VG Oldenburg, Urteil vom 06.08.2010 - 13 A 2512/08
Fundstelle
openJur 2012, 50932
  • Rkr:

1. Der Anspruch eines freien Trägers auf Kindertagesstättenförderung kann nach Einführung des § 74a SGB VIII nicht mehr auf § 74 SGB VIII gestützt werden, da in Niedersachsen ein landesrechtliches System zur Förderung von Kindertagesstätten durch Landesleistungen in Form von Zuschüssen für Personalausgaben sowie Investitionsförderungen besteht. Ein Anspruch auf Förderung kann sich nur aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben.2. Soweit kein Anspruch auf Förderung besteht, hat der Jugendhilfeträger über den Antrag auf Förderung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Da im Rahmen der Ermessensausübung u.a. die Strukturentscheidung des Jugendhilferechts für ein plurales, bedarfsgerechtes Leistungsangebot sowie das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern zu beachten ist, sind bei der Abwägung im Wesentlichen dieselben Gesichtspunkte zu berücksichtigen wie bei der Anwendung des § 74 SGB VIII.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Betriebskostenzuschusses für einen Kindergarten.

Der Kläger, ein Träger der freien Jugendhilfe, betreibt in D. (Landkreis D.) seit dem 1. August 2006 den Waldorfkindergarten D., der mit zwei Regelgruppen für Kinder von 3 bis 6 Jahren mit insgesamt 50 Plätzen, einer Kleinkindgruppe und zwei Eltern-Kind-Kreisen ausgestattet ist. Zwischen dem Kläger und dem Landkreis D. wurde ein Vertrag zum Betrieb der Kindertagesstätte D. und zu deren Finanzierung im Rahmen einer öffentlichen Förderung geschlossen. Nach der beigefügten Leistungsbeschreibung gehört zu den Einzugsgebieten der Kindertagesstätte auch das Gebiet des Beklagten.

Der Kindergarten des Klägers wurde in die Jugendhilfeplanung des Beklagten für das Jahr 2008 nicht aufgenommen. Im Kreisgebiet des Beklagten ist ein Waldorfkindergarten nicht vorhanden.

Ab dem Kindergartenjahr 2005/2006 wurden in der Einrichtung des Klägers auch zwei bis drei Kinder aus dem Kreisgebiet des Beklagten betreut. Im Kalenderjahr 2008 wurden zwei Kinder parallel betreut, nämlich zwei 2001 bzw. 2004 geborene Kinder aus X. bis Ende Juli bzw. ab Anfang August des Jahres sowie ein 2003 geborenes Kind aus N. ganzjährig.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2007 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung eines Betriebskostenzuschusses für das Jahr 2008 in Form einer monatlichen Platzpauschale für diese Kinder in Höhe von jeweils 193,21 Euro, insgesamt damit einen Betrag von 4.637,04 Euro (7 x 193,21 Euro + 5 x 193,21 Euro + 12 x 193,21 Euro).

Der Beklagte lehnte den Antrag nach vorangegangener Befassung durch den Jugendhilfeausschuss in der Sitzung vom 15. Mai 2008 mit Bescheid vom 11. August 2008 ab. Zur Begründung führte er aus: Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe entscheide gemäß § 74 Abs. 3 SGB VIII im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen über Art und Höhe der Förderung. Nach Abwägung mit dem Interesse des Kindergartens an einer finanziellen Förderung sei dem Interesse des Landkreises an einem sinnvollen Einsatz der verfügbaren Mittel Vorrang zu geben. Da die Einrichtung nicht in der Jugendhilfeplanung erfasst sei, bestehe kein Anspruch auf Förderung. Die vom Waldorfkindergarten erbrachte Leistung diene nicht zur Deckung eines anerkannten Bedarfs in seinem Zuständigkeitsbereich. Der Bedarf an Kindergartenplätzen sei mit einer Auslastungsquote von 97,9 % in quantitativer Hinsicht gedeckt. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Nachfragebedarf auf die besondere pädagogische Ausrichtung des Kindergartens der Waldorfpädagogik. Von den rund 4.500 Kindern der Altersgruppe zwischen drei und sechs Jahren im Kreisgebiet besuchten nur drei Kinder die Einrichtung des Klägers. Auch in den vergangenen Jahren sei die dort angebotene spezifische pädagogischen Ausrichtung und Wertorientierung nicht in einem darüber hinausgehenden Maße angefragt worden. Aus Gründen der Planungssicherheit im Hinblick auf den Bedarf und die Auslastung von Kindergärten und im Hinblick auf einen wirtschaftlichen Einsatz der Mittel sei er nicht verpflichtet, jeder noch so geringen Nachfrage auf eine besondere Grundrichtung der Erziehung nachzukommen. Das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern habe dort seine Grenzen, wo es zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führe. Im Übrigen sei ein plurales Angebot mit pädagogischen Alternativen in seinem - des Beklagten - Zuständigkeitsbereich vorhanden.

Der Kläger hat am 9. September 2008 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Der Beklagte sei für die grenzüberschreitende Förderung von Kindergartenplätzen, die mit Kindern aus seinem Gebiet besetzt seien, zuständig. Voraussetzung für eine grenzüberschreitende Planung sei, dass eine Zahl von Kindern in „planbarer Größe“ die Einrichtung jenseits der Grenze besuche. Eine Mindestzahl hierfür sei von der Rechtsprechung noch nicht festgelegt worden. Ebenfalls nicht entschieden sei, ob bei der Ermittlung dieser Größe nur auf die Kinder abzustellen sei, die jeweils eine bestimmte Einrichtung besuchten, oder ob der Träger der öffentlichen Jugendhilfe dabei alle Kinder aus seinem Gebiet in den Blick zu nehmen habe, die Kindergärten jenseits der Grenzen seines Gebietes besuchten. Bei der Zahl der Kinder, die aus dem Gebiet des Beklagten seinen Kindergarten besuchten, handele es sich um eine seit Jahren konstante und damit planbare Größe.

Die Entscheidung des Beklagten, den Kindergarten der Klägerin nicht zu fördern, sei ermessensfehlerhaft. Er habe die pädagogische Ausrichtung des von ihm - dem Kläger betriebenen Kindergartens nicht angemessen berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25.04.2002 - 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226) bedürfe es einer besonderen Erklärung, wenn angebotene Kindergartenplätze mit einer bestimmten Pädagogikausrichtung trotz anhaltender Nachfrage, anders als solche mit anderer Pädagogikausrichtung, nicht gefördert würden. Das Angebot des Beklagten umfasse die Waldorfpädagogik nicht, obwohl es eine kontinuierliche, wenn auch geringe Nachfrage hierfür gebe, die nicht ohne Weiteres unberücksichtigt bleiben könne. In Anbetracht der Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. Februar 2006 (Az.: 4 LB 389/02) verdichte sich sein Anspruch auf Neubescheidung aufgrund der ermessensfehlerhaften Ablehnung sogar zu einem Förderanspruch dem Grunde nach, weil aufgrund der besonderen Umstände des Falls jede andere Entscheidung als eine Förderung des Kindergartens ermessensfehlerhaft wäre.

§ 74 SGB VIII sei anwendbar, weil der Landesgesetzgeber von der Regelungskompetenz des § 74a SGB VIII zumindest nicht abschließend Gebrauch gemacht habe. Das KiTAG biete lediglich einen Anspruch auf Finanzhilfe für Personalausgaben sowie eine Investitionsförderung durch das Land. Der Bereich der institutionellen Förderung der Träger der freien Jugendhilfe werde durch das KiTaG und das AG KJHG nicht geregelt. Eine solche Förderung erfolge durch die öffentlichen Jugendhilfeträger oder die Gemeinden durch eigene Richtlinien, Bestimmungen oder Vereinbarungen. Es fehle somit an einer eigenständigen umfassenden Finanzierungsregelung, so dass die in § 74 SGB VIII normierten Grundsätze weiterhin unmittelbar anzuwenden seien. Selbst wenn man dem nicht folgte, widerspräche die Förderpraxis des Beklagten zumindest dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Ungleichbehandlung bestehe zwar nicht darin, dass sein Kindergarten nicht in die Bedarfsplanung aufgenommen worden sei. Er - der Kläger - werde jedoch in seinem Gleichheitsrecht verletzt, weil er für die mit auswärtigen Kindern aus dem Gebiet des Beklagten belegten Plätze keinerlei Förderung erhalte.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. August 2008 zu verpflichten, über den Antrag auf institutionelle Förderung der von ihm betriebenen Kindertagesstätte für das Kalenderjahr 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf den angefochtenen Bescheid und ergänzt: Eine „planbare Größe“ liege nicht vor. Hauptmerkmal der Planbarkeit sei, dass sie zukunftsgerichtet sei. Zum Zeitpunkt der Planung müssten die planungserheblichen Faktoren bekannt sein, damit sie bei beabsichtigten Maßnahmen und Zielen berücksichtigt werden könnten. Zwar sei der Antrag auf Förderung nicht fristgebunden, so dass er auch noch nach Ablauf des Zeitraums, für den eine Förderung beansprucht werde, gestellt werden könne. Allerdings könne nicht verlangt werden, dass bei ausreichender Deckung des Bedarfs nachträglich Anträge auf finanzielle Förderung von Einrichtungen außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereiches berücksichtigt würden. Außerdem fehle es an einer zeitlichen und zahlenmäßigen Verfestigung der Inanspruchnahme über Jahre. Der vom Kläger geltend gemachte Bedarf von Plätzen für Kinder aus seinem Kreisgebiet sei ihm erst durch den Antrag vom 5. Dezember 2007 bekannt geworden. Dieser beziehe sich zwar auf einen zukünftigen Zeitraum, sei jedoch so spät eingegangen, dass der angezeigte Nachfragebedarf nicht mehr in die Jugendhilfeplanung für 2008 einfließen konnte. Es handele sich auch nicht um eine planbare Größe insoweit, als er - der Beklagte - sie aufgrund von regelmäßigen Nachfragen aus den vergangenen Jahren in der Kindergartenbedarfsplanung hätte berücksichtigen müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne die Förderung weiterer Kindergartenplätze ermessensfehlerfrei abgelehnt werden, wenn die zur Befriedigung des Bedarfs erforderlichen Kindergartenplätze bereits vorhanden seien. Es bestehe keine Verpflichtung, ein Überangebot an Plätzen zu finanzieren. Von einem Träger der öffentlichen Jugendhilfe könne nicht verlangt werden, dass er Kindergartenplätze fördere, die er zur Erfüllung des gesetzlichen Anspruchs auf einen Kindergartenplatz nicht benötige. Die Berücksichtigung aller Sonderwünsche von Eltern könne nicht verlangt werden. Zwischen dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern gemäß § 5 SGB VIII und dem Anspruch eines Trägers auf institutionelle Förderung nach § 74 SGB VIII bestehe kein direkter rechtlicher Zusammenhang. Die institutionelle Förderung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf ein konkretes Kind und dessen Wünsche im Einzelfall bezogen, sondern auf Kindergärten insgesamt oder auf ein bestehendes Kontingent an Kindergartenplätzen, die der Träger der öffentlichen Jugendhilfe institutionell primär deshalb fördere, damit sie Kindern aus seinem Gebiet offen stünden. Nicht jede pädagogische Ausrichtung müsse vertreten sein. Sofern von den Eltern eine ganz besondere Erziehung ihrer Kinder gewünscht werde, bleibe es ihnen unbenommen, diesem Wunsch im Gebiet eines benachbarten Jugendhilfeträgers zu verwirklichen. Sollten Eltern aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sein, die Kindergartenbeiträge zu leisten, komme die Übernahme des Elternbeitrags in Betracht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. August 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Neuentscheidung seines Antrags auf Förderung seines Kindergartenangebotes durch den Beklagten im Jahr 2008 nicht zu.

17Der Anspruch des Klägers auf Förderung ergibt sich nicht aus § 74 SGB VIII, da § 74a SGB VIII für die Kindertagesstättenförderung ausdrücklich auf entsprechende landesrechtliche Vorschriften verweist. Die Förderung der Kindertagesstätten ist Aufgabe der öffentlichen Jugendhilfe und im Land Niedersachsen durch das Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (AG-KJHG) sowie durch das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) geregelt.

Zur Begründung des § 74a SGB VIII heißt es im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 15/3676, S. 39):

„Hinsichtlich der Finanzierung von Tageseinrichtungen haben sich in den Ländern Finanzierungsformen herausgebildet, die von den beiden im SGB VIII geregelten Systemen, nämlich der Förderungsfinanzierung (§ 74) und der Entgeltfinanzierung (§§ 78a ff.) abweichen. Soweit die Förderungsfinanzierung zur Anwendung kommt, passen weder die Voraussetzungen noch die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens seitens des Jugendamts für die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Tageseinrichtungen. Die Vorschrift stellt daher klar, dass die bundesrechtlichen Regelungen für die Finanzierung von Tageseinrichtungen nicht zur Anwendung kommen. Damit wird den Ländern auch die Möglichkeit eröffnet, den Bau und den Betrieb von Tageseinrichtungen in Betrieben aus öffentlichen Mitteln zu unterstützen.“

Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 21.01.2010 - 5 CN 1.09 -, Rn. 18 ff., zit. nach juris) hat hierzu ausgeführt:

„Nach § 74a Satz 1 SGB VIII (mit Wirkung zum 1. Januar 2005 eingefügt durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder <Tagesbetreuungsausbaugesetz - TAG> vom 27. Dezember 2004 <BGBl I S. 3852>) regelt das Landesrecht die Finanzierung von Tageseinrichtungen. Diese Bestimmung ist die kompetenzielle Grundlage des landesrechtlichen Regelungssystems zur Finanzierung von Tageseinrichtungen für Kinder. Sinn der Vorschrift ist es, den Ländern zu ermöglichen, in eigener Verantwortung die Finanzierung von Tageseinrichtungen zu regeln und ihnen dabei alle Möglichkeiten der Finanzierung zu eröffnen (BTDrucks 15/3676 S. 39; s.a. Münder, in: FK zum SGB VIII, 6. Aufl. 2009, § 74a Rn. 3). Die Regelungsbefugnis des Landesgesetzgebers erstreckt sich auf alle Aspekte der Finanzierung von Tageseinrichtungen für Kinder einschließlich der (institutionellen) Förderung der Träger der freien Jugendhilfe (s.a. Friedrich/Lieber, VBlBW 2008, 81 <84>).

(…)

Hat der Landesgesetzgeber - (…) - eine eigenständige und umfassende Finanzierungsregelung getroffen, kommt daneben eine unmittelbare Anwendung der in § 74 SGB VIII bundesgesetzlich normierten Grundsätze für die Förderung der Träger der freien Jugendhilfe nicht in Betracht (s.a. BTDrucks 15/3676 S. 39). Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht entschieden, dass § 74a SGB VIII die Finanzierung von Tageseinrichtungen insgesamt dem Landesrecht überlassen habe und daher neben den - hier ersichtlich abschließenden - landesgesetzlichen Finanzierungsregelungen kein ergänzender bundesrechtlicher Finanzierungsanspruch freier Träger aus § 74 Abs. 1, 2 SGB VIII gegen den örtlichen Träger der freien Jugendhilfe mehr besteht (anders noch zur früheren Rechtslage VGH Mannheim, Urteil vom 18. Dezember 2006 - 12 S 2474/06 - VBlBW 2007, 294). (…)

Die dem Landesgesetzgeber eingeräumte Regelungskompetenz schließt es, soweit dieser - wie hier - davon durch eine eigenständige Normierung abschließend Gebrauch gemacht hat, auch aus, das Landesrecht unmittelbar am bundesgesetzlichen Maßstab des § 74 Abs. 5 SGB VIII zu messen. § 74 SGB VIII wird in diesem Falle insgesamt durch § 74a SGB VIII verdrängt. Dies gilt auch für die unmittelbare Anwendung der in § 74 Abs. 5 SGB VIII enthaltenen Gebote gleichheitskonformer Förderung.“

Der niedersächsische Landesgesetzgeber hat mit dem Nds. KiTaG und dem AG-KJHG ein landesrechtliches System zur Förderung von Kindertagesstätten geschaffen, nach dem die in § 15 Abs. 1 Nds. KiTaG genannten Träger und juristischen Personen Landesleistungen in Form von Zuschüssen für Personalausgaben sowie Investitionsförderungen erhalten können. Daneben gewähren die örtlichen Träger der Jugendhilfe oder kreisangehörige Gemeinden im Einvernehmen mit den Trägern (§ 13 Abs. 1 AG-KJHG) Leistungen für Kindertagesstätten.

Weder aus der Gesetzgebungsgeschichte zu § 74a SGB VIII noch den sonstigen Vorschriften des Gesetzes kann entnommen werden, dass die Förderansprüche nach § 74 SGB VIII entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 74a SGB VIII auch über den 1. Januar 2005 hinaus noch Anwendung finden sollen (a.A.: VG Braunschweig, Urt. v. 18.01.2007 - 3 A 79/06 -, Rn. 18 nach juris, jedoch ohne weitere Begründung). Insbesondere lässt sich ein solche Ergebnis nicht der fortbestehenden Gesamtverantwortung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach § 79 SGB VIII oder der Leistungsverpflichtung gem. § 3 Abs. 2 S. 2 SGB VIII entnehmen. Beide Vorschriften treten gegenüber der Sonderregelung des § 74a SGB VIII zurück, die allein die Finanzierung von Einrichtungen betrifft und etwa die Planungsverantwortung unberührt lässt (Fridrich/ Lieber, VBlBW 2008, 81 (84).

Die landesrechtlichen Vorschriften stellen entgegen der Auffassung des Klägers auch eine „eigenständige und umfassende Finanzierungsregelung“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar. Hierfür ist nicht Voraussetzung, dass der Landesgesetzgeber auch Regelungen über die institutionelle Förderung durch die jeweils zuständigen örtlichen Träger der Jugendhilfe oder die Gemeinden trifft. Die örtlichen Träger der Jugendhilfe sind nach § 24 SGB VIII verpflichtet, eine bedarfsgerechte Versorgung für Kinder unter drei Jahren vorzuhalten, indem sie entweder eigene kommunale Kindertagesstätten betreiben oder auf Einrichtungen von Trägern der freien Jugendhilfe zurückgreifen, wie z.B. auf Kirchen- oder Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts, auf Verbände der freien Wohlfahrtspflege oder auf sonstige Einrichtungen aus dem privat-gewerblichen Bereich. Dass der Landesgesetzgeber keine Regelung zur Förderung dieser Einrichtung durch den örtlichen Jugendhilfeträger oder die Gemeinden getroffen hat, sondern es diesen selbst überlässt, ihre Verpflichtung durch eine entsprechende Bedarfsplanung zu erfüllen und ggf. weitere Betreuungsmöglichkeiten durch gezielte Förderung zu ermöglichen, schließt die Annahme einer umfassenden Finanzierungsregelung nicht aus.

28Greift danach § 74 SGB VIII nicht ein, kann sich der Kläger allein darauf berufen, dass seitens des Beklagten eine Förderpraxis betrieben wurde, die dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG widerspricht (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.01.2010, a.a.O., Rn. 21).

Ein Anspruch des Klägers auf Förderung nach dem allgemeinen Gleichheitssatz besteht nicht, da der Beklagte Einrichtungen, die nicht in die Kindergartenbedarfsplanung aufgenommen worden waren, in der Vergangenheit nicht gefördert hat. Hat der Beklagte die Einrichtung des Klägers aber nicht in seine Bedarfsplanung nach § 80 SGB VIII aufgenommen, weil er den Bedarf an Kindertagesstätten durch die vorhandenen Einrichtungen als gedeckt angesehen hat, liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dadurch, dass der Kläger nicht gefördert wurde, nicht vor.

Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Einrichtung des Klägers in die Bedarfsplanung aufzunehmen. Bei der Bedarfsermittlung hat der Jugendhilfeträger als Ausprägung des allgemeinen Wunsch - und Wahlrechts (§ 5 Abs. 1 SGB VIII) die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten zu berücksichtigen (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Dies setzt eine regelmäßige Nachfrage nach Kindergartenplätzen in einer nicht zu vernachlässigenden Größenordnung voraus. Eine zukunftsorientierte Planung des Kindergartenbedarfs ist auf gesicherter Grundlage nur möglich, wenn aufgrund einer zeitlichen und zahlenmäßige Verfestigung der Nachfrage erkennbar ist, dass es sich bei dem Bedürfnis nach einer Erziehung in einer besonderen pädagogischen Grundrichtung nicht nur um ein flüchtiges Interesse („Modeerscheinung“) handelt, sondern um einen ernsthaften und bestimmten Wunsch eines zahlenmäßig nicht zu vernachlässigenden Teils der Berechtigten (zum Begriff der „planbaren Größe“ als Voraussetzung für die grenzüberschreitende Planung vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 17.05.2000 - 4 L 869/00 -, Rn. 16 nach juris). Dies ist bei lediglich zwei bis drei Kindern, die die Einrichtung des Klägers seit dem Kindergartenjahr 2005/2006 besucht haben, jedoch nicht der Fall.

Hinzu kommt, dass dem Beklagten der vom Kläger geltend gemachte Bedarf für Kinder aus dem Gebiet des Beklagten - soweit ersichtlich - erstmals mit dessen Antrag auf Gewährung eines Betriebskostenzuschusses vom 7. Dezember 2007 bekannt geworden ist. Der im Kindergartenjahr 2007/2008 ermittelte Bedarf und Bestand an Kinderbetreuungsplätzen wurde aber bereits zum Stichtag 1. Oktober 2007 festgestellt (vgl. Beschlussvorlage vom 29.04.2008, Bl. 86 der Gerichtsakte). Nach den glaubwürdigen Auskünften des Beklagten wurden Kindergartenplätze mit Waldorfpädagogik durch Eltern aus dem Gebiet des Beklagten in der Vergangenheit auch nicht nachgefragt.

32Bestand danach kein Anspruch des Klägers auf Förderung, so konnte der Beklagte über den Antrag des Klägers nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Dabei ist dem Kläger zuzugeben, dass, obwohl § 74 SGB VIII insoweit keine Anwendung findet, im Rahmen der Ermessensausübung u.a. die Strukturentscheidung des Jugendhilferechts für ein plurales, bedarfsgerechtes Leistungsangebot sowie das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern zu beachten ist. Insgesamt sind bei der von dem Beklagten vorzunehmenden Abwägung daher im Wesentlichen dieselben Gesichtspunkte zu beachten, die das Bundesverwaltungsgericht vor Einführung des § 74a SGB VIII für die finanzielle Förderung auswärtiger Kindergartenplätze berücksichtigt hat.

Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu im Einzelnen ausgeführt (Urt. v. 25.04.2002 - 5 C 18.01 -, a.a.O.):

„Nach § 74 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ist auf der Grundlage der oben dargestellten Förderungszuständigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn mehrere Antragsteller die Förderungsvoraussetzungen erfüllen und die von ihnen vorgesehenen Maßnahmen gleich geeignet sind, zur Befriedigung des Bedarfs jedoch nur eine Maßnahme notwendig ist. Folglich kann eine Förderung von weiteren Maßnahmen (von weiteren Kindergartenplätzen) abgelehnt werden, wenn die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Maßnahmen (Kindergartenplätze) bereits vorhanden sind.

Bei sonst gleich geeigneten Maßnahmen soll solchen der Vorzug gegeben werden, die stärker an den Interessen der Betroffenen orientiert sind und ihre Einflussnahme auf die Ausgestaltung der Maßnahme gewährleisten (§ 74 Abs. 4 SGB VIII). Bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen mehrerer Träger sind unter Berücksichtigung ihrer Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen. Bezogen auf Kindergärten sind insbesondere deren Aufgabe und verschiedenen Leistungsangebote in den Blick zu nehmen: In Kindergärten soll die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert werden (§ 22 Abs. 1 SGB VIII); die Aufgabe umfasst die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes (§ 22 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII); das Leistungsangebot soll sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und Familien orientieren; bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollen die in den Einrichtungen tätigen Fachkräfte und anderen Mitarbeiter mit den Erziehungsberechtigten zum Wohl der Kinder zusammenarbeiten (§ 22 Abs. 3 SGB VIII).

Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen.

Entsprechend den Vorgaben für die Jugendhilfeplanung in § 80 Abs. 2 Nr. 1 und § 4 SGB VIII gilt für die Ausübung des Förderungsermessens nach § 74 Abs. 3 SGB VIII, dass Kindergartenplätze so gefördert werden, dass Kontakte in der Familie und im sozialen Umfeld erhalten und gepflegt werden können und Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können.

Auch ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens nach § 26 SGB VIII in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 5 und 6 NdsKiTaG in der Fassung vom 25. September 1995 (Nds.GVBl S. 304) - jetzt § 5 Abs. 1 Satz 4 und 5 NdsKiTaG in der Fassung vom 4. August 1999 (Nds.GVBl S. 309) - möglichst ortsnah zu erfüllen ist und sich nicht auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung richtet.

Bei der Ermessensentscheidung über die institutionelle Förderung von Kindergartenplätzen sind die maßgeblichen Kriterien einzustellen und abzuwägen. So können z.B. für die Förderung eines Kindergartens dessen Ortsnähe, für die eines anderen dessen günstige Verkehrsanbindung zu Arbeitsstätten der Eltern sprechen. Auch kommt der pädagogischen Ausrichtung eines Kindergartens (z.B. gemeindlicher, kirchlicher oder wie hier Waldorfkindergarten) sowie seiner Betreuungsorganisation (z.B. in Bezug auf Vor- und Nachmittagsgruppen) Bedeutung zu. So bedürfte es besonderer Erklärung, warum angebotene Kindergartenplätze mit einer bestimmten Pädagogikausrichtung trotz anhaltender Nachfrage anders als solche mit anderer Pädagogikausrichtung nicht gefördert werden.“

Das Gericht hat in diesem Rahmen zu prüfen, ob die Ablehnung der Förderung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Hieran gemessen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat die vom Bundesverwaltungsgericht benannten Erwägungen bei der Entscheidung über die Frage, ob die Einrichtung des Klägers gefördert wird, in ausreichendem Maße berücksichtigt, Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.

Der Beklagte hat zunächst zu Recht darauf abgestellt, dass allen Kindern aus seinem Bereich, die den Kindergarten des Klägers besucht haben, ein anderer geeigneter freier Platz hätte angeboten werden können. Nach den von dem Beklagten eingereichten Unterlagen über den Bedarf an Kindergartenplätzen (Tabelle VII des Kindergartenbedarfsplans) gab es im fraglichen Kalenderjahr 2008 in allen Gemeinden außer Goldenstedt ein Überangebot an Plätzen (B.: 11; X.: 58; D.: 89; H.: 19; L.: 152; N.: 38; S.: 18; V.: 104; V.: 47). Bezogen auf das Jahr 2008 war der aktuelle Bedarf um insgesamt 536 Plätze und der mittelfristige Bedarf aus dem Geburtendurchschnitt der Jahre 2003 bis 2008 um 653 Plätze überschritten.

Besondere Umstände, die eine Förderung des Klägers verlangt hätten, lagen nicht vor.

Eine besondere Ortsnähe des Kindergartens des Klägers zu den Wohnorten der betreuten Kinder in N. bzw. X. bestand im Vergleich zu den Kindergärten innerhalb des Kreisgebiets des Beklagten nicht. Sowohl in N. als auch in X. standen ausreichend Kindergartenplätze zur Verfügung. Demgegenüber beträgt die Entfernung von den Wohnorten der Kinder zum Kindergarten des Klägers in D. 28,8 km bzw. 24,3 km (ca. 36 bzw. 28 Minuten per Pkw).

Zugunsten des Klägers ist allein zu berücksichtigen, dass die von ihm angebotene pädagogische Ausrichtung (Waldorfpädagogik) von keinem der im Bedarfsplan des Beklagten aufgenommenen Kindergärten angeboten wird. Insoweit hat der Beklagte für seine ablehnende Entscheidung jedoch zu recht geltend gemacht, dass im Hinblick auf einen wirtschaftlichen Einsatz der Mittel keine Verpflichtung bestehe, jeder noch so geringen Nachfrage auf eine besondere Grundrichtung der Erziehung nachzukommen. Da der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Förderung von Kindergärten im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel vornimmt, verfolgt er einen legitimen Zweck, wenn er die vorhandenen finanziellen Mittel zielgerichtet für solche Einrichtungen einsetzt, die durch die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze ein ernstzunehmendes Bedürfnis abdecken. Dies ist, wie bereits ausgeführt, bei der Einrichtung des Klägers nicht der Fall. Mit nur zwei parallel betreuten Kindern im Jahr 2008 und im Übrigen seit dem Kindergartenjahr 2005/2006 jährlich maximal drei betreuten Kindern aus dem Kreisgebiet des Beklagten fehlt es auch an einer beachtenswerten „anhaltenden Nachfrage“, die nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für den Fall der Ablehnung der Förderung eine „besondere Erklärung“ verlangt.

Schließlich drängte es sich für den Beklagten auch aufgrund der besonderen Gestaltung des zwischen dem Kläger und dem Landkreis D. geschlossenen Vertrags zum Betrieb der Kindertagesstätte D. und zu deren Finanzierung im Rahmen einer öffentlichen Förderung nicht auf, den Kläger zu fördern. In § 2 Abs. 2 des Vertrags hat sich der Kläger gegenüber dem Landkreis D. verpflichtet, jedes Kind aus dessen Kreisgebiet zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindertageseinrichtungsplatz bei noch freien Kapazitäten aufzunehmen. In § 4 Abs. 2 wurde vereinbart, dass der Träger gewährleistet, dass die vorhandenen Plätze vorrangig Kindern aus dem Gebiet des Landkreises D. zur Verfügung gestellt werden. Bei dieser Vertragsgestaltung wird dem Beklagten die Möglichkeit genommen, mit den Plätzen in der Einrichtung des Klägers zu disponieren, da nicht sichergestellt ist, dass Kinder aus dem Kreisgebiet des Beklagten im Bedarfsfall tatsächlich auch einen Platz im Kindergarten des Klägers erhalten können. Weil ihre Ansprüche nachrangig gegenüber denen von Kindern aus dem Landkreis D. sind, könnten allein eventuell vorhandene Restplätze vergeben werden. Damit konnte der Beklagte seiner Verpflichtung aus § 24 Satz 1 SGB VIII mit den Kindergartenplätzen in der Einrichtung des Klägers nicht nachkommen.