LAG Niedersachsen, Urteil vom 04.10.2010 - 9 Sa 246/10
Fundstelle
openJur 2012, 51093
  • Rkr:

1. Auch für die arbeitnehmerseitige Kündigung gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, d.h. dass im Grundsatz zunächst eine Abmahnung auszusprechen ist. 2. Für die Voraussetzungen der sog. haftungsbegründenden Kausalität ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 02.12.2009, 5 Ca 210/09 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin infolge Auflösungsverschuldens der Beklagten.

Die Klägerin war in der Zeit vom 20.11.2006 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 15.11.2006 (Bl. 8 und 9 d.A.) als Bäckerin und Konditorin bei der Beklagten bei einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.803,37 Euro beschäftigt.

Die Beklagte betreibt eine Bäckerei. Sie beschäftigt 15 Mitarbeiter als Feinbäcker in der Backstube und 3 Konditoren in einem gesonderten, jedoch im selben Gebäude befindlichen Raum.

Am 13.02.2009 brachte die Beklagte ein vom Geschäftsführer unterzeichnetes DIN A 1 großes, gelbes Plakat mit folgender schwarzer Aufschrift, in dem zwischen dem Männerumkleideraum und der Bäckerei befindlichen Durchgang an:

"An alle Mitarbeiter

Heute Nacht waren die Elsässer wieder in der Porung eine Katastrophe und nicht richtig durchgebacken.

Dies ist nicht das erste Mal.

Das Elsässer ist unser absoluter A-Artikel. Also der absolut WICHTIGSTE.

Ab sofort sehe ich mich durch die verantwortungslose Schlamperei der betroffenen Mitarbeiter daher zu folgenden Schritten gezwungen:

Wer nicht völlig perfekte Elsässer herstellt, wird sofort fristlos entlassen - zudem erfolgt eine Anzeige wegen vorsätzlichem, betriebsschädigendem Verhalten - und eine Schadensersatzklage über 10.000,-- Euro.

Kann der einzelne Mitarbeiter nicht festgestellt werden, oder werden Beschuldigungen hin- und hergeschoben, werden BEIDE Mitarbeiter entlassen.

Bei dieser Kündigungsform erhält der Gekündigte KEIN Arbeitslosengeld!!!

Ich bedauere diesen Schritt sehr. Ich kann aber nicht zulassen, dass durch gedankenloses Arbeiten und Handeln einiger weniger Mitarbeiter die Firma und deren Arbeitsplätze gefährdet werden.

Ich zu Allem und jeder Konsequenz entschlossen!

B.

13.02.2009" (Bl. 71 d. A.)

In dem Durchgang hängen die von der Produktionsleiterin erstellten Stundenleistungszettel aus, auf welchen die Arbeitnehmer ersehen können, welche Stundenleistungen erbracht wurden. Darüber hinaus befindet sich dort eine Tabelle, auf welcher verzeichnet ist, welcher Arbeitnehmer Urlaub oder arbeitsfrei hat oder erkrankt ist und in welcher Abteilung die einzelnen Personen arbeiten. Mit einem am 25.02.2009 der Beklagten zugegangenen Schreiben vom 19.02.2009 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Auslauffrist zum 28.02.2009. Für den Inhalt des Schreibens wird auf Bl. 12 und 13 d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Plakataushang vom 13.02.2009 stelle ein vertragswidriges Verhalten dar, welches sie zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung veranlasst habe. Es sei ihr nicht zuzumuten gewesen, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen. Sie sei inhaltlich von dem Plakat angesprochen worden, zumal auch sie in der Vergangenheit mit dem Backen des Elsässer Landbaguettes betraut gewesen sei, so z. B. "um Weihnachten herum". Da sie seit dem 01.03.2009 ohne Arbeitseinkommen gewesen sei, stehe ihr der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 10.000,-- Euro zu.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag in Höhe von 10.000,-- Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.03.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Klägerin sei tatsächlich nur als Konditorin beschäftigt gewesen. Mit der Produktion der Elsässer Landbaguettes sei die Klägerin nicht befasst gewesen. Mit dem Plakataushang seien nur die Mitarbeiter angesprochen worden, welche mit der Herstellung der Elsässer Landbaguettes befasst seien. Die Zusammenarbeit mit der Klägerin sei immer ohne Probleme gewesen. Die Beklagte bestreitet, dass die außerordentliche Kündigung infolge des Plakataushanges vom 13.02.2009 erfolgte. Die Klägerin habe vielmehr ohnehin wieder zurück in ihr ca. 130 km entferntes Elternhaus in A-Stadt ziehen wollen. Hintergrund sei der Tod des Vaters der Klägerin. Des Weiteren hat die Beklagte behauptet, die Klägerin habe schon vor Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Schließlich hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruches sei nicht nachvollziehbar.

Für die Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 02.12.2009 verwiesen.

Das Arbeitsgericht gab der Klage in Höhe von 3.831,37 Euro nebst Zinsen unter Abweisung der Klage im Übrigen statt. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin Schadensersatz in Höhe von einem Bruttomonatseinkommen (1.803,37 Euro) für die nicht eingehaltene Kündigungsfrist und eine Abfindung entsprechend den Vorschriften der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 2.028,-- Euro zu zahlen. Für die Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 02.12.2009 verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Gegen das beiden Prozessbevollmächtigten am 01.02.2010 zugestellte Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Die Berufung der Beklagten ist am 24.02.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung ging am 27.04.2010 ein, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag des Beklagtenvertreters gemäß Beschluss vom 01.04.2010 bis 30.04.2010 verlängert wurde. Die Berufung der Klägerin ging ebenfalls am 24.02.2010 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen ein. Die Berufungsbegründung erfolgte mit einem am 25.03.2010 eingegangenen Schriftsatz.

Die Beklagte wendet sich gegen das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründung, auf die im Einzelnen Bezug genommen wird. Sie vertritt vor allem die Auffassung, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung durch die Klägerin nicht vorgelegen habe. Dies folge daraus, dass die Klägerin mit dem Herstellen und Backen der Elsässer Landbaguettes nicht betraut war und eine Übertragung dieser Tätigkeit nicht anstand. Es sei zumindest eine Abmahnung durch die Klägerin erforderlich gewesen. Im Übrigen hält die Beklagte ihr Vorbringen aufrecht, wonach der Plakataushang nicht kausal für die außerordentliche Kündigung der Klägerin gewesen sei. Letztendlich habe auch eine durchzuführende Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten ausfallen müssen, weil das Plakat nur wenige Stunden gehangen habe. Es habe sich auch ansonsten kein Arbeitnehmer beschwert und es seien gewichtige wirtschaftliche Interessen der Beklagten zu wahren.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 02.12.2009, 5 Ca 210/09 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Gegen die Berufung der Beklagten wendet sich die Klägerin mit ihren Ausführungen im Schriftsatz vom 31.05.2010, auf die Bezug genommen wird. Sie wiederholt und vertieft insbesondere ihr Vorbringen, wonach sie sich als Adressatin des Plakates angesprochen fühlen durfte, weil sie auch in der Vergangenheit mit der Fertigung des Elsässer Landbaguettes beschäftigt gewesen sei und das Plakat an einem Ort hing, den die Klägerin zwangsläufig im Zusammenhang mit ihrer Arbeit aufsuchen musste. Die Ursächlichkeit des Plakataushanges für die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung folge aus dem Plakat selbst. Die Mutmaßungen der Beklagten zur fehlenden Kausalität seien Behauptungen "ins Blaue" hinein.

Mit ihrer Berufung verteidigt die Klägerin das arbeitsgerichtliche Urteil zunächst dem Grunde nach, vertritt jedoch die Auffassung, dass ihr ein höherer Schadensersatzbetrag zustehe. Das Arbeitsgericht habe fehlerhaft lediglich die sog. Regelabfindung zugrunde gelegt. Nach den dargelegten Umständen müsse der zu zahlende Abfindungsbetrag wesentlich höher sein, unter Hinzurechnung des Vergütungsverlustes für die nicht eingehaltene Kündigungsfrist, nämlich insgesamt 10.000,-- Euro.

Sie beantragt mit ihrer Berufung,

die Beklagte zu verurteilen, an sie Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag in Höhe von 10.000,-- Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.03.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte wendet sich gegen die Berufung der Klägerin mit ihren Ausführungen auf S. 8 und 9 der Berufungsbegründung vom 27.04.2010, auf die Bezug genommen wird. Sie bleibt dabei, dass die Höhe der angesetzten Schadenssumme nicht nachvollziehbar sei. Außerdem wäre schadensmindernd der Verdienst aus einer Anschlussbeschäftigung zu berücksichtigen.

Gründe

I.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Beide Berufungen sind form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft und genügen den Anforderungen einer Berufungsbegründung im Sinne der Auseinandersetzung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, weshalb die Klage insgesamt abzuweisen war. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes gegen die Beklagte in Höhe von 10.000,- Euro aus § 628 Abs. 2 BGB.

1. Nach § 628 Abs. 2 BGB ist ein Arbeitgeber zum Ersatz des durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet, wenn er den Arbeitnehmer durch vertragswidriges Verhalten zu einer Kündigung veranlasst hat. Dem Anspruch aus § 628 Abs. 2 BGB steht nicht entgegen, dass die Klägerin keine fristlose, sondern eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ausgesprochen hat, sofern die vorzeitige Beendigung auf ein vertragswidriges schuldhaftes Verhalten zurückzuführen ist (BAG vom 08.08.2002, 8 AZR 574/01, AP Nr. 14 zu § 628 BGB = NZA 2002, S. 1323 bis 1328 Rdnr. 31 m.w.N.).

2. Liegt eine Kündigung vor, muss sie berechtigt und auch wirksam sein und ihren Grund in einem vertragswidrigen, schuldhaften Verhalten des anderen Vertragsteils haben. Dabei genügt nicht jede schuldhafte Vertragsverletzung. Vielmehr muss ihr das Gewicht eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zukommen. Voraussetzung ist, dass Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann (BAG vom 08.08.2002 a.a.O. Rdnr. 32).

a) Der Inhalt des Plakataushanges, seine auffällige Aufmachung und der Ort des Aushanges sind grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund für eine Kündigung darzustellen. Der Inhalt des Plakates stellt eine Bedrohung der Mitarbeiter dar. Es wird unmissverständlich deutlich herausgestellt, dass in dem Fall, dass nicht völlig perfekte Elsässer hergestellt werden, eine fristlose Entlassung und weitere schwerwiegende Folgen eintreten. Auch wiegt schwer, dass in den Fällen, in denen der verantwortliche Mitarbeiter nicht festgestellt werden kann, andere Mitarbeiter betroffen sein können. Ein Mitarbeiter, der mit der Aufgabe betraut ist, Elsässer zu backen, muss nach dem Inhalt des Plakates schwerste Konsequenzen fürchten. Das ist grundsätzlich ein nicht hinnehmbares vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers gegenüber Mitarbeitern. Insoweit wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen zu Ziff. II 1 Buchst. b) aa) Bezug genommen.

b) Im konkreten Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Bedrohung sich nicht unmittelbar an die Klägerin richtete. Richtig ist zunächst, dass das Plakat nach seiner Formulierung an alle Mitarbeiter gerichtet ist und auch an einem Ort aushing, den alle Mitarbeiter nicht nur bei Gelegenheit einsehen konnten, sondern auch einsehen mussten, wenn sie etwa ihre Stundenzettel einsehen wollten. Inhaltlich richtet sich das Plakat jedoch nur an diejenigen Mitarbeiter, die mit der Herstellung der Elsässer beauftragt sind. Das folgt aus dem Inhalt des Plakates und dem Anlass für den Plakataushang, nämlich die von der Beklagten behauptete Fehlproduktion von Elsässern in nicht unerheblichem Umfang in der Vergangenheit. Dem steht nicht entgegen, dass das Plakat nicht ausdrücklich an die Mitarbeiter gerichtet ist, die Elsässer backen. Die Klägerin durfte sich also einerseits von dem Plakat als Mitarbeiterin angesprochen fühlen, konnte aber andererseits erkennen, dass sie bei der Ausübung ihrer Arbeit nicht unmittelbar betroffen war. Die Klägerin selbst war bis auf den von ihr behaupteten Ausnahmefall um Weihnachten herum mit dem Elsässerbacken nicht betraut. Sie hat auch in einem anderen Raum gearbeitet und dort die Arbeiten einer Konditorin ausgeführt. Es stand auch nicht unmittelbar bevor, dass die Klägerin durch Ausübung des Weisungsrechtes mit dem Backen des Elsässers betraut wurde. Es ist der Klägerin zwar zuzugeben, dass nach dem Arbeitsvertrag die Beklagte ihr jederzeit andere Tätigkeiten hätte zuweisen können. Konkrete Anhaltspunkte dafür liegen jedoch nicht vor. Da die Klägerin als Konditorin mit einer anderen Aufgabe in einem abgegrenzten anderen Raum tätig war, drohte ihr auch nicht, für Fehler anderer Kollegen bei der Herstellung des Elsässer Landbaguettes in Anspruch genommen zu werden - so die Androhung im Plakat.

443. Vor diesem Hintergrund war die vorhergehende Abmahnung der Beklagten oder die Frage nach einer Klarstellung im Wege des Verhältnismäßiggrundsatzes geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist auch bei Störungen im Vertrauensbereich das Abmahnungserfordernis zu prüfen. Bei einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist eine Abmahnung nur dann entbehrlich, wenn es um eine schwere Pflichtverletzung geht, deren Rechtswidrigkeit ohne Weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Vertragspartner offensichtlich ausgeschlossen ist. Umgekehrt ist der Ausspruch einer Abmahnung erforderlich, wenn es sich um eine Störung im Vertrauensbereich handelt, ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt und die Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (BAG vom 04.06.1997, 2 AZR 526/96, AP Nr. 137 zu § 626 BGB = DB 1997, 2386 bis 2387). Ebenso wie bei einer verhaltensbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers gilt das sog. Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die begangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken. Dieser Grundsatz kommt auch in § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Ausdruck. Die Abmahnung ist zugleich Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit ohne Weiteres erkennbar ist und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den anderen Vertragsteil offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG vom 23.06.2009, 2 AZR 103/08 NZA 2009 S. 1198 bis 1202 = AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 verhaltensbedingte Kündigung jeweils Rdnr. 33). Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin sich nicht unmittelbar gefährdet sehen durfte, war vor Ausspruch der Kündigung trotz des erheblichen vertragswidrigen Verhaltens des Geschäftsführers der Beklagten durch den Aushang des Plakates eine Abmahnung durch die Klägerin erforderlich. Die Beklagte musste unter Anwendung der oben genannten Grundsätze nicht davon ausgehen, dass eine Mitarbeiterin, die mit dem Produkt des Elsässers nichts zu tun hatte, sich durch das Plakat zu einer außerordentlichen Kündigung veranlasst sehen würde.

454. Darüber hinaus ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig für die sog. haftungsbegründende Kausalität. Das heißt, die Klägerin muss darlegen und beweisen, dass der Aushang des Plakates sie zu der außerordentlichen Kündigung veranlasst hat und nicht andere Umstände für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verantwortlich sind (vgl. Müller-Glöge im Erfurter Kommentar, 10. Aufl. § 628 Rdnr. 21 m.w.N., BAG vom 08.08.2002 a.a.O. Rdnr. 55; LAG Köln vom 21.07.2006, 4 Sa 574/06 zitiert nach Juris). Die Beklagte durfte auch mit Nichtwissen bestreiten, dass der Plakataushang kausal für die Kündigung war (§ 138 Abs. 4 ZPO), weil sie die Beweggründe für die Kündigung durch die Klägerin nicht kennt. Damit hat die Beklagte zunächst die Darlegungslast zu Lasten der Klägerin verschoben. Zutreffend ist, dass die Klägerin, ohne dass sonstige Indizien vorgetragen sind, sich auf den Vortrag beschränken darf, dass das Plakat ursächlich für die Kündigung gewesen ist. Die Beklagte hat jedoch des Weiteren Indizien genannt, aus denen ein anderer Kausalverlauf folgen könnte, nämlich dass ein eventueller Umzug der Klägerin in ihren Heimatort unter ohnehin geplanter Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegen haben könnte. Ein weiteres Indiz hierzu wird von der Beklagten benannt, wonach die Klägerin ein Anschlussarbeitsverhältnis haben soll. Das hat die Klägerin mit Wirkung ab 01. April 2009 auch bestätigt. Es wäre daher Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin gewesen, anzugeben, wann sie den Arbeitsvertrag für das Anschlussarbeitsverhältnis abgeschlossen hat und ihre Umzugsplanungen im Einzelnen getroffen hat, etwa den Zeitpunkt der Kündigungserklärung für die von ihr bewohnte Wohnung. Das folgt aus den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Die Angaben der Beklagten sind auch nicht ins Blaue hinein, weil die von der Beklagten vorgetragenen Umstände zutreffend sind: Die Klägerin ist tatsächlich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses umgezogen und hat auch ein Anschlussarbeitsverhältnis. Sie hätte ohne Weiteres durch Angabe der genannten Zeitpunkte nachweisen können, dass diese Dispositionen erst getroffen wurden, nachdem sie sich zu einer außerordentlichen Kündigung gegenüber der Beklagten veranlasst sah. Letztendlich kam es auf diesen Punkt in entscheidungserheblicher Weise nicht an, weil es bereits an der erforderlichen Abmahnung fehlte.

III.

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet, weil ein Anspruch auf Schadensersatz bereits dem Grunde nach nicht besteht.

IV.

Die Kosten des Rechtsstreites hat die insgesamt unterliegende Klägerin gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe hierfür im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß nachfolgender Rechtsmittelbelehrung wird hingewiesen.