall VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2009 – 12 S 2493/06 – juris Rn. 34, 37) liegt ebenfalls nicht vor, denn eine besondere Zweckbestimmung hat der Zeuge P. mit der Zuwendung der Vermögenswerte an die Klägerin zu 2. nicht verbunden.

c) War die Klägerin zu 2. nach alledem hinsichtlich der Verwertung des Vermögens aus dem Depot bei der Sparkasse L. allenfalls moralisch gebunden, nicht aber rechtlich verhindert, so hatte sie dieses Vermögen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II zur Sicherung ihres Lebensunterhalts, und des Lebensunterhalts der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger zu 1. und 3., einzusetzen. Insbesondere stellt diese Verwertungspflicht auch keine „besondere Härte“ im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II (oder des hier - weil nicht allein die Frage der sofortigen Verwertung im Raum steht - nicht einschlägigen § 9 Abs. 4 SGB II, mit dem Ergebnis einer darlehensweisen Leistungserbringung nach § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB II) dar. Eine solche besondere Härte liegt nicht bereits darin begründet, dass ein zuwendender Dritter in rechtlich nicht bindender Weise die dem Hilfebedürftigen bekannte Vorstellung hat, seine Zuwendung möge dem Hilfebedürftigen zu Nutzen sein und nicht wirtschaftlich letztlich allein den Leistungsträger nach dem SGB II entlasten.

Wann von einer "besonderen Härte" i. S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II auszugehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei maßgebend nur außergewöhnliche Umstände sein können, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden (BSG, Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 37/06 R - juris Rn. 34 - mit Verweis auf Mecke, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Auflage 2005, § 12 Rn. 87). Dabei gilt im SGB II ein strengerer Maßstab als im Recht der Sozialhilfe, in dem die Leistungsbewilligung nicht vom Einsatz und der Verwertung des Vermögens abhängig gemacht werden darf, wenn dies für den Anspruchsteller oder seine Angehörigen "eine Härte bedeuten würde" (BSG, a. a. O., mit weiteren Nachweisen). Für die Anwendung des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II müssen daher außergewöhnliche Umstände vorliegen, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Dies machen auch die Gesetzesmaterialien deutlich. Hiernach liegt ein Härtefall im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 2. Alt. SGB II z. B. dann vor, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsste, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweist. Es sind also nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen (BSG, a. a. O., Rn. 35). Hierbei kann auch die Vermögensherkunft eine Rolle spielen; bei durch Schenkungen erworbenen Vermögenswerten stellt sich die Frage, ob ihr Einsatz nicht wegen Zweckverfehlung eine Härte darstellt (Brühl, in: Münder (Hrsg.), SGB II, 9. Auflage 2009, § 12 Rn. 61 m. w. N.).

Dies ist nach Auffassung des Senats regelmäßig nicht der Fall. Einer Schenkung wohnt - ebenso wie einer Zuwendung von Todes wegen - regelmäßig die Erwartung inne, sie werde dem Beschenkten nützlich sein. Die Enttäuschung dieser regelmäßigen Erwartung ist einer Berücksichtigung von Vermögen auch aus derartigen Einkunftsquellen im Rahmen staatlicher Fürsorgeleistungen immanent und stellt nicht bereits eine besondere Härte im Rechtssinne dar. Es lässt sich nicht in einer verallgemeinerungsfähigen Weise sagen, dass ein Vermögensgegenstand (etwa ein Personenkraftwagen), nur weil er einem Bedürftigen geschenkt worden ist, unter dem Gesichtspunkt der Härte von einem Vermögenseinsatz auszunehmen wäre (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1991 - 5 B 57.91 - juris Rn. 6, zu § 88 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz).

Eine besondere Härte i. S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Alt. SGB II kann sich schließlich auch aus den besonderen persönlichen Umständen ergeben, die mit der Vermögensverwertung verbunden sind. So sind etwa bei der Verwertung eines Pflichtteilsanspruchs auch andere als rein wirtschaftliche Aspekte, wie eine schwerwiegende familiäre Konfliktsituation, zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 14 AS 2/09 R – Rn. 27). Insoweit – so das Bundessozialgericht – sei aber nicht nachvollziehbar, warum die Geltendmachung eines Anspruchs bei tatsächlich bestehender Hilfebedürftigkeit – dort eines Pflichtteilsberechtigten – innerhalb eines intakten Familienverbandes stets als "Affront" empfunden werden sollte. Anders könne die Situation aber zu beurteilen sein, wenn besondere Umstände hinzutreten (BSG, a. a. O., Rn. 29). Familiäre Belange könnten auch im SGB II unter Härtegesichtspunkten zu einer Vermögensfreistellung führen. Das setze aber voraus, dass die Geltendmachung der Forderung sich aufgrund außergewöhnlicher Umstände in besonderer Weise belastend auf den Familienverband auswirke. Eine solche Belastung könne sich auch aus persönlichen Umständen oder den wirtschaftlichen Verhältnissen des Erben ergeben, etwa wenn eine nachhaltige Störung des Familienfriedens zu befürchten wäre (BSG, a. a. O., Rn. 30). Derartige Besonderheiten, wie das BSG sie in seiner Rechtsprechung – dieser Rechtssprechung schließt sich der erkennende Senat an – fordert, sind hier indes nicht erkennbar; auch die Beweisaufnahme hat das Vorliegen solcher Umstände nicht ergeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGG liegen nicht vor.