OLG Celle, Beschluss vom 15.07.2010 - 322 SsBs 159/10
Fundstelle
openJur 2012, 50791
  • Rkr:

1. Für die Nachtzeit im Sinne von § 104 Abs. 3 StPO ist die Einrichtung einer richterlichen Erreichbarkeit zur Anordnung einer Blutentnahme gem. § 81a StPO nicht erforderlich.2. Zur Zulässigkeit einer Verfahrensrüge, die selbst nicht alle wesentlichen Verfahrenstatsachen vortragen kann.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Nienburg/Weser, Zweigstelle Hoya, vom 02.02.2010 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Nienburg/Weser, Zweigstelle Hoya, zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung eines berauschenden Mittels (§ 24 a Abs. 2 StVG) zu einer Geldbuße von 275,00 Euro verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt.

Zur Person des Betroffenen hat das Amtsgericht lediglich festgestellt, dass er Arbeitslosengeld II bezieht und bereits wegen einer anderen Verkehrsordnungswidrigkeit in Erscheinung getreten ist. Mit einer seit dem 06.02.2008 rechtskräftigen Entscheidung wurde gegen ihn wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h eine Geldbuße in Höhe von 100,00 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.

Nach den Feststellungen zur Tat befuhr der Betroffene am 23.03.2008 gegen 0:25 Uhr mit seinem PKW eine öffentliche Straße in W., obwohl er unter der Wirkung eines berauschenden Mittels stand. Die Polizeibeamten PK H. und PK C. hielten den Betroffenen im Rahmen einer Verkehrskontrolle an. PK H. ordnete eine Blutentnahme an, weil die Beamten aufgrund der geröteten Augen des Betroffenen sowie des positiven Ergebnisses eines sogenannten "Wischtestes" den Verdacht gefasst hatten, dass der Betroffene unter dem Einfluss berauschender Mittel stand. Schriftlich dokumentiert wurden diese Gründe von den Polizeibeamten nicht. Die Blutentnahme erfolgte um 1.03 Uhr in der Polizeiinspektion durch einen Arzt. Sie ergab ausweislich eines Gutachtens der Medizinischen Hochschule H. vom 03.04.2008 u. a. 6,5 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut des Betroffenen.

Ein Richter war wegen der Entnahme der Blutprobe von den Polizeibeamten nicht eingeschaltet worden. Ein ermittlungsrichterlicher Bereitschaftsdienst bestand zur Nachtzeit im Bezirk des Landgerichts Verden nicht, eine richterliche Anordnung wäre deshalb erst am nächsten Morgen zu erreichen gewesen.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Mit der Verfahrensrüge wendet sich der Betroffene gegen die Verwertung des Blutentnahmebefundes. Dieser sei wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt in § 81 a Abs. 2 StPO unverwertbar, weil Gefahr im Verzug nicht vorgelegen habe. Im Übrigen habe auch die Landesjustizverwaltung nicht sichergestellt, dass zur Nachtzeit ein Richter zur Entscheidung über die Blutprobenentnahme zu erreichen gewesen sei.

Mit der Sachrüge macht der Betroffene geltend, das Amtsgericht habe keine näheren Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenslage des Betroffenen getroffen, sodass das Rechtsbeschwerdegericht die Höhe der Geldbuße nicht überprüfen könne. Auch habe das Amtsgericht zu Unrecht die Regelgeldbuße wegen der früheren Bußgeldsache erhöht, da es sich nicht um einen einschlägigen Verstoß gehandelt habe. Ferner sei das Fahrverbot im Sinne eines "Denkzettels" nicht erforderlich gewesen, da die Tat im Zeitpunkt der Verurteilung bereits fast zwei Jahre zurückgelegen habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe zu verwerfen, dass der Betroffene zu einer Geldbuße in Höhe von 250 Euro verurteilt wird.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat teilweise Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1. Zum Schuldspruch war die Rechtsbeschwerde auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

a) Die Verfahrensrüge der Verletzung von § 81 a StPO ist zwar zulässig erhoben, soweit sie sich auf eine Verletzung des Richtervorbehalts im Zusammenhang mit der Anordnung des Polizeibeamten H. zur Entnahme einer Blutprobe bezieht, sie ist indessen unbegründet.

Der vom Amtsgericht zugrunde gelegte Blutalkoholbefund ist verwertbar und verstößt nicht gegen den Richtervorbehalt nach § 81 a Abs. 2 StPO, weil zur Tatzeit um 0.25 Uhr Gefahr im Verzug vorlag und ein Zuwarten mit der Blutentnahme bis zur richterlichen Anordnung den Untersuchungserfolg gefährdet hätte. Um diese Zeit war kein Richter erreichbar, weil im Bezirk des Landgerichts Verden kein richterlicher Nachtdienst eingerichtet war, sodass eine richterliche Anordnung der Blutprobe erst mit einer Verzögerung von mehreren Stunden hätte eingeholt werden können, was aufgrund der körpereigenen Abbauprozesse die konkrete Gefahr eines Beweismittelverlustes mit sich gebracht hätte (vgl. dazu auch Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. 2009, § 81 a, Rdnr. 25 b mit weit. Nachw.). Dies gilt - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - umso mehr, als keine Auffälligkeiten in der Fahrweise des Betroffenen zu Tage getreten waren, also von einem niedrigen Intoxikationsgrad auszugehen war. Dieser niedrige Intoxikationsgrad hätte sich bei weiterem Zuwarten auf eine richterliche Anordnung in kurzer Zeit abgebaut haben können, so dass ein Nachweis von Rauschmitteln nicht mehr möglich gewesen wäre.

Dabei kann die unterlassene Dokumentation der Gründe für die Annahme von Gefahr im Verzug ebenfalls kein Verwertungsverbot herbeiführen. Denn die Dokumentationspflicht dient in erster Linie einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle der Anordnung. Von daher kann wegen mangelnder Dokumentation ein Verwertungsverbot nur dann entstehen, wenn etwa die Annahme von Gefahr im Verzug nachträglich willkürlich erscheint oder die Dokumentationspflicht gezielt verletzt wurde (vgl. etwa Meyer-Goßner a. a. O., § 81 a Rdnr. 32 und allgemein BVerfG NJW 2008, 3053, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2010 - 53 Ss 68/19 - juris), nicht aber, wenn die Dringlichkeit der angeordneten Maßnahme evident ist (so bereits Senatsbeschluss vom 12.01.2010 - 322 SsBs 334/09), wie es hier der Fall war.

Der Senat hat mehrfach entschieden, dass auch die fehlende Kontaktaufnahme zur Staatsanwaltschaft ein Beweisverwertungsverbot nicht begründen kann (Beschluss vom 12.01.2010 a. a. O; Beschluss vom 25.01.2010 - 322 SsBs 315/09 -, Nds.Rpfl. 2010, 131; Beschluss vom 15.06.2010 - 32 Ss 70/10; ebenso OLG Hamm NStZ-RR 2009, 386 und OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.10.2009 - 1 Ss 310/09). Der Wortlaut des § 81 a Abs. 2 StPO enthält den Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung, demgegenüber ist die für den Eilfall vorgesehene Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen gleichrangig (ebenso OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.12.2008, - 2 Ss 69/08 -, juris). Eine Verpflichtung der Ermittlungspersonen, in jedem Falle vor Ausübung der Eilkompetenz bei der zuständigen Staatsanwaltschaft nachzufragen, lässt sich dem Gesetz deshalb nicht entnehmen. Selbst wenn man einen Vorrang der staatsanwaltschaftlichen Anordnungskompetenz annehmen wollte (in diese Richtung: BVerfG, NJW 2007, 1345), würde ein Verstoß dagegen jedenfalls kein Verwertungsverbot nach sich ziehen, denn darin läge keine Verletzung des für den Rechtsschutz des Bürgers entscheidenden Richtervorbehaltes, sondern lediglich eines Rangverhältnisses innerhalb der Ermittlungsbehörden, das keine Drittwirkung im Sinne eines Rechtsschutzes vor Eingriffen gerade dieser Ermittlungsbehörde entfaltet (OLG Celle a. a. O. NdsRpfl. 2010, 131).

14b) Soweit die Verfahrensrüge sich auch darauf stützt, die im Landgerichtsbezirk Verden fehlende Einrichtung eines richterlichen Notdienstes zur Nachtzeit beinhalte eine Umgehung des Richtervorbehaltes in § 81 a Abs. 2 StPO durch die Justizverwaltung und führe deshalb zu einem Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot, entspricht sie nicht den Vorgaben von §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb unzulässig. Der Beschwerdeführer teilt nicht mit, wie der richterliche Eildienst im Bezirk des Landgerichts Verden organisiert ist und er teilt auch die Tatsachen für seine Behauptung nicht mit, es seien "bereits seit 2004 nächtliche Maßnahmen, für die der Richtervorbehalt gilt, nicht nur im Ausnahmefall angefallen". Vielmehr meint er, diese Fragen müsse der Senat im Wege des Freibeweises aufklären.

Damit vermag er nicht durchzudringen. Das Gesetz verlangt zur Begründung einer Verfahrensrüge die Mitteilung aller dafür wesentlichen Tatsachen, das Freibeweisverfahren gilt im Revisions- und ebenso im Rechtsbeschwerdeverfahren ausschließlich einer Überprüfung der Prozessvoraussetzungen (dazu KK-Pfeiffer/Hannich, StPO, 6. Aufl. Einleitung Rdnr. 134; KK-Kuckein a. a. O. § 344 Rdnr. 22) und einer Überprüfung der tatsächlichen Behauptungen einer Verfahrensrüge (dazu KK-Kuckein a. a. O. Rdnr. 40). Eine Befugnis des Revisions- und Rechtsbeschwerdegerichts zur Ermittlung von Tatsachen zur Begründung einer Verfahrensrüge, die der Beschwerdeführer selbst nicht vorgetragen hat, ist dem Gesetz fremd.

16Soweit vertreten wird, das Begründungserfordernis des Beschwerdeführers reiche nur so weit, wie ihm die Tatsachen zugänglich seien (vgl. etwa KK-Kuckein a. a. O. Rdnr. 38 m. weit. Nachw.), geht dies mit einer sehr weitgehenden Erkundigungspflicht des Beschwerdeführers einher (KK-Kuckein a. a. O.), sodass Einzelheiten vorzutragen sind, die den Schluss zulassen, dass der Beschwerdeführer alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, die notwendigen Informationen selbst zu erlangen (vgl. dazu auch BGH, Urt. vom 09.04.2009 - 3 StR 376/08 -, juris und Beschluss vom 04.08.2009 - 3 StR 174/09, juris).

17Bereits daran fehlt es hier. Weder teilt der Beschwerdeführer mit, weshalb ihm die Eildienstregelung im Bezirk des Landgerichts Verden nicht zugänglich geworden ist, noch teilt er mit, was er unternommen hat, um Tatsachen für seine Behauptung zu erlangen, im Landgerichtsbezirk Verden sei schon wegen der Menge der nächtlichen Maßnahmen nach § 81 a StPO eine richterliche Einsatzbereitschaft auch zur Nachtzeit rechtlich geboten und weshalb seine Bemühungen ohne Ergebnis geblieben sind.

Diese Rüge war mithin unzulässig.

19Sie wäre indes auch unbegründet. Zwar hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 18.08.2009, NJW 2009, 3109 für den Fall einer polizeilich angeordneten Wohnungsdurchsuchung unter Berufung auf die Entscheidung des BVerfG vom 10. Dezember 2003 (NJW 2004, 1442) entschieden, dass das Fehlen eines richterlichen Notdienstes zur Nachtzeit (§ 104 Abs.3 StPO) ein Organisationsverschulden der Justiz darstellen und ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen könne. Dies soll anscheinend nach der Rechtsprechung dieses Senates auch für den durch § 81 a Abs. 2 StPO normierten einfachgesetzlichen Richtervorbehalt gelten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 30.03.2010, - 3 RVs 7/10 -, juris).

20Dem tritt der Senat indes in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung nicht bei (vgl. bereits die Senatsentscheidungen vom 25.01.2010 und vom 15.06.2010, jeweils a. a. O.; vgl. auch OLG Hamm, 4. Strafsenat StraFo 2009, 509; OLG Köln, Beschl. vom 22.01.2010 - III-1 RVs 5/10 -, juris; OLG Oldenburg, Beschl. vom 15.04.2010 - 2 SsBs 59/10 -, juris; OLG Brandenburg, Beschl. vom 16.06.2010 - (1) 53 Ss 68/10 - juris). Das Bundesverfassungsgericht verlangt selbst für den verfassungsrechtlichen Richtervorbehalt nach Art. 13 GG bei Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung in der durch § 104 Abs. 3 StPO definierten Nachtzeit nicht die Einrichtung eines richterlichen Nachtdienstes (vgl. BVerfG NJW 2004,1442) und es drängt sich keinerlei Gesichtspunkt auf, wonach die Rechtslage bei dem einfachgesetzlichen Richtervorbehalt des § 81 a StPO sich anders darstellen sollte (i. E. ebenso OLG Köln und der 4. Strafsenat des OLG Hamm, jeweils a. a. O.).

2. Im Rechtsfolgenausspruch kann das angefochtene Urteil jedoch keinen Bestand haben, weil das angefochtene Urteil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nicht hinreichend mitteilt und der Senat deshalb nicht nachvollziehen kann, ob die Bemessung der Geldbuße von 275 Euro im Einklang mit § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG steht.

Nach dieser Vorschrift sind bei der Zumessung einer Geldbuße die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Täters zu berücksichtigen, sie dürfen nur bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten außer Betracht bleiben. Als geringfügig gelten nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung beider Bußgeldsenate des Oberlandesgerichts Celle nur Ordnungswidrigkeiten, die mit einer Geldbuße bis zu 250 Euro geahndet werden (grundlegend Beschluss des 1. Senats vom 16.07.2008 - 311 SsBs 43/08 -; für den 2. Senat vgl. etwa Beschl. vom 26.02.2010 - 322 SsBs 33/10). Bei Geldbußen, die diesen Betrag überschreiten, kann deshalb von einer Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgesehen werden.

Dazu teilt das angefochtene Urteil indes lediglich mit, der Betroffene beziehe Arbeitslosengeld II. Dessen Höhe, weitere Einkünfte und sonstiges Vermögen des Betroffenen, auch die Eigentumsverhältnisse an dem bei der Tat verwendeten Kraftfahrzeug und ggf. dessen Wert werden nicht mitgeteilt. Dem Senat ist eine Überprüfung der Höhe des Bußgeldes mithin verschlossen, sodass das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben war, wobei sich die Aufhebung wegen der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot auch auf das festgesetzte Fahrverbot erstrecken muss.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Im Hinblick auf die seit dem 06.02.2008 rechtskräftige Entscheidung über die Festsetzung eines Bußgeldes wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit könnten mittlerweile die Voraussetzungen für eine Tilgung nach § 29 Abs. 1 StVG eingetreten sein, sofern die Tilgung nicht durch eine neue Eintragung im Verkehrszentralregister gehemmt ist, § 29 Abs. 6 StVG.

b) Das Amtsgericht wird in der neuen Hauptverhandlung auch zu überprüfen haben, ob das angeordnete Fahrverbot nach Zeitablauf seine Denkzettel- und Besinnungsfunktion noch erfüllen kann, nachdem die Tat des Betroffenen mehr als zwei Jahre zurückliegt. Zu einem ähnlichen Fall hat der Senat in seinem Beschluss vom 30.10.2009 - 322 SsBs 90/09 - ausgeführt, dass es nach der obergerichtlichen Rechtsprechung keine feste zeitliche Grenze gibt, ab der ein Absehen von einem Fahrverbot geboten ist. Vielmehr sei es eine Frage des Einzelfalls, wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen von einem Fahrverbot trotz Erfüllung eines Regelfalls nach der Bußgeldkatalogverordnung rechtfertigen könne. Es bestehe weitgehend Einigkeit, dass bei mehr als zweijähriger Verfahrensdauer Sinn und Zweck der Fahrverbotsverhängung in Frage zu stellen sind, wenn die für die lange Verfahrensdauer ursächlichen Umstände außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegen und er sich zwischenzeitlich auch verkehrsgerecht verhalten hat (BayObLG VRS 106, 463 ff. = NZV 2004, 210; OLG Celle VRS 108, 118 ff.; Senatsbeschluss vom 25.09.2008, 322 SsBs 209/08; OLG Karlsruhe VRS 113, 123 f. = NStZ-RR 2007, 323; OLG Dresden, Beschluss vom 18.12.2007, Ss (Owi) 779/07, juris; OLG Jena NZV 2008, 165 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 07.02.2008, 4 Ss 21/08, juris; KG Berlin VRS 114, 381 f.; OLG Bamberg zfs 2008, 591 f.). Zwar sei im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts in jener Sache die Zweijahresfrist noch nicht erreicht gewesen, sodass das Amtsgericht auch keine Veranlassung hatte, ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots im Hinblick auf die Verfahrensdauer in Erwägung zu ziehen. Das Rechtsbeschwerdegericht habe jedoch auch den bis zu seiner Entscheidung weiter vergangenen Zeitraum in seine Überlegungen einzubeziehen, was sich schon daraus ergebe, dass es für die Erreichung des Sanktionszwecks des Fahrverbots auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils und seiner Vollstreckbarkeit ankomme (ebenso BayObLG a. a. O.; KG Berlin VRS 113, 69 f.; VRS 114, 381 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 17.02.2009, 3 Ss (Owi) 941/08, juris; OLG Rostock StV 2009, 363 f.; OLG Karlsruhe a. a. O.; ebenso bereits BayObLG a. a. O.). Regelmäßig werde bei überlanger Verfahrensdauer der spezialpräventive Zweck des Fahrverbots bereits durch die lange Zeit des Schwebezustands und die für den Betroffenen damit verbundene Ungewissheit erreicht (OLG Karlsruhe a. a. O.), was im besonderen Maße gelte, wenn der Schuldspruch bereits in Rechtskraft erwachsen sei.

Diese Grundsätze gelten auch hier. Das Amtsgericht wird deshalb insbesondere zu überprüfen haben, ob der Betroffene in der vergangenen Zeit erneut verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist oder ob es aus anderen Gründen der Denkzettelfunktion eines Fahrverbotes noch bedarf.