Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.03.2010 - 13 MN 115/09
Fundstelle
openJur 2012, 50287
  • Rkr:

Zur Frage, ob die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Betracht kommt, wenn ein Grundstückseigentümer geltend macht, dass ihm wegen eines nach seiner Auffassung unzutreffend (zu klein) bemessenen Überschwemmungsgebiets dessen rechtliche Wirkungen in Gestalt von Nutzungsbeschränkungen für Nachbargrundstücke vorenthalten werden (im Eilverfahren offen gelassen).

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks B. C. in der Gemeinde Ostercappeln, das bauplanungsrechtlich im Außenbereich liegt und in seinem nördlichen Bereich mit einem Wohngebäude und Nebengebäuden bebaut ist. Das Grundstück ist über eine von der Bundesstraße 218 abgehende Stichstraße zu erreichen. Es liegt teilweise in einem am 20. April 1911 gesetzlich festgelegten Überschwemmungsgebiet des Gewässers "Euer Gräfte". Dieses Überschwemmungsgebiet wurde mit der im Normenkontrollverfahren 13 KN 114/09 angegriffenen Verordnung des Antragsgegners vom 22. Juni 2009 auf der Grundlage einer Neuermittlung des Bereichs der Gemeinde Ostercappeln, der von einem hundertjährlichen Hochwasser der "Euer Gräfte" überschwemmt wird, aufgehoben. Am 30. Juni 2008 beschloss die Gemeinde Ostercappeln den Bebauungsplan Nr. 54, der in weiten Teilen dieselben Festsetzungen enthält, wie sie bereits Gegenstand eines am 16. Dezember 2003 beschlossenen Bebauungsplans Nr. 50 "Gewerbegebiet Schwagstorf-Eue" gewesen waren. Letztgenannten Bebauungsplan hatte der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts mit Urteil vom 28. März 2008 - 1 KN 93/07 - aufgehoben. In diesem Urteil hatte der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts angedeutet, dass die Gewerbeflächen möglicherweise nicht bzw. nicht in dem geplanten Umfang in das Überschwemmungsgebiet der "Euer Gräfte" hätten hineingeplant werden dürfen. Der Antragsteller hat Normenkontrollanträge und Normenkontrolleilanträge sowohl gegen die Verordnung des Antragsgegners zur Aufhebung des Überschwemmungsgebiets der "Euer Gräfte" als auch gegen den Bebauungsplan Nr. 54 "Gewerbegebiet Schwagstorf-Eue" der Gemeinde Ostercappeln gestellt. Die Außervollzugsetzung des Bebauungsplans Nr. 54 hat der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 18. Februar 2010 - 1 MN 188/09 - abgelehnt.

II.

Der Antrag, die Verordnung zur Aufhebung des gesetzlichen Überschwemmungsgebietes des Gewässers "Euer Gräfte" in der Gemeinde Ostercappeln vom 22. Juni 2009 (Amtsblatt für den Landkreis Osnabrück Nr. 13, 15. Juli 2009, S. 164) bis zu einer Entscheidung im Normenkontrollverfahren 13 KN 114/09 außer Vollzug zu setzen, hat keinen Erfolg.

1. Zweifelhaft ist bereits, ob der Normenkontrolleilantrag überhaupt zulässig ist, oder ob es an der dafür erforderlichen Antragsbefugnis des Antragstellers fehlt. Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Normenkontrollverfahren jede natürliche Person, welche geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Diese Voraussetzungen gelten für die Zulässigkeit eines Normenkontrolleilverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO entsprechend. Durch die Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung soll die Entscheidungsfähigkeit des Hauptsacheverfahrens offen gehalten und verhindert werden können, dass die nachfolgende Entscheidung des Normenkontrollgerichts durch Zeitablauf entwertet wird (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann: Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rdnr. 551 m.w.N.). Aus dieser "dienenden" Funktion des Eilverfahrens folgt, dass nur derjenige antragsbefugt sein kann, dem auch im Hinblick auf das Normenkontrollverfahren in der Hauptsache eine Antragsbefugnis zusteht.

4a) Die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte des Antragstellers unmittelbar durch die hier angegriffene Verordnung zur Aufhebung eines Überschwemmungsgebietes erscheint äußerst fraglich. Durch die Aufhebung des Überschwemmungsgebietes wird zunächst der Rechtskreis des Antragstellers, dessen Grundstück zum Teil im bisherigen Überschwemmungsgebiet aus dem Jahre 1911 lag, nicht in unmittelbarer Weise eingeschränkt, sondern im Gegenteil sogar erweitert. Die bislang von ihm als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 2 GG hinzunehmenden Nutzungsbeschränkungen, die mit einem Überschwemmungsgebiet einhergehen, sind nämlich weggefallen und seine Eigentumsrechte damit erweitert worden. Die Antragsbefugnis kann daher nicht - wie der Antragsteller meint - schon aus dem Umstand hergeleitet werden, dass sein Grundstück zum Teil im aufgehobenen Überschwemmungsgebiet liegt. Typischerweise wehren sich Grundstückseigentümer auch nicht etwa gegen die Aufhebung eines Überschwemmungsgebietes, das sich bislang auf ihr Grundstück erstreckt hat, sondern wenden sich gegen die Einbeziehung ihres Grundstücks in ein neu festzusetzendes Überschwemmungsgebiet. Dabei können sie als mögliche Verletzung ihres Eigentumsrechts geltend machen, dass das festgesetzte Überschwemmungsgebiet unzutreffend bemessen sei und deswegen ihr Grundstück zu Unrecht in Anspruch genommen werde. Es ist hingegen sehr zweifelhaft, ob die Möglichkeit einer Rechtsverletzung auch in der umgekehrten Situation angenommen werden kann, in der ein Grundstückseigentümer geltend macht, dass ihm wegen eines nach seiner Auffassung unzutreffend (zu klein) bemessenen Überschwemmungsgebiets dessen rechtliche Wirkungen in Gestalt von Nutzungsbeschränkungen für Nachbargrundstücke zu Unrecht vorenthalten werden.

aa) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben im Wasserhaushaltsrecht nur diejenigen Vorschriften nachbarschützende Wirkung, die ausdrücklich die Interessen Drittbetroffener berücksichtigen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht für die (seinerzeit geltenden) wasserrechtlichen Vorschriften über die Freihaltung von Überschwemmungsgebieten ausdrücklich verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Gebot der Freihaltung von Überschwemmungsgebieten erkennbar allein dem Allgemeinwohl und nicht - auch - bestimmten Nachbarn diene. Die maßgebliche Vorschrift sehe weder ausdrücklich noch nach ihrem Sinn die Berücksichtigung von Interessen oder Rechten dritter "Betroffener" vor und bestimme auch nicht hinreichend klar einen überschaubaren Kreis von "Nachbarn", nicht deren Rechte, zu deren Schutz sie bestimmt sein könnte, und nicht die Art der Rechtsverletzungen, gegen die sie Schutz gewähren könnte (Beschl. v. 17.08.1972 - IV B 162/71 -, juris Rdnr. 4). In der jüngeren Rechtsprechung und Literatur wird diese Auffassung insbesondere in Anbetracht der gesetzlichen Änderungen durch das Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3. Mai 2005 (BGBl. I S. 1224), die unter anderem eine Reaktion auf das Jahrhunderthochwasser im Jahre 2002 darstellen, neu diskutiert und unterschiedlich bewertet: Zum Teil wird die ältere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach wie vor für maßgeblich gehalten und deshalb den wasserrechtlichen Vorschriften über die Freihaltung von Überschwemmungsgebieten eine drittschützende Wirkung abgesprochen (vgl. Siedler/Zeitler/Dahme: Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz - Kommentar, Loseblatt, Stand: September 2006, § 31b WHG Rdnr. 10; VG Dresden, Urt. v. 16.06.2009 - 4 K 2574/07 -, juris Rdnr. 23), zum Teil wird eine drittschützende Wirkung hingegen bejaht (so wohl: Czychowski/Reinhardt: Wasserhaushaltsgesetz, 9 Aufl., § 31b Rdnr. 83). Nach einer weiteren Auffassung wird im Sinne eines "partiellen Drittschutzes" darauf abgestellt, in welchem Maße dem Nachbarn dem Nachbarn durch das im Überschwemmungsgebiet geplante Vorhaben ein Nachteil droht (in diese Richtung argumentierend etwa: 12. Senat des Nds. OVG, Beschl. v. 20.07.2007 - 12 ME 210/07 -, juris Rdnr. 14).

bb) Die Diskussion zum Drittschutz der Vorschriften über die Freihaltung von Überschwemmungsgebieten lässt sich jedenfalls im Ansatz auch auf die Konstellationen des "Neuzuschnitts" von Überschwemmungsgebieten übertragen, weil es in beiden Situationen um die Frage geht, ob die sich für einen Nachbarn ergebenden Schutzwirkungen eines Überschwemmungsgebietes einen bloßen rechtlichen Reflex rein objektiv-rechtlicher und im Interesse des Wohls der Allgemeinheit bestehender rechtlicher Vorgaben darstellen, oder ob diese Vorgaben darüber hinaus auch den Schutz Einzelner bezwecken. Jedenfalls im Hinblick auf die hier vorliegende Konstellation der Neubemessung eines Überschwemmungsgebiets neigt der Senat zu der Auffassung, dass die insoweit einschlägigen wasserrechtlichen Bestimmungen zum Hochwasserschutz allein dem öffentlichen Interesse dienen und darüber hinausgehende Individualinteressen als solche normativ nicht geschützt werden sollen. § 2 Abs. 2 Nr. 2 NWG in der hier maßgeblichen Fassung zum Zeitpunkt des Erlasses der Aufhebungsverordnung bestimmt als Bewirtschaftungsgrundsatz ausdrücklich, dass das "Wohl der Allgemeinheit" erfordert, dass Hochwasserschäden verhütet werden. Damit ist normativ deutlich zu Ausdruck gebracht, welchem Interesse der Hochwasserschutz dienen soll. Eine Privatperson hat demzufolge auch nach der vom Bundes- und Landesgesetzgeber beabsichtigten Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes keinen individuellen Anspruch auf die Durchführung bestimmter Hochwasserschutzmaßnahmen (vgl. Haupt/Reffken/Rhode: Niedersächsisches Wassergesetz - Kommentar, Loseblatt, Stand: September 2009, § 92 NWG Rdnr. 3). Ein Grundstückseigentümer kann also aus individuellem Recht z. B. den Bau oder die Verstärkung eines Deiches ebenso wenig verlangen, wie die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets. Umgekehrt dürfte er daher aus individuellem Recht wohl auch nicht verlangen können, dass eine einmal ergriffene Hochwasserschutzmaßnahme in Zukunft unverändert fortgeführt wird. Bei dieser Sichtweise wird das durch bestehende Hochwasserschutzmaßnahmen erreichte Schutzniveau nicht zu einem subjektiven Recht der durch diese Maßnahmen begünstigten Anlieger, sondern stellt einen bloßen Rechtsreflex der Umsetzung des objektiven Rechts dar. Vor diesem Hintergrund neigt der Senat zu der Auffassung, dass sich der Antragsteller von vornherein nicht auf der Grundlage einer individuellen Rechtsposition gegen die Aufhebung des Überschwemmungsgebiets wehren kann und er daher auch nicht geltend machen kann, unmittelbar durch die angegriffene Verordnung i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in eigenen Rechten verletzt zu sein.

b) Der Antragsteller kann eine Antragsbefugnis (auch) nicht daraus ableiten, dass er durch eine Anwendung der angegriffenen Aufhebungsverordnung, namentlich durch den von der Gemeinde Ostercappeln anschließend beschlossenen Bebauungsplan Nr. 54, der in der Umgebung seines Grundstücks ein Gewerbegebiet festsetzt, in seinen Rechten verletzt sein könnte.

aa) Unter Geltung des § 47 VwGO in der bis zum Inkrafttreten des 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996 wurde der seinerzeit für die Begründung einer Antragsbefugnis (nur) erforderliche "Nachteil" auch dann für möglich gehalten, wenn die angegriffene Norm den Erlass einer weiteren Norm oder einer anderweitigen behördlichen Maßnahme veranlasst hat, die sich sodann ihrerseits beeinträchtigend auf geschützte Interessen des Betroffenen auswirkt. Voraussetzung dafür war aber, dass die angegriffene Norm und eine nachfolgende weitere Norm oder Maßnahme in einem rechtlich geordneten Zusammenwirken zur Erreichung eines bestimmten Ziels stehen mit der Folge, dass der Nachteil eines Betroffenen dann - jedenfalls teilweise - auch schon der (angegriffenen) ersten Norm zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Beschl v. 14.02.1991 - 4 NB 25/89 -, juris Rdnr. 16). Diese Überlegung vermag vorliegend eine Antragsbefugnis nicht zu begründen. Zum einen kann von solch einem geordneten Zusammenwirken bei dem "Neuzuschnitt" bzw. der gänzlichen Aufhebung eines Überschwemmungsgebiets und einem nachfolgenden Bebauungsplan zur Festsetzung eines Gewerbegebiets schon deshalb nicht die Rede sein, weil - anders als etwa im Falle der Aufhebung eines Landschaftsschutzgebietes mit der Absicht einer späteren baulichen Nutzung (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 18.12.1987 - 4 NB 1/87 -, NVwZ 1988, 728) - die in der Zukunft liegende Überplanung nicht zum "Prüfprogramm" der Wasserbehörde gehört. Ein "handgreiflich-praktischer Zusammenhang" zwischen Aufhebungsverordnung und Bebauungsplan scheidet daher aus; der Bebauungsplan kann mithin keine die Antragsbefugnis begründende "Anwendung" der Verordnung über die Aufhebung des Überschwemmungsgebiets i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sein. Unerheblich ist dabei, dass die Überprüfung des Überschwemmungsgebiets durch den Antragsgegner auf Initiative der Gemeinde Ostercappeln erfolgt ist.

bb) Davon abgesehen kann sich nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter der Geltung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO i.d.F. des 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996 die Antragsbefugnis zur Normenkontrolle, für die die Möglichkeit einer Rechtsverletzung gefordert ist, ohnehin nicht (mehr) daraus ergeben, dass eine zur Kontrolle gestellte Verordnung einen bestehenden Landschaftsschutz für ein dem Grundstück des Antragstellers benachbartes Gebiet (ganz oder teilweise) zu dem Zweck aufhebt, dort eine bisher nicht zulässige, den Antragsteller beeinträchtigende Nutzung durch Bebauungsplan zu ermöglichen. Der Rechtsschutz potentiell planbetroffener Anwohner, die sich gegen einen Bebauungsplan in einem ehemaligen Landschaftsschutzgebiet zur Wehr setzen wollen, wird dadurch sichergestellt, dass sie - unter dem Vorbehalt ihrer Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 6 BauGB - bei der Normenkontrolle des Bebauungsplans auch eine inzidente Überprüfung der landschaftsschutzrechtlichen Änderungsverordnung erreichen können (BVerwG 11.12.2003 - 4 CN 10.02 -, juris Rdnr. 11, 20). Diese "Entkopplung" von zeitlich aufeinander folgenden Vorschriften im Hinblick auf die Frage, ob schon die erste Vorschrift wegen einer der Sache nach erst aus der nachfolgenden Vorschrift drohenden Rechtsverletzung im Wege der Normenkontrolle angegriffen werden kann, gilt ebenso für das Verhältnis der Aufhebung eines Überschwemmungsgebietes und eines zeitlich nachfolgenden Bebauungsplans. Wenn und soweit ein von einem Bebauungsplan betroffener Anwohner geltend macht, durch einen der Änderung oder Aufhebung eines Überschwemmungsgebiets nachfolgenden Bebauungsplan in seinen Rechten verletzt zu sein, ist er deshalb auf eine gegen den Bebauungsplan gerichtete Normenkontrolle zu verweisen. Bei dieser kann er gegebenenfalls auch eine inzidente Überprüfung der vorausgegangenen wasserrechtlichen Verordnung erreichen, wenn er die Zulässigkeitshürde des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO überwunden hat.

2. Der Normenkontrolleilantrag ist ungeachtet der Frage seiner im Hinblick auf die Antragsbefugnis zweifelhaften Zulässigkeit jedenfalls unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO für die begehrte Außervollzugsetzung der angegriffenen Verordnung des Antragsgegners zur Aufhebung des gesetzlichen Überschwemmungsgebietes der "Euer Gräfte" nicht vorliegen. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung (nur) erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Der Maßstab des § 47 Abs. 6 VwGO, bei dem eine einstweilige Anordnung "dringend geboten" sein muss, ist deutlich strenger als im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO, wonach es ausreicht, dass eine einstweilige Anordnung "nötig erscheint". Grundsätzlich müssen die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe so schwer wiegen, dass deren Erlass unabweisbar erscheint (vgl. Kopp/Schenke: VwGO, 16. Aufl., § 47 Rdnr, 148 m.w.N.). Die Entscheidung ergeht auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache kann dabei abgestellt werden, wenn das Ergebnis offensichtlich ist, der Normenkontrollantrag bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung also entweder offensichtlich keinen Erfolg haben wird oder aber offensichtlich erfolgreich ist, weil sich die angegriffene Norm offensichtlich als unwirksam erweist. Stellen sich die Erfolgsaussichten hingegen als offen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der unter Beachtung des skizzierten strengen Maßstabs in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags für und welche Gründe gegen die begehrte Außervollzugsetzung der angegriffenen Vorschrift sprechen.

Diese Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Unmittelbare und greifbare Nachteile entstehen für den Antragsteller nicht, wenn eine einstweilige Anordnung in Gestalt der Außervollzugsetzung der angegriffenen Aufhebungsverordnung nicht ergeht, der Normenkontrollantrag später aber Erfolg hätte. Demgegenüber entstünden im Hinblick auf die geplante Entwicklung des Gebietes Nachteile, wenn die begehrte Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag später aber erfolglos bliebe. Auch die Erfolgsaussichten in der Hauptsache streiten nicht zu Gunsten des Antragstellers. Im Einzelnen:

a) Allein aufgrund des Umstands, dass das Überschwemmungsgebiet aus dem Jahre 1911 nicht mehr fortgilt, entstehen dem Antragsteller keine unmittelbaren und greifbaren Nachteile in Gestalt einer gesteigerten Hochwassergefahr für sein Grundstück, deren Eintritt zeitnah zu befürchten wäre und deshalb schon im jetzigen Zeitpunkt eine Außervollzugsetzung der Aufhebungsverordnung dringend geboten erscheinen lassen könnte. Der bloße wasserrechtliche Statuswechsel des das Grundstück des Antragstellers umgebenden Gebiets von einem gesetzlichen Überschwemmungsgebiet zu einem potentiellen faktischen Überschwemmungsgebiet hat auch im Falle eines Hochwasserereignisses keinerlei Auswirkungen auf die dortigen Abflussverhältnisse und Retentionsräume. Die vom Antragsteller befürchteten Veränderungen der Geländeverhältnisse mit negativen Auswirkungen für den Hochwasserabfluss werden allenfalls bei einer tatsächlichen Umsetzung des Bebauungsplans Nr. 54 der Gemeinde Ostercappeln eintreten, etwa wenn Flächen versiegelt und bauliche Anlagen errichtet werden. Im Verlauf des Eilverfahrens hat der Antragsteller insoweit (allein) auf die Bauarbeiten für ein Regenrückhaltebecken hingewiesen, wodurch vor Ort "Fakten geschaffen" würden. Es ist indessen nicht ersichtlich, dass sich durch den Bau eines Regenrückhaltebeckens die Gefahren für das Grundstück des Antragstellers erhöhen würden. In Anbetracht des Umstands, dass eine tatsächliche Umsetzung des Bebauungsplans einige Zeit in Anspruch nehmen wird, ist nicht erkennbar, warum dem Antragsteller nicht zugemutet werden können sollte, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zuzuwarten. Auf der anderen Seite würde die Gebietsentwicklung bei Ergehen der begehrten einstweiligen Anordnung schon bei ihrer administrativen Verwirklichung - etwa die Erteilung von Baugenehmigungen - erheblich verzögert. Ungeachtet des Umstands, dass der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts den Bebauungsplan nicht außer Vollzug gesetzt hat, könnte im Fall einer Außervollzugsetzung der hier angegriffenen Aufhebungsverordnung der Erteilung von Baugenehmigungen das Gebot der Freihaltung des Überschwemmungsgebiets entgegenstehen. Allein die administrative Umsetzung der Gebietsentwicklung als solche beeinträchtigt den Antragsteller nicht, während die einmal eingetretenen Zeitverzögerungen im Falle einer Erfolglosigkeit des Normenkontrollantrags verbleiben würden.

b) Auch die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens streiten bei der Interessenabwägung - abgesehen von der ohnehin schon sehr zweifelhaften Antragsbefugnis - nicht zu Gunsten des Antragstellers. Er geht zunächst fehl in der Annahme, dass die Aufhebung eines einmal festgesetzten gesetzlichen Überschwemmungsgebiets rechtlich nicht vorgesehen und deshalb nicht möglich sei. Die Änderungsbefugnis nach der zum Zeitpunkt des Erlasses der Aufhebungsverordnung maßgeblichen Vorschrift des § 92a Abs. 8 NWG schließt die vollständige Aufhebung eines Überschwemmungsgebietes ein (vgl. Haupt/Reffken/Rhode: Niedersächsisches Wassergesetz - Kommentar, Loseblatt, Stand: September 2009, § 92a Rdnr 26). Ein einmal festgesetztes Überschwemmungsgebiet genießt auch vor dem Hintergrund des vom Gesetzgeber betonten vorbeugenden Hochwasserschutzes (§ 92 Abs. 1 Satz 1 NWG in der zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses maßgeblichen Fassung) keinen "Bestandsschutz" für den Fall, dass sich die zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf das maßgebliche Bemessungshochwasser verändert haben. Zu der Frage, ob der Antragsgegner bei der vorgenommen Aufhebung von zutreffenden Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht ausgegangen ist, teilt der Senat die Einschätzung des 1. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 MN 188/09 -, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass die Aufhebung des gesetzlichen Überschwemmungsgebietes der "Euer Gräfte" durch den Antragsgegner rechtswidrig sei bzw. der Bereich östlich des B 218-Auslasses der "Euer Gräfte" bis hin zum Mittellandkanal zumindest als natürliches Überschwemmungs- bzw. Retentionsgebiet anzusehen sei. Auch wenn der "Gutachterstreit" der beteiligten Ingenieurbüros zur Frage der richtigen Bemessung des Überschwemmungsgebiets im Eilverfahren nicht gelöst werden kann, bestehen derzeit keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, von der vom 1. Senat vorgenommenen Bewertung der Hochwassersituation und der Voraussetzungen für die Aufhebung des Überschwemmungsgebietes abzuweichen. Auf die zur Begründung dieser Auffassung vorgenommenen Ausführungen im Beschluss des 1. Senats (S. 7 bis 12 des Beschlussabdrucks) wird daher verwiesen. Der Senat teilt insbesondere die dort skizzierte Auffassung, dass die besseren Gründe für die Richtigkeit der Begutachtung des Ingenieurbüros D. GbR aus E. gegenüber derjenigen der Ingenieure für Wasserbau-Wasserwirtschaft F. & Partner aus G. sprechen. Der 1. Senat hat insoweit zutreffend darauf verwiesen, dass die Ingenieurplanung GbR zumindest den Versuch unternommen hat, die Geländemorphologie aufzunehmen, statt sie aus der Deutschen Grundkarte theoretisch zu entwickeln. Auch die sonstigen Annahmen der Ingenieurplanung GbR und deren Ergebnis erscheinen trotz der dagegen gerichteten Einzelangriffe des Antragstellers durchaus als nachvollziehbar.