VG Stade, Urteil vom 24.02.2010 - 1 A 77/09
Fundstelle
openJur 2012, 50185
  • Rkr:

Das NHundG regelt kein spezielles Verfahren für eine erneute Überprüfung und Aufhebung einer bestandskräftigen Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes, schließt einen Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 48 ff. VwVfG aber auch nicht aus.Die Vorlage eines positiven Wesenstests wie auch der Besuch einer Hundeschule nach Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes stellen keine neuen Tatsachen im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dar.Ein Sachkundenachweis im Sinne des § 8 NHundG setzt voraus, dass der Hundehalter praktische Fähigkeiten zum Führen eines Hundes in der Freifolge belegen kann.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine behördliche Überprüfung der bestandskräftigen Feststellung der Gefährlichkeit ihres Hundes sowie die Erteilung einer Erlaubnis, einen gefährlichen Hund zu halten.

Die Klägerin ist Halterin eines Bernersennenhund-Schäferhund-Mixrüden namens „F.“. Am 12. Januar 2006 biss der Hund der Klägerin einen Fußgänger auf öffentlicher Straße ohne erkennbaren Anlass in das Gesicht und trennte dessen Oberlippe durch. Aufgrund dessen stufte der Beklagte den Hund der Klägerin mit Bescheid vom 20. März 2006 als gefährlich im Sinne des Niedersächsischen Hundegesetzes (NHundG) ein.

Die Klägerin beantragte am 2. Mai 2006 die Erlaubnis, ihren Hund weiterhin zu halten. Sie legte dazu in der Folgezeit einen Wesenstest der Tierärztin Dr. G. vom 28. April 2006 vor.

Am 23. Dezember 2006 kam es zu einem weiteren Beißvorfall, bei dem der unangeleinte Hund der Klägerin einen anderen Hund in dessen rechten Oberlauf biss.

Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin, ihr die Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes zu erteilen, mit Bescheid vom 20. November 2007 ab. Sie habe keinen Nachweis über eine erfolgreich abgelegte Begleithundeprüfung erbracht. Die Klägerin legte dem Beklagten daraufhin eine Bestätigung des Hunde-Sport-Vereins H. e.V. vor, ausweislich derer sie die Sachkundeprüfung des Vereines, abgenommen von Frau I. J. (1. Vorsitzende), am 10. November 2007 erfolgreich abgelegt habe.

Am 3. Dezember 2007 suchte die Klägerin vor dem erkennenden Gericht um vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Beklagten vom 20. November 2007 nach (1 B 1588/07) und erhob am 18. Dezember 2007 Klage (1 A 1652/07). Die Klägerin legte in diesem Verfahren zu ihrem Hund einen Wesenstest der Tierärztin K. vom 12. Dezember 2007 und einen weiteren Wesenstest des Tierarztes Dr. L. vom 15. Dezember 2007 vor. Auf die Einzelheiten dieser Gutachten wird Bezug genommen.

Die Kammer lehnte den Eilantrag der Klägerin mit Beschluss vom 7. Februar 2008 ab.

Mit Schreiben vom 19. August 2008 legte die Klägerin im Klageverfahren (1 A 1652/07) eine Bescheinigung des Hunde-Sport-Vereins H. e.V. vom 12. August 2008 vor. Der Prüfer Herr M. bescheinigt der Klägerin damit, dass sie ihren Hund „F.“ am 10. August 2008 zur Begleithundeprüfung vorgestellt habe. In dieser Bescheinigung heißt es u.a.:

„Desweiteren war der Hund stets angeleint und hatte einen Maulkorb um (bestehende Auflagen). […]

Wegen der bestehenden Auflagen konnte die Begleithundeprüfung nur eingeschränkt abgelegt werden (z.B. keine Freifolge). […]

Die Genehmigung zur Prüfung ist erteilt worden unter AZ N. vom 27. April 2001 durch das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen."

Zu der am 10. November 2007 abgelegten Sachkundeprüfung heißt es unter Ziffer 15 dieser Bescheinigung, dass die Klägerin diese Prüfung mit 124 von 134 möglichen Punkten bestanden habe. Abschließend stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin ihren Hund am 10. August 2008 kontrolliert und sie die ihr gestellten Situationen bewältigt habe.

Ihre Klage (1 A 1652/07) nahm die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2008 zurück.

Sie beantragte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 8. September 2008 bei dem Beklagten, „F.“ erneut zu überprüfen und festzustellen, dass ihr Hund nicht gefährlich im Sinne des Niedersächsischen Hundegesetzes ist.

Mit weiterem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 8. September 2008 beantragte sie zudem, die Bescheinigung über die abgelegte Begleithundeprüfung für die Anerkennung ihrer Zuverlässigkeit für ausreichend zu erklären und ihr nunmehr die Erlaubnis zum Halten ihres Hundes zu erteilen. Das Land Nordrhein-Westfalen habe dem H. er Hundeverein e.V. am 27. April 2001 die Genehmigung, eine Begleithundprüfung abzunehmen, ausgesprochen. Sie habe die Prüfung wegen des bestehenden Leinen- und Maulkorbzwanges nur eingeschränkt durchführen können.

Mit Schreiben vom 9. September 2008 teilte der VDH e.V. dem Beklagten auf dessen Nachfrage mit, dass es sich bei der vorgelegten Bescheinigung vom 12. August 2008 nicht um einen anzuerkennenden Leistungsnachweis für das Bestehen einer Begleithunde- und Sachkundeprüfung handele. Die Sachkundeprüfung des Hundehalters und die Begleithundeprüfung sollte ein qualifizierter Prüfer als Einheit abnehmen. Ein zeitlicher Abstand von zehn Monaten sei zu hinterfragen. Die Art der Dokumentation und Bescheinigung der Sachkundeprüfung sei unangemessen und nicht ausreichend differenziert. Das gleiche gelte hinsichtlich der Bewertungen des Prüfers zu den einzelnen Prüfungsbestandteilen der Begleithundeprüfung. Auch fehle eine aussagekräftige Gesamtbeurteilung des Gespanns „Hundeführer/Hund“. Die Einschränkung für die Begleithundeprüfung aufgrund der bestehenden Auflagen sei nicht akzeptabel, weil man auf einem eingezäunten Übungsplatz hätte zurückgreifen müssen.

Mit Bescheid vom 7. Januar 2009 lehnte der Beklagte sowohl die erneute Überprüfung und Feststellung, dass „F.“ nicht gefährlich im Sinne des § 3 Abs. 2 NHundG ist, als auch die Erteilung der Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 NHundG zur weiteren Haltung des Hundes ab. Zudem stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin ihren Hund sofort abzugeben habe. Ein schriftlicher Abgabennachweis sei bis zum 10. Februar 2009 vorzulegen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte der Beklagte Zwangsmittel an. Die Feststellung, dass „F.“ ein gefährlicher Hund sei, sei bestandskräftig. Ein positiver Wesenstest sei ungeeignet, die Feststellung der Gefährlichkeit von „F.“ in Zweifel zu ziehen. Auch sei die beantragte Erlaubnis, einen als gefährlich eingestuften Hund gemäß § 5 NHundG zu halten, abzulehnen, weil die vorgelegte Bescheinigung über das Bestehen der Begleithundeprüfung vom 12. August 2008 kein Prüfungsnachweis im Sinne des § 8 NHundG darstelle.

Die Klägerin hat das Gericht am 16. Januar 2009 um vorläufigen Rechtsschutz ersucht (1 B 57/09) und am 23. Januar 2009 Klage erhoben. Sie trägt zu Begründung vor: Der Beklagte habe zu Unrecht ihren Antrag, die Gefährlichkeit ihres Hundes erneut zu überprüfen, abgelehnt. Er habe sich zur Begründung seines ablehnenden Bescheides allein auf die bestandskräftig gewordene Gefährlichkeitsfeststellung vom 20. März 2006 berufen, ihren Hund aber weder in Augenschein genommen noch die vorgelegten Gutachten vom 23. April 2007, 12. Dezember 2007 und 15. Dezember 2007 berücksichtigt. Weiter habe der Beklagte sie vor Erlass des ablehnenden Bescheides nicht angehört. Ungeachtet dessen habe sich das Wesen des Hundes in dem Zeitraum von mittlerweile drei Jahren durch ständiges Training und geübten Umgang positiv geändert, so dass von ihm keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mehr ausgehe. Jedenfalls hätte der Beklagte ihr die Erlaubnis, einen gefährlichen Hund zu halten, erteilen müssen. Der Beklagte müsse die Bescheinigung über das Bestehen der Begleithundeprüfung vom 12. August 2008 anerkennen. Sie habe sämtliche Prüfungsaufgaben im Gespann Hund-Halter problemlos bewältigt. Das zuständige Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen habe den Prüfer zur Abnahme der Begleithundeprüfung ermächtigt. Im Übrigen sei es nicht verwunderlich, dass der VDH e.V. als der größte und einflussreichste Hundeverband Prüfungen anderer Verbände prinzipiell nicht anerkenne. Auch setze § 8 NHundG nicht voraus, dass Hundeschulen eine Begleithundeprüfung nach den VDH-Richtlinien durchführen müssten. Es sei weiter nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Dokumentation und Bescheinigung der Sachkundeprüfung vom 10. November 2007 unangemessen und die Art der Begleithundprüfung unzureichend differenziert sei. Die Anforderungen an den Erwerb eines "Hundeführerscheins" seien im Land Nordrhein-Westfalen sehr viel höher als in Niedersachsen. Gleiches gelte für den Umfang der Berichterstattung über den Prüfungsablauf. Die Freifolge, also die Übungseinheiten ohne Leine, hätte sie aufgrund des bestehenden Maulkorb- und Leinenzwanges nur eingeschränkt durchführen können. Die Prüfer seien an diese Auflage gebunden. Auch auf einem eingezäunten Übungsplatz seien die Halter anderer Hunde nicht bereit, ihre Hunde an einer entsprechenden Übung teilnehmen zu lassen, wenn sie dabei "F. " ohne Leine führe.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 12. Januar 2006 nach Wiederaufgreifen des Verfahrens aufzuheben,

hilfsweise,

über ihren Antrag auf Aufhebung des Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden und den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2009 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht ,

hilfsweise,

den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die Erlaubnis zum Halten ihres Hundes F. zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus: Das Niedersächsische Hundegesetz sehe die Möglichkeit, einen gefährlichen Hund erneut zu überprüfen und als nicht mehr gefährlich einzustufen, nicht vor. Auch in der Sache bestehe kein Anlass die ursprüngliche Entscheidung zu überdenken. Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten bestätigten vielmehr den Verdacht der Gefährlichkeit des Hundes. Der Klägerin könne auch nicht die Erlaubnis, ihren Hund zu halten, erteilt werden. Sie habe die Begleithundeprüfung nicht vollständig abgelegt. Der Hinweis auf den Leinen- und Maulkorbzwang sei unangebracht, weil die Prüfung auf einem eingezäunten Gelände hätte stattfinden können. Zum Schutz der beteiligten Hunde und Personen hätte die Klägerin selbstverständlich bei einer solchen Prüfung nicht auf den Maulkorb verzichten müssen. Außerdem sei anzumerken, dass es sich bei der Vereinsvorsitzenden des Hunde-Sport-Vereins H. e.V., die die Sachkundeprüfung abgenommen habe, um keine anerkannte Prüferin handele. Auch habe der Verein der Klägerin nicht - wie sonst üblich - einen Pass- bzw. eine Leistungskarte über das erworbene Ausbildungskennzeichen ausgestellt. Ferner sei der Bescheinigung nicht zu entnehmen, ob der Prüfer den Verdacht, dass jemand dem Tier vor der Prüfung Medikamente verabreicht habe, aufgrund einer tierärztlichen Untersuchung ausgeschlossen habe. Der Klägerin bleibe es unbenommen, eine den Richtlinien des VDH e.V. entsprechende oder anerkannt vergleichbare Begleithundeprüfung zu wiederholen, die insbesondere auch die am 12. August 2008 nicht abgeprüften Prüfungsteile umfasse. Eine derartige Begleithundeprüfung sei unverzichtbar, weil die Klägerin nicht ausschließen könne, dass sich ihr Hund versehentlich unangeleint im öffentlichen Raum bewege. Auch für diesen Fall müsse sie den Nachweis führen, dass sie die nötige Sachkunde besitze und ihr Hund einen uneingeschränkten Gehorsam zeige.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 12. März 2009 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2009 angeordnet. Diese Entscheidung hat die Kammer im Wesentlichen damit begründet, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen seien und eine Interessenabwägung zu Gunsten der Klägerin ausgehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten in den Verfahren 1 B 1588/07, 1 A 1652/07 und 1 B 57/09 sowie auf den vorgelegten Verwaltungsvorgang verwiesen.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung). Der Beklagte hat die Anträge der Klägerin vom 8. September 2008 zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat weder einen Anspruch darauf, dass der Beklagte seinen bestandskräftigen Bescheid vom 12. Januar 2006 einer erneuten Überprüfung unterzieht und aufhebt, noch kann sie die Erlaubnis zur weiteren Haltung ihres Hundes beanspruchen.

32Ein Anspruch der Klägerin auf eine Überprüfung und Aufhebung des Bescheides des Beklagten kann allein aus den Vorschriften der §§ 48 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) folgen. Die Klägerin hat die Feststellung der Gefährlichkeit ihres Hundes unanfechtbar werden lassen. Das Niedersächsische Hundegesetz regelt kein spezielles Verfahren für eine Überprüfung einer solchen Feststellung, schließt einen Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes aber auch nicht aus. In Betracht kommt demnach allein ein Anspruch der Klägerin auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG sowie ein Anspruch nach §§ 51 Abs. 5 i.V.m. 48, 49 VwVfG auf ermessenfehlerfreie Entscheidung, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird.

Die Anspruchsvoraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens liegen nicht vor.

Nach § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zu seinen Gunsten geändert hat (Nr. 1), neue Beweismittel vorliegen, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (Nr. 2), oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind (Nr. 3).

35Vorliegend kommt als Grund für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens allein eine Änderung der Sachlage zugunsten der Klägerin in Betracht. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn sich die für die unanfechtbare Entscheidung maßgeblichen, die Entscheidung tragenden Tatsachen ändern. Die Änderung muss eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung erfordern oder zumindest ermöglichen (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 51 Rn. 92). Das ist hier aber nicht der Fall. Der Vortrag der Klägerin begründet nicht einmal die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung des Beklagten. Die angegriffene Verfügung beruht auf § 3 Abs. 2 Satz 2 NHundG. Danach stellt die Behörde die Gefährlichkeit eines Hundes fest, wenn aufgrund von Tatsachen der bloße Verdacht besteht, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Vorliegend beruht der Verdacht der Gefährlichkeit des Hundes der Klägerin maßgeblich darauf, dass der Hund am 12. Januar 2006 ohne erkennbaren Anlass einen Fußgänger in das Gesicht gebissen hat. Der Verdacht der Gefährlichkeit des Hundes aufgrund dieses Vorfalls wird durch die Vorlage verschiedener Wesenstests, durch eine angeblich positive Entwicklung des Hundes durch intensives Training sowie den Zeitablauf von über 3 Jahren, ohne dass es zu weiteren Beißvorfällen gekommen wäre, nicht in Frage gestellt.

36Die Vorlage auch von mehreren Wesenstests nach Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes ist keine neue Tatsache im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Ein Hundehalter kann mit einem Wesenstest nach § 9 Satz 1 NHundG die Fähigkeit seines Hundes zu sozialverträglichem Verhalten nachweisen. Ein solcher Nachweis stellt nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 NHundG aber lediglich eine Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes dar. Ein positives Gutachten führt nach dem Willen des Gesetzgebers aber nicht dazu, dass die Erlaubnispflicht als solches entfällt, mithin auch die Gefährlichkeit des Hundes als widerlegt gelten kann. Selbst für den Fall, dass der Wesenstest nicht nur die Fähigkeit zu einem sozialverträglichen Verhalten des Hundes nachweist, sondern darüber hinaus deutlich macht, dass schon keinerlei Hinweis auf eine tatsächliche und nicht nur vermutete Gefährlichkeit des Hundes besteht, hat die zuständige Behörde nach der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts, der die erkennende Kammer folgt, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit lediglich zu prüfen, ob sie den nach § 11 Abs. 2 NHundG generell geltenden Leinenzwang nach einer gewissen Zeit ganz oder teilweise aufhebt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.5.2005 - 11 ME 92/05 -, juris). Eine erneute Überprüfung einer bestandskräftigen Feststellung der Gefährlichkeit ist in diesen Fällen nicht angezeigt.

Auch der Vortrag der Klägerin, dass sich das Wesen ihres Hundes ausweislich der vorgelegten tierärztlichen Gutachten durch ständiges Training und geübten Umgang positiv geändert habe, ist nach den dargestellten Grundsätzen nicht geeignet, eine nachträgliche Änderung der Sachlage zu ihren Gunsten zu begründen. Mit dem Besuch einer Hundeschule mag ein Hundehalter im Einzelfall die für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 8 NHundG erforderliche Sachkunde erwerben. Den aufgrund von Tatsachen bestehenden (bloßen) Verdacht der Gefährlichkeit eines Hundes kann ein Hundehalter damit grundsätzlich nicht in Zweifel ziehen.

Schließlich zwingt auch der Umstand, dass der Hund der Klägerin seit nunmehr über 3 Jahren nicht mehr aufgefallen ist, zu keiner erneuten Überprüfung seiner Gefährlichkeit. Der aufgrund eines Beißvorfalles begründete Verdacht, dass von einem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, besteht auch in einem solchen Fall fort. Eine andere Einschätzung verbietet sich schon deshalb, weil ein Hund nach Feststellung seiner Gefährlichkeit etwa einem Leinenzwang nach § 11 Abs. 2 NHundG unterliegt und es schon aus dem Grund zu keinen weiteren Vorfällen kommen sollte.

Abgesehen davon bliebe der Antrag der Klägerin, den Beklagten zu verpflichten, das Verfahren betreffend die Feststellung der Gefährlichkeit ihres Hundes nach § 51 Abs. 1 VwVfG wiederaufzugreifen, selbst dann ohne Erfolg, wenn - entgegen der hier vertretenen Ansicht - aufgrund der positiven Entwicklung ihres Hundes von einer Änderung der Sachlage auszugehen sein sollte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Antrag nach § 51 Abs. 1 VwVfG nur dann begründet, wenn feststeht, dass das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes auch "tatsächlich" eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte (BVerwG, Urt. v. 21.4.1982 - 8 C 75.80 -, NJW 1982, 2204). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Es bestehen für die Kammer keine Zweifel, dass der Beklagte auch im Falle einer erneuten Überprüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der vorgelegten Wesenstests wie auch einer möglichen positiven Entwicklung in den vergangenen Jahren die Gefährlichkeit des Hundes der Klägerin nach § 3 Abs. 2 NHundG feststellen müsste. Der bloße Verdacht, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, besteht aufgrund des Beißvorfalles vom 12. Januar 2006 fort. Dafür spricht bereits der Umfang und die Schwere der Bissverletzung wie auch der Umstand, dass der Hund offenkundig ohne besonderen Anlass oder Außenreiz von einem "normalen" Verhalten zu einem Angriffsverhalten übergangen ist (zu dem Begriff der Gefährlichkeit im Sinne des § 3 NHundG etwa Nds. OVG, Beschl. v. 13.12.2006 - 11 ME 350/06 -, juris; Stabno, Hunderecht, § 3 NHundG S. 14 f. m. w. Nachw.). Die Wiederholung eines solchen Vorfalles ist auch heute nicht auszuschließen. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass insbesondere das Gutachten der Tierärztin K. ein weiteres Indiz für die Gefährlichkeit des Hundes im Sinne des § 3 Abs. 2 NHundG darstellt. Die Tierärztin bestätigt u.a., dass "F. " nicht gelernt habe, einen angemessen Umgang mit Aggressionsverhalten zu üben und ihm die Erfahrung fehle, angeborene Verhaltensweisen angemessen zu zeigen.

Den Anspruch der Klägerin gemäß §§ 48, 49 VwVfG auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, ob der Beklagte die bestandskräftige Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes zurücknimmt oder widerruft, hat der Beklagte mit seinem ablehnenden Bescheid vom 7. Januar 2009 jedenfalls erfüllt.

Eine Behörde kann einen Antrag auf Aufhebung bzw. Überprüfung eines bestandskräftigen Bescheides ermessensfehlerfrei mit der Begründung ablehnen, es bestehe kein Grund für eine neue Sachentscheidung, wenn die Frage, ob der rechtsbeständig gewordene Erstbescheid rechtswidrig zustande gekommen ist, sich nicht aufdrängt. In einem solchen Fall bedarf es auch keiner Abwägung aller für und gegen das Wiederaufgreifen sprechenden Gründe (BVerwG, Urt. v. 6.1.1972 - III C 83.70 -, juris). Gemessen hieran hat der Beklagte eine erneute Überprüfung der Gefährlichkeit des Hundes der Klägerin zutreffend mit der Begründung abgelehnt, dass der maßgebliche Bescheid rechtmäßig und bestandskräftig sei und die nachträglich vorgelegten Unterlagen diese Feststellung nicht in Frage stellen könnten. Der Beklagte musste den Hund der Klägerin dazu weder in Augenschein nehmen noch sich mit den vorgelegten Gutachten detailliert auseinandersetzen. Auch nur einer Anhörung der Klägerin bedurfte es nicht, weil sie bereits mit Antragstellung hinreichend Gelegenheit hatte, alle für die Entscheidung erheblichen Tatsachen vorzutragen (so zu § 28 VwVfG etwa BVerwG, Urt. v. 15.12.1983 - 3 C 27.82 -, BVerwGE 68, 276).

Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der von der Klägerin in der Sache begehrte Widerruf einer rechtmäßigen Entscheidung hier auch deshalb ausscheidet, weil eine solche Entscheidung nach § 49 Abs. 1 VwVfG ausgeschlossen ist, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts - wie hier aufgrund des fortbestehenden Verdachtes der Gefährlichkeit des Hundes - erneut erlassen werden müsste.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch, dass ihr der Beklagte die Erlaubnis, ihren gefährlichen Hund zu halten, erteilt.

Rechtsgrundlage für die Erteilung einer solchen Erlaubnis ist § 5 Abs. 1 NHundG. Danach ist die Erlaubnis nur zu erteilen, wenn der Hundehalter unter anderem die erforderliche Sachkunde besitzt. Nach § 8 NHundG hat den Nachweis der erforderlichen Sachkunde erbracht, wer aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten den Hund so halten und führen kann, dass von diesem voraussichtlich keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Einen solchen Nachweis hat die Klägerin in diesem Verfahren nicht erbringen können.

Der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf verzichtet, die Anforderungen und das Verfahren zur Feststellung der Sachkunde näher zu konkretisieren und sich dafür ausgesprochen, die Auslegung des Begriffes "Sachkunde" der Behörde zu überlassen (LT/DS 14/4006, S. 9). Der Hundehalter kann daher im Prinzip seine Sachkunde gegenüber der Erlaubnisbehörde auf vielfältige Weise nachweisen. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann ein Hundehalter die Sachkunde etwa bei Fachverbänden, in speziellen Hundeschulen oder sonstigen Lehrgängen erwerben, die nach anerkannten Kriterien arbeiten. Neben den theoretischen Kenntnissen, z.B. zum Verhalten eines Hundes gegenüber anderen Hunden oder zu den Grundlagen der konsequenten Hundeerziehung und Ausbildung, sollen in den Lehrgängen auch praktische Fähigkeiten zum Führen eines Hundes, z.B. zur Erteilung von eindeutigen Befehlen, Gehorsamsübungen und Erkennen von Gefahrenmomenten erlernt werden (LT/DS 14/4006, S. 9). Nach den Durchführungshinweisen zum NHundG vom 10. März 2003 (Az. 105/108-12014-58, nicht veröffentlicht) gelten als sachkundig im Sinne des § 8 NHundG u.a. Personen, die mit ihrem Hund erfolgreich eine Hundeausbildung, z.B. eine Begleithundprüfung nach den Richtlinien des VDH e.V. absolviert haben. Ausreichend ist auch der Nachweis der Teilnahme an einer von den zuständigen Behörden als gleichwertig mit den Regelungen des VDH e.V. anerkannten Hundeausbildung der in der Anlage 1 zu den Durchführungsvorschriften aufgeführten Hundeschulen.

Gemessen hieran hat der Beklagte die von dem Hunde-Sport-Verein H. e.V. ausgestellte Bescheinigung vom 12. August 2008 zu Recht nicht als Nachweis der Sachkunde im Sinne des § 8 NHundG anerkannt.

Zwar hat die Verwaltung die Hundeausbildung des Hunde-Sport-Vereins H. e.V. in der Anlage 1 zu den Durchführungsvorschriften zum NHundG als mit den Regelungen des VDH e.V. gleichwertig anerkannt, so dass der Beklagte eine Bescheinigung über das Bestehen einer Begleithundeprüfung dieser Hundeschule im Grundsatz ohne weitere Prüfung der Gleichwertigkeit im Einzelfall als Nachweis der Sachkunde anzuerkennen hat. Ein Hundehalter, der die Prüfung an dieser Hundeschule erfolgreich absolviert, hat einen aus dem Gleichheitssatz folgenden Anspruch (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz), dass die zuständige Behörde nicht zu seinen Ungunsten von der in den Durchführungsvorschriften geregelten Verwaltungspraxis abweicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.8.2006 - 2 B 12.06 -, juris). Dies gilt aber nicht, wenn - wie hier - die Prüfungsleistungen offenkundig nicht einmal den eigenen Regelungen dieses Vereins entsprochen haben. Ausweislich der vorgelegte Bestätigung des Hunde-Sport-Vereins H. e.V. vom 12. August 2008 hat die Klägerin die Prüfung nur eingeschränkt absolviert und keine Übungen mit ihrem Hund in der Freifolge durchgeführt. Auch hat der Prüfer allein die Teilnahme der Klägerin an der Begleithundeprüfung bestätigt, nicht aber, dass die Klägerin die Prüfung auch im Ergebnis bestanden hat.

48Ein Sachkundenachweis im Sinne des § 8 NHundG setzt auch der Sache nach voraus, dass der Hundehalter praktische Fähigkeiten zum Führen eines Hundes in der Freifolge belegen kann. Anhaltspunkte für den Umfang der nachzuweisenden Fähigkeiten und Kenntnisse in diesem Sinne bietet die Prüfungsordnung des VDH e.V. für die Begleithundeprüfung (Stand: 1. Januar 2004), die verschiedene Übungen in der Freifolge zwingend vorschreibt. Ferner weist auch der Beklagte zutreffend darauf hin, dass ein Hundehalter trotz bestehender Auflagen nicht gänzlich ausschließen kann, dass sich sein Hund etwa versehentlich unangeleint und ohne Maulkorb außerhalb des eigenen Grundstückes bewegt. Auch für diesen Fall ist von dem Hundehalter nach § 8 NHundG der Nachweis zu führen, dass er über die praktischen Fähigkeiten zum Führen seines Hundes verfügt. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, sie hätte die Übungen ohne Leine aufgrund des bestehenden Maulkorb- und Leinenzwanges nur eingeschränkt absolvieren können. Die Klägerin hätte die maßgeblichen Übungen in Übereinstimmung mit den geltenden Auflagen auf einem eingezäunten Übungsplatz durchführen können und müssen. Dies hat ihr der Beklagte in diesem Verfahren nochmals ausdrücklich bestätigt. Zum Schutz anderer Hundehalter und ihrer Hunde hätte ihr Hund dabei einen Maulkorb tragen können. Soweit die anderen Hundehalter dazu nicht bereit gewesen sein sollten, geht dies zu Lasten der Klägerin.