Niedersächsisches OVG, Urteil vom 15.06.2010 - 8 LB 117/08
Fundstelle
openJur 2012, 50727
  • Rkr:

1. Es begegnet erheblichen Zweifeln, ob die Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG rückwirkend erteilt werden kann.2. Nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 AufenthG relevante Täuschungshandlungen, die von Eltern eines ausländischen Kindes während dessen Minderjährigkeit in Ausübung der Personensorge vorgenommen worden sind, werden dem Kind zugerechnet. Diese Zurechnung endet nicht mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes.3. Ein atypischer Ausnahmefall, in dem die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG trotz Vorliegens der in dieser Bestimmung genannten tatbestandlichen Voraussetzungen gerechtfertigt ist, kann unter anderem dann angenommen werden, wenn schon im Zeitpunkt der Entscheidung über die erstmalige Erteilung mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, dass der Ausländer eine überwiegend eigenständige Sicherung seines Lebensunterhalts auf Dauer nicht erreichen wird und im Verlängerungsfall auch die Voraussetzungen eines Härtefalls im Sinne des § 104a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegen werden.4. Zu den Anforderungen an eine positive Integrationsprognose im Sinne des § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG.5. § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG findet auch auf Kinder von Ausländern Anwendung, die zum Stichtag (1.7.2007) noch minderjährig waren, im Erteilungszeitraum nach § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG (bis zum 31.12.2009) aber volljährig geworden sind.

Tatbestand

Im Berufungsverfahren begehren noch die Kläger zu 3. und 4. die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen.

Die 1988 bzw. 1990 geborenen Kläger zu 3. und 4. sind serbische und ggf. kosovarische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit und moslemischen Glaubens. Die Kläger zu 1. und 2. sind die Eltern der Kläger zu 3. und 4. und der in den Jahren 1992, 1993 und 2004 geborenen Kläger zu 5. bis 7.

Im September 1991 reisten die Kläger zu 1. bis 4. gemeinsam in die Bundesrepublik Deutschland ein und hielten sich zunächst im Zuständigkeitsbereich des L. -Kreises auf. Im Februar 1992 wurden die Kläger in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten umverteilt.

Ihren Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 18. November 1994 bestandskräftig ab. In der Folgezeit stellten die Kläger zu 1. bis 6. wiederholt weitere Asylanträge unter dem Familiennamen M. und anders lautenden Vornamen und beriefen sich auf eine Verfolgung wegen ihrer albanischen Volkszugehörigkeit und ihrer Herkunft aus dem Kosovo. Diese Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte und Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach §§ 51 Abs. 1 und 53 Abs. 1 und 4 AuslG wurden letztlich alle bestandskräftig abgelehnt. Auch der im Jahre 2004 geborene Kläger zu 7. betrieb erfolglos ein Asylverfahren. Der am 2. Juli 1997 geborene weitere Sohn der Kläger zu 1. und 2., N. C., führte hingegen erfolgreich ein Asylverfahren durch und wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 30. Oktober 1997 als Asylberechtigter anerkannt. Der diese Anerkennung widerrufende Bescheid des Bundesamtes vom 10. Mai 2002 wurde durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 4. Juni 2004 - 3 A 3264 /02 - aufgehoben. Die Anregung der Beklagten, ein weiteres Widerrufsverfahren einzuleiten, griff das Bundesamt nicht auf.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 10. Dezember 2006 und 21. August 2007 begehrten die Kläger die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. Diese Anträge lehnte die Beklagte nach Anhörung der Kläger mit Bescheid vom 3. Januar 2008 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, es sei davon auszugehen, dass jedenfalls der Kläger zu 1. montenegrinischer Staatsangehöriger sei. Durch einen vorübergehenden Aufenthalt im Kosovo habe er seine Staatsangehörigkeit nicht verloren. Damit wäre eine Ausreise der gesamten Familie - auch des Kindes N. - im Rahmen des Familiennachzuges nach Montenegro möglich. Die Asylanerkennung von N. C. beziehe sich lediglich auf den Staat Serbien, nicht jedoch auf den Staat Montenegro. Die Kläger seien auch nicht unverschuldet an einer Ausreise gehindert, da sie falsche Angaben über ihre Identität gemacht und damit getäuscht hätten. Insoweit müssten sich die Kinder der Kläger zu 1. und 2. deren Fehlverhalten zurechnen lassen.

Hiergegen haben die Kläger am 10. Januar 2008 Klage erhoben und sich zur Begründung im Wesentlichen darauf berufen, dass der Sohn der Kläger zu 1. und 2. und der Bruder der Kläger zu 3. bis 7. weiterhin asylberechtigt und Inhaber einer Niederlassungserlaubnis sei. Insoweit greife zu ihren Gunsten der grundgesetzliche Schutz der Familie ein. Wegen dieser Asylanerkennung seien sie auch nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 3. Januar 2008 zu verpflichten, den Klägern Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 29. Juli 2008 - 4 A 32/08 - vollumfänglich stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 3. Januar 2008 verpflichtet, den Klägern Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen. Den Klägern zu 1. und 2. stehe als Eltern ihres minderjährigen Sohnes N., der als Asylberechtigter anerkannt und Inhaber einer Niederlassungserlaubnis sei, auf der Grundlage des § 36 Abs. 1 AufenthG ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu. Die Kläger zu 1. und 2. könnten auch nicht auf die Nachholung des Visumverfahrens verwiesen werden, da auch eine nur vorübergehende Trennung von ihrem Sohn N. unzumutbar sei. Den Klägern zu 3. bis 7. stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG zu. Das insoweit der Beklagten zustehende Ermessen sei im vorliegenden Fall auf Null reduziert, da die Aufenthaltserlaubniserteilung zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte zwingend erforderlich sei, um den grundgesetzlichen Schutz der familiären Lebensgemeinschaft der Kläger zu 3. bis 7. mit ihren Eltern und ihrem Bruder N. zu gewährleisten. Für die noch minderjährigen Kläger zu 5. bis 7. folge dies bereits aus ihrem altersbedingten Schutzbedürfnis; sie seien zwingend auf die Betreuung und Sorge ihrer Eltern angewiesen. Gleiches gelte aber auch für die bereits volljährigen Kläger zu 3. und 4. Diese hätten beide im Jahr 2007 recht ansprechende Hauptschulabschlüsse erlangt und befänden sich noch in der schulischen Ausbildung bzw. suchten Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Beide Kläger lebten noch zu Hause und seien nach dem in der mündlichen Verhandlung von ihnen gewonnenen persönlichen Eindruck von ihrer Entwicklung her noch auf den Schutz der familiären Lebensgemeinschaft mit ihren Eltern und Geschwistern angewiesen. Darüber hinaus hätten die Kläger auch nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. Denn es bestehe eine aus Art. 6 GG und auch aus Art. 8 EMRK folgende rechtliche Unmöglichkeit der Ausreise. Das der Beklagten über § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG eingeräumte Ermessen sei insoweit auf Null im Sinne einer Erteilungsverpflichtung gegenüber den Klägern reduziert. Dem stehe die vom Beklagten behauptete Täuschungshandlung der Kläger über ihren Namen und eine angebliche montenegrinische Staatsangehörigkeit des Klägers zu 1. nicht entgegen, solange der Sohn N. ein unbeschränktes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland besitze und diese Aufenthaltsposition auch für sich beanspruche. Denn insoweit liege gerade kein von den Klägern verschuldetes Ausreisehindernis i.S.d. § 25 Abs. 5 Satz 4 und 5 AufenthG vor. Das Ausreisehindernis folge im vorliegenden Fall allein aus der in einem Asylverfahren zuerkannten Asylberechtigung gegenüber dem Sohn N. und dem Versäumnis des Bundesamtes, diese Berechtigung mit an sich eröffnet gewesenen verwaltungsverfahrensrechtlichen oder prozessualen Mitteln zu beseitigen. Mit einer Namenstäuschung habe dieses Ausreisehindernis nichts zu tun.

Gegen dieses Urteil hat der Senat auf den Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 8. Dezember 2008 - 8 LA 72/08 - die Berufung zugelassen, soweit dem Verpflichtungsbegehren der Kläger zu 3. und 4. entsprochen worden ist. Im Übrigen hat der Senat den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

Die Beklagte verteidigt mit der Berufung ihr bisheriges Vorbringen, wonach den Klägern zu 3. und 4. keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden könne.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG scheitere daran, dass die Kläger zu 1. und 2., die Eltern der Kläger zu 3. und 4., vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht hätten und daher der Versagungsgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG entgegenstehe. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 104a Abs. 2 AufenthG komme von vorneherein nur für solche Ausländer in Betracht, die am Stichtag, dem 1. Juli 2007, volljährig gewesen seien. Dies sei hier nur der Kläger zu 3. Für diesen falle die von der Regelung geforderte positive Integrationsprognose aber negativ aus. Insbesondere sei er in wirtschaftlicher Hinsicht nicht in die hiesigen Lebensverhältnisse eingefügt. Er beziehe weit überwiegend öffentliche Sozialleistungen. Dass sich hieran zukünftig etwas ändern würde, sei nicht erkennbar, da er weder eine Berufsausbildung abgeschlossen noch aussagekräftige Bewerbungsunterlagen vorgelegt habe. Etwaige Schwierigkeiten bei der Suche eines Ausbildungs- und Arbeitsplatzes seien jedenfalls nicht unüberwindbar, wie andere vergleichbare Fälle gezeigt hätten, in denen erfolgreich die Schule abgeschlossen und sodann eine Ausbildung absolviert worden sei. Auch die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 AufenthG lägen nicht vor, da es für die volljährigen Kläger zu 3. und 4. keine außergewöhnliche Härte darstelle, von den übrigen Familienmitgliedern getrennt zu werden. Dass diese in besonderer Weise auf den Beistand der übrigen Familienmitglieder angewiesen wären, sei nicht erkennbar. Auf eine rechtliche Unmöglichkeit im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG könnten sich die Kläger zu 3. und 4. ebenfalls nicht berufen. Zum einen werde die Bestimmung von der neu eingefügten Regelung in § 18a AufenthG verdrängt. Im Übrigen ergebe sich weder aus Art. 6 Abs. 1 GG noch aus Art. 8 EMRK eine rechtliche Unmöglichkeit. Insbesondere seien die Kläger zu 3. und 4. weder auf den Beistand der übrigen im Bundesgebiet lebenden Familienmitglieder angewiesen noch in einer solchen Weise in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert, dass sie ein Privatleben faktisch nur noch im Bundesgebiet führen könnten. Insbesondere fehle es an einer wirtschaftlichen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse oder auch nur einem nachhaltigen Bemühen hierum. Die Klägerin zu 4. sei zudem auch in sozialer Hinsicht nicht in die hiesigen Verhältnisse integriert, da sie sich nach Auffassung ihrer Familie um die jüngeren Geschwister und die kranke Mutter zu kümmern habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 29. Juli 2008 zu ändern und die Klage der Kläger zu 3. und 4. abzuweisen.

Die Kläger zu 3. und 4. beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung vertiefen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere seien sie hinreichend in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert. So habe der Kläger zu 3. seit August 2007 die Bildungsvereinigung O., P., mit dem Ziel besucht, nachträglich einen Realschulabschluss zu erwerben. Seit sieben Jahren werde er vom Jugendmigrationsdienst des Internationalen Bundes, P., und seit Januar 2009 vom Netzwerkprojekt Q., P., bei der Suche nach einem Ausbildungs- und Arbeitsplatz unterstützt. Mit deren Hilfe habe er sich intensiv um Ausbildungs- und Arbeitsplätze bemüht. Diese Bemühungen hätten auch zum Erfolg geführt. So sei ein befristeter Arbeitsvertrag vom 28. August 2009 bis zum 27. April 2010 bei R., P., zu Stande gekommen, der den Kläger zu 3. in die Lage versetzt habe, seinen Lebensunterhalt eigenständig zu sichern. Die Klägerin zu 4. habe im Juli 2007 die Hauptschule abgeschlossen und im Anschluss daran für ein Jahr die Berufsfachschule Nahrungsmittelhandwerk besucht, auch wenn sie dort keinen berufsqualifizierenden Abschluss erlangt habe. Zudem sei für die Zeit vom 8. Dezember 2008 bis 7. Dezember 2009 ein befristeter Arbeitsvertrag als Aushilfskraft für das Ladenlokal "S. " in P. geschlossen worden. Allerdings sei dieser nach Ablauf der Probezeit durch Kündigung des Arbeitgebers zum 27. Mai 2009 beendet worden. Sie habe auch zwei weitere Berufsausbildungen begonnen. Die Klägerin zu 4. nutze den T. Jobmarkt und das Netzwerkprojekt Q., P., um einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz zu erlangen. Zudem habe sie an der Veranstaltung der Beschäftigungsförderung P. "Die erfolgreiche Bewerbung am Telefon" im Oktober 2009 teilgenommen und sei seit Februar 2010 bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit P. als Bewerberin um eine Ausbildungsstelle erfasst. Auch sie selbst habe sich intensiv um einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz bemüht. Aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Schul- und Berufsausbildungen wohnten die Kläger zu 3. und 4. noch bei ihren Eltern und seien trotz ihrer Volljährigkeit noch auf deren Unterstützung und Beistand angewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten A bis J verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte in seinem Urteil vom 29. Juli 2008 zu Unrecht verpflichtet, den Klägern zu 3. und 4. Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.

Den Klägern zu 3. und 4. steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. für gebundene Entscheidungen: BVerwG, Urt. v. 1.12.2009 - 1 C 32.08 -, juris Rn. 12; Urt. v. 16.6.2004 -1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86, 88, und grundsätzlich daran anknüpfend für Ermessensentscheidungen: BVerwG, Urt. v. 7.4.2009 -1 C 17.08 -, BVerwGE 133, 329, 344) kein Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach den hier in Betracht zu ziehenden Regelungen in § 104a Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet - AufenthG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S.162), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 5 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2437) (1.), § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG (2.), § 104a Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 AufenthG und der von den Innenministern und -senatoren der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern am 4. Dezember 2009 getroffenen Anordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG (vgl. RdErl. des Nds. Ministeriums für Inneres, Sport und Integration v. 11.12.2009 42.12.-12230/1-8 (§ 23) -, sog. Bleiberechtsregelung 2009) (3.), § 36 Abs. 2 AufenthG (4.) oder § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (5.) zu.

1. Die Kläger zu 3. und 4. haben keinen Anspruch auf rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2009.

25Die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wird gemäß § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG nur mit einer Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2009 erteilt, so dass allenfalls eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückwirkende und bis zum 31. Dezember 2009 befristete Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Betracht kommt. Ob eine solche rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG überhaupt möglich ist, kann der Senat hier dahinstehen lassen. Denn aus dem Vorbringen der Kläger zu 3. und 4. ergibt sich kein schutzwürdiges, das erforderliche Rechtschutzbedürfnis begründendes Interesse (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Urt. v. 9.6.2009 - 1 C 7.08 -, InfAuslR 2009, 378; BVerwG, Urt. v. 27.1.2009 - 1 C 40.07 -, BVerwGE 133, 73, 76) an einer ausdrücklichen Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Vergangenheit.

Selbst wenn die Kläger zu 3. und 4. ein schutzwürdiges Interesse an einer rückwirkenden Erteilung der Aufenthaltserlaubnis hätten, käme die Erteilung einer solchen auf der Grundlage des § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht in Betracht. Denn die Kläger erfüllen die sich aus dieser Bestimmung ergebenden besonderen Erteilungsvoraussetzungen nicht.

Nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann dem geduldeten volljährigen ledigen Kind eines geduldeten Ausländers, der sich am 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt werden, wenn das Kind bei der Einreise minderjährig war und gewährleistet erscheint, dass es sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann.

Die im Jahre 1991 in das Bundesgebiet eingereisten Eltern der Kläger zu 3. und 4. weisen die geforderte Dauer der Duldung auf. Die Kläger zu 3. und 4. waren bei ihrer Einreise in das Bundesgebiet auch minderjährig.

29Nach dem Wortlaut der Bestimmung kann jedenfalls dem zum Stichtag (1.7.2007) volljährigen Ausländer die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden. Dies ist der am 9. Dezember 1988 geborene Kläger zu 3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts soll § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aber auch auf Kinder von Ausländern Anwendung finden, die zum Stichtag (1.7.2007) noch minderjährig waren, im Erteilungszeitraum nach § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG (bis zum 31.12.2009) aber volljährig geworden sind (BVerwG, Urt. v. 25.8.2009 - 1 C 20.08 -, InfAuslR 2010, 113, 114 f.; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 19.6.2009 - 7 B 10468/09 -, InfAuslR 2009, 345, 346; Nr. 104a.1.9 letzter Satz Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz - AVwV AufenthG - vom 26. Oktober 2009 (GMBl. S. 877)). Danach ist auch die am 22. Januar 1990 geborene und damit erst am 22. Januar 2008 volljährig gewordene Klägerin zu 4. in den Anwendungsbereich des § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG einzubeziehen.

Es erscheint aber nicht gewährleistet, dass sich die Kläger zu 3. und 4. auf Grund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen können. § 104 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG verlangt insoweit eine "positive Integrationsprognose" (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, BT-Drs. 16/5065, S. 202). Eine solche ist gerechtfertigt, wenn konkrete Umstände - wie etwa die Kenntnisse der deutschen Sprache, das soziale Umfeld, das Vorhandensein eines festen Wohnsitzes und enger persönlicher Beziehungen zu dritten Personen außerhalb der eigenen Familie, die Schul- und Berufsausbildung, die Ausübung von Erwerbstätigkeiten, das bürgerschaftliche Engagement, die Dauer des Aufenthalts, das Lebensalter im Zeitpunkt der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und die Rechtstreue, insbesondere das Fehlen strafgerichtlicher Verurteilungen - die begründete Annahme zu tragen geeignet sind, der Ausländer werde sich künftig in sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht in die hiesigen Lebensverhältnisse einfügen (vgl. Senatsbeschl. v. 19.3.2010 - 8 ME 42/10 -, juris Rn. 2; BVerwG, Urt. v. 27.1.2009 - 1 C 40.07 -, BVerwGE 133, 73, 79 f.; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 20.10.2009 - 11 LB 56/09 -, juris Rn. 66 ff.; GK-AufenthG, Stand: Mai 2010, § 104a Rn. 26 f.; Nrn. 32.2.3 und 104b.3.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz v. 26.10.2009, GMBl. 2009, 877).

Nach diesen Maßgaben kann weder für den Kläger zu 3. noch für die Klägerin zu 4. eine positive Integrationsprognose gestellt werden.

Der Kläger zu 3. beherrscht zwar die deutsche Sprache, ist bisher strafrechtlich auch nicht in Erscheinung getreten und hat seine Sozialisation im Wesentlichen in der Bundesrepublik Deutschland erfahren, ist er doch bereits im Alter von 3 Jahren mit seinen Eltern in das Bundesgebiet eingereist. Allerdings hat er hier den wesentlichen Teil seines Aufenthalts (von 1991 bis 2004) unter falscher Identität verbracht, so dass der Aufenthaltsdauer kein entscheidendes Gewicht zukommen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.2009 - 1 C 40.07 -, BVerwGE 133, 73, 83).

Im Juli 2007 hat der Kläger zu 3. zwar einen Hauptschulabschluss erlangt. Seine Leistungen waren aber eher mäßig. Der Kläger zu 3. hat ausweislich des Abschlusszeugnisses vom 17. Juli 2007 in sämtlichen Pflichtfächern nur ausreichende Leistungen gezeigt. Zudem hat er in früheren Schuljahren grobe Regelverstöße im Klassenverband begangen, unter anderem ein trotz Elternbriefen, Elterngesprächen und befristetem Schulausschluss aggressives und bedrohendes Verhalten mit Gewaltanwendung gezeigt (siehe Beurteilungsbogen der U. -Schule für die Ausländerstelle vom 22.1.2002). Das zeitweise verfolgte Ziel, einen Realschulabschluss zu erlangen, hat der Kläger zu 3. aus nicht erkennbaren Gründen offenbar aufgegeben.

Eine Berufsausbildung hat der heute 21jährige Kläger zu 3. bisher nicht begonnen. Obwohl er seit Oktober 2007 Inhaber einer Arbeitserlaubnis nach § 10 Satz 3 BeschVerfV ist, hat er lediglich in der Zeit vom 28. August 2009 bis zum 27. April 2010 bei R. als Mitarbeiter im Rotationssystem bei 20 Wochenstunden und brutto 6,48 EUR/Stunde gearbeitet. Dieser befristete Arbeitsvertrag ist nach den Angaben des Klägers zu 3. nicht verlängert worden. Weitergehende Bemühungen um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz sind nur in geringem Umfang nachgewiesen worden. So sind für die Zeit nach dem Abschluss der Hauptschule und dem Vorliegen einer Arbeitserlaubnis ab Oktober 2007 bis zum März 2009 und damit für einen Zeitraum von eineinhalb Jahren solche Bemühungen überhaupt nicht erkennbar. Der Kläger zu 3. hat sich vielmehr erst unter dem 31. März 2009 um einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz als Einzelhandelskaufmann und dem folgend unter dem 23. Juni 2009 als Einzelhandelskaufmann, unter dem 17. August 2009 als Fachangestellter für Bäderbetriebe und unter dem 24. August 2009 als Einzelhandelskaufmann, Dachdecker, Restaurantfachmann und Küchenhilfe beworben. Und auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit R. am 27. April 2010 hat der Kläger zu 3. lediglich unter dem 28. April 2010 und unter 7. Juni 2010 standardisierte Bewerbungsschreiben verfasst und sich auf verschiedene Stellen beworben. Unter Berücksichtigung, dass der Kläger zu 3. seit langem durch den Jugendmigrationsdienst des Internationalen Bundes, P., und das Netzwerkprojekt Q., P., betreut wird, rechtfertigen diese allenfalls punktuellen Bewerbungen nicht die Annahme, der Kläger zu 3. habe sich nachhaltig und ernsthaft um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz und damit um die Chance einer wirtschaftlichen Integration bemüht. An dieser Einschätzung ändert auch die vom Kläger zu 3. in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2010 geäußerte Hoffnung auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz nichts. Denn das bisherige Verhalten des Klägers zu 3., seine schulischen Leistungen und seine fehlende Berufsausbildung lassen nicht darauf schließen, dieser werde in absehbarer Zeit bereit und in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt durch eigenes Erwerbseinkommen selbständig zu sichern.

Auch der Klägerin zu 4. kann keine positive Integrationsprognose gestellt werden. Zwar beherrscht auch sie die deutsche Sprache, ist bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten und hat ihre Sozialisation nahezu ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland erfahren, ist sie doch bereits im Alter von einem Jahr mit ihren Eltern in das Bundesgebiet eingereist. Allerdings hat auch sie hier den wesentlichen Teil ihres Aufenthalts (von 1991 bis 2004) unter falscher Identität verbracht.

Im Juli 2007 hat auch die Klägerin zu 4. einen Hauptschulabschluss erworben und hier, abgesehen von den Fächern Mathematik, Deutsch und Biologie, durchaus gute und befriedigende Leistungen gezeigt. Im Anschluss hieran hat sie für ein Jahr die Berufsfachschule Nahrungsmittelhandwerk besucht, diese allerdings ohne berufsqualifizierenden Abschluss verlassen. Diese selbst gelegten Grundlagen für eine wirtschaftliche Integration hat die Klägerin zu 4. in der Folge leider nicht genutzt, um einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz zu erlangen, obwohl ihr dies durchaus möglich gewesen wäre. So besuchte die Klägerin zu 4. ab dem 28. September 2009 die Berufsbildende Schule Ritterplan mit dem Ziel, den Ausbildungsberuf "Fachgehilfin im Gastgewerbe" zu erlernen. Die berufspraktische Ausbildung sollte zunächst bei der Firma V. Norddeutschland, P., und später im Restaurant W., P., erfolgen. Nach vorzeitiger Beendigung dieser Berufsausbildungsverhältnisse durch die Klägerin zu 4. bzw. deren Arbeitgeber brach die Klägerin zu 4. die begonnene Ausbildung indes ab, so dass sie derzeit über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt.

Die Klägerin zu 4. war bisher auch nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt vollständig selbst zu sichern. Lediglich für die Zeit vom 8. Dezember 2008 bis 7. Dezember 2009 hatte sie einen befristeten Arbeitsvertrag als Aushilfskraft für das Ladenlokal "S. ", P., bei einer Vergütung von höchstens brutto 400 EUR/Monat geschlossen, der allerdings innerhalb der Probezeit durch Kündigung des Arbeitgebers zum 27. Mai 2009 beendet worden ist.

Weitergehende Bemühungen um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz hat auch die Klägerin zu 4. nur in geringem Umfang nachgewiesen. So hat sie sich lediglich unter dem 12. August 2009 als Aushilfe im Servicebereich, unter dem 2. September 2009 als Friseurin und als Fachfrau für Systemgastronomie und unter dem 24. Februar 2010 als Friseurin und Kosmetikerin beworben. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 4. durch den T. Jobmarkt, das Netzwerkprojekt Q., P., und die Bundesagentur für Arbeit unterstützt wird. Die auch hier allenfalls punktuellen Bewerbungen rechtfertigen nicht die Annahme, die Klägerin zu 4. habe sich nachhaltig und ernsthaft um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz und damit um die Chance einer wirtschaftlichen Integration bemüht. An einem solchen Bemühen bestehen auch erhebliche Zweifel, nach dem von der Klägerin zu 4. unwidersprochenen Hinweis der Beklagten, die Klägerin zu 4. habe sich nach Auffassung ihrer Familie um die jüngeren Geschwister und die kranke Mutter zu kümmern. Das bisherige Verhalten der Klägerin zu 4., ihre Lebensumstände und ihre mangelnde Berufsausbildung lassen nicht darauf schließen, diese werde in absehbarer Zeit in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt durch eigenes Erwerbseinkommen selbständig zu sichern.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung haben der Kläger zu 3. und die Klägerin zu 4. den Senat nicht davon überzeugen können, dass sie sich in sozialer und vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht in die hiesigen Lebensverhältnisse bisher eingefügt haben oder in absehbarer Zeit einfügen werden. Damit kann die von § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG geforderte positive Integrationsprognose nicht gestellt werden.

Neben den damit nicht erfüllten besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf dieser Grundlage auch die mangelnde eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts der Kläger zu 3. und 4. im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG entgegen. Denn bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG zu erfüllen; die Privilegierung des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gilt ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts der Regelung hier nicht (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, BT-Drs. 16/5065, S. 202; GK-AufenthG, a.a.O., § 104a Rn. 66; kritisch Dienelt, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 23. April 2007, BT-Innenausschuss A-Drs. 16(4)209 H, S. 12).

2. Die Kläger zu 3. und 4. haben auch keinen Anspruch auf rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2009.

Liegen, wie hier, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht vor, ist stets auch zu prüfen, ob das volljährige Kind nicht seinerseits und unabhängig von der Erteilung oder Versagung von Aufenthaltserlaubnissen an seine Eltern bzw. einen Elternteil die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG in eigener Person erfüllt (vgl. Senatsbeschl. v. 19.3.2010 - 8 ME 42/10 -, juris Rn. 5; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 19.6.2009 - 7 B 10468/09 -, InfAuslR 2009, 345, 348 f.).

Auch die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG wird gemäß § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG nur mit einer Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2009 erteilt, so dass allenfalls eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückwirkende und bis zum 31. Dezember 2009 befristete Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Betracht kommt. Ob eine solche rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG überhaupt möglich ist, begegnet erheblichen Zweifeln. Denn die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG wird auf Probe und zwingend befristet zum 31. Dezember 2009 erteilt, unter anderem mit dem Ziel, dem Ausländer zu ermöglichen, eine im Zeitpunkt der Erteilung noch nicht abgeschlossene wirtschaftliche Integration während des Erteilungszeitraums zu vertiefen. Während dieses am 31. Dezember 2009 endenden Zeitraums wird vom Ausländer mithin erwartet, dass er durch eigene Bemühungen zeigt, in der Lage zu sein, seinen Lebensunterhalt selbständig zu sichern. Dieses gesetzgeberische Anliegen orientiert sich an dem Ziel, eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu vermeiden, und wird auch durch die normierten Voraussetzungen für eine Verlängerung nach § 104a Abs. 5 Satz 2 und 3 AufenthG sowie den Ausschluss der Aufenthaltsverfestigung bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gemäß § 104a Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 3 AufenthG verdeutlicht (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, BT-Drs. 16/5065, S. 202). Die damit in wirtschaftlicher Hinsicht geforderte Bewährung während des zwingend nur bis zum 31. Dezember 2009 andauernden Zeitraums des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann bei einer rückwirkenden Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis nicht mehr gezeigt, der mit der Aufenthaltserlaubnis auf Probe verfolgte Zweck mithin nicht mehr erreicht werden.

Abgesehen von diesen Zweifeln an der Möglichkeit der rückwirkenden Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergibt sich aus dem Vorbringen der Kläger zu 3. und 4. aber auch kein schutzwürdiges, das erforderliche Rechtschutzbedürfnis begründendes Interesse (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Urt. v. 9.6.2009 - 1 C 7.08 -, InfAuslR 2009, 378; BVerwG, Urt. v. 27.1.2009 - 1 C 40.07 -, BVerwGE 133, 73, 76) an einer ausdrücklichen Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Vergangenheit. Der bloße Hinweis auf die Bedeutung von Zeiten des Innehabens einer Aufenthaltserlaubnis für die eventuell mögliche Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (vgl. § 26 Abs. 4 AufenthG und GK-AufenthG, a.a.O., § 104a Rn. 76.1) genügt jedenfalls nicht, um ein schutzwürdiges Interesse anzunehmen, denn die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2 AufenthG schafft keine Voraufenthaltszeiten im Sinne des § 26 Abs. 4 AufenthG (vgl. § 104a Abs. 1 Satz 3 Hs. 3 AufenthG).

Selbst wenn man eine rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG für möglich hielte und die Kläger zu 3. und 4. hieran ein schutzwürdiges Interesse hätten, käme die Erteilung auf der Grundlage des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht in Betracht. Denn die Kläger zu 3. und 4. erfüllen die sich aus dieser Bestimmung ergebenden besonderen Erteilungsvoraussetzungen nicht.

Nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich am 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und er 1. über ausreichenden Wohnraum verfügt, 2. über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne der Stufe A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt, 3. bei Kindern im schulpflichtigen Alter den tatsächlichen Schulbesuch nachweist, 4. die Ausländerbehörde nicht vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat, 5. keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen hat und diese auch nicht unterstützt und 6.nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben.

Hier mangelt es an der Voraussetzung des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 AufenthG. Eine Täuschung im Sinne dieser Bestimmung kann insbesondere darin gesehen werden, dass der Ausländer vorsätzlich falsche Angaben über seine Identität einschließlich seiner Volkszugehörigkeit gemacht hat (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.1.2009 - 10 ME 442/08 -, InfAuslR 2009, 183, 185). So verhält es sich hier. Die Eltern der Kläger zu 3. und 4. haben nicht nur im Asylverfahren das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, sondern auch im ausländerrechtlichen Verfahren die beklagte Ausländerbehörde in der Zeit seit der Einreise in das Bundesgebiet bis zum Dezember 2004 über ihre Identität und die Identität ihrer Kinder vorsätzlich getäuscht, indem sie dieser gegenüber falsche Vor- und Nachnamen ("M. ") angegeben haben. Diese Täuschung ist erst durch Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 9. Dezember 2004 aufgedeckt worden.

48Diese von den Eltern der Kläger zu 3. und 4. während deren Minderjährigkeit in Ausübung der Personensorge begangene Täuschung auch über die Identität der Kläger zu 3. und 4. müssen sich diese im Rahmen der Beurteilung der Erteilungsvoraussetzungen des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG grundsätzlich zurechnen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.2009 - 1 C 40.07 -, BVerwGE 133, 73, 83; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 20.10.2009 - 11 LB 56/09 -, juris Rn. 52; Urt. v. 29.1.2009 - 11 LB 136/07 -, juris Rn. 51; Beschl. v. 2.7.2008 - 2 ME 302/08 -, juris Rn. 12). Anlass dafür, eine Unterbrechung dieses Zurechnungszusammenhangs allein durch die zwischenzeitlich eingetretene Volljährigkeit der Kläger zu 3. und 4. anzunehmen, hat der Senat nicht (so wohl auch GK-AufenthG, a.a.O., § 104a Rn. 37.1; offen bei BVerwG, Urt. v. 27.1.2009 - 1 C 40.07 -, BVerwGE 133, 73, 83; a.A. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 20.10.2009 - 11 LB 56/09 -, juris Rn. 52). Entscheidend ist, dass hier nicht eine von den Eltern nach Eintritt der Volljährigkeit der Kinder vorgenommene Handlung diesen zugerechnet werden soll, sondern die Zurechnung einer während der Minderjährigkeit vorgenommenen Handlung fortdauert, und zwar auch nach Eintritt der Volljährigkeit der Kinder. Ob etwas anderes gilt, wenn die Kinder nach Eintritt ihrer Volljährigkeit aktive eigene Bemühungen zeigen, die Täuschung aus der Welt zu schaffen (vgl. GK-AufenthG, a.a.O., § 104a Rn. 37.1), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn solche Bemühungen sind bei den Klägern zu 3. und 4. nicht ersichtlich.

Da der Gesetzeswortlaut in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 AufenthG allein auf eine vorsätzliche Täuschung der Ausländerbehörde als solche abstellt, muss das Verhalten des Ausländers nach der gesetzlichen Formulierung nur im Rahmen der zweiten Alternative des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG kausal für das Unterlassen oder die Verzögerung einer Abschiebung sein (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 19.6.2009 - 7 B 10469/09 -, juris Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.10.2008 - 13 S 2751/08 -, NVwZ-RR 2009, 181 f.; GK-AufenthG, a.a.O., § 104a Rn. 41). Eine solche Kausalität ist bei der hier angenommenen 1. Alternative des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG hingegen nicht erforderlich.

Ob der Ausschlusstatbestand des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG hinsichtlich des Begehungszeitpunkts der erfassten Täuschungshandlungen dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass solche vorsätzlichen Täuschungshandlungen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr entgegenstehen, die im Zeitpunkt der Entscheidung über den gestellten Antrag fünf Jahre oder länger zurückliegen (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 1.07.2009 - 7 A 377/09 -, juris Rn. 46 f.), kann der Senat hier dahinstehen lassen. Denn die bis zum Dezember 2004 fortdauernde Täuschung lag im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Bescheid vom 3. Januar 2008 weniger als fünf Jahre zurück.

51Darüber hinaus liegt hier ein atypischer Ausnahmefall vor, in dem die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG gerechtfertigt ist. Ein solcher kann unter anderem dann angenommen werden, wenn schon im Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, dass der Ausländer eine überwiegend eigenständige Sicherung seines Lebensunterhalts auf Dauer nicht erreichen wird und im Verlängerungsfall auch die Voraussetzungen eines Härtefalls im Sinne des § 104a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegen werden (vgl. Senatsbeschl. v. 7.4.2010 - 8 PA 45/10 -; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 31.3.2009 -10 LA 411/08 -, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.4.2008 - 11 S 100/08 -, AuAS 2008, 255, 256). Die hiernach zu treffende Prognose, dass der Ausländer eine überwiegend eigenständige Sicherung seines Lebensunterhalts auf Dauer nicht erreichen wird, ist ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 104a AufenthG bereits dann gerechtfertigt, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung der Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist und auch keine begründeten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass zukünftig die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel entfällt (so ausdrücklich Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, BT-Drs. 16/5065, S. 203). Diese Voraussetzungen sind aufgrund der hier verneinten positiven Integrationsprognose für die Kläger zu 3. und 4. - wie ausgeführt - ohne Weiteres erfüllt.

3. Die Kläger zu 3. und 4. haben auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis über den 31. Dezember 2009 hinaus nach § 104a Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 AufenthG bei eigenständiger Unterhaltssicherung bzw. nach der von den Innenministern und -senatoren der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern am 4. Dezember 2009 getroffenen Anordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG (vgl. Anlage zum RdErl. des Nds. Ministeriums für Inneres, Sport und Integration v. 11.12.2009 - 42.12.-12230/1-8 (§ 23) -, sog. Bleiberechtsregelung 2009 ) bei mangelnder eigenständiger Unterhaltssicherung. Denn beide Regelungen fordern, dass der Ausländer bis zum 31. Dezember 2009 Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG gewesen ist. Wie ausgeführt fehlt es hier daran. Im Übrigen erfüllen die Kläger zu 3. und 4. auch die sich aus den genannten Bestimmungen ergebenden weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen nicht.

4. Die Kläger zu 3. und 4. haben auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG .

Nach dieser Bestimmung kann sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Auf volljährige Familienangehörige sind §§ 30 Abs. 3 und 31 AufenthG, auf minderjährige Familienangehörige ist § 34 AufenthG entsprechend anzuwenden.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Bestimmung steht im Ermessen der Ausländerbehörde. Allerdings ist die Ermessensausübung erst eröffnet, wenn die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind und eine außergewöhnliche Härte festgestellt ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 2.11.2006 - 11 ME 197/06 -, InfAuslR 2007, 67, 68; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: April 2010, AufenthG § 36 Rn. 12 f.). Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Regelungen zum Aufenthalt aus familiären Gründen einen Familiennachzug von volljährigen Kindern zu ihren in Deutschland lebenden Familienangehörigen nicht erlauben (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BT-Drs. 15/420, S. 84; GK-AufenthG, a.a.O., § 27 Rn. 14 ff.), kann eine solche außergewöhnliche Härte nur dann angenommen werden, wenn im konkreten Einzelfall gewichtige Umstände vorliegen, die unter Berücksichtigung des Schutzgebots des Art. 6 GG und im Vergleich zu den übrigen geregelten Fällen des Familiennachzugs ausnahmsweise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gebieten. Die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten für den Erhalt der Familiengemeinschaft müssen nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sein, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als schlechthin unvertretbar anzusehen ist. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der im Bundesgebiet oder der im Ausland lebende Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur im Bundesgebiet erbracht werden kann (vgl. Senatsbeschl. v. 19.5.2010 - 8 ME 88/10 -; Bayerischer VGH, Beschl. v. 7.10.2008 - 19 C 08.2654 -, juris Rn. 5 f.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 2.11.2006, a.a.O.; Beschl. v. 23.5.2006 - 5 ME 35/06 -, juris Rn. 21; OVG Berlin, Urt. v. 31.1.2003 - OVG 3 B 4.02 -, InfAuslR 2003, 275, 276; Hailbronner, a.a.O., § 36 Rn. 13; und zur inhaltsgleichen Vorgängerreglung in § 22 AuslG: BVerwG, Beschl. v. 25.6.1997 - 1 B 236.96 -, Buchholz 402.240 § 22 AuslG 1990 Nr. 4). Eine solche Situation kann unter anderem bei einer schwerwiegenden, mit einer besonderen Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit einhergehenden Erkrankung oder/und Behinderung bestehen (vgl. Nrn. 36.2.2.2 und 36.2.2.3 AVwV AufenthG).

Eine solche Konstellation liegt im hier zu entscheidenden Fall offensichtlich nicht vor. Allein die mangelnde soziale und wirtschaftliche Integration der Kläger zu 3. und 4. sowie deren offenbar vorhandene tatsächliche Bindung an ihre Eltern rechtfertigt nicht die Annahme, die Kläger zu 3. und 4. könnten ein eigenständiges Leben nicht führen. Zwar werden mit einer Ausreise und damit verbundenen selbständigen Lebensführung Schwierigkeiten einhergehen. Dass diese nach Art und Schwere aber so ungewöhnlich und groß sein werden, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als schlechthin unvertretbar anzusehen ist, ist von den Klägern nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Dass die übrigen im Bundesgebiet lebenden Familienmitglieder ohne die Kläger zu 3. und 4. ein eigenständiges Leben nicht führen können, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe gerade der Kläger zu 3. und 4. angewiesen sind, wird auch von den Klägern nicht behauptet.

5. Schließlich haben die Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG .

Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, der entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch § 18a AufenthG verdrängt wird, kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Eine rechtliche Unmöglichkeit in diesem Sinne kann sich etwa aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten, zu denen auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa mit Blick auf Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, aber auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG ergeben.

Nach Art. 6 Abs. 1 GG schutzwürdige Belange können einer (zwangsweisen) Beendigung des Aufenthalts des Ausländers dann entgegen stehen, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Bindungen durch Ausreise auch nur kurzfristig zu unterbrechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.6.1997 - 1 C 9.95 -, BVerwGE 105, 35, 39 ff.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.5.2009 - 11 ME 110/09 -, juris Rn. 10 m.w.N.). Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst die Freiheit der Eheschließung und Familiengründung sowie das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1, 42). Er knüpft dabei nicht an bloße formal-rechtliche familiäre Bindungen an. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern, mithin eine tatsächlich bestehende familiäre Lebensgemeinschaft (vgl. Senatsbeschl. v. 27.7.2009 - 8 PA 106/09 -). In den so beschriebenen Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG fallen zwar auch die Beziehungen zwischen volljährigen Familienmitgliedern. Diesen kommt im Verhältnis zu den widerstreitenden einwanderungspolitischen Belangen aber in der Regel nur ein geringeres Gewicht zu. Allenfalls dann, wenn beispielsweise ein erwachsenes Familienmitglied zwingend auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt, kann dies einwanderungspolitische Belange zurückdrängen (vgl. Senatsbeschl. v. 6.1.2010 - 8 ME 217/09 -; GK-AufenthG, a.a.O., § 60a Rn. 165).

Wie ausgeführt besteht hier eine solche Beistandsgemeinschaft zwischen den volljährigen Klägern zu 3. und 4. und ihren im Bundesgebiet lebenden Eltern und den übrigen Familienmitgliedern nicht.

In der Person der Kläger zu 3. und 4. besteht auch kein sich aus Völkervertragsrecht, hier Art. 8 EMRK, ergebendes inlandsbezogenes Ausreisehindernis.

Bezogen auf den Schutz der Familie nach Art. 8 Abs. 1 EMRK verweist der Senat auf seine vorstehenden Ausführungen im Zusammenhang mit dem Schutzgebot aus Art. 6 Abs. 1 GG. Art. 8 EMRK kann dort, wo sein Anwendungsbereich sich mit dem des Art. 6 Abs. 1 GG deckt, keine weitergehenden als die durch Art. 6 Abs. 1 GG vermittelten Schutzwirkungen entfalten. Das ist unter anderem für das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern der Fall; diese Beziehungen werden vom Schutzbereich beider Vorschriften umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.1997 - 1 C 20.97 -, NVwZ 1998, 748, 750).

Im Hinblick auf den darüber hinausgehenden Schutz des Privatlebens kann sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein Ausländer für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG regelmäßig schon dann nicht erfolgreich auf den Schutz seines Privatlebens nach Art. 8 EMRK berufen, wenn er im Bundesgebiet über keinen Aufenthaltstitel verfügt hat und verfügt und freiwillig in das Land seiner Staatsangehörigkeit zurückkehren konnte und kann (vgl. Senatsbeschl. v. 7.4.10 - 8 PA 45/10 -; v. 1.9.2006 - 8 LA 101/06 -, NordÖR 2006, 472). Die Kläger zu 3. und 4. waren - bis auf die insoweit nach § 55 Abs.3 AsylVfG unerhebliche Zeit, in der ihnen für die Durchführung ihrer Asylverfahren eine Aufenthaltsgestattung erteilt worden war - die gesamte Zeit ihres mittlerweile mehr als 18 Jahre dauernden Aufenthalts im Bundesgebiet lediglich geduldet. Sie konnten und können das Bundesgebiet verlassen und freiwillig in das Land ihrer Staatsangehörigkeit zurückkehren. Hierzu sind sie auch verpflichtet. Schon deshalb können sie sich nicht erfolgreich auf den Schutz nach Art. 8 EMRK berufen.

Selbst wenn man entgegen dieser Ansicht den Schutzbereich des Art. 8 EMRK auch bei einem langjährigen, lediglich geduldeten Aufenthalt für eröffnet ansieht, ergibt sich im Ergebnis keine andere Beurteilung. Denn im Hinblick auf den Schutz des Privatlebens kommt einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung eine Eingriffsqualität in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann zu, wenn der Ausländer ein Privatleben, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiert ist, faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat als Vertragsstaat der EMRK führen kann (vgl. Senatsbeschl. v. 27.1.2010 - 8 ME 2/10 -, juris Rn. 11; Hessischer VGH, Beschl. v. 15.2.2006 - 7 TG 106/06 -, juris Rn. 25; Meyer-Ladewig, EMRK, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 25a m.w.N.). Fehlt es hieran, liegt schon kein Eingriff in die Rechte des Art. 8 Abs. 1 EMRK vor; einer Rechtfertigung nach den Maßgaben des Art. 8 Abs. 2 EMRK bedarf es nicht. Ob der Ausländer ein Privatleben faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat führen kann, hängt zum einen von seiner Integration in Deutschland und zum anderen von der Möglichkeit zur (Re-)Integration in seinem Heimatland ab (vgl. Senatsbeschl. v. 21.1.2010 - 8 PA 4/10 -).

65Die hier bereits verneinte positive Prognose einer jedenfalls zukünftigen Integration im Bundesgebiet für die Kläger zu 3. und 4. impliziert die Feststellung, dass diese sich auch derzeit noch nicht derart in die hiesigen Lebensverhältnisse eingefügt haben, dass sie ein Privatleben nur noch in der Bundesrepublik Deutschland führen könnten.

Dass sich eine (Re-)Integration der Kläger zu 3. und 4. in ihrem Heimatland (Kosovo) nach dem mehr als 18 Jahre dauernden Aufenthalt in Deutschland und ihrer im wesentlichen hier erfahrenen Sozialisation als nicht einfach erweisen wird, ist nicht zu bestreiten, begründet aber keine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung. Denn jedenfalls ist nicht erkennbar, dass eine solche (Re-)Integration der Kläger in ihrem Heimatland ausgeschlossen ist. Sowohl der Kläger zu 3. als auch die Klägerin zu 4. beherrschen die albanische Sprache. Amtssprache im Kosovo ist auch albanisch (vgl. Art. 5 Abs. 1 der Verfassung der Republik Kosovo). Zudem wird auch in der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zum Kosovo albanisch gesprochen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien und Montenegro (Stand: Ende Januar 2006), S. 11). Die Kläger sind auch nicht erwerbsunfähig. Ihnen ist daher eine Rückkehr in ihr Heimatland und eine - ggf. durch das auch vom Land Niedersachsen geförderte Rückkehrprojekt "URA 2" (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo (Stand: September 2009), S. 26) und ihre im Bundesgebiet lebenden Eltern unterstützte - Eingewöhnung in die dortigen Verhältnisse durchaus zuzumuten.