OLG Celle, Beschluss vom 05.07.2010 - 10 WF 209/10
Fundstelle
openJur 2012, 50784
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist der Vater des am 08. Oktober 1990 ehelich geborenen Antragsgegners. Die Ehe zwischen dem Antragsteller und der Mutter des Antragsgegners ist rechtskräftig geschieden. Durch Urteil des Amtsgerichts Uelzen vom 14. April 1997 ist der Antragsteller verurteilt worden, an den seinerzeit noch von seiner Mutter vertretenen Antragsgegner Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 314,- DM zu zahlen.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28. Februar 2008 hat der Antragsteller die betreuende Mutter des zu diesem Zeitpunkt noch nicht volljährigen Antragsgegners aufgefordert, auf die Rechte aus dem Urteil des Amtsgerichts Uelzen vom 14. April 1997 zu verzichten, weil der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Zahlung von Kindesunterhalt leistungsfähig sei. Ein Verzicht hinsichtlich der Rechte des Antragsgegners aus dem Titel erfolgte in der Folgezeit nicht.

Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2009, beim Amtsgericht am selben Tag eingegangen, beantragte der Antragsteller, ihm Verfahrenskostenhilfe für ein Abänderungsverfahren zu bewilligen, mit dem er eine Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Uelzen vom 14. April 1997 dahingehend erreichen möchte, dass er dem Antragsgegner ab 18. März 2008 keinen Unterhalt mehr schuldet.

Das Amtsgericht hat dem Antragsteller mit Beschluss vom 14. Mai 2010 Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten bewilligt, soweit er eine Abänderung des Urteils vom 14. April 1997 für den Unterhaltszeitraum ab Januar 2010 begehrt. Im Übrigen hat das Amtsgericht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Die teilweise Zurückweisung des Antrages hat es damit begründet, dass eine Abänderung des Unterhaltstitels allenfalls ab Januar 2010 begehrt werden könne, weil gemäß § 238 Abs. 3 S. 4 FamFG eine Herabsetzung des Unterhalts für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit nicht verlangt werden könne. Eine Partei, die die Kosten des Verfahrens selbst aufbringen müsste, würde aber einen solchen Zeitraum nicht verstreichen lassen, da durch die rückwirkende Abänderung der Wert des Verfahrens steige und dadurch höhere Kosten entstünden.

Gegen die teilweise Zurückweisung seines Antrages auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde und begründet diese mit der Ansicht, dass gemäß § 238 Abs. 3 S. 3 FamFG ein Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts auch für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats zulässig sei.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, Beschwerde ist nicht begründet.

Zutreffend geht der Antragsteller zwar davon aus, dass gemäß dem am 1. September 2009 in Kraft getretenen § 238 Abs. 3 S. 3 FamFG ein Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts für die Vergangenheit für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtverlangens folgenden Monats zulässig ist. Gemäß § 238 Abs. 3 S. 4 FamFG findet die rückwirkende Abänderung von Unterhaltstiteln insoweit eine weitere zeitliche Einschränkung, als für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit eine Herabsetzung nicht verlangt werden kann. Bislang ist die Antragsschrift vom 30. Dezember 2009 nicht zugestellt worden, so dass bereits aus diesem Grunde die beabsichtigte Rechtsverfolgung für den Unterhaltszeitraum vor Juli 2009 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Darüber hinaus dürfte eine rückwirkende Abänderung nach § 238 FamFG in Form einer Herabsetzung eines titulierten Unterhaltsanspruchs für den Unterhaltszeitraum vor Inkrafttreten des Gesetzes, also vor dem 1. September 2009, bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen sein. Gemäß § 323 Abs. 3 ZPO in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung war eine rückwirkende Abänderung mit dem Ziel der Herabsetzung der Unterhaltspflicht für die Zeit vor Rechtshängigkeit der Abänderungsklage nicht möglich. Da der Antragsteller bis zum 31. August 2009 aber keine Abänderungsklage erhoben hatte, bestand für den Antragsgegner bis zum Inkrafttreten des FamFG eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich des durch Urteil vom 14. April 1997 titulierten Kindesunterhalts. Diese konnte nicht durch Inkrafttreten des FamFG nachträglich wegfallen.

9Schließlich hat das Amtsgericht zu Recht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Zeit vor Antragseingang - soweit es nicht an der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung fehlt - als mutwillig im Sinne des § 114 ZPO zurückgewiesen. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass es als mutwillig im Sinne des § 114 ZPO anzusehen ist, wenn eine bedürftige Partei mit der gerichtlichen Geltendmachung rückständigen Unterhalts ohne nachvollziehbaren Grund abwartet und so den Gegenstandswert des Verfahrens in die Höhe treibt, weil gemäß § 42 Abs. 5 GKG in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung bei Einreichung der Klage bzw. des Prozesskostenhilfeantrages fällige Unterhaltsbeträge dem nach § 42 Abs. 1 GKG a.F. zu ermittelnden Streitwert hinzuzurechnen waren. Eine Partei, die für die Kosten des Verfahrens selbst aufzukommen hätte, würde nicht unnötig verfahrenskostenerhöhende Rückstände entstehen lassen, bevor sie Klage erhebt (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 1. März 2010, 10 WF 65/10; v. 16. April 2009, 10 WF 120/09; v. 10. Juli 2008, 10 WF 218/08; v. 14. April 2007, 10 WF 133/07). An dieser Ansicht hält der Senat auch nach dem Inkrafttreten des FamGKG fest, denn an der Rechtslage hat sich grundsätzlich nichts geändert. Nach § 51 Abs. 1 FamGKG berechnet sich der Wert in Unterhaltssachen, die Familienstreitsachen sind, nach den Leistungen, die für die ersten 12 Monate nach Antragseingang gefordert werden. Dem sind nach § 51 Abs. 2 FamGKG die bei Einreichung des Antrages fälligen Leistungen hinzuzurechnen. Soweit sich die Rechtsprechung des Senats für die Rechtslage vor dem 1. September 2009 ausschließlich auf die rückwirkende erstmalige Geltendmachung oder Erhöhung von Unterhaltsansprüchen beziehen konnte, kann nach der Einführung des § 238 FamFG auch für die rückwirkende Herabsetzung von Unterhaltstiteln nichts anderes gelten.

10Da der seinerzeit bereits durch einen Rechtsanwalt vertretene Antragsteller ohne ersichtlichen Grund nicht zeitnah nach der Aufforderung an die seinerzeitige gesetzliche Vertreterin des Antragsgegners vom 28. Februar 2008, auf die Rechte aus dem Titel vom 14. April 1997 zu verzichten, Abänderungsklage eingereicht hat, ist nunmehr das rückwirkende Abänderungsbegehren für den Zeitraum ab Einreichung des Antrages auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Abänderungsverfahren mutwillig im Sinne des § 114 ZPO.